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3.2 Verhaltenswissenschaftliche Grundlagen und Einstellungstheorie

3.2.1 Theorien und Modelle zur Erklärung des Konsumentenverhaltens . 40

Das Konsumentenverhalten ist im verhaltenswissenschaftlichen Sinn der Forschungsgegenstand, der das Verhalten eines Individuums beim Konsum und Kauf von wirtschaftlichen Gütern betrachtet (ANDRITZKY, 1976 S. 210ff, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003, S. 53ff, ENGEL et al. 1995, S. 362ff). Die Aufgaben von Image- und Einstellungsanalysen bestehen im einfachsten Sinne darin, Auskünfte darüber zu erhalten, wie der Meinungsgegenstand zu Gütern von

Personen oder Konsumenten wahrgenommen und umgesetzt wird (ANDRITZKY, 1976 S. 210ff, SALCHER 1995, S. 146f). Dabei können die durch den Endverbraucher genutzten Güter materieller und immaterieller Art sein. Aus den Analysen sollen Entscheidungs- und Erklärungsmodelle resultieren, um daraus Grundlagen für Marketingplanungen ableiten zu können (MEFFERT 1998, S. 93, PETER et al. 1999, S. 19, KROEBER-RIEL/WEINBERG 2003).

Wesentliche Modelle zur Erklärung des Käuferverhaltens sind das Response-Modell (S-R-Modell) und das darauf aufbauenden Stimulus-Organismus-Response-(Struktur-)Modell (S-O-R- Modell). (HOWARD/SHETH 1969, S. 30, HOMBURG/KROHMER 2003, S. 54 ff, MÜLLER-HAGEDORN 1986 S. 73-79, NIESCHLAG et al. 1997, S. 163-168, TROMMSDORFF 1998, S. 278 ff, BODENSTEIN 1998, S. 47-60). Im S-R-Modell werden ausschließlich die auf den Konsumenten einwirkenden Reize und die darauf erfolgende Reaktion (Response) betrachtet. Die Vorgänge im Inneren des Menschen werden als exogen gegeben und somit als „black box“ betrachtet. Die Erforschung der Verarbeitung und Beeinflussung der Reize im Konsumenten (z.B. durch die Produktverpackung) bleibt dabei unberücksichtigt. Es ist nicht entscheidend, warum eine Reaktion erfolgt; wichtig ist bei dieser Betrachtungsweise das Ausmaß der gewünschten Reaktion. Multifaktorielle, nicht beobachtbare Einflüsse summieren sich dabei annahmegemäß zu Null auf. Aufgrund ihrer Praktikabilität findet dieses Modell in der Praxis eine breite Verwendung.

Bei den S-O-R-Modellen10 werden dagegen insbesondere die inneren Vorgänge – das Insystem des Probanden - im Organismus (O) des Betrachteten mit Hilfe einer intervenierenden Variablen untersucht. Das hypothetische Konstrukt der Einstellung bildet dabei den zentralen Untersuchungsgegenstand. Die Abbildung 3-1 zeigt, wie unterschiedliche Stimuli durch das Insystem des Konsumenten wahrgenommen oder auch entsprechend durch ein Suchverhalten eingefordert werden. Diese Informationen werden in dem Modell durch Lern- und Erfahrungsprozesse verarbeitet und als Reaktion messbar wiedergegeben.

10 S-O-R-Modelle werden auch als S-I-R-Modelle bezeichnet (vgl. KROEBER-RIEL/WEINBERG 1996 S.

26 ff), wobei dabei die intervenierende Variable (I) im Vordergrund der Betrachtung steht.

S - O - R

Stimuli - Inputs Hypothetische Konstrukte Reaktionen - Outputs

(Quelle: eigene Darstellung nach HOWARD/SHETH 1969, ANDRITZKI 1976) Abbildung 3-1: Stimulus - Organismus - Response Modell

Es werden in den S-O-R- Modellen die inneren Vorgänge im Organismus mit Hilfe der hypothetischen Konstrukte erklärt. Während in der Ökonomie oft der Einfluss von Preisen und Einkommen auf die Nachfragemenge betrachtet wird, ist innerhalb dieses theoretischen Ansatzes der Betrachtungshorizont erweitert worden: die beobachtbaren Sachverhalte, wie beispielsweise der Kauf von Produkten aus einer Region, wird durch die Einbeziehung des Konstruktes Einstellung und durch beobachtbare Produktmerkmale erklärt.

Bestimmende Faktoren für das Konsumentenverhalten sind neben den inneren, psychischen Vorgängen im Menschen aber auch die unterschiedlichen äußeren und sozialen Einflüsse aus dem Umfeld. Bei umfangreicheren Typen der S-O-R-Modelle wird der Organismus durch eine Vielzahl von Variablen erklärt. Diese

durch hypothetische Konstrukte abzubildenden Prozesse und Gegebenheiten werden in aktivierende und kognitive Prozesse unterschieden.

TROMMSDORFF (1998) führt neben der Einstellung als erweiterte hypothetische Konstrukte folgende Typen auf: Aktiviertheit und Involvement, Gefühle, Wissen, Motive, Werte, Persönlichkeit, Informationserwerb und Informationsverarbeitung (Familie, sonstige Bezugsgruppen, Kultur). Aufgrund ihrer Eigenschaften (LABERENZ 1988, vgl. Kap. 2.2) bildet die Einstellung das wesentliche Konstrukt innerhalb dieses S-O-R Modells und ist gleichzeitig eine wissenschaftliche Grundlage für die Erklärung von regionsspezifischen Besonderheiten und Einflüssen auf eine Kaufwahlentscheidung in der vorliegenden Untersuchung.

3.2.2 Das Konstrukt „Einstellung“

Die Begriffe „Image“ und „Einstellung“ werden in der Konsumentenverhaltungsforschung oft synonym verwendet. Dabei wird das Image definiert als „mehrdimensionale und ganzheitliche Grundlage der Einstellung einer Zielgruppe zu einem Gegenstand.“ Innerhalb dieser Definition überwiegt der Produktbezug. Eine Einstellung (attitude) wird definiert als „Zustand einer gelernten und relativ dauerhaften Bereitschaft, in einer entsprechenden Situation gegenüber dem betreffenden Objekt regelmäßig mehr oder weniger stark positiv bzw. negativ zu reagieren“ (TROMMSDORFF 1998 S. 143, 152). Objekte der Einstellung können dabei neben dinglichen Gegenständen und Gütern auch Personen, Regionen, Situationen und Sachverhalte sein. Images werden hier als mehrdimensionale Einstellungen interpretiert. Innerhalb der psychologischen Marktforschung handelt es sich beim Image um die primär emotionale Komponente eines Gegenstandes. Einstellungen werden dann als der unmittelbare, kurzfristig aktivierbare Teil des Images gesehen (SALCHER 1995, S.

129-177). Bei einer differenzierten Betrachtung umfasst der Einstellungsbegriff im Gegensatz zum Imagebegriff primär die kognitiven Komponenten eines Gegenstandes (KROEBER-RIEL/WEINBERG 1996, S. 161 ff).

Zur Einstellungs-Image-Theorie kann auf Basis der Fachliteratur vertiefend hinzugefügt werden, dass das betrachtete Objekt selbst in seiner Gesamtheit im Zentrum der Wahrnehmung steht, so wie es sich dem Beobachter in seiner objektiven und psychologischen Realität darstellt (KROEBER-RIEL/WEINBERG 1996, S. 196 ff). Bei einem Abgleich dieser Inhalte mit der erlebten Realität wird der Grad der positiven oder negativen Einstellung bei einer möglichen Wahlentscheidung festgelegt. Dabei entstehen Einstellungen durch direkte Erfahrungen innerhalb von Lernprozessen oder durch Tradierungen mittels der eigenen, sozialen Gruppe. Neben dem Einfluss von genetischen Prädispositionen (z.B. Sensibilität, Aggressivität) werden Inkonsistenzen im Einstellungssystem als innerer Konfliktbereich erlebt11. Der Konsument erlebt u.U. einen kognitiven Konflikt12, der zu einem Wandel in den Kaufentscheidungen führt. Nach PETER et al. (1999, S. 71 ff) kommt es beim Konsumenten regelrecht zu einer Verunsicherung im Rahmen von Kaufwahlentscheidungen. Diese Defizite werden entweder verdrängt (extensive Kaufentscheidung) oder durch Aktivitäten in eine interne Suche nach Wissen oder in eine externe Suche nach Informationen verarbeitet (BÄNSCH 1998, S. 131-139).

Ein wesentliches Merkmal von Einstellungen besteht darin, dass sie relativ dauerhaft im Bewusstsein verbleiben, wenn sie bei einem Konsumenten bzw.

einer beobachtenden Person entstanden sind. Gründe dafür bestehen im Entstehen von Einstellungen in Lernprozessen, die als persönliche oder tradierte Erfahrungen im Bewusstsein verankert sind. Es kann unterschieden werden in globale (Region als ganzes, Produktgruppen) und differenzierte (Produkte, Marken, Merkmale) Sichtweisen13.

In diesem Untersuchungszusammenhang besteht die Relevanz darin, wie die Region von den Probanden grundsätzlich eingeschätzt wird und wie einzelne

11 Dieser innere Konfliktbereich wird dominiert von kognitiven Dissonanzen. Hier besteht ein Widerspruch zwischen zwei oder mehreren Einstellungssystemen. Im Allgemeinen beziehen sich diese Dissonanzen auf eine Nachkaufentscheidung, wobei als Reaktion auf diese SO genannte Reue unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden: Informationsverarbeitung, Ausblenden objektiv richtiger Informationen, zielgerichtete, d.h.

kauferklärende Informationsinterpretation, Verhaltens- und Einstellungsänderung. Vergleiche dazu auch FESTINGER 1978 und MÜLLER-HAGEDORN 1986, S.119 ff.

12 In Zusammenhang mit einer zunächst unspezifischen Konsumentenentscheidung (vgl. KROEBER-RIEL 1996, S.181f) kann noch nicht von kognitiven Dissonanzen gesprochen werden.

13 Zur Systematisierung des Einstellungskonzeptes vgl. DAWES 1977, S. 44ff.

Merkmale wahrgenommen und gewichtet werden. Dabei haben die individuelle und kulturelle Herkunft der Personen einen entscheidenden Einfluss auf diese Gewichtung sowie die damit verbundenen Wertvorstellungen (WRIGHT 1997). Bei der Betrachtung von Einstellungen zu Regionen werden sie als „Anlagevermögen zum Erhalt des permanent dem Verschleiß unterliegenden Goodwill potenzieller Konsumenten“ (MANSCHWETUS 1995) eingeordnet. Einstellungen werden als

„organisiert“ interpretiert und sind durch Erfahrungen erworben (ANDRITZKY 1976, S. 210 ff). Das Hypothetische Konstrukt der „Einstellung zur Untersuchungsregion“ nimmt in dieser Untersuchung eine entscheidende Funktion ein, welche durch die Aktiviertheit als Größe für die Emotion, die kognitiven Wahrnehmungen sowie Zielorientierungen und Gegenstandsbeurteilungen erklärt wird. Die Abbildung 3-2 verdeutlicht diese Zusammenhänge.

(Quelle: eigene Darstellung)

Abbildung 3-2: Zusammenhang zwischen den hypothetischen Konstrukten

Die Annahme der vorgestellten Modelle besteht also darin, dass die Betrachtung durch die Einbeziehung des Konstruktes „Einstellung“ komplexer ausfällt. Im Unterschied dazu wird in der rein ökonomischen Betrachtung ein primärer Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Produktionsfaktoren unter einem Einfluss des Preises auf die Produktionsmenge und den Konsum hergestellt.

Einstellung

Motivation (kognitive) Gegenstandsbeurteilung

Emotion + (kognitive) Zielorientierung

Aktiviertheit + (kognitive) Wahrnehmung