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1.3 Thymusepithelzellen - Untergruppen, Funktionen und Besonderheiten

Wie in Abs. 1.2 beschrieben, durchlaufen die Zell-Progenitoren bis zur reifen T-Zelle mehrere Entwicklungsstadien, die durch Veränderungen ihrer Oberflächenmoleküle gekennzeichnet sind. Einige Signale, sowie Interaktionen und damit verbundenen Transmitter, die für diese Vorgänge notwendig sind, wie Signalkaskaden via Notch/Delta-like-1, IL-7, cKit/SCF, wurden in Abs. 1.2 angesprochen.

Somit ist bekannt, dass ständige Zell-Zell-Kontakte zwischen den ansässigen Thymusepithelzellen und den T-Zell-Progenitoren unabdingbar sind, um eine vollständige und funktionierende Entwicklung der T-Zellreihen, und damit einen wichtigen Teil der adaptiven Immunität, zu ermöglichen. Dass die Zell-Zell-Kontakte und damit entstehenden Signale auch für die Entwicklung der thymischen Epithelzellen unabdingbar sind, wurde durch mehrere Studien qualifiziert, bei denen in verschiedenen Mausstämmen die

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Thymozyten-Entwicklung zu unterschiedlichen Stadien-Zeitpunkten blockiert und die Auswirkungen auf die Epithelzellen bewertet wurde. Es zeigten sich durch diesen Entwicklungsstillstand auf Seiten der T-Zellen deutliche Differenzierungsunvollständigkeiten bei den thymischen Epithelzellen (s. Ende Abs. 1.3). Dieses Abhängigkeitsphänomen zwischen den beiden Zelllinien bezüglich ihre Entwicklung wird als „thymic crosstalk“ bezeichnet (van Ewijk et al., 2000; Anderson et al., 2001) und kennzeichnet klar die Relevanz der jeweiligen Zellreihen für- und zueinander.

Da die im Thymus ansässigen Epithelzellen wie eben erläutert, maßgeblich an der Entwicklung der T-Zellen und der somit adaptierten Immunität beteiligt sind, wird in diesem Abschnitt genauer auf diese Zellen eingegangen.

Sie gehören zu der Familie der Epithelzellen und haben neben ihrer Funktion der Innenschichtauskleidung des gesamten Thymus als einzige Epithelzelllinie des gesamten Körpers die Fähigkeit, durch ihre verzweigte Form ein dreidimensionales Maschennetzwerk auszubilden. Dieses Netzwerk sichert den sich entwickelnden T-Zellen durch ständige Zell-Zell-Kontakte ihren Weg von der CMJ in den Kortex und zurück in die Medulla. Die Epithelzellen des Thymus werden zunächst in zwei anatomische Hauptgruppen unterteilt - in die Epithelzellen, die in der Medulla ansässig sind (medullary thymic epithelial cells, mTEC ) und die des Kortex (cortical thymic epithelial cells, cTEC), wobei ihnen jeweils unterschiedliche Funktionen zugesprochen werden. Die cTEC sind am Vorgang der positiven, die mTEC maßgeblich an dem der negativen Selektion beteiligt (s. Abs. 1.2). Zusammen sichern sie somit einen Großteil der zentralen Toleranz. Die Unterteilung der Thymusepithelzellen in kortikal und medullär erfolgt jedoch nicht allein an Hand ihre Lokalisation im Thymus. Sie werden ferner auf Grund ihrer Expressionsmuster von Keratinmolekülen differenziert. Keratine sind Proteine, die als Intermediärfilamente, zusammen mit den Mikrotubuli und den Mikrofilamenten das Zytoskelett der eukaryotischen epithelialen Zellen bilden. Sie werden nach Größe und pH-Verhalten in zwei Gruppen (Typ I und Typ II) eingeteilt. Die Typ I-Keratine (K9-K19) sind zwischen 40-56.5 kD (kilo Dalton) groß und im sauren Milieu angesiedelt (pKS = 4.5-5.5). Die Typ II-Keratine (K1-K8) sind größer (52-67 kD) und verhalten sich basischer (pKS= 5.5-7.5) (Fuchs et al., 1983; Moll et al., 1982a). Um eine genaue Unterscheidung der Keratine zu ermöglichen, wurden mehrere monoklonale Antikörper entwickelt, die jeweils nur bestimmte, einzelne Keratine anfärben (Woodcock-Mitchell et. al., 1995; Eichner et. al., 1984). Die Keratine konnten des Weiteren durch Immunoblot-Analysen auch ihrer unterschiedlichen Größe und Lokalisation nach aufgeteilt werden (Eichner, et al., 1984). Für einem sinnvollen und gut funktionierendem

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Aufbau epithelialer Strukturen ist immer eine Paarung von einem basischen und einem sauren Keratin notwendig.

Durch die sich verändernden Expressionsmuster der Keratine während der Zelldifferenzierung, z. B. dem Wechsel von kleineren zu größere Keratinen mit zunehmendem Alter der Zelle, können die Keratine auch als Marker für Entwicklungs- und Proliferationsstadien der Epithelzellen, sowie deren verschiedenen Zelltypen, angesehen werden (Franke et al., 1981; Eichner et al., 1984). Diese Erkenntnis haben sich Klug et al. zu Nutzen gemacht. Durch verschiedene Charakterisierungsversuche stellte die Forschergruppe fest, dass auf Grund von unterschiedlichen Keratinexpressionen mehrere (Unter)-Gruppen und Entwicklungsstadien der Thymusepithelzellen differenziert werden können (Klug et al., 1998 und 2002). Bei den im Thymus eine Rolle spielenden Keratinen handelt es sich hierbei um die Keratine 5,8,14 und 18. In einem vollständig entwickelten Thymus kann in fast allen kortikalen Epithelzellen hauptsächlich das Keratin 8 (K8) zusammen mit seinem Partner Keratin 18 (K18) gefunden werden. Diese K8+K18+-doppelt positiven cTEC stellen den dominierenden cTEC-Phänotyp dar und sind im ganzen Kortex verteilt zu finden. Sie haben eine längliche, sternförmige, verzweigte Form, sind netzgitterartig aufgebaut und durchgängig miteinander verbunden. Mit dieser dreidimensionalen Netzwerk-Struktur sichern sie den sich entwickelnden Thymozyten einen kontinuierlichen Weg während ihrer Differenzierung zu reifen T-Zellen durch den Thymus (s. Abs. 1.2). Dem gegenüber ist die vorherrschende medulläre Epithelzellpopulation (mTEC) durch die Expression der Keratine 5 (K5) und 14 (K14) gekennzeichnet (K5+K14+). Ihre Zellstruktur gleicht der der cTEC (Klug et al., 2002).

Des Weiteren sind zusätzlich in beiden Hauptpopulationen der Thymusepithelzellen (Kortex und Medulla) jeweils Untergruppen gefunden worden, die einen abweichenden Phänotyp aufweisen. Die mengenmäßig unterlegene cTEC-Subpopulation ist K8+K18+K5+ und findet sich nicht wie die K8+K18+-Hauptpopulation im ganzen Kortex verteilt, sondern mehr an der CMJ wieder. Vereinzelte Zellen sind ferner im ganzen Kortex anzutreffen. Bei der medullären Untergruppe handelt es sich um K5-K14-K8+K18+ Zellen. Sie haben zwar das gleiche Keratinexpressionsmuster wie die dominierenden cTEC, lassen sich aber gut von ihnen unterschieden, da nur sie zusätzlich das Lektin Ulex europaeus agglutinin-1 (UEA-1) binden.

Lektine sind komplexe (Glyko-) Proteine, die nur spezifische Kohlenhydratstrukturen binden.

Die medulläre Subpopulation befindet sich auch eher am äußeren Medullarand an der CMJ.

UEA-1+-Zellen werden nach Klug et al. (1998) und Hamazaki et al. (2007) als die epitheliale Vorläuferzellen angesehen, welche nach Zellkontakten mit reifen T-Zellen befähigt sind, eine organisierte Medulla auszubilden. Ein weiterer Marker, der neben den Keratinen und der

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Bindung von UEA-1 die Identifizierung von mTEC-Untergruppen ermöglicht, ist das Epithelzell-Adhäsionsmolekül (epithelial cell adhesion molecule, Ep-CAM). Dieses wird von fast allen mTEC exprimiert und lässt sich durch den Antikörper G.8.8 anfärben. Guillemot et al. (2001) vermuteten, dass Ep-CAM Einfluss auf die Organisationskompetenz des Aktins im Zytoskelett nimmt und bei der Bildung des Stromazellnetzwerks im Thymus beteiligt ist.

Derbinski et al. (2001) und Palumbo et al. (2006) entdeckten des Weiteren, dass es sich gerade bei den mTEC, die EpCAM+Ulex+ sind, um die Zellpopulation handelt, die die einzigartige Fähigkeit besitzt, eine Fülle an Antigenen zu exprimieren, die bisher nur in den dazugehörigen eigenen peripheren Organen gefunden wurden (wie z. B. das Insulin). Diese Fähigkeit wird als „promiscuous gene expression“ bezeichnet. Mittels dieser Qualität tragen die mTEC zur Depletion von autoreaktiven T-Zellen bei und haben einen hohen Stellenwert bei der Sicherstellung der zentralen Toleranz. Die Expression der meisten peripheren spezifischen Gewebsantigenen wird hierbei durch AIRE, einen als Autoimmun-Regulator- agierenden Transkriptionsfaktor, reguliert. (Derbinski et al., 2001 und 2005; Liston et al., 2003; Gillard et al., 2007). AIRE wird vor allem im Thymus von den mTEC, sowie im Pankreas und Nebennierenmark exprimiert. Ein Defekt im AIRE-Gen führt bei Menschen und Mäusen zur autoimmune polyendocrinopathy candidiasis ectodermal dystrophy (APECED), die sich in mehrfachen Störungen des endokrinen Hormonsystems, chronischer mukokutaner Candidiasis und ektodermaler Dystrophie äußert (Björses et al., 1998; Vogel, et al., 2002;

Liston et al., 2003; Kuroda et al., 2005). Neuere Experimente zeigen einen weiteren Weg auf, wie AIRE Einfluss auf die Expressionen der thymusfremden, peripher organspezifischen Antigene nehmen kann. AIRE wird eine zusätzliche Einwirkung auf die Geschwindigkeit und Effizienz der mTEC-Differenzierung zugeschrieben. Da dieser Zeitraum bei den AIRE-/- -Mäusen verkürzt ist, wird die Antigenpräsentation und Prägung der T-Zellen somit auch zeitlich und qualitativ vermindert sein (Gillard et al., 2007; Kont et al., 2008).

Es liegen jedoch nicht nur solche Gendefekte, wie das eben erwähnte AIRE-Gen, schweren System-Erkrankungen zu Grunde. Auch führen Gleichgewichtsstörungen in dem zu Beginn des Abs. 1.3 angesprochenen empfindsamen Abhängigkeitsphänomen, „thymic crosstalk“, zu fehlerhaften und unproduktiven T- und Epithelzellen, die wiederum zu Immundefekten oder Dysfunktionalitäten in der Immunabwehr oder zu Autoimmunität führen. Das voneinander abhängige Differenzierungssystem im Thymus zwischen T- und Epithelzellen wurde, wie kurz zu Beginn Abs. 1.3 angesprochen, anhand von verschiedenen Mausmodellen verdeutlicht. In diesen Modellen wurde die T-Zell-Entwicklung zu jeweils verschiedenen Zeitpunkten gestoppt, um die Auswirkung der fehlenden T-Zell-Signale auf die

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Epithelzellen feststellen zu können. Die früheste Blockierung findet in den CD3ε-Mäusen im Stadium DN1 (CD44+CD25-) statt. Hierfür wurden transgene Mäuse generiert, die DNA-Segmente enthalten, welche entweder für das komplette humane CD3ε-Gen oder nur eine verkürzte Form kodieren. Das CD3ε-Protein interagiert als ein Teil des TCR/CD3-Komplexes und koppelt nach seiner Phosphorylierung durch Tyrosin-Protein-Kinasen den TCR/CD3 Komplex an andere Effektor-Moleküle, die in verschiedenen Signalübertragungswegen zur Zelldifferenzierung beteiligt sind (Sancho et al., 1993). Die Anzahl der Gen-Kopien, sowie die unterschiedlichen Regionen der verkürzten Formen, transmembrane und zytoplasmatische, des CD3ε-Proteins wurden variiert (Wang et al., 1994). Durch die fehlenden Signale kommt es in diesen Mäusen zu einem sehr unvollständigen und sehr winzigen Thymusaufbau. Die cTEC sind zwar schon vorhanden, aber in einer zur Kapsel parallel zweidimensionalen Schicht, an Stelle des gewohnten dreidimensionalen radialen Aufbaus, angeordnet. Es lassen sich nur K8+K5+-Epithelzellen anfärben, die als die Epithelvorläuferzellen angesehen werden (Klug et al., 1998; Hamazaki et al., 2007). Des Weiteren sind großen Zysten im Kortex vorhanden. Eine genauere Inspektion dieser Zysten ergibt, dass diese nur mit „klassischen“ Epithelien wie Becherzellen und Flimmerepithelien, auf einer Basalmembran angeordnet, ausgekleidet sind (Holländer et al., 1995; van Ewijk et al., 1999). Medulläre Epithelzellen fehlen gänzlich.

Ein schon deutlich anderes Bild ist in den Mausstämmen zu sehen, bei denen die Thymozyten-Entwicklung ein Stadium später blockiert wird. Sowohl in RAG-1-/-- und RAG-2-/--Mäusen, als auch in SCID (severe combined immunodefinciency defect) -Mäusen findet der Block in Stadium DN2 (CD25+CD44-) statt. Diese Mäuse sind durch die genetischen Defekte nicht in der Lage, Ig- und TCR-Antigen-Rezeptoren durch produktives Rearrangement der kodierenden Gene auszubilden. Das Vorhandensein des nächsten Entwicklungsstadiums seitens der T-Zellen wirkt sich auch schon merklich auf den Thymusepithelzellaufbau aus. Die cTEC sind nun dreidimensional, dicht und radiär zur Kapsel angeordnet und es lassen sich sowohl die K8+K5+- als auch K8+K5--Epithelzellen auffinden (Holländer et al., 1995; van Ewijk et al., 2000).

Aus diesen Experimenten wird deutlich, dass es sich bei dem Übergang der T-Zell-Progenitoren vom Stadium DN1 zu DN2 um einen sehr wichtigen Zeitpunkt bezüglicher der Epithelzelldifferenzierung in einen organisierten Kortex handelt. Welche Signale und Moleküle bei diesem Ereignis notwendig sind, ist bisher Teil reger Nachforschung.

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