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N- Heterocyclen

3 Ergebnisse und Diskussion

3.3 Vierkernige Komplexe mit Pyrazin und 4,4‘-Bipyridin als Brückenliganden und Zirconocen-Eckeinheiten

3.4.1 Synthese und Charakterisierung

Ergebnisse und Diskussion

84 3.4 Umsetzungen von Cp*2Ti(η2-BTMSA) mit Pyrazinderivaten

Wird der sterische Anspruch bei der Reaktion mit Pyrazin am Cp-Liganden durch den Einsatz der Cp*-Titanocenquelle 3 erhöht, findet eine Trimerisierung des Pyrazins statt zu Komplex 23 (Kapitel 2.4.3).[29] Anders als bei der Reaktion von Chinoxalinderivaten bei PIGLOSIEWICZ[12] liegt der zentrale Ring nach dieser Trimerisierung nicht aromatisch vor und es wurde ein 4a,4b,8a,8b,12a,12b-Hexahydrodipyrazino[2,3-f:2′,3′-h]chinoxalin HATH6

Ligand gebildet. In ihrer Dissertation beschriebt KRAFT, dass eine Reaktion von höher substituierten Pyrazinderivaten und Cp*2Ti-Fragment nicht erfolgte.[28] Um dieser Aussage nachzugehen, wurden im Rahmen dieser Arbeit 2,3-Dimethylpyrazin und 2,3-Diphenylpyrazin (Abbildung 3-36) mit Cp*2Ti(η2-BTMSA) (3) umgesetzt und entgegen der Behauptung von KRAFT eine Reaktion beobachtet.

Abbildung 3-36. Schema der eingesetzten Pyrazinderivate.

Ergebnisse und Diskussion

85

Abbildung 3-37. Reaktion von Cp*2Ti(η2-C2(SiMe3)2) (3) mit 2,3-Dimethyl- und 2,3-Diphenylpyrazin zu den Komplexen 50 und 51.

Bei den Verbindung 50 und 51 handelt es sich um luft- und feuchtigkeitsempfindliche Komplexe, die unlöslich (51) bis mäßig löslich (50) in n-Hexan und mäßig löslich in aromatischen und polaren Lösungsmitteln sind. Ein Schmelzpunkt konnte für beide Verbindungen bis 250 °C nicht ermittelt werden. Das EI-Massenspektrum zeigt für beide Verbindungen keinen Molekülpeak, aber ein [M-4×H]+ Signal bei m/z = 738.8 (50) und m/z = 863.0 (51). Außerdem lässt sich für beide Verbindungen ein Fragmentierungsmuster aus Abspaltungen von Methyl- bzw. Phenylgruppen, Abspaltung eines Cp*-Liganden oder eines Titanocenfragments feststellen. NMR spektroskopische Untersuchungen zeigten keine charakterisierbaren Signale, sodass von paramagnetischen Verbindungen mit TiIII -Zentren ausgegangen wird.

Zur Bestätigung des vorliegenden Paramagnetismus der beiden Verbindungen, wurden zusätzlich EPR-Experimente (electron paramagnetic resonance) durchgeführt. Dazu wurde möglichst wenig Probe in Toluol gelöst und in ein NMR-Röhrchen unter Schutzgasatmosphäre gefüllt und verschlossen. Beide Proben zeigen paramagnetisches Verhalten mit typischen g-Faktoren für TiIII. Beispielhaft ist das EPR-Spektrum für Verbindung 51 in Abbildung 3-38 dargestellt.

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86

Abbildung 3-38. EPR-Spektrum von 51 (Toluol, RT, f = 9.378198 GHz).

Das EPR-Spektrum zeigt ein typisches Signal mit einem g-Faktor von 1.977 und einer Hyperfeinaufspaltung, welche charakteristisch für ein am Metallzentrum lokalisiertes einzelnes Elektron ist und aus der Kopplung des Elektrons mit den beiden Isotopen 47Ti (I = 5/2, 7.44% natürliche Häufigkeit) und 49Ti (I = 7/2, 5.41% natürliche Häufigkeit)

resultiert. Vergleicht man die ermittelten Spektren und Daten der Verbindungen 50 und 51 mit literaturbekannten TiIII-Verbindungen wie beispielsweise

([Cp2Ti(2,2‘-bipyridin)]PF6[124] und Cp*2Ti(2-(N-n-butyl-methylimino)pyridin)[209]), so liegen sie in einem ähnlichen Bereich und sind in Tabelle 3-7 zusammengefasst.

Tabelle 3-7. Übersicht der experimentell ermittelten EPR-Daten von 50 und 51 und Literaturwerten.

g-Faktor ATi [G] ΔB [G]

50 1.973 8.7 5.2

51 1.977 8.9 5.1

[Cp2Ti(Bipy)]PF6[124] 1.980 8.1

Cp*2Ti(2-(N-n-butyl-methylimino)pyridin)[209] 1.982 8.7 1.5

Die aus den Reaktionsansätzen erhaltenen Kristalle waren zur Röntgenstrukturanalyse geeignet und die Molekülstruktur von Verbindung 50 ist in Abbildung 3-39, die von Verbindung 51 in Abbildung 3-40 dargestellt.

Ergebnisse und Diskussion

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Abbildung 3-39. Molekülstruktur von 50 im Kristall (50% Wahrscheinlichkeit, nur ausgewählte H-Atome).

Ausgewählte Bindungslängen [Å] und Winkel [°]: Ti1–N1 2.0324(12), Ti2–N2 2.0404(12), N1–C41 1.4637(17), N1–C44 1.4012(16), C44–C43 1.3679(17), N2–C43 1.3994(17), N2–C42 1.4628(16), C41–C42 1.5333(17), C11–C16 1.5012(21), C16–C41 1.5528(18), C31–C36 1.4945(18), C36–C42 1.5558(18), C11–C16–C41 106.41(10), C31–C36–C42 107.36(10), Ct1–Ti1–Ct2 142.386(17), Ct3–Ti2–Ct4 142.557(17) (Ct1 = Schwerpunkt C1-C5, Ct2 = Schwerpunkt C11-C15, Ct3 = Schwerpunkt C21-C25, Ct4 = Schwerpunkt C31-C35).

Abbildung 3-40. Molekülstruktur von 51 im Kristall (50% Wahrscheinlichkeit, nur ausgewählte H-Atome).

Ausgewählte Bindungslängen [Å] und Winkel [°]: Ti1–N1 2.0881(16), Ti2–N2 2.0621(16), N1–C41 1.4674(30), N1–C44 1.4054(27), C44–C43 1.3822(27), N2–C43 1.4009(28), N2–C42 1.4626(27), C41–C42 1.5386(25), C11–C16 1.4970(26), C16–C41 1.5569(27), C31–C36 1.5021(27), C36–C42 1.5492(27), C11–C16–C41 106.85(16), C31–C36–C42 107.08(17), Ct1–Ti1–Ct2 140.206(20), Ct3–Ti2–Ct4 140.995(19) (Ct1 = Schwerpunkt C1-C5, Ct2 = Schwerpunkt C11-C15, Ct3 = Schwerpunkt C21-C25, Ct4 = Schwerpunkt C31-C35).

Beide Verbindungen 50 und 51 kristallisieren aus n-Hexan in der triklinen Raumgruppe P1 mit zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle und ohne Lösungsmittelmoleküle. Die Molekülstrukturen zeigen, dass es bei beiden Reaktionen zu einer Aktivierung der Methylgruppe gekommen ist und der Cp-Ligand nun über eine Methylengruppe mit dem Diazinring verbunden ist, wobei die Substituenten (Me, Ph) am N-Heterocyclus

Ergebnisse und Diskussion

88 unbeeinflusst bleiben. Anders als im aromatischen 2,3-Dimethylpyrazin[210] bzw.

2,3-Diphenylpyrazin ist in den Verbindungen 50 und 51 die Aromatizität aufgehoben. Die Bindungslängen zwischen den neuen Knüpfungspunkten C41–C42 liegen mit 1.53 Å (50) und 1.54 Å (51) im Bereich von Einfachbindungen.[200, 208] Auch die N–C-Bindungen N1–C44 und N2–C43 (sp2-C-Atome) mit einem Mittelwert von 1.40 Å sowie N1–C41 und N2–C42 (sp3-C-Atome) mit einem Mittelwert von 1.46 Å sind Einfachbindungen. Lediglich der C–C-Abstand zwischen den substituierten Kohlenstoffatomen des ehemaligen Aromaten (C43–C44) ist mit 1.37 Å für Komplex 50 und 1.38 Å für Komplex 51 deutlich kürzer als bei 2,3-Dimethylpyrazin mit 1.41 Å[210] und liegt daher als Doppelbindung vor.[200,

208]

Die folgende Tabelle 3-8 stellt die wichtigsten Strukturparameter der Verbindungen 50 und 51 gegenüber. Die Molekülstrukturen sind sehr ähnlich und weisen lediglich in den Ti–N-Bindungen leichte Unterschiede auf. Die methylsubstituierte Verbindung 50 zeigt dabei generell etwas kürzere Bindungslängen, was auf sterische Effekte zurückzuführen ist.

Tabelle 3-8. Ausgewählte Bindungslängen [Å] der Verbindungen 50 und 51.

50 51

Ti1–N1 2.03 2.09

Ti2–N2 2.04 2.06

C43–C44 1.37 1.38

N1–C41 1.46 1.47

C41–C42 1.53 1.54

C42–N2 1.46 1.46

Die Ti–N-Bindungen liegen mit durchschnittlich 2.04 Å (50) und 2.08 Å (51) im Bereich einer einfachen Amidbindung.[200, 208] Diese kurze Bindung ist nur aufgrund der aufgehobenen Aromatizität möglich und stützt die Annahme von reinen TiIII-Zentren, da Titankomplexe mit aromatischen N-Heterocyclen längere Ti–N-Bindungslängen um die 2.2 Å (vergleiche Kapitel 3.1 und 3.6) zeigen. Durch die neue Verknüpfung über eine Methyleneinheit liegen zudem an den neuen Knotenpunkten C41 und C42 Stereozentren vor. Die hier abgebildeten Molekülstrukturen zeigen die Verbindungen jeweils in einer R,R-Konfiguration. Das gespiegelte S,S-Enantiomer liegt bei beiden Verbindungen als zweites Molekül in der Elementarzelle vor, sodass es sich bei den Kristallen um Racemate handelt.

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89 3.4.2 Diskussion Reaktionsmechanismus

Die Verbindungen 50 und 51 konnten erst durch sehr lange Reaktionszeiten (fünf Tage bis zwei Wochen) erhalten werden. Daher ging KRAFT wahrscheinlich davon aus, dass keine Reaktion stattfindet.[28] Dass die phenylsubstituierte Verbindung 51 langsamer reagiert als die methylsubstituierte Verbindung 50, könnte mit der Sterik und/oder mit der Säurestärke der beiden eingesetzten Pyrazinderivaten zusammenhängen. Methyl-Substituenten haben einen stärkeren induktiven Effekt als Phenyl-Substituenten und verschieben mehr Elektronendichte zum Stickstoffatom, sodass die Säurestärke bzw. der pKa-Wert steigt.

Zum Vergleich dienen die einfachsubstituierten Methyl- und Phenylderivate des Pyridins, deren pKa-Werte in Tabelle 3-9 dargestellt sind.[211] Die ortho-Position hat einen stärkeren Einfluss auf die Säurestärke als die meta-Position und eine Phenylsubstitution hat nur einen geringen Einfluss auf die Säurestärke und bewirkt bei Substitution an der meta-Position sogar einen geringen pKa-Wert (4.8) als unsubstituiertes Pyridin (pKa = 5.2).

Tabelle 3-9. pKa-Werte für methyl- und phenylsubstituierte Pyridinderivate.

Position des Substituenten Me Ph

ortho 6.0 5.3

meta 5.7 4.8

para 6.0 5.5

Die Komplexe zeigen mit dem 2,3-Dimethylpyrazin leicht verkürzte (durchschnittlich um 0.4 Å) Ti–N-Bindungen aufgrund der erhöhten Basizität an den Stickstoffatomen. Die Aktivierung einer Methylgruppe eines Cp*-Liganden ist bereits lange in der Literatur bekannt.[64, 212-215] Bereits 1974 konnte BERCAW[64] zeigen, dass das reine Decamethyltitanocen Cp*2Ti in Lösung nicht stabil ist und in einem Gleichgewicht zu einem tuck-in-Komplex steht, der bei Temperaturen über 60 °C die hydridische Funktion verliert und Komplex 52 bildet. Später beschrieben BERCAW[212] und TEUBEN[216] außerdem die Thermolyse von Decamethyltitanocenalkylkomplexen bei hohen Temperaturen unter Bildung des tuck-in-Komplexes 52.

Abbildung 3-41. Mögliche Synthese-Wege zum tuck-in-Komplex 52.

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90 Bei der Verwendung der Titanocenquelle Cp*2Ti(η2-BTMSA) (3) wird bei höheren Temperaturen der stabilisierende BTMSA-Ligand abgespalten und das Decamethyltitanocen liegt frei vor. Aufgrund der sehr langen Reaktionszeit bei erhöhten Temperaturen kann man davon ausgehen, dass sich mit der Zeit der tuck-in-Komplex 52 bildet und Ausgangssubstanz für die weitere Reaktion zu den Komplexen 50 und 51 darstellt. Es ist bekannt, dass Komplex 52 Insertionsreaktionen eingeht mit beispielsweise Methylpyridin[217], Nitrilen und Alkinen (siehe Abbildung 3-42).[218]

Abbildung 3-42. Umsetzungen des tuck-in-Komplexes 52 mit Methylpyridin, Nitrilen und Alkinen.

Möglicherweise hat so eine Insertionsreaktion auch mit den disubstuierten Pyrazinderivaten stattgefunden. Die ehemaligen Pyrazinringe der Verbindungen 50 und 51 besitzen jedoch keine Aromatizität mehr und bei der Ti–N-Bindung handelt es sich anders als bei dem Insertionsprodukt mit Methylpyridin (Abbildung 3-42) um eine Einfachbindung. Der freie Ligand 5,6-Dimethyl-1,4,5,6-tetrahydropyrazin von Komplex 50 ist im Gegensatz zu dem phenylsubstituierten Analogon in der Literatur nicht bekannt. Dies ist auch der Fall bei dem Trimerisierungsprodukt des Pyrazins zu dem Liganden HATH6. Quantenchemische Rechnungen des (Cp2Ti)3HATH6 23 Komplexes von JUNG zeigten, dass der Ligand ohne Metall nicht stabil wäre und erst die sechs starken Ti–N-Bindungen für Stabilität sorgen.[138]

Die Ti–N-Bindungen im HATH6-Komplex 23 sind mit 2.2 Å [29] deutlich länger als in den Verbindungen 50 und 51, wobei die Titanzentren über zwei Stickstoffatome chelatisierend koordinieren. Die Ti–N-Bindungen in den Komplexen 50 und 51 sind somit stärker und stabilisieren die Komplexe.

Für die Trimerisierungsreaktion von Pyrazin zu dem HATH6-Komplex 23 wird im ersten Schritt die Bildung eines Pyrazin-verbrückten, dreikernigen Komplex angenommen (siehe

Ergebnisse und Diskussion

91 Abbildung 3-43).[28] In einem abschließenden konzertierten Mechanismus wird dann der Komplex 23 mit einem inneren Cyclohexanring gebildet.

Abbildung 3-43. Postulierter Mechanismus zur Bildung des Komplexes 23.

Dass diese Reaktion mit den methyl- bzw. phenylsubstituierten Pyrazinderivaten nicht abläuft, wird mit großer Wahrscheinlichkeit sterische Gründe haben. Aufgrund der Substituenten und den großen Cp*-Liganden wird die Bildung eines dreikernigen Komplexes mit verbrückenden Pyrazinmolekülen verhindert und somit auch die Bildung eines HATH6-Liganden.

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92 3.5 Untersuchungen an HATN-Liganden

Titankomplexe mit den Ligandensystemen HATN und HATNMe6 sind bereits untersucht worden.[12, 32] Sie zeigen jedoch eine sehr schlechte Löslichkeit, sodass Kristallisation und weiterführende Untersuchungen erschwert wurden. Wie bereits in Kapitel 2.5 angesprochen, beinhaltet die Synthese von Hexaazatriphenylen(HAT)-Liganden eine explosive Zwischenstufe (Trinitrotriaminobenzol). Es wurde daher darauf verzichtet, neue Titankomplexe mit HAT-Liganden zu synthetisieren. Die Synthese von HATN-Derivaten ist im Gegenzug ungefährlicher und daher wurde sich auf diesen Teil der Derivate beschränkt.

Für eine bessere Löslichkeit der späteren Titankomplexe wurden aromatische Substituenten (Phenyl und pTol) und zur Untersuchung des elektronischen Einflusses Methoxy- und Chlorsubstituenten genutzt.

Für die Synthese der HATN-Derivate werden die entsprechenden Diaminobenzole und Hexaketocyclohexan säurekatalysiert unter Wasserabspaltung kondensiert.[140, 219, 220] Die aromatisch substituierten Derivate können durch eine Suzukikupplung der entsprechenden Boronsäure und Dibromdiaminobenzol dargestellt werden.[219] Die p-Tolylboronsäure wurde zuvor nach Literaturvorschrift synthetisiert.[221]

Abbildung 3-44. Reaktion von Chinoxalinderivaten mit Hexaketocyclohexan zu den HATN-Derivaten mit R = Cl (36b), OMe (36c), pTol (36d), Ph (36e).

HATNPh6 (36e) ist zwar literaturbekannt, jedoch zeigte sich insbesondere die Aufarbeitung sehr viel schwieriger als in der Literatur beschrieben.[219] Die mäßige Löslichkeit von Verbindung 36e erschwerte die dringend benötigte Abtrennung restlicher Essigsäure.

Durch eine optimierte Aufarbeitung[222] konnte die Verbindung 36e in einer Ausbeute von 72% essigsäurefrei erhalten werden und wurde im Weiteren mit Titankomplexen umgesetzt.

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93 Der Ligand HATN(pTol)6 (36d) ist bisher in der Literatur unbekannt und wurde im Rahmen dieser Arbeit erstmals in einer Ausbeute von 89% synthetisiert.

Aus einer Dichlormethanlösung von Verbindung 36e konnten geeignete Einkristalle für die Röntgenstrukturanalyse erhalten werden. HATNPh6 (36e) kristallisiert in der triklinen Raumgruppe P1 mit zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle und zwei Molekülen Dichlormethan. Die Molekülstruktur ist in Abbildung 3-45 gezeigt.

Abbildung 3-45.Molekülstruktur von 36e im Kristall (50% Wahrscheinlichkeit, ohne H-Atome). Ausgewählte Bindungslängen [Å]: C1–C2 1.4304(14), C2–C3 1.4713(16), C3–C4 1.4263(17), C4–C5 1.4754(14), C5–C6 1.4329(15), C1–N1 1.3278(15), N1–C7 1.3588(16), C7–C12 1.4193(14), N2–C12 1.3513(16), N2–C2 1.3231(16), C7–C8 1.4158(18), C8–C9 1.3850(18), C9–C10 1.4526(14), C10–C11 1.3792(18), C11–C12 1.4104(18).

Wie erwartet liegt das Molekül, abgesehen von den äußeren frei drehbaren Phenylsubstituenten, planar vor. Die äußeren anellierten Benzolringe zeigen nur kleine Abweichungen zur restlichen planaren Ebene (10.0° für C43-C48, 9.0° für C7-C12 und 4.1°

für C25-C30). Im Festkörper liegen die äußeren Phenylsubstituenten verdreht gegenüber der planaren Ebene vor. Die Diederwinkel zwischen den Phenylringen und der Ebene des

inneren aromatischen Rings (C1-C6) liegen zwischen 33.0° für C19-C24 und 54.1° für C55-C60. Die Aromatizität, insbesondere die des inneren zentralen Ringes (C1-C6),

zeichnet sich durch konjugierte Doppelbindungen aus. So werden drei lange (C2–C3, C4–C5, C6–C1; Ø 1.47 Å) und drei kurze (C1–C2, C3–C4, C5–C6; Ø 1.43 Å) Bindungen

gefunden. Diese Bindungslängen sind vergleichbar zu HATNMe6[222] (36a) und liegen zwischen denen für HATN[223] (36) (1.48 Å und 1.43 Å) und HAT(CONH2)6[224] (1.46 Å und 1.41 Å).

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94 Durch die Phenyl- bzw. p-Tolylsubstituenten ist das π-System der Liganden 36d und 36e weiter ausgebaut worden und ist deutlich größer als beispielsweise bei HATNMe6. Dieser Umstand wurde bei der Synthese des HATN(pTol)6-Liganden (36d) durch eine sichtbare Fluoreszenz deutlich. Das Phänomen der Fluoreszenz wird mit dem FRANCK-CONDON -Prinzip erklärt.[225] Durch elektromagnetische Strahlung können Elektronen aus dem Grundzustand in einen energetisch höher liegenden Zustand angeregt werden. Eine Relaxation in den niedrigsten Schwingungszustand des angeregten Zustands erfolgt dann zunächst strahlungslos. Die freiwerdende Strahlung beim anschließenden Übergang zurück in Grundzustand wird Fluoreszenz genannt. Zur Verifizierung dieser Fluoreszenz, wurden die Derivate HATNMe6 (36a), HATN(OMe)6 (36c), HATN(pTol)6 (36d) und HATNPh6

(36e) mithilfe eines Fluoreszenzspektrometers untersucht und die entsprechenden Quantenausbeuten berechnet. HATN (36) und HATNCl6 (36b) konnten aufgrund der Unlöslichkeit in Dichlormethan und anderen polaren Lösungsmitteln an dieser Stelle nicht untersucht werden. Zur Berechnung der Quantenausbeute nach PARKER-REES[226] wurden von den Verbindungen zunächst ein Absorptionsspektrum und anschließend ein Fluoreszenzspektrum aufgenommen. Die folgende Tabelle 3-10 zeigt die berechneten Quantenausbeuten der Verbindungen 36a und 36c-e.

Tabelle 3-10. Absorptions- und Emissionsmessungen der Verbindungen 36a und 36c-e. Die Berechnung erfolgte nach der PARKER-REES-Methode[226] mit Rhodamin (c = 10-4 mol l-1) in Ethanol als Referenz.

Verbindung λabs. [nm] λem,max [nm] Φ

HATNMe6 (36a) 473 447 0.02

HATN(OMe)6 (36c) 483 487 0.10 HATN(pTol)6 (36d) 464 492 0.18

HATNPh6 (36e) 449 473 0.03

Fluoreszenz bei Aromaten, die aus mehreren anellierten Benzolringen aufgebaut sind, ist lange bekannt.[225] Auch die freien HAT-Liganden wurden bereits in dieser Hinsicht untersucht, jedoch nicht gesammelt, sodass ein Vergleich aufgrund unterschiedlicher Messbedingungen nicht möglich ist. Untersuchungen an HAT-Liganden zeigten, dass die Quantenausbeuten sehr gering waren, möglicherweise aufgrund von verbotenen Übergangen oder der freien Elektronenpaare der Stickstoffatome, die eine Fluoreszenz auslöschen können.[227] Die Quantenausbeuten Φ in Tabelle 3-10 zeigen, dass lediglich die Verbindungen 36c und 36d erhöhte Quantenausbeuten zeigen. Warum der Unterschied zwischen den Verbindungen 36d und 36e nur durch die Änderung einer zusätzlichen Methylgruppe so groß ist, ist nicht klar. In Verbindung 36c werden die elektronenschiebenden Methoxygruppen der Grund für die erhöhte Fluoreszenz sein.

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95 Um das Reaktionsverhalten der HATN-Liganden in Gegenwart von Übergangsmetallen besser zu verstehen, wurden die Derivate auch elektrochemisch untersucht. Der Ligand HATNMe6 (36a) ist bereits elektrochemisch untersucht worden und dient als Vergleich.[12]

Die folgende Abbildung 3-46 zeigt die Cyclovoltammogramme der Verbindungen 36c-e.

Abbildung 3-46. Cyclovoltammogramme der Verbindungen HATN(OMe)6 (36c), HATN(pTol)6 (36d) und HATNPh6 (36e). Die Messungen erfolgten an einer Goldelektrode in THF/MeCN 1:1 und 0.1 M [Bu4N][ClO4].

Die elektrochemischen Untersuchungen gestalteten sich auch hier aufgrund von zu geringen möglichen Konzentrationen für die anderen Derivate als schwierig. Für die Cyclovoltammogramme in Abbildung 3-46 wurden gesättigte Lösungen der Liganden eingesetzt, da auch hier die Löslichkeit bereits begrenzt ist. Die elektrochemischen Untersuchungen der Verbindungen 36c und 36e zeigen insgesamt zwei Reduktionen, wobei bei der Verbindung 36c die zweite Reduktion irreversibel ist. Die Verbindung 36d zeigt hingegen insgesamt drei Reduktionen, wobei eine davon irreversibel ist. Die schlechte Löslichkeit der Liganden erschwerte eine Bestimmung der Halbstufenpotentiale. Die bestimmten Werte für E1/2 sind in Tabelle 3-11 für die Verbindungen 36d-e und HATNMe6[139](36a) dargestellt.

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96

Tabelle 3-11. Elektrochemische Charakteristika der Liganden 36a, c-e.

E1/2 [V] 36a[139] 36c 36d 36e

1. Reduktion -1.55 -0.81 -1.40 -1.50

2. Reduktion -1.89 -1.62 (irreversibel) -1.20 (irreversibel) -1.66

3. Reduktion -1.69

Der Vergleich der Halbstufenpotentiale der ersten Reduktion zeigt, dass die Liganden 36a, 36d und 36e insgesamt schwerer zu reduzieren sind als der methoxysubstituierte Ligand 36c. Die elektronenschiebende Effekte der Methoxygruppen scheinen den gleichen Einfluss zu haben, wie schon für tri-HAT[227] (Fusion aus drei HAT-Molekülen, E1/2 = -0.93 V) festgestellt wurde. Die letzte Reduktion verläuft für die Verbindungen 36c-e bei ähnlichen Potentialen ab (-1.62 V (36c), -1.66 V (36d), -1.69 V (36e)). Die zweite Reduktion von 36a hingegen liegt bei etwas tieferem Potential von -1.89 V und ist somit schwerer zu erreichen.

Die Verbindungen HATN und HATNMe6 können auch chemisch reduziert werden.

Nachdem JORDAN[228] eine hydrierende Reduktion durch den Einsatz von Decamethylvanadocen zu blaugrünem HATNH2 und blauem HATNMe6H2 gezeigt hatte, gelang anschließend LAUTERBACH[229] eine Hydrierung mittels Natriumdithionit. Eine vergleichbare Reduktion der Verbindungen 36c und 36e mit Natriumdithionit gelang auch im Rahmen dieser Arbeit. Die Reaktionen wurden mit einem Überschuss an Natriumdithionit in Ethanol und Wasser unter Schutzgasatmosphäre durchgeführt. Nach vier Stunden erhitzen unter Rückfluss konnten die Verbindungen HATNPh6H2 (53) als blaugrüner Feststoff und HATN(OMe)6H2 (54) als grüner Feststoff isoliert und charakterisiert werden. Die Verbindungen reoxidieren an Luft sehr schnell, sodass unter Schutzgas gearbeitet wurde. In EI-Massenspektren konnte kein Molekülpeak ermittelt werden. Eine Untersuchung mittels NMR-Spektroskopie bestätigte das Vorhandensein der Dihydroverbindungen 53 und 54. Das 1H NMR-Spektrum der Verbindung 53 ist in Abbildung 3-47 dargestellt. Neben der reduzierten Verbindung 53 ist auch die Neutralverbindung 36e enthalten. Dabei könnte es sich um restliches Edukt HATNPh6 (36e) handeln oder um reoxidiertes HATNPh6H2 (53).

Ergebnisse und Diskussion

97

Abbildung 3-47. 1H NMR-Spektrum von 53 (500 MHz, CDCl3, RT); #: HATNPh6 (36e).

Durch die Reduktion ist die Symmetrie der Verbindung aufgehoben und das Spektrum von Verbindung 53 enthält mehr Signale als von Verbindung 36e. Für die Protonen der aromatischen C–H-Gruppen an den noch intakten „Armen“ liegen die Signale weiterhin im Tieffeld bei Verschiebungen von δ = 8.17 und 8.65 ppm. Die Signale der Protonen der Phenylgruppen an diesen Seiten fallen zu einem Multiplett bei δ = 7.28 ppm zusammen.

Die Protonen der NH-Gruppen geben entgegen den Beobachtungen eines breiten Signals von JORDAN[228] ein scharfes Singulett bei δ = 6.78 ppm. Die in Nachbarschaft liegenden aromatischen Protonen geben ebenfalls ein Singulett-Signal, das mit δ = 6.46 ppm deutlich ins Hochfeld verschoben ist. Die Phenylgruppen spalten auf in ein Signal bei δ = 7.08 ppm mit vier Protonen und Signal bei δ = 7.16 ppm mit sechs Protonen.

Ein geeigneter Einkristall zur Röntgenstrukturbestimmung konnte aus einem Diffusionsansatz von n-Hexan in eine Chloroformlösung von Verbindung 53 erhalten werden. Die Molekülstruktur von Verbindung 53 ist in Abbildung 3-48 dargestellt. Im Gegensatz zu JORDAN[228], der ein 1:1 Co-Kristallisat von HATNMe6 und HATNMe6H2

erhielt, und LAUTERBACH[229], der HATNMe6H2 als Hydrochlorid kristallisierte, konnte hier die reine Verbindung 53 erhalten werden.

Ergebnisse und Diskussion

98

Abbildung 3-48. Molekülstruktur von 53 im Kristall (50% Wahrscheinlichkeit, nur ausgewählte H-Atome).

Ausgewählte Bindungslängen [Å]: C1–C2 1.4084(39), C2–C3 1.4420(28), C3–C4 1.4059(32), C4–C5 1.4541(38), C5–C6 1.4140(29), C1–N1 1.3429(27), N1–C7 1.3744(28), C7–C12 1.4111(39), N2–C12 1.3820(26), N2–C2 1.3511(29), C7–C8 1.3899(29), C8–C9 1.3849(32), C9–C10 1.4265(41), C10–C11 1.3895(31), C11–C12 1.3950(32).

Die Verbindung 53 kristallisiert ebenfalls wie die Verbindung 36e in der triklinen Raumgruppe P1 mit zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle und zwei Molekülen Chloroform. Die zwei H-Atome der protonierten Stickstoffatome sind fehlgeordnet über alle Stickstoffatome mit Wahrscheinlichkeiten für N1,N2 von 38.1(3)%, N3,N4 von 37.6(3)% und für N5,N6 von 24.4(3)%. Daher entfällt ein Vergleich der nicht protonierten Stellen mit der protonierten Stelle des Moleküls. Außerdem sind die Unterschiede der Bindungslängen zwischen den Verbindungen 53 und 36e verringert und fallen nicht so stark aus wie bei HATNH2 und HATNMe6H2.[228, 229] Die Bindungen C1–C2 mit 1.41 Å und C7–C12 mit 1.41 Å sind etwas kürzer als die entsprechenden Bindungen im nicht reduzierten Liganden 36e mit 1.43 Å und 1.42 Å. Die C–N-Bindungen hingegen sind durch die aufgehobene Aromatizität länger als in Verbindung 36e. Die Abstände C1–N1 (1.34 Å), N1–C7 (1.37 Å), C12–N2 (1.38 Å) und N2–C2 (1.35 Å) sind länger als die entsprechenden Bindungen in Verbindung 36e mit 1.33 Å, 1.36 Å, 1.35 Å und 1.32 Å.

Ergebnisse und Diskussion

99 3.6 Umsetzungen von Cp*2Ti(η2-BTMSA) mit Chinoxalinderivaten

Durch den Einsatz unterschiedlich substituierten Titanocenquellen war es PIGLOSIEWICZ

bereits möglich, zweikernige Titankomplexe mit unterschiedlichen Chinoxalinderivaten darzustellen.[32] Als Titanocenquellen wurden die Komplexe Cp2Ti(η2-BTMSA) (2), Cp*2Ti(η2-BTMSA) (3), t-BuCp2Ti(η2-BTMSA) und CpCp*Ti(η2-BTMSA) und als Liganden Chinoxalin, 6,7-Dimethylchinoxalin, 6,7-Dichlorchinoxalin, Phenanzin, 1,4,5,8-Tetraazaanthracen und 6,6‘-Bichinoxalin eingesetzt. Dabei sind insgesamt 16 Verbindungen röntgenographisch untersucht und charakterisiert worden. Es konnte durch den Vergleich der Molekülstrukturen der freien Liganden und der Komplexe gezeigt werden, dass zwei Elektronen von den Titanzentren auf den verbrückten Liganden übertragen worden sind. Die Komplexe beinhalten also zwei TiIII-Zentren und einen dianionischen, N-heterocyclischen Brückenliganden. Durch den Einsatz von sterisch anspruchsvollen Cyclopentadienyl-Derivaten (Permethyliert oder einer tButyl-Gruppe) können Trimerisierungen von Chinoxalin und 6,7-Dimethylchinoxalin[12] zu den HATN-Komplexen ausgeschossen werden und es erfolgt eine reine Koordination des Titanocenfragments.

Aromatische N-Heterocyclen, die aus zwei oder drei anellierten aromatischen Sechsringen bestehen, zeichnen sich durch ihre gute Reduzierbarkeit aus und macht sie so attraktiv für Titanocenfragmente (vgl. Kapitel 2.4.1). Im Rahmen dieser Arbeit stand die Synthese neuer HATN-Komplexe im Fokus und daher auch die Synthese neuer Chinoxalinderivate. Diese wurden im Folgenden mit der sterisch anspruchsvollen Titanocenquelle Cp*2Ti(η2-BTMSA) (3) umgesetzt. Abbildung 3-49 zeigt die eingesetzten Chinoxalinderivate.

Abbildung 3-49. Einsetzte Chinoxalin-Derivate.

Während 6,7-Dimethoxychinoxalin[230, 231] und Dibenzo[f,h]chinoxalin[232] literaturbekannt sind, sind es die Verbindungen 6,7-Diphenyl- bzw. 6,7-Di-p-tolylchinoxalin bisher nicht. Die einfach substituierten Chinoxaline wurden im Rahmen dieser Arbeit wie für andere Derivate schon bekannt[32] durch Kondensation des entsprechenden o-Phenylendiamin und 2,3-Dihydroxy-1,2-dioxan[233] dargestellt und charakterisiert. Die Darstellung des Dibenzo[f,h]chinoxalins erfolgte mit 9,10-Phenanthrendion und Ethylendiamin.[232]

Ergebnisse und Diskussion

100 Im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Chinoxalinen, ist die räumliche Anordnung Dibenzo[f,h]chinoxalins eher in die Breite gerichtet und der sterische Einfluss gegenüber des Titanocenfragments deutlich erhöht.