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Die Bestimmung des Reifegrads in der Analyse­

phase bildet die Grundlage für Schritt 2 – die Definition der IT-Organisation und der IT- Governance mit Hinblick auf die Etablierung eines zukunftsorientierten IT­Managements.

3.2.1 IT-Organisation

Die IT­Organisation stellt den Antrieb eines digitali­

sierten, dynamischen Unternehmens dar. Dafür muss sie eine neue, individuelle Rolle im Unterneh­

men einnehmen. Ziel einer idealen IT­Organisation ist allem voran das Erbringen der vereinbarten IT­Produkte und IT­Services zeitgerecht und wirt­

schaftlich in hoher Qualität für die (internen und externen) Kunden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte die Frage nach der organisatorischen Ver­

ankerung der IT­Funktionen sowie deren Vertretung in der Leitungsebene gestellt werden. Dabei stehen geeignete, also flexible Anpassungen an die jeweili­

gen aktuellen Bedürfnisse sowie modulare, sprich lose gekoppelte, separat anpassbare Architekturen aber auch Mitarbeiter mit entsprechenden Fähig­

keiten und Begabungen sowie speziellen Aus­

bildungen im Mittelpunkt (Urbach und Ahlemann 2016). Es sollte beachtet werden, dass die IT­

Organisation einem steten Wandel unterliegt und daher einer ständigen Prüfung zu unterziehen ist.

Die meisten IT­Organisationen arbeiten heutzutage nach dem Plan­Build­Run­Prinzip, welches haupt­

sächlich auf die Entwicklung und den Betrieb individueller Anwendungssysteme durch die eigene IT­Organisation setzt. Im Einzelnen wird die Bereit­

stellung neuer Technologien systematisch geplant, umgesetzt und die resultierenden Services effizient betrieben (Koch et al. 2016). Nach Erfahrung der Autoren verkürzen allerdings mehr und mehr Unter­

nehmen ihre interne IT­Wertschöpfungskette und lagern Prozesse getreu dem Source­Make­ Deliver Paradigma an externe Partner aus. Zudem liegt die Kernkompetenz eines EVU i.d.R. nicht in der eigenen Softwareentwicklung, sondern dem Einsatz von (ggf.

angepasster) Standardsoftware, zu nehmend mit einem steigenden Anteil von zu integrierenden Cloudanwendungen. In der Energiebranche werden – womöglich aufgrund des hohen Kostendrucks im Zusammenhang mit der Energiewende ­ im Vergleich zu anderen Branchen jedoch weniger externe Partner beschäftigt. Branchenübergreifend ist die In anspruchnahme von Outsourcing­Anbietern bei Individualanwendungen, Standard anwendungen und Plattformen leicht rückgängig. Gerade bei Individual­

anwendungen wird vor allem auf die unternehmens­

eigene IT­Abteilung zurück gegriffen (Capgemini Consulting 2018). Der Fokus dieses Paradigmas bezieht sich primär auf das Management der Leis­

tungsbeziehungen der IT zu Kunden und Lieferanten.

Beide Paradigmen heben die Eigenständigkeit der IT­Wertschöpfungskette in den Vordergrund, was eine unabhängige Planung und Steuerung erfordert.

Umsetzung

3

IT-Governance IT-Organisation

Definition Analyse

2

1

Abbildung 10: Phase 2 – Definition Quelle: Eigene Darstellung

2 / Zukunfts orientiertes IT-Management in Energie versorgungs unternehmen

Das IT-Management kann sich dann auf Effizienz und Verlässlichkeit konzentrieren.

Zu aufwändige Planungsphasen bei immer schneller werdenden Innovationszyklen, ein zu starres und unflexibles IT­Gerüst mit zu langsamen Reaktions­

zeiten auf Markt­ und Technologietrends sowie die Ignoranz von kurzfristigen externen marktorientier­

ten oder technologischen Impulsen lassen das Plan­Build­Run­System ungeeignet erscheinen für die gegenwärtigen Entwicklungen der Digitalisie­

rung. Auch Source­Make­Deliver, wo der Fokus verstärkt auf das Management der Lösungszu­

lieferer und der Kundenbeziehung gerichtet wird, ist als eher reaktives Modell nur wenig geeignet, externe Impulse aufzunehmen und entsprechend schnell darauf zu reagieren (Capgemini Consulting 2018). IT ist im Rahmen der Digitalisierung ein zentraler Bestandteil neuer Produkte, Dienstleistun­

gen und vollständiger Geschäftsmodelle. Deswegen muss die IT­Organisation frühzeitig und proaktiv mit den verschiedenen Fachbereichen kooperieren.

Ein neues Paradigma, in welchem die IT­Organisation nicht mehr reaktiv auf die Wünsche der Fachabteilungen wartet, wird notwendig.

Innovations­, Gestaltungs­ sowie Transformations­

fähigkeit stellen die Kernkompetenzen einer zu­

kunftsgerichteten, digitalisierungswilligen IT­Organi­

sation dar, woraus sich das neue Paradigma

Innovate­Design­Transform ergibt. Eine enge Zusam­

menarbeit mit den jeweiligen Fachbereichen für eine gemeinsame Konzeption und Umsetzung von Ge­

schäfts­ und Wertschöpfungsmodell­Innovationen steht im Mittelpunkt. Die Entwicklung von Implemen­

tierungskompetenzen verliert in Zukunft an Relevanz;

Kreativität, Flexibilität und Design­Kompetenz hingegen werden zunehmend bedeutender ­ glei­

chermaßen ein Kulturwandel im Unternehmen (ebd.).

Neben dem auf Innovation und Flexibilität ausgerich­

teten Paradigma bildet ein möglichst vereinheitlichte

IT­Landschaft einen wichtigen Grundstein von zukunftsfähigen IT­Organisationen. Aus der voran­

gegangenen Analyse sollte dem Status quo der IT­Architektur eine hohe Relevanz zugeordnet werden. Gerade bei Energieversorgern treffen sehr viele Prozesse, Technologien und Produkte aufeinan­

der, welche es zu managen gilt. Standards in der IT gewinnen zunehmend an Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund jüngster Entwicklungen im Bereich des Datenschutzes und der IT­Sicherheit. Ein Standard ist ein gemeinsames Verständnis oder eine Vereinba­

rung Spezifikationen betreffend, welcher bestimmte Abläufe, Regeln oder Anforderungen umfasst. In der Energiewirtschaft sind das unter anderem technische Mindestanforderungen, Informationskaskaden sowie automatisierte Marktprozesse und Daten­

formate (BDEW 2016). Ziel einer Standardisierung ist allem voran die Kostenreduktion. Nebenbei können redundante Datenbestände, Medienbrüche sowie Dateninkonsistenzen reduziert werden. Zudem wird die überbetriebliche Kompatibilität mit den Systemen von Geschäftspartnern gefördert (Beimborn o. J.).

Das IT­Management als unterstützender Unter­

nehmensbereich hängt bisweilen hinterher. Prozesse in der IT werden oftmals noch individuell gestaltet und nur zum Teil standardisiert erbracht (z.B. im Rahmen des IT­Servicemanagements). Deswegen ist in vielen Unternehmen eine transparente und dokumentierte Übersicht aller Prozesse nur in geringem Grad vorhanden und eine gezielte und strukturierte Anpassung an geänderte Bedingungen nur sehr begrenzt möglich, was im Rahmen einer agilen und iterativen Digitalisierungskultur vor dem Hintergrund aufkommender Wettbewerber von Nachteil ist (Zarnekow 2005). Die Geschwindigkeit der Entwicklung neuer Trends und Technologien bestimmt, wie lange Standards u.a. im Bereich Soft­ und Hardware auch als Standard gelten, ob sie sich etablieren oder nach kurzer Zeit durch aktuellere Entwicklungen abgelöst werden. Diese Geschwindigkeit bei der Festlegung von Standards macht es daher für Energieversorger essenziell, stets auf dem neusten Stand zu sein und den

2 /Zukunfts orientiertes IT-Management in Energie versorgungs unternehmen

Digitalisierungsprozess als fortwährende Entwick­

lung und nicht als einmaliges Projekt zu begreifen.

Um nachhaltig und effizient eine Digitalisierung zu ermöglichen, sollten Unternehmen prüfen, ob es überhaupt eine Übersicht gibt, die alle eingesetzten Standards im Unternehmen verzeichnet. Oftmals beginnt damit der erste Schritt zu einer transparen­

ten und reaktiven Prozessgestaltung in der IT­

Organisation. Es sollte sich bewusst gemacht werden, welche Standards den Markt der Branche anführen und ob das Unternehmen in der Lage ist, sich schnell auf neue Standards einstellen zu können. Ist dies nicht der Fall, muss noch weiter vorn ange griffen und die Unternehmensstruktur sowie das Geschäftsmodell überdacht werden.

Im liberalisierten Energiemarkt existieren verschie­

dene digitale Lösungen, die unternehmensinterne Prozesse sowie Marktprozesse zwischen den einzelnen Energieversorgern oder Unternehmen anderer Branchen prozess- und kosteneffizient gestalten (BDEW 2016). Grundlage für moderne (betriebswirtschaftliche) Standardsoftware ist eine funktionierende Prozessorganisation. Software sollte möglichst direkt prozessorientiert implemen­

tiert werden, indem entweder im Rahmen der Anforderungserstellung die konkret abzubildenden Prozesse bereits definiert oder Standardprozesse der Anwendung für die Zielumgebung angepasst werden. Mit der Darstellung der Prozesslandschaft und der zugehörigen IT­Unterstützung sind die beteiligten Akteure (Geschäftsführung, Fachab­

teilungen und IT­Management) in der Lage, ein unternehmensübergreifendes Gesamtbild zu gestalten, welches für Transparenz und damit eine effiziente Realisierung der Geschäftsziele sorgt.

IT­Governance beschreibt die Verantwortung der IT und ihre Fähigkeit zur Erreichung der Unter­

nehmensziele und ist damit Teil der Corporate Governance, also der Steuerung des gesamten Unternehmens. Sie beantwortet die Frage, was die IT für den Unternehmenserfolg leisten kann und

welche Rahmenbedingungen hierfür durch das Management zu schaffen sind (Luber und Schmitz 2017). Bei der IT­Governance steht die Konfor­

mität und nicht die Performance im Vordergrund.

IT­Systeme und damit verbundene organisatori­

sche Strukturen und Prozesse sollten durch sie möglichst wirtschaftlich gestaltet werden. Durch eine klare IT­Governance können IT­Systeme und Applikationen konsolidiert, Anforderungen der Fachbereiche an die IT harmonisiert und Projekte zentral gesteuert werden.

Die Folgen einer nur unzureichend ausgeprägten oder nicht vorhandenen Governance sind eine Vielzahl verschiedener IT­Architekturen, eine mangelhaft gesteuerte Leistungserbringung sowie fehlende Skaleneffekte für die IT­Beschaffung, viele redundante IT­Lösungen und mangelnde Portfolio­

und Projektsteuerung (Tiemeyer 2017).

Für die Definition einer bestehenden IT-Governance müssen verschiedene Entscheidungsprozesse hinterfragt werden. Dazu zählen die „Spielregeln“

für verschiedene Fragestellungen des IT­Einsatzes im Unternehmen (z.B. Ausrichtung und Leitung der IT, Beschaffung, Demandmanagement, Portfolio­

management, Architekturmanagement, IT­Control­

ling) inkl. zugehöriger Verantwortlichkeiten. Bei der Definition sollte stets betrachtet werden, ob die IT­Governance zum Ziel hat, dass Chancen und Risiken der IT und mit der IT gemanagt werden (ebd.). Diese Position verschafft der IT eine aktive Rolle, in welcher sie zur Erreichung der Unter­

nehmensziele effizient beitragen kann.

Das Framework COBIT2 (Control Objectives for Information and Related Technology) eignet sich besonders für die Umsetzung einer IT­Governance.

COBIT als ein umfassendes Framework stellt einen international anerkannten Standard für IT­

Governance und IT­ Controlling dar und deckt

2 https://www.isaca.org/resources/cobit 2 / Zukunfts orientiertes IT-Management in Energie versorgungs unternehmen

Prozesse der IT ganzheitlich ab. Für jeden COBIT Prozess werden eine Prozessbeschreibung, ein Prozessziel, wesentliche Aktivitäten und Mess­

größen, Kontrollziele, Managementrichtlinien sowie Reifegradmodelle festgelegt. Ein Framework wie COBIT unterstützt den Aufbau eines internen Planungs­, Kontroll­ & Steuerungssystems. Zentral hierbei sind die Schaffung einer Verbindung von IT und Geschäftsanforderungen, die Einbindung IT-bezogener Aktivitäten, die Identifikation zu steuernder IT-Ressourcen sowie die Definition zu berücksichtigender Kontrollziele. Ziel von COBIT ist die ganzheitliche Ausrichtung der IT auf Unterneh­

menslösungen, also der Übereinstimmung von Geschäfts­ und Digital­Strategie sowie eine unter­

nehmensweite Standardisierung und erhöhte IT­Verfügbarkeit durch die Einführung von Soft­ und Hardware für mehr Flexibilität und Adaptionsfähig­

keit der installierten IT­Systeme.

Das Framework erlaubt (in der aktualisierten Fassung von 2019) zudem eine individuelle Ausprägung aufgrund zuvor festgelegter Zielstellungen und Gestaltungsparameter, sodass EVU in der Lage sind, ihre IT­Governance flexibel zu gestalten und zusätz­

lich agile Elemente einfließen zu lassen.

Weiterhin soll durch das COBIT­Framework die Wirtschaftlichkeit der IT für das Gesamtunternehmen gewährleistet werden sowie besseres Innovations­

und Investitionsmanagement sowie eine Vereinheit­

lichung und Vereinfachung der IT­Landschaft statt­

finden. Auch das Minimieren von Risiken durch ein effizientes Risikomanagement spielt dabei eine Rolle.

Das Framework unterteilt sich in Governance und Management­Domänen, die aufzeigen, welche Prozesse an welcher Stelle zu implementieren sind.

Das Prinzip der Aufteilung ermöglicht eine genauere Zuweisung der Zuständigkeiten sowie die Vollstän­

digkeit der Unternehmensressourcen, die die Errei­

chung der Unternehmensziele ermöglichen sollen, wie z.B. Prinzipien, Richtlinien und Rahmenwerke oder Kultur, Ethik und Verhalten etc. Die Governance­

Domäne wird im COBIT­Kosmos EDM – Evaluieren, Vorgeben und Überwachen (englisch: evaluate, direct and monitor) genannt. Diese Prozesse stellen den Rahmen und die Regeln auf, denen die Management­

prozesse folgen (Tiemeyer 2017). Sie beschäftigen sich mit dem Sicherstellen der Einrichtung und Pflege des Governance­Rahmenwerks, der Lieferung von Wertbeiträgen, der Risiko­Optimierung, der Ressour­

cenoptimierung sowie der Transparenz gegenüber Anspruchsgruppen (ISACA 2018).

EVU stehen vor der Aufgabe, ihre IT­Governance auch auf neue Geschäftsmodelle, die wichtig für deren Weiterentwicklung sind, auszurichten. Dazu zählen zum Beispiel die organisatorische Verknüp­

fung der Softwareentwicklung mit Organisations­

formen wie Kompetenz­Center im Umfeld energie­

wirtschaftlicher und technischer Systeme mit den Fachbereichen für eine schnellere Reaktion auf Geschäftsanforderungen (VKU 2017).

Governance

Management

Plan Build Run Monitor

Direct Monitor

Evaluate

Abbildung 11: Governance- & Managementprozesse Quelle: nach COBIT

2 /Zukunfts orientiertes IT-Management in Energie versorgungs unternehmen

3.3 Stufe 3: