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1 Epidemiologie ausgewählter Infektionskrankheiten in Sachsen-Anhalt

1.5 Tuberkulose

Meldungen: 2014: 120 Erkrankungen 2013: 118 Erkrankungen

Inzidenzen: 2014: 5,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner 2013: 5,0 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner Steckbrief

Erreger: Bakterien: Mycobacterium-tuberculosis-Komplex: v. a. Mycobacterium tuberculosis, M. bovis, M. africanum, M. microti, M. canetti, M. pinnipedii, M.caprae;

weltweit verbreitet

Reservoir: M. tuberculosis und M. africanum: Mensch; M. bovis: Mensch, Rind, manche Wildtiere; M. canetti:

Menschen am Horn von Afrika; M. microti: kleine Nager; M. pinnipedii: Seehunde

Übertragungsweg: fast immer Tröpfcheninfektion, ausgehend v. a. von an offener Lungentuberkulose Erkrankten;

die Infektion mit M. bovis durch nicht pasteurisierte Milch infizierter Rinder spielt in Mitteleuropa

keine Rolle mehr

Inkubationszeit: ca. 6 Wochen bis mehrere Jahrzehnte (Erkrankung meist innerhalb des 1. Jahres)

Ansteckungsfähigkeit: am höchsten, wenn säurefeste Stäbchen mikroskopisch nachweisbar: Risiko steigt ab kumulativ 8 h Aufenthalt im geschlossenen Raum mit an offener Lungentuberkulose Erkrankten;

lediglich kultureller oder molekularbiologischer Nachweis: Risiko steigt ab kumulativ 20 h Aufent-halt im geschlossenen Raum mit an offener Lungentuberkulose Erkrankten;

Kinder unter 10 Jahren sind häufig mikroskopisch negativ und gelten zudem aufgrund ihres schwächeren Hustenstoßes in aller Regel nicht als infektiös;

mit wirksamer antituberkulöser Kombinationstherapie sind Patienten meist innerhalb von 2 bis 3 Wochen nicht mehr infektiös

Symptome: LTBI (latent tuberkulöse Infektion ohne Symptomatik, kann in Erkrankung übergehen); in 80 % der Fälle als Lungentuberkulose auftretend, jeder länger als 3 Wochen andauernde Husten sollte ab

geklärt werden;

bei Säuglingen und Kleinkindern Gefahr der primären Generalisation mit Miliartuberkulose und

tuberkulöser Meningitis

Diagnostik: Tuberkulin-Hauttest und Interferon-Gamma-Tests (IGRA) weisen nur eine tuberkulöse Infektion nach, keine Unterscheidung zwischen LTBI und Tuberkuloserkrankung möglich;

Nachweis der Tuberkulose: Erregerisolierung; mikroskopisch färberischer Nachweis säurefester Stäbchen, bestätigt durch Nukleinsäurenachweis nur in Material des gleichen Organsystems Therapie: Kombinationsschemata mit mehreren Antituberkulotika

Prävention: Isolierung und Atemschutzmasken bei Erkrankten bzw. med. Personal/Besucher;

rasche Entdeckung erkrankter/infizierter Personen; Chemoprophylaxe bei exponierten Kindern unter 5 Jahren, Chemoprävention/regelmäßige med. Untersuchungen (Röntgendiagnostik) bei exponierten Personen mit LTBI

Zeitlicher Verlauf

Während der Jahre 2001 bis 2009 ist die Tuberkulose (TB)-Inzidenz in Sachsen-Anhalt stetig gesunken. Von 2010 bis 2014 lag sie zwischen 4,3 und 5,8 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner und scheint seit 2013 im Bereich von 5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner zu stagnieren. Mit 120 Tuberkulose-Erkrankungen im Jahr 2014 (5,1 Erkran-kungen pro 100.000 Einwohner) ist der Trend zum Vorjahr 2013 mit 118 Erkrankungen gleichbleibend. Die Inzidenz des Jahres 2014 entspricht nahezu dem Median der 5 Vorjahre (2009 – 2013: 5,01 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner).

Annähernd deckungsgleich erscheinen hierzu die deutsch-landweiten Daten, wobei die Inzidenz im Vergleich zum

Vor-jahr leicht gestiegen ist (von 5,3 auf 5,6 Erkrankungen pro Abb. 85 Inzidenz der Tuberkulose seit 2005,

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Inzidenz

Jahr Sachsen-Anhalt Deutschland

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Tab. 14 Anzahl und Inzidenz der Tuberkuloseerkrankungen nach Herkunft, Sachsen-Anhalt, 2014

Abb. 87 Tuberkulose, Verteilung der Altersgruppen bei deutschen und ausländischen Patienten, Sachsen-Anhalt, 2014

Regionale Verteilung

Aus dem Stadtkreis Halle (Saale) wurden 2014, wie schon im Jahr zuvor, die meisten Tuberkulosefälle gemeldet (n = 20). Die mit 10,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner höchste Inzidenz verbuchte der LK Anhalt-Bitterfeld. In abso-luten Zahlen am geringsten betroffen waren die LK Altmark-kreis Salzwedel und BurgenlandAltmark-kreis (jeweils n = 2). Mit 1,02 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner hatte Letzterer auch die geringste Inzidenz.

Herkunft Personen Fälle Inzidenz

Sachsen-Anhalt (Deutsche) 2.213.867* 70 3,16

Sachsen-Anhalt (Ausländer) 45.526* 50 109,8

davon: Afrika 3.497* 23 657,7

Abb. 86 Tuberkulose, altersspezifische Inzidenzen, Sachsen-Anhalt, 2014

Demografische Merkmale

Die höchste altersspezifische Inzidenz fand sich bei den 25- bis 29-Jährigen, dicht gefolgt von den 20- bis 24-Jähri-gen (12,12 bzw. 10,56 Erkrankun24-Jähri-gen pro 100.000 Einwoh-ner). Überdurchschnittlich hohe Erkrankungsraten wurden außerdem mit 7,02 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner bei den über 70-Jährigen registriert, welche die zahlenmäßig am stärksten betroffene Altersgruppe darstellten (28 Fälle).

Tuberkulose-Erkrankungen bei Kindern wurden 2014 nicht gemeldet.

Mit 88 (73 %) von 120 Fällen erkrankten deutlich mehr Männer an einer Tuberkulose als Frauen. Dieser Unter-schied war in allen betroffenen Altersgruppen ausgeprägt, insbesondere bei den jungen Erwachsenen.

Deutschland ist ein Tuberkulose-Niedriginzidenzland, im Gegensatz zu Tuberkulose-Hochinzidenzländern kommt die Erkrankung innerhalb der deutschen Bevölkerung selten vor.

Stratifiziert man Tuberkulose-Patienten nach ihrer Herkunft in Deutsche und in Sachsen-Anhalt lebende Ausländer, fällt dementsprechend auf, dass die Inzidenz der Tuberkulose bei Ausländern im Jahr 2014 wesentlich höher lag als bei Deutschen (siehe Tabelle). Aus Afrika stammende Patien-ten wiesen die mit Abstand höchste Inzidenz auf. Insgesamt erkrankten 70 Deutsche und 50 Ausländer (in Sachsen-An-halt lebend). Dabei verteilten sich die Herkunftsländer der 50 ausländischen Tuberkulose-Erkrankten wie folgt: je 9 x In-donesien und Somalia, 6 x Indien, 4 x Guinea-Bissau, je 3 x Burkina Faso und Niger, je 2 x Mali, Rumänien, Russische Föderation und Serbien, sowie je 1 x Brasilien, Eritrea, Ma-rokko, Nicaragua, Philippinen, Syrien, Vietnam und in einem Fall ein unbekanntes Ausland.

Außerdem fällt die in beiden Gruppen sehr unterschied-liche Altersverteilung auf. Die deutschen Patienten wa-ren überwiegend älter als 49 Jahre (51 von 70 bzw. 73 %), während die ausländischen Patienten meist unter 50 Jah-re waJah-ren (44 von 50 bzw. 88 %). Wegen der hohen Durch-seuchung in ihren Herkunftsländern sind Menschen aus Tu-berkulose-Hochinzidenzländern häufiger in jüngeren Jahren betroffen als Personen deutscher Herkunft.

Unter dem Herkunftsaspekt trifft die oben bereits ausge-führte Präferenz des männlichen Geschlechts gleicherma-ßen für Deutsche (73 % männlich) wie auch für in Sachsen-Anhalt lebende Ausländer (74 % männlich) zu.

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Inzidenz (nach Altersgruppen) Inzidenz Sachsen-Anhalt

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Abb. 88 Regionale Verteilung der übermittelten Tuberkulosefälle pro 100.000 Einwohner je Landkreis bzw. kreisfreie Stadt, Sachsen-Anhalt, 2014

Epidemiologische Besonderheiten (extrapulmonale Manifestationen, Erreger, Häufungen)

Folgende extrapulmonale Manifestationen traten 2014 auf:

• 6 x Lymphknoten-Tuberkulose, davon 3 x extrathorakal und 3 x intrathorakal,

• 6 x Tuberkulose der Pleura,

• 5 x Peritoneum, Verdauungstrakt,

• je 1 x sonstige. Knochen/ Gelenke bzw. Zentralnerven-system.

In 66 Fällen gelang der Nachweis von M. tuberculosis sowie in je einem Fall der von M. bovis bzw. M. africanum.

Zehn klinisch relevante Stämme wurden lediglich bis auf die Ebene des M.-tuberculosis-Komplex differenziert. Bei 42 Pa-tienten fehlten die Angaben bzw. waren nicht ermittelbar.

4 männliche Patienten im Alter von 53 bis 82 Jahren ver-starben trotz eingeleiteter tuberkulostatischer Therapie an der gemeldeten Lungentuberkulose. Die 4 Verstorbenen stammten aus dem LK Harz. Eine 82-jährige Frau verstarb vor Beginn einer notwendigen Behandlung an einer Tuber-kulose des Peritoneums.

Nachfolgend werden die 3 gemeldeten Tuberkulosehäu-fungen im Jahr 2014 geschildert.

• Im LK Stendal erkrankten 2014 4 Männer im Alter von 24 bis 26 Jahren an Tuberkulose. Sie gehören zu einem Bekanntenkreis und trafen sich in Wohnungen, um ge-meinsam zu rauchen und Alkohol zu trinken. Zudem wur-de die gemeinsame Benutzung einer Wasserpfeife

ange-geben. Alle wurden hospitalisiert. Bei einem der Männer war nicht die Lunge, sondern die Pleura betroffen.

• Im LK Anhalt-Bitterfeld erkrankten im Zeitraum von Juni bis August 2014 3 Frauen und ein Mann (Indexfall) im Al-ter von 20 bis 21 Jahren. Alle sind Studenten, haben u.a.

in ihren Wohnstätten Kontakt gehabt und kommen aus Indonesien.

• In einem Krankenhaus in der Landeshauptstadt Magde-burg erkrankte ein 29-jähriger indonesischer Arzt an ei-ner offenen Lungentuberkulose. Mikroskopisch konnten säurefeste Stäbchen im Sputum nachgewiesen werden.

Eine auffällige Thorax-Röntgen-Untersuchung (TRU) und ein molekularbiologischer Nachweis stützen die Di-agnose „Tuberkulose“. Der Arzt hatte vor seiner Diagno-sestellung bereits monatelang vermehrt gehustet. In Zu-sammenarbeit zwischen dem Gesundheitsamt und dem betriebsärztlichem Dienst der Klinik wurden 170 Mitarbei-ter und 11 Personen aus dem privaten Umfeld als Kon-taktpersonen ermittelt. Bei Personen mit engem Kontakt zum Indexfall wurde ein Interferon-Gamma-Release-As-say (IGRA) durchgeführt, Personen ohne engen Kontakt wurde ein IGRA angeboten. Patienten wurden laut Risi-koeinschätzung nicht als enge Kontaktpersonen einge-stuft, da es sich nicht um abwehrgeschwächte Patien-ten handelte, der Arzt keinen inPatien-tensiven Kontakt zu ihnen hatte und die Liegezeiten kurz waren (kumulative Kon-taktzeit von maximal 1,5 Stunden, ein erhöhtes Risiko besteht bei mikroskopisch offener Lungentuberkulose ab 8 Stunden). Bei positivem IGRA-Befund erfolgte eine TRU. Mit Stand vom 28.11.2014 ist nicht bekannt, dass eine behandlungsbedürftige Lungentuberkulose bei Kon-taktpersonen nachgewiesen wurde, 2 von 57 waren im IGRA positiv. In Abhängigkeit von den Befunden der da-rauffolgenden TRU erfolgte eine Beratung durch die pul-mologische Ambulanz und ggf. eine Postexpositionspro-phylaxe oder eine Therapie. Bei negativem IGRA erfolgte eine Wiederholungsuntersuchung nach 8 Wochen. 2 der privaten Kontaktpersonen waren Kinder, welche in der Klinik untersucht wurden.

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