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Titan- und Zirconocenkomplexe mit sechsgliedrigen N-Heterocyclen

N- Heterocyclen

2.4.3 Titan- und Zirconocenkomplexe mit sechsgliedrigen N-Heterocyclen

Die ersten Titankomplexe mit aromatischen N-Heterocyclen als Liganden wurden 1960 von HERZOG und TAUBE gezeigt. Sie beschrieben die Synthese und Eigenschaften der Komplexe [Ti(2,2‘-Bipyridin)3] und Li[Ti(2,2‘-Bipyridin)3].[125, 126] Formal betrachtet liegen die Titanzentren in den Oxidationsstufen 0 bzw. -I vor. Aufgrund der schlechten Löslichkeit und der Empfindlichkeit gegenüber Luft und Feuchtigkeit wurden die Komplexe jedoch nur wenig untersucht. Durch eine bessere Löslichkeit wurde sich intensiver mit dem Komplex Cp2Ti(2,2‘-Bipyridin) (20) beschäftigt. Die Synthesen wurden erstmals 1967 von CALDERAZZO[127] und FISCHER[128] beschrieben. Der Komplex konnte einerseits durch Satzmetathese ausgehend von Titanocendichlorid und dem Dilithiumsalz des

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26 2,2’-Bipyridins (Bipy) (CALDERAZZO) oder durch Umsetzung des CO-stabilisierten Titanocens 1 und 2,2‘-Bipyridin (FISCHER) erhalten werden (siehe Abbildung 2-29).

Abbildung 2-29. Synthese von Cp2Ti(Bipy) (20) (links nach CALDERAZZO, rechts nach FISCHER).

In beiden Reaktionen wurden paramagnetische Produkte erhalten mit zu niedrigen magnetischen Momenten von µeff = 0.6 µB (T = 296 K) bzw. 0.8 µB (T = 298 K). Diese Ergebnisse halfen nicht bei der Aufklärung der elektronischen Struktur des Komplexes, da keine reinen paramagnetischen Eigenschaften gefunden werden konnten. Erst temperaturabhängige magnetische Messungen und EPR-Untersuchungen von MCPHERSON[129] zeigten, dass Cp2Ti(Bipy) (20) unterhalb von 77 K einen Singulett-Grundzustand besitzt und oberhalb dieser Temperatur einen Triplett-Zustand. Es wird also eines der zwei d-Elektronen des Titans in das niedrig liegende π*-Orbital des Liganden übertragen und kann mit dem verbleibende d-Elektron des Titans koppeln. Diese Annahmen wurden später von MACH bestätigt.[130] Ein Singulett-Grundzustand wird erreicht, wenn die einzelnen Elektronen vom Liganden und dem Titanzentrum einen entgegengesetzten Spin aufweisen. Dieser Zustand kann nur erreicht werden, wenn eine optimale Überlappung der Orbitale möglich ist. Aufgrund der starken Wechselwirkung liegt dann eine Abwinklung des 2,2‘-Bipyridins aus der Titan-Stickstoff-Ebene vor. Bei höheren Temperaturen dagegen liegen die π*-Orbitale des Liganden zu 90% am Liganden lokalisiert vor und die Orbitale können nicht optimal überlappen. Die Elektronenspins der Elektronen des Liganden und des Titans liegen in gleicher Richtung vor und liegen in einer Ebene.

Röntgenographische Untersuchungen am Komplex zeigten die Singulettgeometrie.[130]

Abbildung 2-30. Schematische Darstellung der Singulett- und Triplettgeometrie von Cp2Ti(Bipy) (20).

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27 Die Geometrie und damit auch die elektronische Struktur kann außerdem durch den Einsatz sterisch anspruchsvolleren Liganden (Cp*) beeinflusst werden. So liegt beim Cp*2Ti(Bipy) über einen großen Temperaturbereich eine Triplettgeometrie vor.[130]

Das Zirconiumanalogon Cp2Zr(2,2‘-Bipyridin) (21) ist auch bekannt,[131-134] jedoch gestaltete sich hier das Verständnis um die elektronische Struktur schwieriger. Zunächst wurde 1970 der Komplex von WEIGOLD[134] als paramagnetische Substanz mit abnehmenden magnetischen Momenten (0.44 µB (356 K) zu 0.34 µB (99 K)) und starken antiferromagnetischen Kopplungen beschrieben. BISHOP und KOOL[133] beschreiben jedoch 1997 einen klar diamagnetischen Komplex mit S = 0. Folgende elektronischen Strukturen sind für Verbindung 21 möglich: Cp2ZrII(Bipy), Cp2ZrIII(Bipy) mit radikalanionischen Liganden oder Cp2ZrIV(Bipy) mit dianionischen Liganden.

Abbildung 2-31. Struktur des 2,2‘-Bipyridin-Komplexes des Zirconiums 21.

Die Molekülstruktur des Komplexes[48] zeigt einen stark verzerrten 2,2‘-Bipyridinliganden mit starker Abwinklung gegenüber der Zr–N-Ebene, der nicht mehr aromatisch vorliegt.

Dies spricht für einen dianionischen 2,2‘-Bipyridinliganden im Komplex (Abbildung 2-31).

WIEGHARDT[132] unterstützt diese Annahme mit DFT Rechnungen. Die starke Abwinklung des Liganden führt außerdem zu kovalenten Zr–N-Bindungen (2.16 Å). Die Übertragung von zwei Elektronen von einem Zirconiumatom auf einen Bipyridinliganden, konnte auch in einer Vielzahl anderer Komplexe beobachtet werden und steht daher in einem starken Kontrast zu den Bipyridin-Komplexen des Titans.[135, 136]

Wie bereits angesprochen (Kapitel 2.4.1), können einige N-Heterocyclen die zusätzliche Ladung nicht gut stabilisieren oder delokalisieren. Beispielhaft hierfür ist die Reaktion des Titanocendicarbonyls (1) mit Phthalazin (Abbildung 2-32).[137] Dabei kommt es zu einer radikalinduzierten C–C-Knüpfungsreaktion und zur Bildung des zweikernigen Titanocenkomplexes 22. Die neu geknüpfte C–C-Bindung liegt dabei an der Stelle der höchsten Elektronendichte.[109]

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Abbildung 2-32. Radikalinduzierte C–C-Knüpfung des Phthalazins zum zweikernigen Komplex 22. Die neu geknüpfte Bindung ist rot markiert.

Weitere C–C-Knüpfungsreaktionen konnten bei der Umsetzung der Titanocenquellen 2 und 3 mit Pyrimidin, Pyridazin, Triazin, Pyrazin[29], Acridin und Dipyridopyrazin[32] erhalten werden. Bis auf Pyrazin zeigen diese Heterocyclen eine einfache C–C-Bindungsknüpfung.

Eine besondere dreifache C–C-Knüpfungsreaktion stellt die Reaktion der permethylierten Titanocenquelle 3 mit Pyrazin von KRAFT dar.[29] Es findet eine Trimerisierung des Pyrazins zu einem 4a,4b,8a,8b,12a,12b-Hexahydrodipyrazino[2,3-f:2′,3′-h]chinoxalin (HATH6) Liganden statt, an den drei Titanocenfragmente chelatisierend koordinieren (siehe Abbildung 2-33).

Abbildung 2-33. Bildung des Cp*2Ti(HATH6) Komplexes (23) nach KRAFT. Die neu geknüpften Bindungen sind rot markiert.

Interessanterweise wurde die Aromatizität des Pyrazinmoleküls aufgehoben und der entstandene HATH6-Ligand weist einen zentralen Cyclohexanring auf, obwohl ein aromatisches System energetisch günstiger wäre. DFT-Rechnungen von JUNG zeigten, dass dieser Ligand auch nur im koordinierten Zustand stabil ist und durch die sechs starken Ti–N-Bindungen stabilisiert wird. Ohne diese Stabilisierung wäre das HATH6-Molekül nicht existent.[138]

Sind die reduzierten N-Heterocyclen stabil genug, ist es außerdem möglich, molekulare Quadrate und Rechtecke zu bilden. Durch die Umsetzung verschiedener Cp-substituierter,

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29 Acetylen-stabilisierter Titanocenquellen (R = H (2), tBu, pTol) mit Pyrazin, 4,4‘-Bipyridin sowie Triazin[27, 29] ist es möglich, die molekularen Vierecke 24 bis 32 in self-assembly-Prozessen darzustellen (Abbildung 2-34).

Abbildung 2-34. Übersicht einiger molekularen Quadrate und Rechtecke von KRAFT.

Im Fall des 4,4‘-Bipyridin-verbrückten Komplexes 30 zeigten bereits die Molekülstrukturen die Übertragung jeweils eines Elektrons von den TiII-Zentren auf die Liganden durch Verkürzung der C–C-Bindung zwischen den Pyridylringen. Magnetische Messungen bestätigten das paramagnetische Verhalten.[28] Der Pyrazin-verbrückte Komplex 24 hingegen zeigte in den magnetischen Messungen ein diamagnetisches Verhalten. Wie bereits vom CREUTZ-TAUBE-Ion (12)[117] bekannt, eignet sich Pyrazin hervorragend als Elektronenübermittler. Es ist anzunehmen, dass die antiferromagnetischen Kopplungen stark genug sind, um einen Diamagnetismus hervorzurufen.[28]

Weitere Arbeiten unserer Arbeitsgruppe haben sich mit etwas größeren ausgeprägten π-Systemen beschäftigt. PIGLOSIEWICZ[12, 139] ist es gelungen, durch dehydrierende C–C-Bindungsknüpfungen in der Reaktion der Titanocenquelle Cp2Ti(η2-BTMSA) (2) und Chinoxlinen, Hexaazatrinaphthylen (HATN)-Systeme aufzubauen (siehe Abbildung 2-35).

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Abbildung 2-35. Dehydrokopplung des Chinoxalins in der Koordinationssphäre des Titanocens zu (Cp2Ti)33-HATNR6) mit R = H (33), Me (34).

Diese Komplexe wurden ebenfalls durch eine Trimerisierung gebildet, jedoch ist der entstehende HATN-Ligand im Gegensatz zu der Reaktion mit Pyrazin aromatisch und als solches auch zugänglich (vgl. Kapitel 2.5). Die dreikernigen Komplexe 33 und 34 zeigen Eigenschaften der einfachen Elektronenübertragung von einem TiII-Zentrum auf den Liganden. So war es möglich, ein erstes gemischtvalentes System mit Titan aufzubauen, in dem zwei TiII-, ein TiIII-Zentrum und ein radikalanionischer Ligand vorliegt. Auf die genauen Eigenschaften dieser Art der Liganden und deren Titankomplexe wird noch einmal ausführlicher in Kapitel 2.5.1 eingegangen.

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31 2.5 Hexaazatriphenylen (HAT) und -naphthylene (HATN) als Liganden

Die Ligandenklasse der 1,4,5,8,9,12-Hexaazatriphenylen (HAT, 35) und 1,6,7,12,13,18- Hexaazatrinaphthylen (HATN, 36) Liganden bilden eine vielversprechende Klasse der N-heterocyclischen Liganden. Sie besitzen drei Chelatpositionen, durch die potentiell drei Metallzentren chelatisiert werden können. Sie besitzen außerdem eine C3 -Symmetrie und ein ausgedehntes π-Elektronensystem, durch welches ein Elektronenaustausch zwischen den komplexierten Metallzentren möglich wird. Das HATN leitet sich direkt von dem HAT ab und unterscheidet sich lediglich durch die anellierten Benzolringe und ein dadurch stärker ausgeprägtes π-System.

Abbildung 2-36. Strukturformeln der N-Heterocyclen HAT (35) und HATN (36).

Die Synthese der HAT-Derivate verläuft mehrstufig und meistens über die explosive Zwischenstufe 1,3,5-Triamino-2,4,6-trinitrobenzol (TATB) (Abbildung 2-37).[140, 141] Der HAT-Ligand selbst kann auch über Decarboxylierung von HAT(COOH)6 erhalten werden, jedoch nur für R = H.[142]

Abbildung 2-37. Mehrstufige Synthese der HAT-Derivate 35 aus Trinitrotriaminobenzol (TATB) und 1,2-Diketonen.

Bei der Syntheseroute für die HATN-Liganden kann diese explosive Zwischenstufe umgangen werden und ist daher leichter zugänglich.[143] Durch die Reaktion von

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32 Hexaketocyclohexan und 1,2-Phenylendiaminderivaten sind eine ganze Reihe an HATN- Liganden 36 möglich (siehe Abbildung 2-38).

Abbildung 2-38. Einstufige Synthese der HATN-Derivate 36 aus 1,2-Phenylendiaminderivat und Hexaketocyclohexan.

Aufgrund der geometrischen, elektronischen und photophysikalischen Eigenschaften dieser Liganden und ihrer Übergangsmetallkomplexe gewannen HAT- und HATN-Systeme immer mehr an Interesse. Bereiche wie die Erzeugung supramolekularer Strukturen[144-148], der Aufbau polymerer Netzwerke[101, 149-151] und die Synthese diskotischer Flüssig-kristalle[152, 153] spielen dabei eine große Rolle. Außerdem sind sie durch die guten Elektronenakzeptor- und Elektronentransporteigenschaften möglicherweise geeignet für die Anwendung als Materialien für LEDs (ligth-emitting diodes).[154]

Die Reaktivität der HAT-Systeme beruht hauptsächlich auf dem elektronenarmen π-System mit niedrig liegenden LUMOs (lowest unoccupied molecular orbitals) und lassen sich daher leicht reduzieren.[101, 155] Die entsprechenden Redoxpotentiale variieren jedoch je nach Substitution stark. Die folgende Tabelle 2-3 zeigt die Redoxpotentiale der Verbindungen HAT (35), HAT(CN)6 (35a) und HATNMe6 (36a).

Tabelle 2-3. Redoxpotentiale von HAT, HAT(CN)6 und HATNMe6. Die Werte für Ered sind berechnet gegen SCE.

Verbindung Ered1 [V] Ered2 [V] Ered3 [V]

HAT[156] -1.42 -1.72

HAT(CN)6[146] -0.54 -0.99 -1.61 HATNMe6[157] -1.09 -1.40

Der Elektronenmangel führt jedoch dazu, dass die Basizität der Stickstoffatome und damit das Komplexierungsvermögen herabgesetzt ist. Eine Mehrfachkoordination von Metallen, die nur schlecht zu einer π-Rückbindung befähigt sind, ist daher nur bedingt möglich und

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33 eine Komplexierung wird umso mehr gehindert, wenn bereits ein Metallzentrum koordiniert vorliegt. Besonders wenn am Liganden noch elektronenziehende Gruppen vorliegen, wie es beim HATCN6 der Fall ist, wird es umso schwieriger, drei Metallzentren zu koordinieren.

Durch vorherige Reduktion des Liganden zu einem Radikalanion kann jedoch das Komplexierungsvermögen wieder gesteigert werden und es ist möglich, in dem elektronenarmen System des HATCN6 (35a) beispielsweise drei Kupferzentren zu koordinieren.[146, 158] Hauptsächlich sind HAT Komplexe mit späten Übergangsmetallen bekannt. Beispiele hierfür sind Cr(0)[159], Cu(I) [144], Ru(II)[160, 161], Rh(III)[161], Fe(II)[162], Co(II)[163] aber auch Hauptgruppenelemente wie Mg(II)[164] sind möglich. Außerdem wurden gemischtvalente Systeme mit Ruthenium erhalten.[165]