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Darstellung der Umsetzung in den Mitgliedstaaten

4. Die Wirkung von Vertragsverletzungsklagen auf die Umsetzung von Natura

4.3. Darstellung der Umsetzung in den Mitgliedstaaten

Im Folgenden werden nun die Umsetzungskurven f¨ur jedes der 15 EU-L¨ander in alpha-betischer Reihenfolge graphisch dargestellt (vgl. Kap. 3.2.2.). Auf diesen Kurven werden die in Teil 4.1. beschriebenen Klageverfahren im Verlauf eingetragen. Hierbei werden folgende Abk¨urzungen verwendet:

Anh¨o: Erstes Anh¨orungsschreiben der Kommission an den Mitgliedstaat, mit dem das f¨ormliche Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wird;

mGvS: Versand der mit Gr¨unden versehenen Stellungnahme;

Klag: Klageerhebung (Eingang der Klage beim EuGH), Beginn des Klageverfahrens;

Urt: Urteil des EuGH.

Zur besseren Identifikation des jeweiligen Klageverfahrens wird diesen Abk¨urzungen noch das Aktenzeichen des Klageverfahrens angef¨ugt (z.B. C71/99).

Die L¨anderbezeichnung und -reihenfolge folgen dem Natura-Barometer.

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Urt C415/01

Klag C415/01

mGvS C415/01Anhö C415/01 Urt C324/01

Klag C324/01

mGvS C324/01

Anhö C324/01

gemeldete Fche in %

VRL FFH Belgique

Abbildung 4.1: Umsetzungskurven Belgien

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Bis dato nur vorläufige FFH-Meldung

gemeldete Fche in %

VRL FFH Danmark

Abbildung 4.2: Umsetzungskurven D¨anemark

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Urt C71/99

Klag C71/99

Urt C83/97 + mGvS C71/99

Klag C83/97

Anhö C71/99

gemeldete Fche in %

VRL Deutschland FFH

Abbildung 4.3: Umsetzungskurven Deutschland

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Urt C103/00

Klag C103/00

mGvS C103/00

Anhö C103/00

Urt C329/96

Klag C329/96

gemeldete Fche in %

VRL FFH Ellas/Griechenland

Abbildung 4.4: Umsetzungskurven Griechenland

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

gemeldete Fche in %

VRL FFH Espana

Abbildung 4.5: Umsetzungskurven Spanien

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Urt C202/01

Urt C220/99

Klag C202/01

Urt C38/99 Urt C374/98

mGvS C202/01Urt C256/98

Klag C220/99 Urt C96/98

Urt C166/97

mGvS C38/99Klag C256/98Klag C96/98Anhö C38/99 + mGvS C374/98mGvS C220/99

Klag C166/97

Anhö C374/98

Anhö C220/99

gemeldete Fche in %

VRL FFH France

Abbildung 4.6: Umsetzungskurven Frankreich

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Urt C67/99

Klag C67/99

mGvS C67/99

Anhö C67/99

gemeldete Fche in %

VRL FFH Ireland

Abbildung 4.7: Umsetzungskurven Irland

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Urt C143/02

Klag C143/02

mGvS C143/02

Anhö C143/02 Urt C378/01

Klag C378/01

Urt C159/99

Klag C159/99

mGvS C378/01

mGvS C159/99

gemeldete Fche in %

VRL FFH Italia

Abbildung 4.8: Umsetzungskurven Italien

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Urt C75/01

Klag C75/01

mGvS C75/01

Anhö C75/01

gemeldete Fche in %

VRL FFH Luxembourg

Abbildung 4.9: Umsetzungskurven Luxemburg

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Urt C3/96

Klag C3/96

gemeldete Fche in %

VRL FFH Nederland

Abbildung 4.10: Umsetzungskurven Niederlande

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Klag C209/02

mGvS C209/02

Anhö C209/02

gemeldete Fche in %

VRL FFH Österreich

Abbildung 4.11: Umsetzungskurven ¨Osterreich

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Urt C72/02

Klag C72/02

mGvS C72/02

Anhö C72/02

gemeldete Fche in %

VRL FFH Portugal

Abbildung 4.12: Umsetzungskurven Portugal

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

Urt C240/00

Klag C240/00

mGvS C240/00

Anhö C240/00

gemeldete Fche in %

VRL FFH Suomi (Finnland)

Abbildung 4.13: Umsetzungskurven Finnland

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

gemeldete Fche in %

VRL FFH Sverige

Abbildung 4.14: Umsetzungskurven Schweden

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0

5 10 15 20 25

gemeldete Fche in %

VRL FFH United Kingdom

Abbildung 4.15: Umsetzungskurven Großbritannien

5.1. Zur Wirkung von Klageverfahren allgemein

So anschaulich die graphische Darstellung der Umsetzung von Natura 2000 in den ein-zelnen Mitgliedstaaten ist, so hat sie einen Nachteil: Einen ¨Uberblick ¨uber den Verlauf bzw. die Wirkung aller hier behandelten Klageverfahren kann sie nicht bieten, denn sonst m¨ussten alle Umsetzungskurven, die von einem Klageverfahren betroffen worden sind, ¨ubereinander gelegt werden, was sehr un¨ubersichtlich werden w¨urde. Daher sind die Zuw¨achse an gemeldeten Fl¨achen f¨ur den Verlauf jedes Klageverfahrens nochmals in Tabelle 5.1 zusammengefasst.

Ein Fortschritt in der Umsetzung von Natura 2000 l¨asst sich am Anstieg der gemelde-ten Fl¨achen ablesen. Betrachtet man unter diesem Aspekt die vorletzte Spalte, ergibt sich ein sehr gemischtes und zweideutiges Bild. Die Fortschritte im Verlauf eines Klagever-fahrens sind sehr unterschiedlich, von 11,3% Zuwachs in Irland (C 67/99) bis praktisch Null in Luxemburg. Sucht man nach l¨anderspezifischen Charakteristika, stellt man fest, dass die Werte auch innerhalb eines Mitgliedstaates stark streuen, z.B. in Frankreich oder Belgien.

Hier wird der zu Beginn von Kapitel 2.2. angesprochene Aspekt deutlich, wie wichtig ein theoretischer Hintergrund auch f¨ur die Datenanalyse ist (d.h. unter welchen Aspekten man sich die Daten betrachtet). Die aus dem institutionalistischen Ansatz abgeleitete ,,Nadelstich-Hypothese“ besagt (Abschnitt 2.2.4.):

,,Vor einem institutionalistischen Hintergrund ist eine eher schwache Wirkung zu er-warten, punktuell und nur auf den Klagegegenstand beschr¨ankt.“

Es dr¨angt sich also auf, die Daten aus Tabelle 5.1 nach dem Klagegegenstand zu sortieren. Tabelle 5.2 zeigt das Ergebnis.

Tabelle 5.1: Zuwachs an gemeldeten Fl¨achen w¨ahrend der Klageverfahren

C 415/01 Belgique FFH 3.0 3.0 4.6 10.3 7.3 re. Ums. Fl¨am.Reg.

C 415/01 Belgique VRL 14.1 14.1 14.1 14.1 0.0 re. Ums. Fl¨am.Reg.

C 71/99 Deutschland FFH 0.0 1.0 2.5 7.3 7.3 pra. Nichtmeldung Liste

C 83/97 Deutschland FFH - - 0.0 1.1 1.1 re. Nichtumsetzung

C 103/00 Ellas/Grie. FFH 19.5 19.5 20.1 20.6 1.1 Einz. Caretta caretta C 329/96 Ellas/Grie. FFH - - 12.0 17.3 5.3 re. Nichtumsetzung C 220/99 France FFH 0.0 0.5 4.1 6.3 6.3 pra. Nichtmeldung Liste

C 256/98 France FFH - - 1.9 5.7 3.8 re. Nichtums. Art. 6

C 374/98 France FFH 0.0 1.4 1.9 5.7 5.7 Einz. Basses Corbi`eres

C 166/97 France VRL - - 1.4 1.5 0.1 Einz. Seine-M¨undung

C 202/01 France VRL 1.5 1.6 1.6 1.6 0.1 Einz. Plaine des Maures C 374/98 France VRL 1.3 1.4 1.4 1.5 0.2 Einz. Basses Corbi`eres

C 38/99 France VRL 1.4 1.4 1.4 1.5 0.1 Einz. Re. Nichtums.

C 96/98 France VRL - - 1.4 1.5 0.1 Einz. Poitou-S¨umpfe

C 67/99 Ireland FFH 0.0 0.0 1.0 11.3 11.3 pra. Nichtmeldung Liste C 143/02 Italia FFH 16.4 15.5 13.8 13.7 -2.7 Einz. re. Unzul¨ass.

Ausn.reg.

C 159/99 Italia VRL - 1.5 3.1 4.6 3.1 Einz. Passer italiae u.a.

C 378/01 Italia VRL - 1.5 4.6 7.1 5.6 pra. Ungen¨u.

Gebiets-meld.

C 75/01 Luxembourg FFH 13.6 13.6 13.6 13.7 0.1 re. Nichtums. Mehr. Reg.

C 3/96 Nederland VRL - - - 8.2 - pra. Ungen¨u.

Gebiets-meld.

C 72/02 Portugal FFH 13.2 17.9 17.9 17.9 4.7 re. Nichtums. Mehr. Reg.

C 72/02 Portugal VRL 9.2 9.2 9.2 9.4 0.2 re. Nichtums. Mehr. Reg.

C 240/00 Suomi/Finnl. VRL 0.3 6.2 8.1 8.1 7.8 pra. Ungen¨u. Gebiets-meld.

Tabelle 5.2: Zuwachs an gemeldeten Fl¨achen w¨ahrend der Klageverfahren, sortiert nach

C 374/98 France FFH 0.0 1.4 1.9 5.7 5.7 Einz. Basses Corbi`eres C 374/98 France VRL 1.3 1.4 1.4 1.5 0.2 Einz. Basses Corbi`eres C 103/00 Ellas/Grie. FFH 19.5 19.5 20.1 20.6 1.1 Einz. Caretta caretta C 159/99 Italia VRL - 1.5 3.1 4.6 3.1 Einz. Passer italiae u.a.

C 202/01 France VRL 1.5 1.6 1.6 1.6 0.1 Einz. Plaine des Maures

C 96/98 France VRL - - 1.4 1.5 0.1 Einz. Poitou-S¨umpfe

C 38/99 France VRL 1.4 1.4 1.4 1.5 0.1 Einz. re. Nichtums.

C 143/02 Italia FFH 16.4 15.5 13.8 13.7 -2.7 Einz. re. unzul¨ass.

Ausn.reg.

C 166/97 France VRL - - 1.4 1.5 0.1 Einz. Seine-M¨undung

C 71/99 Deutschland FFH 0.0 1.0 2.5 7.3 7.3 pra. Nichtmeldung Liste C 220/99 France FFH 0.0 0.5 4.1 6.3 6.3 pra. Nichtmeldung Liste C 67/99 Ireland FFH 0.0 0.0 1.0 11.3 11.3 pra. Nichtmeldung Liste

C 378/01 Italia VRL - 1.5 4.6 7.1 5.6 pra. ungen¨u.

Gebiets-meld.

C 3/96 Nederland VRL - - - 8.2 - pra. ungen¨u.

Gebiets-meld.

C 240/00 Suomi/Finnl. VRL 0.3 6.2 8.1 8.1 7.8 pra. ungen¨u. Gebiets-meld.

C 256/98 France FFH - - 1.9 5.7 3.8 re. Nichtums. Art. 6

C 75/01 Luxembourg FFH 13.6 13.6 13.6 13.7 0.1 re. Nichtums. mehr. Art.

C 72/02 Portugal FFH 13.2 17.9 17.9 17.9 4.7 re. Nichtums. mehr. Art.

C 72/02 Portugal VRL 9.2 9.2 9.2 9.4 0.2 re. Nichtums. mehr. Art.

C 83/97 Deutschland FFH - - 0.0 1.1 1.1 re. Nichtumsetzung

C 329/96 Ellas/Grie. FFH - - 12.0 17.3 5.3 re. Nichtumsetzung C 415/01 Belgique FFH 3.0 3.0 4.6 10.3 7.3 re. Ums. Fl¨am.Reg.

C 415/01 Belgique VRL 14.1 14.1 14.1 14.1 0.0 re. Ums. Fl¨am.Reg.

C 324/01 Belgique FFH 3.0 3.0 4.5 9.0 6.0 re. ungen¨u. Ums.

0.9 Mittelwert Einzelf.

7.7 Mittelwert pra. Ums.

3.2 Mittelwert re. Ums.

3.2 Mittelwert gesamt

Wirkung von Vertragsverletzungsklagen (mit Verurteilung des MS)

Gegenstand: Einzelfall Gegenstand: Rechtl. Umsetzung Gegenstand: Prakt. Ums.

Wirkung: Niedrig Wirkung: Mittel Wirkung: Hoch

(Y <1%) (Y = 1 bis 5%) (Y > 5%)

Abbildung 5.1: Wirkung von Vertragsverletzungsklagen nach Verfahrensgegenstand

Aus Tabelle 5.2 ergibt sich, dass man die hier behandelten Klageverfahren in drei Untergruppen einteilen kann, die sich in ihrer Wirkung auf die Umsetzung von Natura 2000 deutlich unterscheiden:

(1) Klagen, deren Gegenstand auf einen Einzelfall beschr¨ankt ist, bewirken praktisch keinen Umsetzungsfortschritt. Ein ,,Einzelfall“ kann dabei betreffen: (a) die recht-liche Umsetzung einer oder einiger weniger Regelungen (z.B. Verfahren C 38/99 gegen Frankreich) oder (b) die praktische Umsetzung, bezogen (b1) auf einzelne Arten (C 103/00 gegen Griechenland - Meeresschildkr¨ote Caretta caretta) oder (b2) auf einzelne Gebiete (z.B. C 96/98 gegen Frankreich - Poitou-S¨umpfe).

(2) Klagen, deren Gegenstand allgemein diepraktische Umsetzung in einem Mitglied-staat ist, bewirken einen großen Umsetzungsfortschritt.

(3) Klagen, deren Gegenstand allgemein die rechtliche Umsetzung in einem Mitglied-staat ist, bewirken einen mittleren Umsetzungsfortschritt.

Die in dieser schematischen Darstellung (Abb. 5.1) verwendeten Y-Werte sind im Sinne von ,,Richtwerten“ zur Konkretisierung der Kategorien ,,niedrig“, ,,mittel“ und ,,hoch“

zu verstehen. Y bedeutet wiederum den Zuwachs an gemeldeten Fl¨achen in Prozent der Gesamtfl¨ache eines Mitgliedstaates w¨ahrend des Klageverfahrens.

Die Daten zeigen zwei Ausreißer, die diesem Schema zu widersprechen scheinen: 1.

Das Einzelfall-Klageverfahren C 374/98 gegen Frankreich, FFH-Gebiet Basses Cor-bi`eres, w¨ahrend dem ein Zuwachs von 5,7% zu verzeichnen war, und 2. das Einzelfall-Klageverfahren C 159/99 gegen Italien, Schutz der Vogelart Passer italiae u.a., in dessen Verlauf ein Zuwachs von immerhin 3,1% dokumentiert ist.

Beide Ausreißer lassen sich jedoch erkl¨aren. In beiden F¨allen ¨uberlagerten sich die Einzelfall-Verfahren mit Verfahren, die allgemein die praktische Umsetzung zum Ge-genstand hatten, n¨amlich C 220/99 in Frankreich und C 378/01 in Italien. Ginge man davon aus, dass z.B. der Einzelfall ,,Basses Corbi`eres“ ein ,,starker“ Einzelfall mit exem-plarischem Charakter oder Ausstrahlungswirkung gewesen ist, dann h¨atte er auch einen Einfluss auf die Umsetzung der VRL haben m¨ussen, denn im Fall ,,Basses Corbi`eres“

waren auch Belange des Vogelschutzes tangiert. Auf die Umsetzung der VRL hatte die-ser Fall jedoch keine Auswirkung (vgl. Umsetzungskurven f¨ur Frankreich). Das spricht daf¨ur, dass der Zuwachs denjenigen Klagen, deren Gegenstand die allgemeine praktische Umsetzung gewesen ist, zuzuschreiben ist1.

Allgemeine Klagen bez¨uglich der rechtlichen Umsetzung haben eine ,,mittlere“ Wir-kung. Der Mittelwert dieser Untergruppe (3,2%) entspricht sehr genau dem Mittelwert aller Klageverfahren (3,2%). Allerdings ist die Bandbreite der einzelnen Y-Werte in dieser Subgruppe erheblich. Das ist damit zu erkl¨aren, dass rechtliche Regelungen unterschied-liche Bedeutung f¨ur die praktische Umsetzung haben.

So fehlte in Deutschland bis zum Erlass des Bundesnaturschutzgesetzes am 21.09.1998 noch jegliche Umsetzung der FFH-RL (vgl. Klageverfahren C 83/97). Ohne gesicherte Rechtsgrundlage sahen sich aber die deutschen Beh¨orden nicht veranlasst, Gebiete zu melden. Entsprechend ist der Stand der deutschen FFH-Gebiete zu Beginn des Unter-suchungszeitraumes gleich Null. Er steigt erst sukzessive mit dem Eingehen einzelner Gebietsmeldungen aus den Bundesl¨andern an. Auch Griechenland hatte zun¨achst noch gar keine Regelungen zur Umsetzung der FFH-Richtlinie beschlossen (vgl. Klageverfah-ren C 329/96). Als die rechtliche Basis geschaffen war, wurden dann aber sehr rasch auch die Gebietsmeldungen durch die Zentralregierung vollzogen. Dies erkl¨art den hohen Zu-wachs in diesem Fall: Die Umsetzungskurve zeigt einen enormen Anstieg von Null auf 20,2%.

Verurteilungen mit dem Inhalt, der Mitgliedstaat sei allgemein seinen Verpflichtun-gen zur Ausweisung von Natura-2000-Schutzgebieten nicht ausreichend nachgekommen, bewirken also eine deutliche Verbesserung der praktischen Umsetzung. Dieses Ergebnis ist unmittelbar einleuchtend, insbesondere, wenn der Fortschritt wie in dieser Arbeit als Zuwachs an gemeldeten Schutzfl¨achen operationalisiert wird. Bemerkenswert ist, dass in allen diesen F¨allen ein ¨uberdurchschnittlicher Zuwachs bewirkt worden ist, so dass sich auf Grund der vorliegenden Daten von einer hinreichenden Bedingung sprechen l¨asst:

Immer dann, wenn ein Mitgliedstaat allgemein wegen ungen¨ugender praktischer

Umset-1Bei dieser Argumentation wird ein Vergleich zwischen der Umsetzungskurve der FFH-RL und der VRL gemacht, wobei eine als ,,Quasi-Kontrollgruppe“ dient. Dieser methodische Kunstgriff ist je-doch nur da sinnvoll, wo sich eine Klage nur auf die Umsetzung einer Richtlinie bezieht und die andere in diesem Zeitraum ohne Klageverfahren geblieben ist. Weil die Umsetzung beider Richtlini-en nicht v¨ollig unabh¨angig voneinander ist, kann von einer echten Kontrollgruppe nicht gesprochen werden. Aber auch eine ,,Quasi-Kontrollgruppe“ kann bei der Interpretation hilfreich sein, insbeson-dere zur Kontrolle der in Abschnitt 3.3.4. dargestellten history-Effekte (zum Zeitreihendesign mit KontrollgruppeCook/Campbell1979: 214ff.).

zung verurteilt worden ist, hatte dies einen deutlichen Fortschritt zur Folge. Dies gilt selbst f¨ur ,,klageresistente“ Staaten wie Frankreich (vgl. Kap. 5.3.). Trotz einer ungleich h¨oheren Anzahl an Verurteilungen als alle anderen EU-L¨ander hatte nur das Verfah-ren C 220/99 eine deutliche Wirkung, in dem festgestellt wurde, dass Frankreich eine ungen¨ugende Gebietsliste ¨ubermittelt hatte.

Bemerkenswert ist aber auch die ,,Kehrseite“: In anderen F¨allen, insbesondere in Ein-zelfallverfahren, tun die Mitgliedstaaten offensichtlich nur das minimal Notwendige und lassen sich im ¨Ubrigen nicht in der Art und Weise der nationalen Umsetzung beeinflus-sen, selbst wenn diese relativ schleppend verl¨auft. Eine Verurteilung hat also keine Si-gnalwirkung. Lieber beschr¨anken sich die Mitgliedstaaten darauf, nur jene Maßnahmen zu ergreifen, die sich unmittelbar aus dem Urteil ergeben, und riskieren in ¨ahnlichen Einzelf¨allen ein erneutes Verfahren. Frankreich ist f¨ur diese Politik ein besonders an-schaulicher Fall. In R¨uckbindung an die Theorie entspricht dieses Verhalten weniger der ,,Perturbationshypothese“, sondern eher der Nadelstich-Hypothese, die aus dem institu-tionalistischen Ansatz abgeleitet wurde (Kap. 2.2.1. und 2.2.4.). Dieser Befund bedeutet auch, dass von den 21 in dieser Analyse erfassten Klageverfahren die acht Einzelfallver-fahren keine nennenswerten Fortschritte gebracht haben. Unter diesem Aspekt waren rund 38% der von der Kommission angestrengten Verfahren ineffizient.

Wollte man hieraus eine Handlungsempfehlung f¨ur die Kommission ableiten, lautete diese: Um mit einer Vertragsverletzungsklage Fortschritte bei der praktischen Umset-zung zu bewirken, sollte der Klagegegenstand m¨oglichst weit gefasst werden; einzelfall-bezogene Klagen sind ungeeignet. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der betroffene Mitgliedstaat nur das unmittelbar Notwendige tut, sprich eine Verurteilung nur einen Nadelstich darstellt.

5.2. Wirksames Mittel gegen schleppende Umsetzung?

In diesem Abschnitt wird der Blickwinkel auf die gesammelten Daten etwas ver¨andert.

Im vorstehenden Abschnitt stand eine Analyse aller Klageverfahren und derer unter-schiedlicher Wirkung im Mittelpunkt. Im Folgenden gilt das Augenmerk den F¨allen, in denen die Umsetzung der VRL und/oder der FFH-RL schleppend verlief. In man-chen dieser F¨alle wurde ein Klageverfahren angestrengt, in anderen nicht. Wie ist es um die Wirkung von Vertragsverletzungsklagen als Mittel gegen schleppende Umset-zung bestellt ? In diesem Abschnitt werden insbesondere die ,,Enforcement-Hypothese“

(Tallberg 2002) und die ,,Verurteilungshypothese“ ¨uberpr¨uft (vgl. Kap. 2.2.4.).

5.2.1. Klagen wegen Nichtumsetzung der FFH-Richtlinie

Ein Sonderfall ,,schleppender Umsetzung“ ist die Nichtumsetzung, d.h. wenn ein Mit-gliedstaat es vers¨aumt hatte, innerhalb der gesetzten Frist (bis Juni 1994) die FFH-Richtlinie ¨uberhaupt in nationales Recht zu ¨ubernehmen. Im Untersuchungszeitraum

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0.00

0.05 0.10 0.15 0.20 0.25

Urt C 83/97

Klag C 83/97Urt C 329/96

Klag C 329/96

Deu Ell/Gri

Anteil gemeldete FFH-Fche

Abbildung 5.2: Klageverfahren wegen Nichtumsetzung der FFH-RL

betrifft diese Konstellation die L¨ander Deutschland und Griechenland. Die rechtliche Nichtumsetzung hatte direkt Auswirkungen auf die praktische Umsetzung, da die na-tionalen Beh¨orden in beiden F¨allen ohne entsprechende Rechtsgrundlage auch nicht in Bezug auf die Gebietsmeldungen t¨atig geworden sind. Die deutschen Stellen teilten der Kommission mit, dass ,,nach innerstaatlichem Recht die Bundesl¨ander zust¨andig seien, [die] diese Auswahl erst dann treffen w¨urden, wenn die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt sei“ (EuGH, Urt. v. 11.09.2001 - C 71/99, Nr. 13 des Urteilstextes). Entspre-chend lagen zu Beginn des Untersuchungszeitraumes beide Staaten bei Null (siehe Abb.

5.2).

Bemerkenswert ist der unterschiedliche Verlauf der Umsetzungskurven bis 1998 nach der Verurteilung beider Staaten. Aus Deutschland kamen auch nach der Klageerhebung, die am 24.02.1997 beim EuGH erfolgte, keine Gebietsmeldungen. Das Gesetzgebungs-verfahren wurde erst nach der Klageerhebung ernsthaft mit einem entsprechenden Ge-setzesentwurf in Angriff genommen (Gellermann 2001: 138; Meßerschmidt 2004:

Einf¨uhrung, Rdnr. 111-135). Zum Zeitpunkt der Verurteilung Deutschlands durch den EuGH am 11.12.1997 befand sich der Gesetzentwurf im Vermittlungsausschuss. Die Um-setzung der FFH-Richtlinie erfolgte erst zum 21.09.1998, nachdem auch der Bundesrat zugestimmt hatte (BGBl. I S. 2994). Die Besonderheit der deutschen Gesetzgebung mit der Beteiligung der L¨ander im Bundesrat kommt hier deutlich zum Ausdruck.

Derartige Probleme hatte Griechenland, wo es nur ein Gesetzgebungsorgan (das Par-lament) gibt, nicht. Auch bei der praktischen Umsetzung war es nicht von derart

selbst¨andigen subnationalen Einheiten wie den deutschen Bundesl¨andern abh¨angig; die Umsetzung war in Griechenland Sache der Zentralregierung, die den nachgeordneten Bezirksregierungen und Departements Weisungen erteilen konnte. Entsprechend schnell konnte dort auf das Klageverfahren reagiert werden. Griechenland zeigte sich somit deut-lich ,,responsiver“2.

In beiden L¨andern gab das Klageverfahren einen eindeutigen Impuls f¨ur die Um-setzung von Natura 2000, und zwar nicht nur im Sinne der rechtlichen, sondern auch der praktischen Umsetzung. Dieser Impuls war auch n¨otig, nachdem beide L¨ander lan-ge nichts zur Umsetzung der FFH-RL lan-getan hatten. Dies ist ein starkes Indiz f¨ur die Enforcement-Hypothese (Kap. 2.2.2. und 2.2.4.). Die Verurteilungshypothese findet sich indes nur im deutschen Fall best¨atigt. Die griechischen Stellen hatten bereits im Vorfeld der Klageerhebung reagiert.

Vergleicht man das Ausmaß der Wirkung der Klageverfahren in Deutschland und Griechenland, so st¨oßt man auf ein starkes Indiz f¨ur die These, dass entscheidend f¨ur die Implementierungseffizienz das nationale Institutionengef¨uge, insbesondere nationale Veto-Positionen, sind (Bailey 2002;B¨orzel/Risse2000). F¨ur die vorliegende Unter-suchung ist es jedoch ebenfalls interessant, dass Griechenland nach den großen Umset-zungsfortschritten kein weiteres Mal wegen schleppender Umsetzung verklagt worden ist (das Verfahren C 103/00 betraf den Einzelfall des Schutzes der Brutpl¨atze der Meeres-schildkr¨ote Caretta caretta). Die Bundesrepublik hingegen sah sich bereits im Fr¨uhjahr 1999 erneut als Beklagte vor dem EuGH dem Vorwurf ungen¨ugender Gebietsmeldungen ausgesetzt. Das weist darauf hin, dass in Deutschland zwar die FFH-Richtlinie auf Druck der Verurteilung in nationales Recht umgesetzt wurde, die praktische Umsetzung aber weiter an den institutionellen Besonderheiten des deutschen F¨oderalismus krankte. Dies trotz der Tatsache, dass ab dem September 1998 eine neue Bundesregierung mit einem gr¨unen Umweltminister im Amt war. Die Wirkung der Verurteilung vom 11.12.1997 war daher im Hinblick auf die praktische Umsetzung eher punktuell, es bedurfte weiteren Drucks auf Deutschland, um Fortschritte bei der Umsetzung zu erzielen, was gegen die Perturbations-Hypothese und f¨ur die Nadelstich-Hypothese spricht (Kap. 2.2.4.).

5.2.2. Klagen wegen schleppender Umsetzung der FFH-Richtlinie

Im Gegensatz zum vorangegangenen Abschnitt wird ,,schleppende Umsetzung“ nunmehr auf die praktische Umsetzung der FFH-RL bezogen. Im Untersuchungszeitraum fanden sich Deutschland, Frankreich und Irland mit Klagen wegen ungen¨ugender Schutzgebiets-meldungen konfrontiert. Nach dem ,,Fahrplan“ zu Natura 2000 (Kap. 2.1.2., Tab. 2.1)

2Das Konzept der ,,Responsivit¨at“ wird hier lediglich zur Beschreibung der Reaktion eines Mitglied-staates auf ein Klageverfahren bzw. eine Verurteilung verwendet. Sie hat zwei Dimensionen. Zum einen der Reaktionszeitpunkt: von antizipativ bis verz¨ogert. Zum anderen die Art der Reaktion: von langsam/in kleinen Schritten bis rasch/mit einem großen Sprung; bzw. auf der Umsetzungskurve flacher bis steiler Anstieg.

h¨atten die Vorschl¨age der Mitgliedstaaten bereits zum Juni 1995 bei der Kommission vorliegen m¨ussen. Bis Juni 1998 sah der Zeitplan dann eine dreij¨ahrige Abstimmungs-phase zwischen den nationalen Beh¨orden und der Kommission ¨uber die Gebietskulisse vor.

Die Umsetzungskurven zeigen, dass eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten zu Beginn des Untersuchungszeitraumes 1996 in Verzug war. Dem ersten Natura-Barometer zu Fol-ge hatten nur sechs von 15 Staaten GebietsmeldunFol-gen an die Kommission ¨ubermittelt, n¨amlich D¨anemark, ¨Osterreich, Portugal (in sehr geringem Umfang), Finnland, Schwe-den und Großbritannien. Das bedeutete aber nicht, dass die Kommission nun gegen die anderen neun EU-L¨ander sogleich Vertragsverletzungsklagen auf den Weg gebracht h¨atte. Vielmehr versuchte die Kommission zun¨achst, ¨uber administrative Verbesserun-gen die Umsetzung zu verbessern. So wurde im Dezember 1996 ein Formular f¨ur die Ubermittlung von Informationen zu den im Rahmen von Natura 2000 vorgeschlagenen¨ Gebieten ausgearbeitet3. Dessen Benutzung sollte den Mitgliedstaaten eine Richtschnur f¨ur die Art und Weise der Meldung sein und die Zahl von R¨uckfragen verringern. Dies ist ein sehr gutes Beispiel daf¨ur, wie die Kommission Management- und Enforcement-Instrumente kombiniert (Tallberg 2002: 610).

Allerdings sah der Zeitplan zu Natura 2000 im Juni 1998 eine weitere deadline vor.

Ab dann sollte die Gebietskulisse komplett sein und die nationalen Beh¨orden sollten die konkrete Schutzgebietsausweisung vornehmen. Zu diesem Zeitpunkt hatten Grie-chenland, Spanien, Italien und die Niederlande umfangreiche Nachmeldungen gemacht.

Luxemburg hatte die ¨Ubermittlung seiner umfassenden nationalen Liste zugesagt und

¨ubersandte dann auch Ende 1998 seine Liste und bis Juni 1999 die dazu geh¨orenden Formulare und Karten vollst¨andig (vgl. Natura-Barometer Nr. 7, 8 und 9). Aber es gab immer noch vier Nachz¨ugler, mit deren ¨ubermittelten Listen die Kommission schon al-lein dem Umfang nach nicht zufrieden sein konnte. Diese Nachz¨ugler waren Belgien, Deutschland, Frankreich und Irland.

Abbildung 5.3 zeigt diese Entwicklung der Umsetzung nochmals sehr deutlich. Alle neun aufgef¨uhrten Staaten lagen 1996 noch bei Null. Die hier gestrichelt eingetragene deadline markiert die Frist vom Juni 1998. Die Nachz¨ugler hatten bis dahin nur jeweils rund 3% ihrer Landesfl¨ache als FFH-Gebiet vorgeschlagen.

Die Kurve zeigt, dass sich die Kommission bei ihrem Entschluss, Klage zu erheben, neben der Einhaltung der in der FFH-RL bestimmten Fristen auch von der bisherigen Umsetzung hat leiten lassen. Spanien war m¨oglicherweise ebenfalls ein Kandidat daf¨ur, wegen ungen¨ugender Gebietsmeldungen angeklagt zu werden, von dort wurden aber noch ,,rechtzeitig“ ausreichende Listen ¨ubermittelt, wie die Kurve zeigt. Belgien hatte immerhin rasch begonnen, Listen zu ¨ubermitteln, und hatte im Juni 1998 wenigstens 3% seiner Landesfl¨ache als FFH-Gebiete an die Kommission gemeldet. Bei jenen drei Mitgliedstaaten aber, die letztlich verklagt wurden, lief die Gebietsmeldung ¨uberhaupt nur sehr schleppend an und erreichte zudem im Juni 1998 allenfalls 2% der

Landes-3Entscheidung 97/226/EG der Kommission vom 18.12.1996, ABl. 1997 L 107, S.1.

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 0.00

0.05 0.10 0.15 0.20 0.25

Bel Ita,Lux Ell/Gri Esp/Spa

Ned

Fra Deu Ire

Y: Anteil gemeldete FFH-Fchen

Abbildung 5.3: Schleppende praktische Umsetzung der FFH-RL

fl¨ache. Dies war umso Besorgnis erregender, als zwei der Nachz¨ugler die großen L¨ander Deutschland und Frankreich waren, die auch wegen ihrer geographischen Lage immense

fl¨ache. Dies war umso Besorgnis erregender, als zwei der Nachz¨ugler die großen L¨ander Deutschland und Frankreich waren, die auch wegen ihrer geographischen Lage immense