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2 LITERATURÜBERSICHT

2.3 Der Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC)

2.3.1 Struktur und Funktion des MHC

Der MHC wird in verschiedene Regionen unterteilt (Abb. 4), die als Klasse-I-, Klasse-II- und Klasse-III-Region bezeichnet werden (KLEIN 1986; TROWSDALE 1995; GÜNTHER u.

WALTER 2001). Die Orientierung des MHC ist bei Mensch, Maus und Ratte identisch (HELOU et al. 1998). Zentromerwärts liegt die Klasse-II-Region, telomerwärts die Klasse-I-Region und dazwischen die Klasse-III-Region. Eine zusätzliche Klasse-I-Region konnten WALTER und GÜNTHER (2000) bei der Ratte im zentromeren Bereich zwischen den Genen Sacm2l und Ring1 identifizieren (RT1-A-Region), die auch bei der Maus vorhanden ist (H2-K-Region). Vermutlich handelt es sich hierbei um eine Region, die nur spezifisch bei den Nagern auftritt, da bei anderen Säugerspezies wie z.B. Mensch und Rhesusaffe keine entsprechende zentromerische Klasse-I-Region vorkommt (THE MHC SEQUENCING CONSORTIUM 1999; SUDBRAK et al. 2003).

Die Klasse-I-Region umfasst beim Menschen 1800 kb. Die MHC-Klasse-Ia-Gene (klassische Klasse-I-Gene) wie HLA-A, HLA-B und HLA-C werden in fast allen kernhaltigen Zellen exprimiert und sind sehr polymorph, während die Klasse-Ib-Gene (nicht klassische Klasse-I-Gene) wie z.B.

HLA-E, HLA-G und HLA-F nur eingeschränkt exprimiert werden und wenig polymorph sind. Die Aufgabe der Klasse-I-Moleküle ist die Präsentation von Peptiden auf der Zelloberfläche, welche von zytotoxischen T-Lymphozyten erkannt und vernichtet werden. Weiterhin befinden sich in der Klasse-I-Region die Klasse-Ib-Gene MICA und MICB, zwei entfernt verwandte Mitglieder der Klasse-I-Genfamilie sowie eine Reihe von Klasse-I-Pseudogenen und Genfragmenten. Eine Peptidpräsentationsfunktion für humane Klasse-Ib-Moleküle ist bisher nur für HLA-E sicher beschrieben worden (BRAUD et al. 1997). Klasse-Ia-Moleküle und Klasse-Ib-Moleküle können darüber hinaus als Liganden für Rezeptoren von Natürlichen Killer (NK)-Zellen dienen (LANIER 2004).

Die MHC-Klasse-II-Region erstreckt sich beim Menschen über 670 kb (THE MHC SEQUENCING CONSORTIUM 1999). Die Klasse-II-Gene kodieren Proteine, die an der Antigenpräsentation (DP, DQ, DR) bzw. an der Peptidbeladung von Klasse-II-Molekülen beteiligt sind (DM, DO). Die Einteilung der MHC-Klasse-II-Moleküle erfolgt wie bei den Klasse-I-Molekülen in klassische-Moleküle, HLA-DP, HLA-DQ und HLA-DR sowie in nichtklassische Klasse-II-Moleküle, HLA-DM und HLA-DO. Ihre Aufgabe ist die Präsentation von Peptiden aus extrazellulär aufgenommenen Proteinen, die den CD4+-T-Helferzelllen präsentiert werden.

In der Klasse-III-Region, deren Länge ca. 800 kb beträgt, sind Gene lokalisiert, die keiner dominierenden Klasse angehören. Viele der dort angesiedelten Gene kodieren ebenfalls Proteine mit immunologischen Funktionen wie z.B. Komplement-Faktoren (C2, C4, B-Faktor), Hitzeschockproteine (HSP70-Familie), Tumornekrosefaktor (TNF) und die Lymphotoxine alpha (LTA) und beta (LTB).

Zusätzlich kommen in der gesamten MHC-Region noch MHC-Gene vor, die weder der Klasse-I- noch der Klasse-II zugeordnet werden können. Diese Gene werden als Ankergene oder Framework-Gene (framework genes) bezeichnet (AMADOU 1999; GÜNTHER u. WALTER 2001).

2.3.1.1 Struktur und Funktion der MHC-Klasse-I-Moleküle

Die MHC-Klasse-I-Gene kodieren membrangebundene Glykoproteine, die auf der Zelloberfläche fast aller kernhaltigen Zellen vorkommen. Ihre Aufgabe ist die Präsentation von Peptiden, die von Proteinen aus dem Zytosol stammen. In der Regel handelt es sich hierbei um körpereigene Strukturen, aber auch um Proteine von Viren oder Bakterien, die sich im Zytosol der Zelle vermehren (JANEWAY u. TRAVERS 2002). Das kodierte Protein setzt sich aus zwei Polypeptidketten zusammen. Die ca. 45 kDa schwere α-Kette wird vom MHC kodiert und ist nicht kovalent mit dem β2-Mikroglobulin (β2m) gebunden, dessen Gen nicht im MHC, sondern beim Menschen auf dem Chromosom 15 lokalisiert ist (GOODFELLOW et al. 1975). Das Molekül besteht aus vier Domänen, von denen die α-Kette drei Domänen α1, α2 und α3 und das β2 -Mikroglobulin die vierte Domäne bilden (Abb. 5). Die α-Kette besteht neben den drei extrazellulären Domänen α1, α2 und α3 noch aus einem transmembranösen und einem kurzen zytoplasmatischen Anteil. Mittels Röntgenstrukturanalyse konnte aufgeklärt werden, dass die Domänen α1 und α2 eine grubenähnliche Peptidbindungsregion bilden (BJORKMAN et al. 1987a;

1987b; SAPER et al. 1991; BROWN et al. 1993). Der Grubenboden besteht aus antiparallelen β-Faltblatt-Strukturen, während die Ränder aus α-Helices gebildet werden. Die α3-Domäne sowie das β2-Mikroglobulin haben eine immunglobulinähnliche Struktur und interagieren miteinander. In der α3-Domäne ist ebenfalls die Bindungsstelle für den CD8-Korezeptor auf den zytotoxischen T-Zellen angesiedelt (SALTER et al. 1990). Die MHC-Klasse-I-Moleküle binden Peptide mit einer Länge von 8-10 Aminosäuren, von denen ein Teil der Aminosäuren des gebundenen Peptids aus der

Bindungsgrube herausragt. Der auf der Zellmembran verankerte Komplex aus α-Kette, β2 -Mikroglobulin und gebundenem Peptid wird den zytotoxischen T-Zellen präsentiert und über den T-Zellrezeptor erkannt (GARBOCZI et al. 1996). Die zytoplasmatischen Proteine werden im Proteasom, das auch die MHC-kodierten Untereinheiten LMP2 und LMP7 enthält, zu Peptidfragmenten abgebaut (TROWSDALE et al. 1990; NEEFJES et al. 1993). Der MHC-kodierte TAP-Transporter (TAP1 und TAP2) befördert die Peptide in das Lumen des Endoplasmatischen Retikulums (ER), wo die MHC-Klasse-I-Moleküle mit Hilfe des ebenfalls MHC-kodierten Moleküls Tapasin beladen und dadurch stabilisiert werden (ORTMANN et al. 1997). Nach dem Verlassen des Endoplasmatischen Retikulums passieren die mit Peptid beladenen MHC-Klasse-I-Moleküle den Golgi-Apparat, erreichen in Vesikeln verpackt die Zelloberfläche und werden in der Zellmembran verankert. Im Falle einer Infektion werden neben den zelleigenen Proteinen die Peptide aus intrazellulären Bakterien und Viren abgebaut und an die Zelloberfläche transportiert.

CD8+-zytotoxische T-Zellen erkennen die Antigene und lysieren die antigenpräsentierenden Zellen (PAMER und CRESSWELL 1998; WILLIAMS et al. 2002).

Eine weitere wichtige Funktion der MHC-Klasse-I-Moleküle ist die Interaktion mit den Natürlichen Killer (NK)-Zellen, auf deren Oberfläche verschiedene Rezeptor-Typen exprimiert werden. Durch die Bindung von MHC-Klasse-I-Molekülen wird je nach Rezeptor-Typ und gebundenem Ligand ein aktivierendes oder ein inhibierendes Signal in die NK-Zelle geleitet. Anhand des Verhältnisses zwischen aktivierenden und inhibierenden Signalen resultiert die Regulation der NK-Zellaktivität.

Unter physiologischen Bedingungen überwiegen die inhibierenden Signale, wodurch die entsprechende Zielzelle nicht abgetötet wird (CERWENKA u. LANIER 2001). Einige Viren wie z.

b. das Herpes simplex-Virus (HSV) und das Cytomegalievirus (CMV) verfolgen Immunevasionstrategien, die eine Hemmung der Präsentation viraler Antigene an zytotoxische T-Zellen hervorrufen. In ihrem Genom besitzen sie gewisse Gene, deren Produkte einen Verlust der Expression von MHC-Klasse-I-Molekülen auf der Oberfläche der infizierten Zellen bewirken (ALCAMI u. KOSZINOWSKI 2000). Die inhibitorischen Signale entfallen in dieser Situation, wodurch die aktivierenden Signale überwiegen und die Abtötung der virusinfizierten Zelle durch die NK-Zellen erfolgt. Die NK-Zellrezeptor-Gene sind häufig dupliziert und liegen als Genkomplex vor. Diese Genkomplexe werden als NK-Zellrezeptorkomplex (NKC) und als Leukozytenrezeptorkomplex (LRC) bezeichnet, von denen der LRC eine komplexe Genetik mit

ausgeprägten An- und Abwesenheitspolymorphismen der entsprechenden Gene zeigt (UHRBERG et al. 1997; TROWSDALE 2001).

Abbildung 5: Struktur des MHC-Klasse-I-Moleküls (nach JANEWAY u. TRAVERS 2002).

2.3.1.2 Struktur und Funktion der MHC-Klasse-II-Moleküle

Klasse-II-Moleküle sind ebenfalls membrangebundene Glykoproteine, die durch die MHC-Klasse-II-Region kodiert werden und hauptsächlich auf Dendritischen Zellen, Makrophagen, Monozyten, B-Zellen und Thymusepithelzellen vorkommen. Der Komplex aus MHC-Klasse-II-Molekül und gebundenem Peptid wird von den CD4+-T-Helferzellen erkannt, die weitere Effektorzellen des Immunsystems aktivieren. Die MHC-Klasse-II-Moleküle bestehen aus zwei nicht-kovalent gebundenen Peptidketten, eine ca. 35 kDa schwere α-Kette und eine β-Kette von ca.

28 kDa. Beide Ketten besitzen zwei extrazelluläre Domänen, eine transmembrane- und eine zytoplasmatische Region. Die grubenähnliche Peptidbindungsregion der Klasse-II-Moleküle wird

von der α1- und der β1-Domäne gebildet, so dass in diesem Fall beide Ketten an der Grubenbildung beteiligt sind (BROWN et al. 1993; STERN et al. 1994). Ansonsten findet man einen ähnlichen Aufbau wie bei den MHC-Klasse-I-Molekülen vor: der Grubenboden wird aus β-Faltblatt-Strukturen und die Ränder von zwei α-Helices gebildet (Abb. 6). Die Grube des MHC-Klasse-II-Moleküls ist an den Enden weiter geöffnet als das Klasse-I-Molekül, so dass die gebundenen Peptide über die Peptidbindungsregion hinausragen können (BROWN et al. 1993).

Die zu präsentierenden Antigene stammen in der Regel aus dem endosomalen / lysosomalen Kompartiment und nicht, wie bei den MHC-Klasse-I-Genen, aus dem Zytosol der Zelle. Im Anschluß an die Synthese der α / β-Ketten, erfolgt die Translokation der MHC-Klasse-II-Moleküle in das Endoplasmatische Retikulum (ER). Die MHC-Klasse-II-Moleküle binden an die sogenannte invariante Kette, um eine Anlagerung an ER-resistente Proteine zu verhindern. Dabei kommt es zur Bildung eines Komplexes aus 3 α- und 3 β-Ketten sowie 3 invarianter Ketten (ROCHE et al. 1991).

Ein Teil der invarianten Kette legt sich in die Grube des MHC-Klasse-II-Moleküls, so dass diese blockiert ist (BIJLMAKERS et al. 1994). Eine weitere Funktion der invarianten Kette besteht darin, die notwendigen Aminosäuremotive für den intrazellulären Transport zum endosomalen Kompartiment zu tragen (BAKKE u. DOBBERSTEIN 1990; LOTTEAU et al. 1990; NORDENG et al. 2002). Die endosomalen / lysosomalen Kompartimente werden auch als MHC class II compartment (MIIC) bezeichnet. In ihnen erfolgt der proteolytische Abbau der invarianten Kette bis auf ein Fragment, das an das MHC-Klasse-II-Molekül gebunden bleibt, das sogenannte CLIP-Peptid (class-II-associated invariant-chain peptide) (GHOSH et al. 1995; NAKAGAWA et al.

1999; SHI et al. 1999). Um die Bindung von Peptiden zu ermöglichen, muß das CLIP mit Hilfe des nicht-klassischen Klasse-II-Moleküls HLA-DM (HLA-DO in B-Zellen) gegen Peptide aus dem MIIC ausgetauscht werden (DENZIN u. CRESSWELL 1995; KROPSHOFER et al. 1996, 1997).

HLA-DM besitzt hierbei zwei Funktionen. Zum einen bindet es an das zu beladende MHC-Klasse-II-Molekül, wodurch eine Stabilität erzielt wird (Chaperon-Funktion), zum anderen katalysiert es den Austausch von CLIP gegen Peptide, die durch Abbau im endosomalen / lysosomalen Kompartiment entstanden sind (KROPSHOFER et al. 1997). Die stabilisierten und mit Peptiden beladenen MHC-Klasse-II-Moleküle werden an die Zelloberfläche transportiert und präsentieren sich dort den T-Zellen.

Abbildung 6: Struktur des MHC-Klasse-II-Moleküls (nach JANEWAY u. TRAVERS 2002).