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3. Untersuchungsdesign 27

3.3. Zur Wirkung anderer unabh¨ angiger Variablen

3.3.4. Zeitliche Ereignisse

Schließlich gilt es noch Faktoren zu ber¨ucksichtigen, die sich aus dem L¨angsschnittcharakter dieser Untersuchung ergeben (Cook/Campbell 1979: 207ff.).

Der beobachtete Fortschritt k¨onnte beispielsweise auf einen allgemeinen Trend im Untersuchungszeitraum zur¨uckzuf¨uhren sein. Tats¨achlich hat sich zwischen 1996 und 2003 die Implementierung europ¨aischer Richtlinien gemessen an der Umsetzungsquote verbessert, allerdings vor allem bezogen auf die rechtliche Umsetzung (Kommission 2003).

Im Gegensatz dazu gibt es aber keine Anhaltspunkte f¨ur einen ,,naturschutz-freundlichen“ Trend zwischen 1996 und 2003. Eher ließ sich ,,eine gewisse Abk¨uhlung der umweltpolitischen Konjunktur“ beobachten (Knill 2003: 36f.). Die Konfundierung von Fortschritt durch einen entsprechenden Trend im Untersuchungszeitraum ist daher eher unwahrscheinlich10.

Daneben k¨onnen singul¨are zeitliche Ereignisse (,,history“), die zeitgleich mit einer Ver-urteilung auftreten, als ,,st¨orende“ Drittvariablen in Erscheinung treten (Schnell1999:

207;Cook/Campbell1979: 211). Denkbar sind hier vor allem Regierungswechsel, aber auch Umweltkatastrophen, die einen Schwenk in der ¨offentlichen Meinung ausl¨osen.

Hierzu ist zu konstatieren, dass der Sektor Naturschutz im Untersuchungszeitraum keinen hohen Politisierungsgrad besaß; Wahlprogramme, Wahlk¨ampfe und politische Diskussionen fokussierten auf wirtschafts- und sozialpolitische Themen (Sozialversiche-rungssysteme, Arbeitslosigkeit, Weltwirtschaft) oder auf Sicherheitsfragen (vor allem nach den Anschl¨agen auf das World Trade Center am 11.09.2001). Letztes bedeutendes politisches Ereignis in Sachen Arten- und Biotopschutz war der Erdgipfel f¨ur Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro, danach ist das Thema sehr rasch wieder aus der politischen und ¨offentlichen Diskussion verschwunden. Die siebte internationale Konfe-renz zum Erhalt der biologischen Vielfalt im Februar 2004 in Kuala Lumpur wurde in den Medien nur am Rande wahrgenommen11. Umweltkatastrophen wie die Havarie des Tankers ,,Prestige“ gab es zwar auch im Untersuchungszeitraum, diese ber¨uhrten aber in keinem Falle den Aufbau von Natura 2000.

Es liegen also keine Anhaltspunkte f¨ur derartige Einfl¨usse durch singul¨are Ereignisse vor. Trotzdem k¨onnen sie durch das Design nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

10Cook/Campbellnennen erg¨anzend zu Trends noch Zyklen und saisonale Schwankungen. Hinweise auf zyklische Abl¨aufe bei der Umsetzung von EU-Umweltpolitik sind jedoch nicht bekannt. Auch saisonale Schwankungen k¨onnen plausiblerweise ausgeschlossen werden.

11Vgl. z.B. die kurze dpa-Meldung ,,Zeit dr¨angt“,udkuriervom 10.02.2004.

Das bedeutet, dass in jedem einzelnen Fall kontrolliert werden muss, ob ein solches Ereignis stattgefunden hat. Soweit im Rahmen dieser Untersuchung m¨oglich, wird dieser Punkt in der Falldarstellung und -auswertung beachtet werden.

Vertragsverletzungsklagen auf die Umsetzung von Natura 2000

Die hier behandelten F¨alle sind Ergebnis einer ausf¨uhrlichen Recherche in der Rechts-sprechungsdatenbank der EU,Curia, die alle Entscheidungen seit Juni 1996 beinhaltet.

F¨ur den Zeitraum davor, also die Jahre 1995 und 1996, musste manuell in der gedruckten Entscheidungssammlung des EuGH recherchiert werden.

Gem¨aß der vorstehenden Operationalisierung sind hier einige weitere in Curia auf-gef¨uhrte Klageverfahren im Untersuchungszeitraum 1996-2003, die die Umsetzung von Natura 2000 betreffen, von der weiteren Auswertung ausgeschlossen worden. Zun¨achst sind von vorn herein nur Vertragsverletzungsverfahren Gegenstand dieser Arbeit, wes-halb z.B. Vorlageverfahren nach Art. 234 EGV nicht aufgef¨uhrt sind1. Weiter sind aus Gr¨unden der Koh¨arenz zwei Verfahren nicht n¨aher untersucht worden, in denen es zu keinem Urteil kam, weil das Klageverfahren in letzter Sekunde eingestellt wurde2.

4.1. Darstellung der einzelnen Vetragsverletzungsklagen

In der Entscheidungssammlung des Europ¨aischen Gerichtshofes ließ sich weder f¨ur das Jahr 1995 noch f¨ur das Jahr 1996 ein Urteil in einem Vertragsverletzungsverfahren fin-den, welches die Umsetzung der Vogelschutz- oder FFH-Richtlinie betroffen h¨atte. Die folgende Falldarstellung beginnt daher mit dem ersten EuGH-Urteil des Untersuchungs-zeitraumes vom 26. Juni 1997.

1Zum Thema Umsetzung von Natura 2000 gab es im Untersuchungszeitraum mehrere solcher Verfah-ren, vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 07.11.2000 - C 371/98 - First Corporate Shipping (CURIA).

2Das sind laut CURIA:

Kommission vs. Irland, Rechtssache C 117/00, Schlussantrag des Generalanwaltes L´eger vom 07.03.2002, in welcher es speziell um den Schutz des Schottischen Moorschneehuhns und das Vogel-habitat Owenduff-Nephin Beg ging;

Kommission vs. Schweden, C 247/01, Schlussantrag des Generalanwaltes Alber vom 18.04.2002, wegen ungen¨ugender rechtlicher Umsetzung der VRL (Ausnahmeregelung vom Verbot des Handels mit gesch¨utzten Vogelarten, die nicht im Einklang mit Gemeinschaftsrecht stand).

Beide Verfahren hatten keine Auswirkung auf die Umsetzung (was im Einklang mit den Ergeb-nissen dieser Arbeit steht).

4.1.1. Kommission vs. Griechenland (Urt. v. 26.06.1997 - C 329/96)

Das Klageverfahren vor dem EuGH begann mit der Klageerhebung am 08. Oktober 1996. Gegenstand der Klage der Kommission war die nicht fristgem¨aße Umsetzung der FFH-Richtlinie in nationales griechisches Recht. Die Richtlinie war Griechenland am 05. Juni 1992 bekannt gegeben worden, somit lief die Frist zum Erlass der notwendigen Rechtsvorschriften am 05. Juni 1994 ab. Die Kommission hatte die erforderliche Noti-fikation ¨uber die rechtliche Umsetzung nicht erhalten und leitete daraufhin im August das Vertragsverletzungsverfahren mit einem ersten Anh¨orungsschreiben ein. Dieses blieb ebenso unbeantwortet wie die mit Gr¨unden versehene Stellungnahme vom 21. Juni 1995.

Das Urteil erging am 26. Juni 1997; von der Einleitung des Verfahrens bis zum Urteil vergingen also ¨uber drei Jahre.

Dabei war die Tatsache, dass die Richtlinie nicht fristgem¨aß umgesetzt worden war, auch von der griechischen Seite unbestritten. Als Rechtfertigung wurden gesetzgebungs-technische Probleme angef¨uhrt. Diese reichen aber nach st¨andiger Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht aus, um die Nichtbeachtung von Fristen und Verpflichtungen zu rechtfertigen, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben (Henke 1992: 232)3. Die Verurteilung war daher abzusehen. - 1996 ¨ubernahm Konstantinos Simitis das Amt des Ministerpr¨asidenten von dem todkranken Andreas Papandreou und brachte die PASOK, die griechische Regierungspartei blieb, nachfolgend auf einen st¨arker an Europa orien-tierten Reformkurs. Die Verurteilung konnte jedoch nicht mehr abgewendet werden.

Auf das Urteil des EuGH vom 26.06.1997 hin verzeichnete das Natura-Barometer Nr.

4 vom Oktober 1997 einen deutlichen Fortschritt bei der Meldung der Gebietslisten.

,,Griechenland hat 23 neue SPAs ausgewiesen, sowie 7.000 Quadratkilometer im Sinne der Habitat-Richtlinie nominiert“ (Kommission 1997b). Die rechtliche Umsetzung in nationale Vorschriften ging also auch mit Fortschritten in der praktischen Umsetzung einher.

4.1.2. Kommission vs. Deutschland (Urt. v. 11.12.1997 - C 83/97)

Wie Griechenland h¨atte auch die Bundesrepublik bis zum 05.Juni 1994 die FFH-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben m¨ussen. Nachdem die Kommission auch aus Deutschland die erforderliche Notifikation ¨uber die rechtliche Umsetzung nicht erhalten hatte, leitete sie das Vertragsverletzungsverfahren mit einem ersten

3Im einzelnen hat der EuGH bereits folgende Rechtfertigungsgr¨unde dieser Art verworfen:

Regierungswechsel, kurze Legislaturperioden;

Der besondere Umfang gesetzgeberischer T¨atigkeit zur Umsetzung;

Die wachsende Zahl von europ¨aischen Richtlinien, die umgesetzt werden m¨ussen;

Innerstaatliche juristische Kontroversen;

Kompetenzverteilungsprobleme auf nationaler Ebene;

Institutionelle Reformen in den Mitgliedstaaten (vgl.Henke1992: 231f. m.w.N.).

Anh¨orungsschreiben vom 09. August 1994 ein. Die deutsche Regierung antwortete am 25.

Oktober 1994. Man sei mit der Vorbereitung befasst, auf ein laufendes Gesetzesverfah-ren wurde verwiesen. Bis zur Umsetzung in formelles Recht werde die FFH-Richtlinie ,,im Rahmen des geltenden Rechts“ unmittelbar angewendet, nationales Recht werde gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt. Die Vorschriften ¨uber den Artenschutz seien be-reits durch das damals geltende Bundesnaturschutzgesetz umgesetzt, die Vorschriften

¨uber die Erhaltung der nat¨urlichen Lebensr¨aume noch nicht relevant. Ganz allgemein enthalte die Richtlinie Unklarheiten, die ihre Umsetzung erschwerten.

Mit diesen Rechtfertigungen konnte die Bundesrepublik juristisch nicht durchdringen.

Das Klageverfahren war im sprichw¨ortlichen Sinne ein kurzer Prozess: Von der Kla-geerhebung am 24. Februar bis zum Urteil vergingen nicht einmal elf Monate (Leist 1998: 34). Insbesondere wies der EuGH darauf hin, dass das Ber¨ucksichtigen der FFH-Richtlinie in der Verwaltungspraxis nicht als ausreichende Umsetzung in nationales Recht gelten k¨onne: ,,Nach st¨andiger Rechtsprechung k¨onnen n¨amlich bloße Verwaltungsprak-tiken, die die Verwaltung naturgem¨aß beliebig ¨andern kann und die nur unzureichend bekannt sind, nicht als eine wirksame Erf¨ullung der [gemeinschaftsrechtlichen] Verpflich-tungen angesehen werden [. . . ]“ (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C 83/97).

Tats¨achlich waren die Probleme Deutschlands bei der Umsetzung andere. Zun¨achst verfolgte man in Deutschland Anfang der 1990er Jahre den Ansatz, die zersplitterte Umweltgesetzgebung in einem Umweltgesetzbuch zusammenzufassen (Breuer 1992;

Jarass 1994; Bohne 2002). Dieser an sich sinnvolle Ansatz scheiterte an verfassungs-rechtlichen Bedenken; die L¨ander sahen in weiten Teilen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht gegeben. Daraufhin - bereits in Verzug - verfasste die Bundesregierung 1996 den Entwurf eines neuen Bundesnaturschutzgesetzes (R¨odiger-Vorwerk 1998:

160ff.). Die entsprechende Novelle, die der Bundestag am 05. Juni 1997 beschloss, wurde vom Bundesrat abgelehnt und in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Das Gesetzge-bungsverfahren wurde im Bundestag angesichts heftiger Kritik des Deutschen Bauernver-bandes und mit R¨ucksicht auf Landtagswahlen trotz des mittlerweile ergangenen Urteils des EuGH weiter verz¨ogert. Die Bundesregierung forcierte jedoch das Verfahren, um drohenden Zwangsgeldern seitens der EU zu entgehen4. Ende M¨arz 1998 folgten Bun-destag und Bundesrat doch der Empfehlung des Vermittlungsausschusses, so dass das neue Bundesnaturschutzgesetz letztlich zum 08.05.1998 in Kraft treten konnte (Berner 2000); die Anpassung der Landesnaturschutzgesetze war vielfach zwei Jahre sp¨ater noch nicht abgeschlossen (Gellermann 2001: 138f. m.w.N.).

Auch im Falle Deutschlands ging die rechtliche Umsetzung einher mit Fortschritten in der praktischen Umsetzung. Das Natura-Barometer Nr. 5 verzeichnet sowohl bei der VRL

4So ausdr¨ucklich der Vertreter des Bundesumweltministeriums, Klaus Iven, auf einem Seminar der NABU-Akademie Gut Sunder vom 13. - 14. November 1997. Der Seminarbericht endet mit dem Schlusssatz: ,,Bezeichnend f¨ur die derzeitig von einseitiger Polemik und Blockade gepr¨agte Ausein-andersetzung ist die Tatsache, dass sowohl die eingeladenen Referenten des Deutschen Bauernver-bandes (DBV) sowie des St¨adte- und Gemeindebundes ohne Angabe von Gr¨unden fernblieben.“

(Mayr1997)

als auch bei der FFH-RL deutliche Fortschritte: 96 FFH- und 46 VRL-Schutzgebiete wurden neu gemeldet, darunter das schleswig-holsteinische Wattenmeer mit 2.738 Qua-dratkilometern (Kommission 1998b). Bis Mai 1998 wurden weitere 119 Gebiete vor-geschlagen (Kommission 1998c). Auch die Folgedaten des Natura-Barometers lassen weitere Fortschritte Deutschlands erkennen5.

In diesem Fall ergibt sich somit das Bild, dass durch den Druck der Verurteilung und die im Raum stehende Sanktionsdrohung eine bis dahin bestehende Blockade gebrochen werden konnte und Fortschritte nachhaltig, nicht nur punktuell erzielt werden konnten.

4.1.3. Kommission vs. Niederlande (Urt. v. 19.05.1998 - C 3/96)

Gegenstand dieses Verfahrens war die praktische Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie in den Niederlanden. Die Kommission war im Gegensatz zur niederl¨andischen Regierung der Auffassung, dass dort nicht in ausreichendem Maße besondere Schutzgebiete (SPAs) ausgewiesen worden waren. Auff¨allig ist die lange Dauer des Vertragsverletzungsverfah-rens, das bereits mit Schreiben vom 25. September 1989 eingeleitet worden war. Bis zur Klageerhebung am 05.01.1996 dauerte es ¨uber sechs Jahre.

In der Sache ging es um quantitative und qualitative Aspekte der Ausweisung von SPAs. Unter anderem wurde im Urteil des EuGH festgestellt, dass die Zahl und die Ge-samtfl¨ache der ausgewiesenen Schutzgebiete offensichtlich unter dem liege, was nach orni-thologischen Kriterien6 erforderlich w¨are. Aus der Feststellung dieses ,,Nachholbedarfes“

l¨asst sich der klare Auftrag herauslesen, weitere SPAs auszuweisen. Die beiden folgen-den Natura-Barometer (Stand 14.10.1998 und 26.01.1999) weisen jedoch im Vergleich zum Stand vom 12.05.1998 - also fast genau dem Tag des Urteils - keine Ver¨anderung auf: 28 Gebiete mit 3.448 km2 waren gemeldet. Nach den ornithologischen Kriterien, auf die das Urteil Bezug nimmt, w¨aren allerdings 70 Gebiete mit einer Gesamtfl¨ache von 7.979 km2 als geeignete SPAs in Frage gekommen. Die Verurteilung der Niederlande hatte also zun¨achst keinen Fortschritt zur Folge. Allerdings erfolgte zwei Jahre nach der Verurteilung ein immenser Sprung, der eine Verdreifachung der VRL-Gebiete bedeutete.

5Die 1999 erzielten Fortschritte sind kritisch zu betrachten, weil hier das zeitliche Geschehen (history) einen St¨orfaktor darstellen k¨onnte. Nach den Bundestagswahlen vom 27. September 1998 erfolgte ein Regierungswechsel, und im Zuge der rot-gr¨unen Koalition erhielten die Gr¨unen das Umwelt-ressort. Allerdings l¨asst dieses zwischenzeitliche Geschehen die Erkl¨arung der bis dahin erfolgten Fortschritte unber¨uhrt. Zudem sind f¨ur die Erstellung der Gebietslisten die L¨ander zust¨andig; die Bundesregierung nimmt nur eine ,,Brieftr¨agerfunktion“ bei der Meldung an die Kommission wahr.

Die Funktion der Bundesregierung bei der praktischen Umsetzung darf somit nicht ¨uberbewertet werden.

6Maßgebend war hierf¨ur die Studie ,,Inventory of Important Bird Areas in the European Community“

vom Juli 1989, kurz IBA 89.

4.1.4. Kommission vs. Frankreich

In diesem Abschnitt werden f¨unf Urteile des EuGH in Vertragsverletzungsverfahren ge-gen die Franz¨osische Republik zusammengefasst:

1. Urt. v. 18.03.1999 (C 166/97) - Seine-M¨undung 2. Urt. v. 25.11.1999 (C 96/98) - Poitou-Sumpfgebiet 3. Urt. v. 06.04.2000 (C 256/98)

4. Urt. v. 07.12.2000 (C 374/98) - Basses Corbi`eres 5. Urt. v. 07.12.2000 (C 38/99)

Die Urteile 1.), 2.) und 4.) hatten den gemeinsamen Klagegrund, dass in den genann-ten Gebiegenann-ten SPAs nicht in ausreichender Fl¨ache und/oder nicht mit ausreichendem Schutzniveau ausgewiesen worden seien. Der Klagegegenstand war auf einen konkreten

¨ortlichen Einzelfall beschr¨ankt.

Die Verfahren 3.) und 5.) bezogen sich hingegen auf die rechtliche Umsetzung ein-zelner Bestimmungen der VRL und FFH-RL. Die Kommission r¨ugte hierin die nicht ausreichende Umsetzung in franz¨osisches Recht.

Die Verfahren in Sachen Seine-M¨undung und Poitou-Sumpfgebiet wurden beide mit Anh¨orungsschreiben der Kommission schon im Jahre 1992 (am 23.Dezember) eingeleitet.

W¨ahrend des ¨uber sechs Jahre dauernden Verfahrens hatten die franz¨osischen Beh¨orden zwar immer wieder ,,nachgebessert“, indem z.B. das bestehende Schutzgebiet vergr¨oßert worden war, die Verurteilungen konnten jedoch nicht abgewendet werden. Denn nach st¨andiger Rechtsprechung des EuGH ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung an Hand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gr¨unden versehenen Stellungnahme befunden hat. Im Fall Seine-M¨undung beispielsweise war dies der 03. September 1995 (also dreieinhalb Jahre vor dem Urteilsspruch). Die danach ins Feld gef¨uhrten ¨Anderungen waren also juristisch unbeachtlich. Das Klageverfahren hatte aber immerhin dazu gef¨uhrt, dass im November 1997 das Schutzgebiet an der Seine-M¨undung erweitert und das rechtliche Schutzniveau verbessert worden war. Auch in Sachen Poitou wurde das bestehende Schutzgebiet erg¨anzt. In den Basses Corbi`eres hatte es Frankreich laut Urteilsspruch ¨uberhaupt vers¨aumt, SPAs auszuweisen. F¨ur alle drei Verfahren 1.), 2.) und 4.) ist aber festzuhalten, dass die Maßnahmen lokal beschr¨ankt blieben.

Die beiden anderen in diesem Abschnitt behandelten Urteile erfolgten wegen rechtli-cher M¨angel bei der Umsetzung in franz¨osisches Recht. Im Urteil vom 06.04.2000 wur-de festgestellt, Frankreich habe nicht innerhalb wur-der gesetzten Frist alle erforwur-derlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, um Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL nach-zukommen; dort sind Regelungen zu einer Umweltvertr¨aglichkeitspr¨ufung f¨ur Projekte gefordert, die die FFH-Schutzgebiete erheblich beeintr¨achtigen k¨onnen. Das Urteil vom

07.12.2000 (C 38/99) r¨ugt, Frankreich habe Art. 7 Abs. 4 VRL nicht vollst¨andig, klar und unzweideutig in nationales Recht umgesetzt; u.a. ging es um Regelungen der Jagdzeiten.

Die f¨unf Urteile ergingen im Zeitraum von M¨arz 1999 bis Dezember 2000. Die Natura-Barometer der Folgezeit lassen im Bereich Vogelschutz, der Gegenstand der Klagen 1.), 2.), 4.) und 5.) war, keinen nennenswerten Fortschritt erkennen. Die Ver¨anderungen sind minimal, sowohl was die Zahl der gemeldeten Vogelschutzgebiete (von 114 zum Stichtag 30.04.99 bis 117 zum 28.03.2003) als auch der gemeldeten Fl¨achen anbelangt (von 8.015 km2 auf 8.989 km2, d.h. um 0,1% der Gesamtfl¨ache Frankreichs, zu den genannten Stichtagen). - Im Bereich FFH-RL ist auf das unter 3.) genannte Urteil vom 06.04.2000 in den folgenden Natura-Barometern bis 01.03.2001 ebenfalls kein Fortschritt zu verzeichnen.

Diesen Abschnitt zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass alle f¨unf gegen Frank-reich ausgesprochenen Urteile keine Fortschritte bei der Umsetzung von Natura 2000 in diesem Mitgliedstaat brachten.

4.1.5. Kommission vs. Italien (Urt. v. 17.05.2001 - C 159/99)

Gegenstand dieses Verfahrens war eine Regelung aus dem Jahre 1992, die den Fang und die Haltung dreier spezieller Vogelarten als Lockvogel erlaubte und die nach Ansicht der Kommission gegen die Art. 5 und 7 VRL verstieß. Auch an diesem Verfahren ist zun¨achst eine sehr lange Verfahrensdauer bemerkenswert. Ein erstes Mahnschreiben an Italien erging bereits am 30. November 1993, am 07.08.1997 eine mit Gr¨unden versehene Stellungnahme, und die Klageerhebung erfolgte am 30.04.1999. Die Kommission monier-te bez¨uglich der nationalen Regelung Rechtsunsicherheiten, die italienische Regierung reagierte, indem sie w¨ahrend des Verfahrens verschiedene Dekrete und Rundschreiben zur Erl¨auterung des in Rede stehenden Gesetzes erließ.

In seinem Urteil beschr¨ankte sich der EuGH auf die Feststellung, dass Italien mit der Einf¨uhrung dieser gesetzlichen Regelung, die drei Vogelarten betreffend, gegen die VRL verstoßen habe. Dieses Urteil war damit auf die rechtliche Umsetzung beschr¨ankt und betraf auch in der Sache nur drei spezielle Vogelarten. Mit dem Urteil wurde ausgesagt, dass die entsprechende gesetzliche Regelung gegen Gemeinschaftsrecht verstoße; damit war sie unmittelbar nichtig und unwirksam. Direkter Handlungsbedarf ergab sich inso-weit f¨ur Italien nicht mehr. Ein besonderer Impuls f¨ur die Umsetzung von Natura 2000 war vor diesem Hintergrund durch dieses Urteil nicht zu erwarten. In der Tat zeigte das Natura-Barometer Nr. 15 vom Mai 2002 gegen¨uber dem Vorg¨anger vom April 2001 keinerlei Ver¨anderung bei der Meldung der italienischen Vogelschutzgebiete.

4.1.6. Kommission vs. Deutschland, Frankreich und Irland

Am 11. September 2001 verurteilte der EuGH gleich drei Mitgliedstaaten, weil sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist bis Juni 1995 die nationalen Gebietslisten mit In-formationen (Art. 4 Abs. 1 FFH-RL) an die Kommission ¨ubermittelt hatten (vgl. Kap.

2.1.2, Tab. 2.1). Im Einzelnen waren dies a) Deutschland (Rechtssache C 71/99), b) Frankreich (C 220/99) und

c) Irland (C 67/99).

Deutschland begr¨undete in Beantwortung des ersten Mahnschreibens der Kommission vom 04.03.1996 seine S¨aumnis mit der L¨anderkompetenz bei der Ausweisung der FFH-Gebiete7. Die Bundesl¨ander beabsichtigten nicht, vor Umsetzung der FFH-Richtlinie in deutsches Recht definitive Vorschlagslisten zu melden. Diese rechtliche Umsetzung erfolgte aber in Deutschland erst mit dem Bundesnaturschutzgesetz vom 08.05.1998 (siehe hierzu ausf¨uhrlich oben Kap. 4.1.2.). Ferner wurde angef¨uhrt, die Kommission habe erst am 19. Dezember 1996 das Formular zur ¨Ubermittlung von Informationen zu den im Rahmen von Natura 2000 vorgeschlagenen Gebieten8 zur Verf¨ugung gestellt.

Dieses Argument f¨uhrten auch Frankreich und Irland ins Feld. Die irische Regierung begr¨undete ihre Versp¨atung zudem noch mit einer breit angelegten Konsultierung der Bev¨olkerung.

Alle Regierungen wiesen zudem vor dem EuGH darauf hin, dass sie seit Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens nicht unt¨atig geblieben seien:

a) Deutschland ¨ubermittelte seit September 1996 Listen aus Bayern und Sachsen-Anhalt, 1997 aus Schleswig-Holstein, sowie mit weiteren acht Schreiben 1998 Ge-bietsmeldungen aus einer Reihe weiterer L¨ander. Allerdings fehlten immer noch f¨unf Bundesl¨ander g¨anzlich (Baden-W¨urttemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen). Der Kommission wurde im April 1998 eine ,, ¨Ubersicht ¨uber die zeitlichen Vorstellungen zur Erf¨ullung der Verpflichtungen“ (so Nr.

18 des Urteilstextes) ¨ubersandt.

b) Frankreich ¨ubermittelte auf das Mahnschreiben der Kommission vom 27. M¨arz 1996 im Oktober 1997 eine erste, sehr l¨uckenhafte Liste. Bis Februar 1999 folgten acht weitere Schreiben mit insgesamt 672 Gebieten von 14.530 km2. Allerdings waren von den Meldungen Milit¨argebiete generell ausgenommen. F¨ur mehrere in Frankreich heimische Arten und Biotoptypen sei kein einziges Gebiet vorgeschlagen worden. 319 Gebiete seien unter sachfremden Kriterien von der Meldung ausgeschlossen worden.

7Hinzu kam jedoch eine Vielzahl weiterer Gr¨unde. Zu den Verz¨ogerungen, dem Hin und Her und den nachtr¨aglichen Schuldzuweisungen zwischen Kommunen, Land, Bundesumwelt- und Verteidigungs-ministerium sowie EU vgl. z.B. ,,Berlin will EU Naturfl¨achen melden”, S¨uddeutsche Zeitung vom 07.04.2000.

8Entscheidung 97/266/EG der Kommission vom 18.12.1996 (ABl. 1997 L 107 S.1).

c) Irland, welches das Mahnschreiben am 24. April 1996 erhielt, ¨ubermittelte zun¨achst nur informelle Listen, erst Ende September 1998 eine offizielle Teilliste mit 39 Gebieten.

Bis Januar 2001 wurden dann aber 362 ,,nach irischem Recht gesch¨utzte“ Gebiete ge-meldet, zu der die Kommission jedoch ,,noch eine ganze Reihe von Vorbehalten“ hatte (Nr. 31f. des Urteilstexts).

Interessant ist an dieser Stelle ein Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten, die zun¨achst ebenfalls keine Listen ¨ubermittelt hatten. So lagen aus D¨anemark zwar Meldungen von 175 Gebieten mit ca. 11.000 km2vor, diese waren aber nur vorl¨aufig. Aus Luxemburg hat-te die Kommission ¨uberhaupt keine Daten erhalten. Das kleine Luxemburg konnte aber Anfang 1999 seine komplette Meldung nachholen, und die d¨anische Regierung meldete bis Oktober 1998 offiziell 194 Gebiete mit 10.259 km2 (alle Daten Natura-Barometer).

Auch Finnland hatte bis dahin seine nationale Gebietsliste ¨ubermittelt, und ¨Osterreich hatte - ¨ahnlich wie D¨anemark - seine bisher gemeldeten Gebiete offiziell konkretisiert (das Natura-Barometer mit Stand 14.101998 wies noch Sch¨atzungen aus).

Damit blieben, wie sich aus dem Natura-Barometer Nr.8 zur Situation am 26.01.1999 klar herauslesen l¨asst, Deutschland, Frankreich und Irland als Schlusslichter. Die Kom-mission war in allen drei F¨allen mit den bisherigen Ergebnissen nicht zufrieden und verfolgte daher das Verfahren weiter, indem sie Anfang 1999 Klage erhob (am 25.02.

Damit blieben, wie sich aus dem Natura-Barometer Nr.8 zur Situation am 26.01.1999 klar herauslesen l¨asst, Deutschland, Frankreich und Irland als Schlusslichter. Die Kom-mission war in allen drei F¨allen mit den bisherigen Ergebnissen nicht zufrieden und verfolgte daher das Verfahren weiter, indem sie Anfang 1999 Klage erhob (am 25.02.