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Tourismus in Ostdeutschland –

Incoming-Geschäft floriert wieder

Sparkassen-Tourismusbarometer bescheinigt erfolgreiche Entwicklung

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er Tourismuspreis des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) MarketingAward „Leuchttürme der Tourismuswirtschaft“ zählt mittlerweile zu den begehrtesten Auszeichnungen der Tourismusbranche in den neuen Bundesländern. Der Geschäftsführende OSV-Präsident, Claus Friedrich Holtmann, hat anlässlich der Internationalen Tourismusbörse 2011 (ITB) vor rund 800 Gästen auf dem 14. OSV-Tourismusforum Betriebe geehrt, die erfolgreich auf internationalen Märkten sind und Maßstäbe setzen.

Claus Friedrich Holtmann, Geschäftsführender Präsident des Ost-deutschen Sparkassenverbandes, bei seiner Ansprache auf dem 14. OSV-Tourismusforum Foto: Ostdeutscher Sparkassenverband, www.osv-online.de

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F O R UM NEUE LÄNDER

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • MÄRZ 2011

Ansbacher Str. 6 • D 10787 Berlin • Tel + 49 (0)30-212 99 20 • Fax +49 (0)30-212 99 234 eMail: info@hotelairinberlin.de • www.hotelairinberlin.de

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UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Erdgas hat in Sachsen einen hohen Stellen-wert. Welche Akteure kommen Ihnen zuerst in den Sinn, wenn Sie die Begriffe Erdgas und Sachsen miteinander assoziieren?

Mischa Woitscheck:

Mir fallen zuerst die Regionalversorger ein und Stadtwerke, die eng mit den Kommunen ver-knüpft sind; natürlich aber auch die Verbundnetz Gas AG (VNG). Hier habe ich noch aus meiner Leipziger Zeit enge Kontakte. In den Kommunen wird das Unternehmen hoch geschätzt – als zuver-lässiger Gas-Lieferant und hilfreicher Partner. Für den Freistaat Sachsen ist es ein Glück, solch ein eng mit der Region verwurzeltes Großunternehmen im Land zu haben. Das bringt Versorgungssicher-heit, Arbeits- und Ausbildungsplätze, Steuer-einnahmen und darüber hinaus auch ein breites soziales, kulturelles und sportliches Engagement.

Die kommunale Verankerung der VNG lässt sich plastisch daran verdeutlichen, dass ein Zusammenschluss von zehn kommunalen Unter-nehmen mehr als ein Viertel der Anteile hält. Fünf dieser Unternehmen sind in Sachsen beheimatet.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Im vergangenen Jahr hat es zwei große Kon-zentrationsprozesse auf dem sächsischen Erd-gasmarkt gegeben. Sowohl in Dresden, als auch in Chemnitz haben sich große Stadtwerke mit Regionalversorgern in der Region vereinigt.

Zusammen mit der Re-Kommunalisierung der WEMAG waren dies die wichtigsten Umstruk-turierungen, die sich in der ostdeutschen Energie-wirtschaft im vergangenen Jahr vollzogen haben.

Wie hat sich der Erdgasmarkt in den Neuen Bundesländern durch diese Prozesse verändert?

Reiner Gebhardt:

Wir haben sowohl bei Strom, als auch bei Gas einen verstärkten Wettbewerb. Bei beiden Sparten sind mittlerweile mehr als 50 Anbieter im Markt.

Dadurch entsteht ein erheblicher Druck auf die Gewinnmargen. Parallel dazu wirkt sich die Anreiz-regulierung der Bundesnetzagentur auf das Netz-geschäft aus. Damit lässt sich für die kommenden Jahre recht sicher ein Rückgang der Einnahmen vorhersagen. Die Geschäftsführung eines Unter-nehmens muss sich auf diese Prozesse einstellen.

In Chemnitz und dem Umland gab es zwei starke kommunale Unternehmen, die den kommunalen Gedanken auch gelebt haben. Insofern war es folge-richtig, dass wir die Synergien einer Fusion nutzen.

Was den jüngsten Konzentrations- und Umstruk-turierungsprozessen auf dem ostdeutschen Gasmarkt gemein ist, ist der Trend zur Rekommunalisierung.

Bei uns in Chemnitz sind zwar zwei kommunale Unternehmen zusammengegangen, doch mit der

Kommunalisierung unseres Anteilseigners Thüga wurde die kommunale Komponente auch hier gestärkt. Allen Eigentümern des neuen Unter-nehmens ist es wichtig, dass der Großteil der Wert-schöpfung bei uns in der Region bleibt.

Woitscheck:

Ich begrüße den Trend zur interkommunalen Kooperation und ziehe den Hut vor dem, was in Chemnitz erreicht worden ist. Letztlich kommt dies auch den Kunden zu Gute. Denn

nur, wenn Synergien gehoben werden, lassen sich auch wettbewerbsfähige Preise anbieten.

Wenn 125 Einzelkommunen mit einer Groß-stadt zusammengehen, wurden viele Barrieren und Befürchtungen überwunden. Durch das in Chemnitz gewählte Konstrukt wurde der Angst vor der Dominanz eines großen Partners die Grundlage genommen.

Forum Erdgas

FORUM ERDGAS – DISKUSSION ZUR ZUKUNFT DES ENERGIETRÄGERS IN DEN NEUEN BUNDESLÄNDERN

Große Dynamik im Markt

Auslaufende Konzessionsverträge und kommunale Handlungsoptionen

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rdgas spielt in den Neuen Bundesländern eine deutlich größere Rolle, als in den alten Bundesländern. In Sachsen ist dieser Stellenwert besonders ausgeprägt. Und nicht nur das: Zwischen Dresden, Chemnitz und Leipzig hat sich in den vergangenen Monaten enorm viel getan. Ein Beispiel für die aktuelle Dynamik im sächsischen Gasmarkt ist die Fusion zwischen einem der größten Regionalversorger und einem der größten Stadtwerke in den Neuen Bundesländern. Aus Erdgas Südsachsen und den Stadtwerken Chemnitz wurde „eins – energie in sachsen“. Der Geschäftsführer dieses neuen Unternehmens, Reiner Gebhardt, war in unserer Runde zu Gast, um aus erster Hand über die Gründe, Herausforderungen und Folgen der Fusion zu berichten. Nicht nur in Südsachsen, sondern in allen Teilen der fünf Neuen Bundesländer stellen die vielerorts auslaufenden Konzessionsverträge Kommunen vor die Alternativen Selbermachen, Dritte finden oder sich mit anderen zum Selbermachen zusammenschließen.

Erdgas erhält in der aktuellen politischen Diskussion um Energiekonzept, Atomausstieg und ökologische Energiewende nicht die Beachtung, die der Energieträger rein objektiv verdient hätte. Die Brückenfunktion, die Erdgas beim Übergang in eine neue Versorgungslandschaft spielen könnte, wird von der Politik nur unzureichend wahrgenommen. Im Rahmen des „Forum Erdgas“ diskutierte UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER auch die Symptome und mögliche Therapieansätze für dieses politische Aufmerksamkeitsdefizit.

Dr. Jens Horn

Andrej Krocker

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UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • MÄRZ 2011

Grenze zur wirtschaftlichen Unvernunft

Gebhardt:

Wir sind seit drei Jahren dabei, die Konzessions-verträge neu zu gestalten. Dabei hat uns der Sächsische Städte- und Gemeindebund mit seiner gesammelten Kompetenz sehr geholfen.

Eher kritisch sehe ich, wenn auch Klein- und Kleinstkommunen ihre Versorgung in Eigen-regie lösen wollen. Unter einer bestimmten Mindestgröße kann sich das gar nicht rechnen.

Der grundsätzlich positive Trend der Re-Kommunalisierung muss in einem angemessenen Rahmen bleiben, denn mit einer weiteren Zer-gliederung ist niemandem geholfen.

Dr. Jens Horn:

Es ist die Kehrseite eines verstärkten Engagements der Kommunen, wenn den Regionalversorgern relativ lukrative Regionen entzogen werden.

Der so entstandene Fleckenteppich wird deren Wirtschaftlichkeit stark einschränken. Wenn der Trend hin zu Gemeindewerken geht, dann ist der angesprochene angemessene Rahmen sicher durchbrochen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Es sollte im Einzelfall geprüft werden, ob eine Eigenerledigung ökonomisch sinnvoll sein kann. Bei den meisten kleinen Kommunen muss die Antwort schon deshalb negativ ausfallen, weil das nötige Eigenkapital nicht vorhanden ist. Auch im vorpommerschen Grimmen gab es die Idee, ein eigenes Stadtwerk zu gründen.

Bei der Suche nach einem starken strategischen Partner besann man sich hier auf die gute Nach-barschaft zur Hansestadt Greifswald, deren Stadtwerke heute zu 49 Prozent beteiligt sind.

Können solche strategischen Partnerschaften zwischen Kommunen der Weg sein, im Umfeld einer sukzessive schlechter werdenden Ertrags-lage a.) die Unabhängigkeit zu erhalten und b.) langfristig für Stabilität zu sorgen?

Woitscheck:

Die Entscheidung liegt natürlich bei den Kom-munen. Doch rein objektiv gibt es hinsichtlich der Einwohnerzahl eine zwar nicht statisch zu interpretierende aber dennoch vorhandene Grenze zur wirtschaftlichen Unvernunft.

Investitionen können schließlich nicht beliebig auf die Gebühren umgelegt werden.

Dr. Horn:

Wenn sich kommunale Stadtwerke bilden, erwarten die Kunden eher eine Preisminderung.

Geht es in die umgekehrte Richtung, entsteht politischer Druck.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Für den Energieträger Erdgas konnte in den ver-gangenen Jahren eine sehr dichte Infrastruktur auch im Verkehr geschaffen werden. Bislang ist es dennoch keinem alternativen Antrieb gelungen, die Dominanz von erdölbasierten und daher umweltschädlichen Kraftstoffen zu brechen. Nun wurden die deutschen Autofahrer von der Bunderegierung auf den Biosprit E 10 zwangsverpflichtet. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie die aktuelle Diskussion zur weit reichenden Unverträglichkeit dieses Kraftstoffs betrachten?

Dr. Horn:

Die ökologische Sinnhaftigkeit von E10 wird mittlerweile selbst von Umweltgruppen bezweifelt.

Wir haben eine deutlich bessere Möglichkeit, mit regenerativen Energien emissionsschonenden Verkehr zu gewährleisten. Erdgas und Bio-Erdgas weisen gegenüber Ethanol und anderen flüssigen Treibstoffen eine Reihe von Vorteilen auf. Es gibt eine etablierte Technik sowohl für Tankstellen, als auch für Fahrzeuge. Erdgas kann nahezu beliebig mit Bio-Erdgas vermischt werden, womit sich hohe Quoten von CO₂-armen oder CO₂-freien Kraftstoffen erreichen lassen. Und es lässt sich eine Flächeneffizienz erzielen, die doppelt bis dreifach so hoch ist, wie bei Bio-Ethanol. Bei Maissilage, die zu Bio-Erdgas vergoren wird, ist der Ertrag pro Hektar zwei bis drei Mal so hoch, wie bei Raps-pflanzen als Grundlage von Bio-Ethanol.

Im Unterschied zu anderen Verwendungs-möglichkeiten des Energieträgers wird Erdgas als Kraftstoff immerhin auch im Energiekonzept der Bunderegierung thematisiert. Die Steuer-begünstigung von Erdgas als Kraftstoff soll über das Jahr 2018 fortgeschrieben werden. Nun muss die Absichtserklärung im Konzept nur noch zu einer verbindlichen Entscheidung reifen. Damit könnte

auch die Automobilindustrie motiviert werden, stärker in die technische Entwicklung zu investieren.

Von der Erdgaswirtschaft wurde das Thema Erd-gas als Kraftstoff in den vergangenen Jahren erheb-lich gepusht. Heute gibt es ein Netz von etwa 850 Erdgastankstellen. Im Verhältnis zu nur 80.000 bis 90.000 Erdgasfahrzeugen ist dieser Wert fast schon zu hoch, um einen wirtschaftlichen Betrieb zu gewährleisten. Dabei könnte Erdgas auch im Individual- und Güterverkehr als ideale Brücke zu weitgehend schadstofffreien Kraftstoffen dienen.

Elektroautos werden auf absehbare Zeit nur im Stadtverkehr einsetzbar sein.

Andrej Krocker:

Ich fahre selbst ein Erdgasfahrzeug. Komfort und Geschwindigkeit sind mit herkömmlich betriebenen Fahrzeugen absolut vergleichbar. Allein mit Erdgas liegt die Reichweite bei 450, zusammen mit dem integrierten Benzintank bei 800 Kilometern.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Das Energiekonzept der Bundesregierung wird aktuell heiß diskutiert. Wie werden die Weichenstellungen der Bundesregierung in den Kommunen wahrgenommen und welche Informationsdefizite gibt es?

Woitscheck:

Die Verlängerung der Laufzeiten war für viele Kommunen, die sich im Energiebereich engagieren, ein Schock. Die hohen Investitionen – etwa in die Technologie der Kraft-Wärme-Kopplung – sind dadurch gefährdet. Die Zufriedenheit ist auch deshalb nicht sonderlich ausgeprägt, weil viele Randbedingungen nur ungenügend beachtet wurden. Es wurde weitgehend ignoriert, dass die Grundlast auch in einem regenerativen Zeitalter von herkömmlichen Energieträgern getragen Forum Erdgas

Reiner Gebhardt

Mischa Woitscheck

werden muss. Erdgas ist sehr gut mischbar und hätte deshalb einen höheren Stellenwert als Brückentechnologie verdient. Hinzu kommt, dass der Energieträger mittelfristig zu relativ stabilen Preisen zur Verfügung stehen wird. Insgesamt hätten sich die Kommunen ein etwas stringenteres Konzept erhofft.

Gebhardt:

Nicht nur das Konzept selbst weist Defizite auf, sondern auch dessen Vermittlung. Kaum ein Bürger ist sich bewusst, dass die Kosten für die Förderung von Photovoltaik, Windkraft und anderen erneuerbare Energien auf die Strom-preise umgelegt werden mussten. Jede neue Photovoltaik-Anlage muss 20 Jahre lang von den Gebühren der Bürger finanziert werden.

Die Zielrichtung des Konzepts ist sicher nach-vollziehbar, doch man sollte sich den daraus folgenden finanziellen Konsequenzen auch mit der gebotenen Offenheit und Ehrlichkeit stellen.

Dr. Horn:

In mittelfristiger Zukunft werden wir weder in der Stromversorgung noch in der Wärmeversorgung noch im Verkehr ohne den umweltschonenden Energieträger Erdgas auskommen. Der größte Energiemarkt in Deutschland ist der Wärme-markt. Hier wurden äußerst ehrgeizige Einsparziele formuliert, doch es muss auch klar sein, welche Aufwände damit verbunden sind. Wenn man Energie und Emissionen reduzieren will, muss auch überlegt werden, wie das in einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis erreicht werden kann.

Chancen und Risiken auf einem zunehmend vielschichtigen Markt UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Der Investitionsstau im öffentlichen Hoch-bau beziffert sich deutschlandweit auf 150 bis 200 Milliarden Euro. Die Aufwände für den Klimaschutz kommen dort noch oben-drauf. Es ist vollkommen ungeklärt, woher die Kommunen das Geld dafür nehmen sollen. Wie lässt sich eine Finanzierung unter solchen Bedingungen überhaupt darstellen?

Woitscheck:

Den groben Zielen im Energiekonzept kann man sicherlich zustimmen. In der Umsetzung merken jedoch viele Kommunen, dass das Papier noch nicht ganz ausgereift ist. Die mit der energetischen Sanierung verbundenen Aufwände lassen sich – wenn überhaupt – erst in vielen Jahren refinanzieren.

Dr. Horn:

Hier macht es Sinn, im Einzelfall zu prüfen, was der beste Weg zu einer Einsparung von Energie

und CO₂-Emissionen sein kann. Oft lassen sich durch die Anwendung anderer Technologien enorme Einsparziele erreichen. Wenn allein die Thermen in Deutschland auf Erdgas-Brenn-wert-Technik umgerüstet würden, könnten 85 Millionen Tonnen CO₂ im Jahr eingespart werden. Der Investitionsaufwand von 3.000 bis 4.000 Euro pro Therme nimmt sich dagegen recht bescheiden aus. Um die gleichen Sparpotentiale zu realisieren, müsste ein Vielfaches von diesem Betrag in die Dämmung ausgegeben werden.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Zum Energiekonzept der Bundesregierung werden in den kommenden Jahren zahlrei-che Durchführungsbestimmungen erarbeitet werden. Lässt sich über diesen Weg noch Einfluss geltend machen, der die negativen Konsequenzen des Konzepts für die Kommunen abmildern könnte?

Dr. Horn:

Ob die im Energiekonzept enthaltenen Ziele zu erreichen sind, ist vielleicht gar nicht so wichtig.

Bis 2050 wird es noch viele Regierungen geben, viele technologische Neuerungen und deut-liche Veränderungen auf den Märkten. Ich bin generell optimistisch, dass in den Verordnungen zur Umsetzung des Konzepts etwas mehr Wert auf das Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie gelegt wird.

Gebhardt:

Ich halte es für fragwürdig, in einem Konzept Ziele für einen derart langen Zeitraum zu formulieren. Die technischen und politischen Entwicklungen bis 2050 sind doch gar nicht zu übersehen. Ich fände es sinnvoller, zu schauen, was in den kommenden fünf bis zehn Jahren erreicht werden kann.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Im Moment gibt es eine aufgeheizte Dis-kussion zur Entwicklung der Energiepreise.

Auch die Bindung des Erdgaspreises an den Ölpreis wird intensiv diskutiert. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung. Wo geht die Reise hin und was lässt sich für Erdgas erwarten?

Dr. Horn:

Die Ölpreisbindung war in den vergangenen Jahren in vielen Verträgen enthalten. Aktuell wird die Preisstruktur deutlich differenzierter, weil Gas auch kurzfristig an Handelsplätzen erworben werden kann. Eine zweite Entwicklung ist das seit etwa einem Jahr zu konstatierende Überangebot von Erdgas im Markt. Kurzfrist-käufe sind deshalb deutlich günstiger, als die in den Langfristverträgen enthaltenen Konditionen.

Es ist nicht leicht, die Preisentwicklung für die kommenden Jahre zu prognostizieren. Das hängt auch davon ab, wie die Unternehmen ihre Risiken und Chancen abwägen. Nur eines scheint klar: Der deutsche Gasmarkt wird sich deutlich vielschichtiger entwickeln, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Langfristig würde ich eher nicht auf sinkende Preise setzen.

Gebhardt:

Allein für die kommenden sechs Monate eine Prognose zu wagen, ist vollkommen illusorisch.

Gut ist, dass unsere Importeure über langfristige Verträge verfügen, die uns eine gewisse Sicher-heit bieten. Solche Verträge können aber nur mit einer Preisvereinbarung geschlossen werden und noch immer ist ein Großteil von ihnen an den Ölpreis gekoppelt. Aktuell gibt es im Markt eine hohe preisliche Divergenz zwischen lang-fristigen Verträgen und kurzlang-fristigen Zukäufen.

Im Endkundengeschäft wird die Ölpreisbindung deshalb an Relevanz verlieren. Der Markt bietet deutlich mehr Chancen, aber auch deutlich mehr Risiken, als noch vor zwei Jahren. Wenn Unternehmen in Größenordnungen Gas zu Festpreisen kaufen und der Ölpreis anschließend sinkt, dann werden sie die Mengen nicht mehr absetzen können. Wir haben die Preise bis 2009 mehrmals gesenkt und konnten sie danach auf einem kontinuierlichen Niveau halten. Wie sich das Jahr 2011 entwickeln wird, lässt sich nicht sagen. Langfristig werden die Energie-preise steigen. Das betrifft auch die regenerativen Energien. Kaum ein Landwirt wird heute einen Langfristvertrag zu Festpreisen für sein Bio-Gas abschließen. Denn auch diese Erzeuger wollen an der Entwicklung des Energiemarktes teilhaben. n

Das Interview führte Falk Schäfer www.forum-erdgas.de

Forum Erdgas

UNSERE GESPRÄcHSTEILNEHMER

Dr. Jens Horn, Sprecher Forum Erdgas, Sprecher der Geschäftsführung Erdgasversorgungs-gesellschaft Thüringen-Sachsen

Mischa Woitscheck, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages Sachsen Andrej Krocker, Leiter Forum Erdgas

Reiner Gebhardt, Geschäftsführer der Eins Energie in Sachsen GmbH & Co. KG

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INFORMATIONEN / INSPIRATIONEN

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • MÄRZ 2011

Von Dr. Harald Michel

Die trügerische Dividende

ScHRUMPFUNG FüR KOMMUNEN TEURER ALS WAcHSTUM

Gastkommentar

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in unserer Kolumne Gastkommentar kommt in dieser Ausgabe Dr. Harald Michel, Geschäftsführer des Instituts für angewandte Demographie, Berlin zu Wort. Michel gehört zu den führenden deutschen Demographen. Er berät u.a. eine Reihe von Landesregierungen.

Die Auswirkungen des demographischen Wandels, die Alterung und Schrumpfung unserer Bevölkerung werden mittlerweile auch auf allen politischen Ebenen diskutiert. Das hat den Dissens über mögliche Gegenstrategien verstärkt und auch Illusionen in Bezug auf die Bewältigung der hiermit verbundenen Probleme geweckt.

Als Königsweg wird uns regelmäßig eine kinderfreundliche Familienpolitik präsentiert.

Die demographischen Effekte derartiger Maß-nahmen sind aber eher gering. So gibt es in der Bevölkerungsgeschichte keinen Fall einer nach-haltigen und anhaltenden Wirkung pronataler Anreize auf die langfristige Entwicklung der Fertilität. „Familienpolitik kann weder Kinder-wünsche erzeugen noch Kinder kaufen.“ Effekte durch Familienpolitik entstehen, wenn über-haupt, durch temporäre Beeinflussungen des Gebärverhaltens, z.B. durch das Vorziehen ge-planter Geburten. Dies kann zu einem vorüber-gehenden Anstieg der Geburtenzahlen führen, dem aber mit Sicherheit wieder ein Abschwung folgt. Wir müssen uns somit auf einen weiteren Rückgang der Geburtenzahlen einstellen. Die Zahl potentieller Mütter nimmt bis 2050 um ca.

30 Prozent ab. Zum Anderen deuten alle Unter-suchungen zum Verhalten künftiger Mütter darauf hin, dass auch der Kinderwunsch selbst eher rückläufig ist.

Keine Konzepte für gesteuerte Zuwanderung in Sicht

Bei den Wunschszenarien einer, den demo-graphischen Wandel positiv beeinflussenden Zuwanderung ist darauf zu verweisen, dass

Deutschland seit jeher Probleme mit der Steuerung der Zuwanderung und der Integration der Zuwanderer hat. Nach dem Anwerbestopp Ende 1973 hat es die Politik nicht vermocht, qualitative Kriterien für eine Zuwanderung (z.B.

Bildung) zu formulieren, geschweige denn durchzusetzen. Deshalb hatte Deutschland über Versuche der quantitativen Beschränkung der Zuwanderung hinaus kaum Einflussmöglich-keiten auf die Struktur der Zuwanderung, mit allen heute sichtbaren Folgen (Integrations-debatte). Mit diesem „stumpfen Schwert“, der Zuwanderung, den Drachen demographischer Wandel bekämpfen zu wollen, ist mindestens naiv, wenn nicht gar politisch verantwortungslos.

Die Möglichkeiten, demographische Prozesse zu beeinflussen, sind also gering bis nicht vor-handen und zudem höchst ambivalent. Deshalb muss sich Politik auf die Formulierung intelligenter Anpassungsstrategien konzentrieren. Dieser Weg, politisch nicht so attraktiv wie „Gegensteuern“

und „Gestalten“, wird vor allem dort gegangen , wo die Folgen der demographischen Ent-wicklung schon deutlich spürbar sind und sich als irreversibel erwiesen haben: in den betroffenen Regionen und Kommunen Deutschlands.

Weniger Menschen heißt nicht weniger Kosten

Inhaltlich sollten in diesen Strategien der Wett-bewerb unter den Kommunen und Regionen, die Stärkung von Autonomie und Deregulierung sowie die Förderung einer Ressort- und Verwaltungseinheiten übergreifenden Ko-operation verankert werden. Diese integrierten

Anpassungs- und Entwicklungsstrategien für Regionen und Kommunen müssen von einer Analyse der Ausgangssituation ausgehen und auf dieser Grundlage Szenarien künftiger Ent-wicklungsmöglichkeiten und dazu notwendige Handlungserfordernisse aufzeigen.

Allerdings ist hierbei auch vor Illusionen bezüg-lich des Einsatzes von (finanziellen) Ressourcen zu warnen: die Bewältigung von Schrumpfungs-prozessen ist für Regionen und Kommunen

„teurer“ als Wachstum (Remanenzkosten). Das aktuell sich verstärkende Auftauchen des Be-griffes einer sog. „demographischen Dividende“

deutet darauf hin, dass sich eine zunehmende Anzahl von Beteiligten gern der angenehmen Vorstellung hingeben möchte, über demo-graphisch bedingt sinkende Kosten für die ab-nehmende Zahl der Kinder und Jugendlichen zusätzliche Mittel für andere Zwecke zur Ver-fügung zu haben. Diese törichte Auffassung hat vor 33 Jahren die Nestorin der demographischen Forschung in Deutschland, Hilde Wander voraus-geahnt und gleichzeitig entkräftet:

„Ein Geburtenrückgang des derzeitigen Aus-maßes erfordert also vermehrten Ausbildungs-aufwand und höhere Kapitalinvestitionen, wenn der Ausfall an jugendlichen Nachwuchskräften später durch höhere Produktivität aufgewogen werden soll. Ihn als eine willkommene Chance für Einsparungen im Erziehungssektor zu nutzen, ist deshalb volkswirtschaftlich gefähr-lich.“ (Hilde Wander ,1978)

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