zeugung, den Möglichkeiten zum Stromtransport und der
3.3 Typologie energierelevanter Daten
Es handelt sich dabei um ein Pilotprojekt, das fein
granulare und hochqualitative Energiedaten für wissenschaftliche Forschungszwecke verfügbar machen soll. Über die von der britischen Regierung geförderte Plattform sollen halbstündliche Strom
und Gasverbrauchsdaten von ursprünglich 8.000
10.000 Haushalten zusammen mit Kontextdaten (soziodemografische Merkmale, Informationen zum Gebäude, Standort, Wetterdaten usw.) gesammelt und akkreditierten Forschern aus Großbritannien zur Verfügung gestellt werden (Webborn und Elam 2019).
Ähnliche Ansätze finden sich auch in der Datenstra
tegie der Bundesregierung mit der Vernetzung und dem Ausbau von Dateninfrastrukturen wieder. Ein prominentes Beispiel ist die European Open Science
Cloud (EOSC), deren Ziel es ist eine europaweite vertrauenswürdige Verbundumgebung zu schaffen, in der forschungsrelevante Daten und Informatio
nen aller Art gespeichert und geteilt werden können.
Hierzu setzt EOSC auf die Zusammenarbeit europäi
scher Initiativen, in Deutschland insbesondere durch die nationale Forschungsdateninfrastruktur (Bundesregierung 2021).
Wie oben angemerkt, wurden relevante Kontext
daten aus anderen, nicht notwendigerweise energiebezogenen Bereichen von Seim et al. nicht betrachtet. Vollständigkeitshalber sind hier offene Quellen auch solcher relevanten Informationen für die datengetriebene Produktentwicklung zu er
wähnen. Von besonderer Bedeutung sind die Wetterdaten, die insbesondere für die Vorhersage von Stromerzeugung und verbrauch unabdingbar sind, und raumbezogene (GIS13) Daten (Zhou et al.
2016). In der Literatur wird beispielsweise auf das Ver wendungspotenzial von sog. freiwillig erhobenen geographischen Informationen (‘volunteered geographical information’, VGI) beim Datamining für die Energiewirtschaft hingewiesen, insbesondere für eine präzisere Klassifizierung von Haushalten für Vertriebszwecke. (Hopf 2018) Unter VGI verstehen sich gemeinschaftlich von Freiwilligen gesammelte, öffentlich verfügbare raumbezogene Informationen, u.a. in Form von Karten (z. B. OpenStreetMap).
3.3 Typologie energierelevanter Daten
Vorgehend wurden Energiedaten besprochen, die hauptsächlich aufgrund gesetzlicher Melde und Veröffentlichungspflichten, für statistische Zwecke sowie als Voraussetzung für das Funktionieren von Energiemärkten erhoben werden und – ob entgelt
lich oder unentgeltlich – öffentlich verfügbar sind.
Beschränkte Verfügbarkeit von Daten, deren differenzierte bzw. unzureichende Qualität und ggf.
niedrige zeitliche Auflösung führen dazu, dass Unternehmen Daten selbst erheben oder
13 Geographisches Informationssystem 1 / Digitalisierung in der Energiewirtschaft: Definition, Datenzugang und Mehrwerte
ander weitig beschaffen müssen, um neue digitale Produkte und Prozesse zu entwickeln. Auch in diesem Bereich der Energiedatenlandschaft wird der Zugang zu Daten insbesondere aufgrund von Datenschutz als ein wesentliches Hemmnis für digitale Innovationen thematisiert (Rhodes 2020).
Um die Barrieren für den Zugang zu Energiedaten besser zu verstehen und Ansätze aufzuzeigen, wie sie überwunden werden können, werden nachfolgend relevante Daten nach verschiedenen Kriterien katego
risiert und die regulatorischen Vorgaben zu deren Erhebung und Weitergabe differenziert betrachtet.
3.3.1 Energiesystemdaten und Kunden- bzw. Erzeugerdaten Auf einer systemübergreifenden Ebene lassen sich alle im Energiebereich erhobenen Daten in zwei große Kategorien aufteilen: Systemdaten und Daten, die sich auf einzelne Erzeuger oder Endkunden bzw.
Anschlussnutzer beziehen. Zur ersten Kategorie gehören beispielsweise Netzflussdaten, Wetter
prognosedaten, allgemeine Marktdaten, aggregierte Stromerzeugungsmengen sowie der Standort wichtiger Anlagen in einem Stromversorgungs
system. Die zweite Kategorie beinhaltet insbeson
dere Informationen zum Stromverbrauch einzelner Endkunden sowie Eigenerzeugungsmengen dezen
traler Erzeugungsanlagen, Kunden und Anlagen
stammdaten, Abrechnungsdaten und Abrufdaten für steuerbare Verbrauchseinrichtungen (ebd.).
Bei Erzeuger und Kundendaten liegt es nahe, dass sie sich auf einzelne Erzeuger bzw. Kunden beziehen und bei diesen erhoben werden. Systemdaten entstehen entweder an zentralen Stellen wie bei
spielsweise bei Netzbetreibern und Strombörsen oder werden durch Übermittlung dezentral erhobener Daten aggregiert, u.a. im Rahmen von Meldepflichten für das Marktstammdatenregister, Datenmeldung zu dezentraler Erzeugung gegenüber der BNetzA, im Rahmen der Transparenzplattform von ENTSOE nach der EU-Verordnung Nr. 543/2013. Zum Teil
erwähnten Plattformen (beispielsweise SMARD) oder als Statistiken (beispielsweise Energiebilanzen) veröffentlicht. Darüber hinaus sind sie größtenteils nicht öffentlich zugänglich. Aus unserer Sicht ergeben sich jeweils Überschneidungen zwischen den skizzier
ten Kategorien System, Erzeuger und Endkunden
daten. Die grundsätzlich als Systemdaten einzuord
nenden Netzzustandsdaten beinhalten u. A. Werte, die bei Erneuerbaren Erzeugungsanlagen sowie bei steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und größeren Stromkunden gemessen werden. Überschneidungen von End kunden und Erzeugungsdaten ergeben sich dabei im Fall von Prosumern.
3.3.2 Erhebungstechnologien
Im Hinblick auf die Erhebungsmethode energiewirt
schaftlich relevanter Daten kann zwischen Stromzäh
lern, (anderen) Sensoren, Mobiltelefonen bzw. PCs und sonstigen Datenquellen unterschieden werden.
Daten aus Messeinrichtungen stehen im Vorder
grund. Der Einsatz unterschiedlicher Zählertypen – herkömmlicher FerrarisZähler, digitaler Zähler ohne Kommunikationseinheit (moderne Mess
einrichtungen) und mit Kommunikationseinheit (intelligente Messsysteme) – führt zu Unterschieden bei der zeitlichen Auflösung der Daten sowie deren Übertragungsfähigkeit. Auch Smart Meter unter
scheiden sich technisch untereinander. Das Smart Meter Gateway als zentrale Kommunikationseinheit wird dabei einer fortwährenden Weiterentwicklung unterworfen sein, um mit der dynamischen IT
Entwicklung in Form neuer Funktionalitäten Schritt halten zu können (BSI 2020).
Die technische Heterogenität spiegelt sich einer
seits in unterschiedlicher Wertigkeit der Daten wider (dena 2018). Andererseits spielt der Datenschutz, je größer der Bezug zum Endkunden, einzelnen Verbrauchseinrichtungen und je höher die zeitliche Datenauflösung, eine immer wichtigere Rolle (Zwanziger 2019). Der Datenschutz und die Daten
sicherheit werden durch Zertifizierung von
Mess-1 / Digitalisierung in der Energiewirtschaft: Definition, Datenzugang und Mehrwerte
entsprechende gesetzliche Vorgaben an alle zur Datenverarbeitung berechtigte Stellen gewähr
leistet. Die technischen Vorgaben beziehen sich auf Produktkomponenten, den ITBetrieb und die Kommunikationsinfrastruktur (BSI 2020). Auf die Behandlung von Messdaten wird im Laufe des Beitrags noch ausführlicher eingegangen.
Entsprechend dem oben beschriebenen breiten Verständnis energierelevanter Daten werden hier neben den Messdaten auch Daten aus anderen Quellen be rücksichtigt. Insbesondere kommen mit Sensoren gesammelte Daten in Betracht. Diese können vielfältig sowohl auf der Netz bzw. System
ebene als auch bei Erzeugern und Stromverbrau
chern eingesetzt werden. Im Netzbereich kann beispielsweise ein Freileitungsmonitoring (FLM) – eine zeitdynamische Auslastung von Stromleitungen je nach Wetterbedingungen – eine höhere Ausnut
zung vorhandener Stromnetzkapazitäten ermögli
chen und so den Netzausbaubedarf verringern (Agora Energiewende 2019). Im Rahmen des FLM nutzt beispielsweise TenneT neben den Wetterdaten von Verteilnetzbetreibern und allgemeinen Wetter
prognosen auch Daten wie Umgebungstemperatur, Windgeschwindigkeit und Sonneneinstrahlung, die in eigenen Wetterstationen entlang den Strom leitungen gesammelt werden (TenneT). Über wachung von Stromleitungen mit Sensoren kann nicht nur einem optimierten Netzbetrieb dienen, sondern auch wertvolle Daten für Marktanalysen liefern. Dies zeigt beispielsweise die PowerRTPlattform von Genscape mit fundamentalen Strommarktdaten für Energie
händler, Marktanalysten und Portfoliomanager. Das Alleinstellungsmerkmal der Plattform sind Echtzeit
daten zu Lastflüssen in den Stromnetzen aus eigenen Sensoren, die neben üblichen Informationsquellen verwendet werden.14
Ein Beispiel zum Einsatz von Sensoren in Strom
erzeugungsanlagen ist TSE15 – eine von TÜV SÜD in
14 Vgl. https://www.woodmac.com/research/products/power
andrenewables/powerrteurope/
15 Steht für TemperatureStressExhaustion
Zusammenarbeit mit Stadtwerken München ent
wickelte Lösung zur Überwachung thermischer Ermüdung in Kraftwerkskomponenten. Die Analyse gewinnt an Bedeutung und wird zugleich erschwert durch eine unregelmäßigere Fahrweise konventionel
ler Kraftwerke mit dem zunehmenden Anteil volatiler Erneuerbarer Erzeugung. Die TSE besteht aus
Sensoren zur Erhebung und Echtzeitübermittlung von Betriebswerten kritischer Komponenten und einer Software zur Auswertung dieser Daten (TÜV SÜD 2019). Zum Einsatz von Sensoren im Endkunden
bereich bietet sich ein Beispiel aus dem Verbundpro
jekt WindNODE16 an. Durch den Einbau von Tempe
raturfühlern, elektrischen Thermostatventilen, Bewegungsmeldern und die Steuerungsdisplays in traditionellen Wohnhäusern wurde eine hoch
moderne SmartBuildingTechnik eingesetzt. Damit wurde insgesamt 24 Prozent Heizenergie eingespart, zusätzlich zu den getätigten Sanierungsmaßnahmen.
Als selbstlernendes System legt ein Wohnungs
manager autonom fest, wie viel Zeit für das Aufwär
men der Wohnungen tatsächlich benötigt wird.
Ein breites Spektrum potenziell relevanter Daten wird durch Mobiltelefone bzw. PCs, insbesondere über Apps und soziale Netzwerke gesammelt (Moreno
Munoz et al. 2016). Dazu gehören beispielsweise raumbezogene Daten, Bild und Videoinhalte, Mobili
tätsprofile (etwa durch Tracking per Smartphone) (Grünewald und Reisch 2020), Nutzer bzw. Verhal
tensprofile. Solche Informationen können sowohl durch EnergieApps als auch außerhalb des Energie
kontextes erhoben werden. Ein bekanntes Beispiel ist Facebook. Die Plattform sammelt Interaktionen der Nutzer und erstellt aus diesen Daten unikale personenbezogene Profile. Dies ermöglicht es wiederum anderen Unternehmen ihre Reichweite zu verbessern, indem sie ihre Produkte mit personali
sierter Werbung an genau definierte Zielgruppen (zum Beispiel nach Alter, geografisches Einzugsge
biet, Interessen etc. geclustert) auf Facebook
16 Teilprojekt Quartier „Hosemannstraße“ in BerlinPrenz
lauer Berg. Weitere Infos unter https://www.windnode.de/
ergebnisse/windnodekonkret/smartbuilding/
1 / Digitalisierung in der Energiewirtschaft: Definition, Datenzugang und Mehrwerte
bewerben. Auch Energieunternehmen könnten solche Kanäle zur Datenakquise nutzen. Im Hinblick auf den betroffenen Personenkreis handelt es sich bei Daten aus Apps und sozialen Medien hauptsäch
lich um natürliche Personen.
3.3.3 Personenbezogene und nicht personenbezogene Daten Von essenzieller Bedeutung für den Zugang zu energierelevanten Daten im Hinblick auf Daten
schutz ist deren Einordnung als personenbezogene oder nicht personenbezogene Daten. Alle Informa
tionen, die sich auf eine identifizierte oder identi
fizierbare natürliche Person beziehen, gelten als personen bezogene Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) und unterliegen den allgemeinen Vorgaben zum Daten
schutz nach der EUDatenschutzGrundverordnung (DSGVO)17, ergänzt und konkretisiert durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Der Bezug zu einer natürlichen Person kann auch durch Kombi
nation mit anderen Daten hergestellt werden, solange dies mit einem vertretbaren Aufwand verbunden ist (Purtova 2018).
Nur ein Teil des oben skizzierten Kreises energie
relevanter Daten fällt unter personenbezogene Daten bzw. unterliegt dem Datenschutz. Bei jeder Er hebungsart (Stromzähler einschließlich Smart Meter, Sensoren, Mobiltelefone und PCs etc.) werden – je nach Einordnung nach der Definition in der EUDSGVO – sowohl personenbezogene als auch nicht personenbezogene Daten gesammelt.
Im Hinblick auf die Klassifizierung nach Energie
system und Kunden bzw. Erzeugerdaten lässt es sich ebenfalls feststellen, dass in den beiden Kategorien sowohl personenbezogene als auch nicht personen bezogene Daten vorzufinden sind.
Ohne die allerdings notwendige Einzelfallprüfung vorweg zunehmen, lässt es sich pauschal fest
halten, dass Kundendaten tendenziell am meisten
17 Verordnung (EU) 2016/679 vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezo
gener Daten, zum freien Verkehr und zur Aufhebung der
und die Systemdaten am wenigsten durch den Datenschutz geprägt sind. Aus der Perspektive eines Energieversorgungsunternehmens kann es sich bei personen bezogenen Daten vor allem um natürliche Personen handeln, die entweder seine Kunden, potenzielle Kunden oder andere Dritte sind. In einzelnen Fällen ist es jedoch denkbar, dass auch Messdaten von Gewerbe, Handels oder Industriekunden unter die DSGVO fallen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn ein Zählpunkt sich auf eine Anlage oder ein Gebäude bezieht, die nur durch einen Mitarbeiter des Kunden gleichzeitig genutzt werden (bzw.
bei mehreren, wenigen Mitarbeitern, wenn sich aus Stromverbrauchsdaten Informationen über
einzelne Personen ableiten lassen). Im Bereich der Erzeugerdaten kommen insbesondere Daten zu dezentralen, von privaten Haushalten betriebenen Stromerzeugungsanlagen als personenbezogene Daten in Betracht. Soweit Daten von Verbrauchs
einrichtungen bei Haushaltskunden zur Last
steuerung verwendet werden, ist deren Einordnung als systemrelevante personenbezogene Daten vertretbar.
Die beschriebenen Verhältnisse zwischen verschie
denen Kategorien energierelevanter Daten sind in
→ Abbildung 3 schematisch dargestellt.
3.3.4 Vorgaben für einzelne D atenkategorien
3.3.4.1 Vorgaben zum Datenschutz
Das komplexe Datenschutzregime für personen
bezogene Daten nach der DSGVO18 richtet sich nach den Grundsätzen der Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz, der Zweck
bindung, Datenminimierung, Richtigkeit, Speicher
begrenzung, Integrität und Vertraulichkeit sowie der Rechenschaftspflicht des Verantwortlichen
bezüglich der Einhaltung der Datenschutzvorgaben
18 Siehe eine Zusammenfassung von Datenschutzvorgaben beispielsweise in: dena 2018 und bei Spiecker genannt Döhmer, I. in: Doleski 2017.
1 / Digitalisierung in der Energiewirtschaft: Definition, Datenzugang und Mehrwerte
Abbildung 3: Typologische Zusammenhänge energierelevanter Daten Quelle: eigene Darstellung