Wir interessieren uns f¨ur die (nichtlineare) Stabilit¨at von Schock-L¨osungen der Form (5-2) f¨ur den Fall l = 0. Wie auch bei der Evans-Funktion machen wir den An-satz der Linearisierung um (5-2): Wir folgen der Arbeit von Freist¨uhler und Plaza[19] und linearisieren in diesem Fall sowohl die Gleichung (5-1) als auch die Sprungbedingung (5-3) um die Schock-L¨osung.
5.2 Stabilit¨at von Schock-L¨osungen – die Lopatinski-Determinante
Zun¨achst schreiben wir (5-3) mithilfe vonφ(x, t) := x·N−stkompakt in der Form h(U+, U−,−φt(x, t),∇xφ(x, t)) = 0,
wobeih(U+, U−, s, N) :=−s[U] + [f(U)]N. Damit lautet das linearisierte Problem Wt±+
Xd
j=1
Aj(U±)Wx±j = 0, f¨ur x·N −st≷0, (dU+h)W++ (dU−h)W−−(dsh)ψt+ (dNh)∇xψ = 0, f¨ur x·N −st= 0.
(5-5)
Dabei sind
dU+h:= ∂
∂U+h(U+, U−, s, N), dU−h:= ∂
∂U−h(U+, U−, s, N), dsh:= ∂
∂sh(U+, U−, s, N), dNh:= ∂
∂Nh(U+, U−, s, N) die partiellen Ableitungen vonh nachU+, U−, s bzw. N.
Die Gleichungen (5-5) beschreiben also ein Problem mit abschnittsweise konstanten Koeffizienten. Wie ¨ublich macht man im linearisierten Fall einen Exponentialansatz f¨ur die gesuchten Gr¨oßenW± und ψ, und zwar folgenden Fourier-Moden-Ansatz:
W±(x, t) = ˆW±(x·N −st) eiω·x+λt, x·N −st≷0, ψ(x, t) = ˆψeiω·x+λt, ψˆ≡const
mit einem komplexen Parameterλ ∈Cund der Bedingung ω·N = 0.
5.4 Bemerkung. Die Bedingungω·N = 0 bedeutet, dass der St¨orungsansatz im Ort senkrecht zur Ausbreitungsrichtung N der Schockwelle ist. Die Gr¨oße ψ beschreibt in diesem Ansatz die gest¨orte Position der Sprungstelle bei x·N −st= 0.
Setzen wirW± und ψ mit diesem Ansatz in (5-5) ein, so erhalten wir eiω·x+λt −s
Wˆ±′
+λWˆ±+ Xd
j=1
Aj(U±)
Nj
Wˆ±′
+iωjWˆ±
!
= 0 f¨urx·N −st≷0 und
eiω·x+λt
(dU+h) ˆW++ (dU−h) ˆW−−(dsh)(λψ) + (dˆ Nh) iψωˆ
= 0
f¨urx·N−st= 0. Dies kann mitξ =x·N−st¨aquivalent umgeschrieben werden zu λWˆ±+ A(N, U±)−sIn Wˆ±′
+iA(ω, U±) ˆW±= 0, ξ ≷0, (dU+h) ˆW+(0) + (dU−h) ˆW−(0) + ˆψ(−λ(dsh) +i(dNh)ω) = 0.
(5-6)
Die erste Zeile des Systems (5-6) definiert zwei gew¨ohnliche Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten in der unabh¨angigen Variablen ξ (einmal f¨ur ξ > 0 und einmal f¨urξ <0), denn mit
L˜±:= A(N, U±)−sIn
−1
λIn+iA(ω, U±) wird aus der ersten Zeile in (5-6)
Wˆ±′
(ξ) = −L˜±Wˆ±(ξ), ξ ≷0, (5-7) d. h. abschnittsweise f¨ur ξ > 0 bzw. ξ < 0 eine autonome Differentialgleichung.1 Dabei ist zu beachten, dass nach der Annahme (5-4)skein Eigenwert vonA(N, U±) ist und damit die Matrix (A(N, U±)−sIn)−1 existiert.
Wir suchen nichttriviale beschr¨ankte L¨osungen
Wˆ+: [0,∞)→Cn, Wˆ− : (−∞,0]→Cn
der gew¨ohnlichen Differentialgleichung (5-7) f¨ur ξ≥0 bzw.ξ ≤0, d. h., wir ben¨oti-gen Anfangswerte von ˆW± mit der Bedingung
Wˆ+(0) ∈Span R˜+u
, Wˆ−(0) ∈Span R˜−s
,
wobei ˜R+u und ˜R−s Matrizen sind, deren Spalten den instabilen bzw. stabilen Unter-raum von ˜L+ bzw. ˜L− aufspannen.
5.5 Bemerkung. a) Die Matrizen R˜+u und R˜−s h¨angen nach Konstruktion so-wohl vom Spektralparameter λ als auch von ω ab.
b) Dass der instabile Unterraum mit
”+“ und der stabile Unterraum mit
”-“ – al-so im Gegensatz zu den Bezeichnungen bei der Evans-Funktion – identifiziert wird, ist der Tatsache geschuldet, dass in (5-7) vor dem L˜± ein Minuszeichen steht.
Damit kommen wir zur zentralen Stabilit¨atsbedingung – der sogenanntengleichm¨ a-ßigen Lopatinski-Bedingung – f¨ur unseren Fourier-Moden-Ansatz:[19,49,50]
1Wie im Teil ¨uber dieEvans-Funktion bezeichnen wir dieses System erster Ordnung als Eigen-wertproblem bez¨uglich dem Parameterλ.
5.2 Stabilit¨at von Schock-L¨osungen – die Lopatinski-Determinante
F¨ur alle (λ, ω)∈C×Rd mit Re(λ)≥0 und ω·N = 0 gilt
∆(λ, ω) := det
(dU−h) ˜R−s(λ, ω),−λ(dsh) +i(dNh)ω,(dU+h) ˜R+u(λ, ω)
6
= 0.
Dies bedeutet, dass es f¨ur jedes Paar
Wˆ+,Wˆ−
∈ Span R˜+u
×Span R˜−s
mit Re(λ)≥0 keine L¨osung ˆψ zu (5-6) gibt.
5.6 Bemerkung. a) F¨ur die Definition von ∆ setzen wir voraus, dass
(dU−h) ˜R−s(λ, ω),−λ(dsh) +i(dNh)ω,(dU+h) ˜R+u(λ, ω) eine n×n-Matrix ist.
b) Die Determinante ∆ ist homogen vom Grad 1 in (λ, ω), d. h., es gilt f¨ur ein ν ∈R
∆(νλ, νω) = ν∆(λ, ω).
c) Der (in)stabile Unterraum von L˜± ist nach Konstruktion unabh¨angig von der Variablen ξ. Damit ist auch die Berechnung der zugeh¨origen Basen R˜±u,s und somit die von∆(λ, ω)unabh¨angig vonξ. Dies ist insbesondere aus numerischer Sicht interessant, da dadurch im Vergleich zur Evans-Funktion das Problem der Steifheit entf¨allt und die Berechnung von ∆(λ, ω) vereinfacht wird.
Wir schreiben die n×n-Matrix in der Determinante ∆(λ, ω) noch um, damit sie eine einfachere Gestalt bekommt. Dazu rechnen wir nach:
dU−h= ∂
∂U− (−s[U] + [f(U)]N)
= ∂
∂U− −s(U+−U−) + (f(U+)−f(U−))N
= ∂
∂U− −s(U+−U−) + Xd
j=1
(fj(U+)−fj(U−))Nj
!
=sIn− Xd
j=1
Aj(U−)Nj
=sIn−A(N, U−) und analog
dU+h=−sIn+A(N, U+), dsh=−[U],
dNh= [f(U)].
Das bedeutet, um die Determinante ∆(λ, ω) auszurechnen, m¨ussten wir sowohl (sIn−A(N, U−)) ˜R−s(λ, ω) als auch (−sIn+A(N, U+)) ˜R+u(λ, ω) berechnen. Um dies zu vermeiden, f¨uhren wir folgende ¨Ahnlichkeitstransformationen f¨ur die Ma-trizen ˜L− und ˜L+ durch:
L−:= sIn−A(N, U−)L˜− sIn−A(N, U−)−1
= A(N, U−)−sIn
A(N, U−)−sIn
−1
(λIn+iA(ω, U−)) A(N, U−)−sIn
−1
= (λIn+iA(ω, U−)) A(N, U−)−sIn
−1
sowie L+:= −sIn+A(N, U+)L˜+ −sIn+A(N, U+)−1
= A(N, U+)−sIn
A(N, U+)−sIn
−1
(λIn+iA(ω, U+)) A(N, U+)−sIn
−1
= (λIn+iA(ω, U+)) A(N, U+)−sIn
−1
. Damit erreichen wir
Span R−s
= sIn−A(N, U−)
Span R˜−s
bzw.
Span R+u
= −sIn+A(N, U+)
Span R˜+u
,
wobei die Spalten von Rs− den stabilen Unterraum von L− und die Spalten von R+u den instabilen Unterraum von L+ aufspannen. F¨ur die Berechnung von ∆(λ, ω) bedeutet diese Umformung:
∆(λ, ω) = det R−s(λ, ω), J(λ, ω), R+u(λ, ω)
, (5-8)
wobei
J(λ, ω) := λ[U] +i[f(U)]ω
der Sprungvektor f¨ur die Sprungbedingung bei ξ=x·N −st= 0 ist.
5.7 Definition(Lopatinski-Determinante). Die Determinante in (5-8) bezeichnet man als Lopatinski-Determinante.
In der vorliegenden Arbeit steht in diesem Zusammenhang die Analyse der Gleichung
∆(λ, ω) = 0 (5-9)
mit ω · N = 0 f¨ur Schock-L¨osungen vom Lax-Typ im Fokus. Dabei bezeichnen wir in Analogie zur Evans-Funktion den Parameter λ als Eigenwert. Im Falle der Existenz einer Nullstelle (λ, ω) von (5-9) mit Re(λ)>0 erhalten wir eine exponen-tiell wachsende Mode W+ bzw. W− und damit Instabilit¨at der zugrunde liegenden Schock-L¨osung. Genau darum geht es in den folgenden zwei Kapiteln, in welchen die Gleichung (5-9) f¨ur dieLopatinski-Determinante des zweidimensionalen idealen isothermen MHD-Systems untersucht wird.
6 Das zweidimensionale ideale isotherme MHD-System
Dieses Kapitel behandelt konkret ein Problem der Form (5-1), und zwar das des idealen isothermen MHD-Systems in zwei Raumvariablenx= (x1, x2)∈R2:
0 = ρt+ div(ρV), 0 = (ρV)t+ div
ρV ⊗V +
p+1 2|B|2
I2−B⊗B
, 0 = Bt+ div(B⊗V −V ⊗B),
(6-1)
wobei hier
V ⊗B :=
v1b1 v1b2
v2b1 v2b2
, div (V ⊗B) :=
(v1b1)x1 + (v1b2)x2
(v2b1)x1 + (v2b2)x2
. Die abh¨angigen Variablen in (6-1) sind
• die Dichte ρ >0,
• der Druck p > 0,
• das Geschwindigkeitsfeld V = v1
v2
∈R2 und
• das Magnetfeld B = b1
b2
∈R2
des Fluids. Zudem fordern wir die Divergenzfreiheit des VektorfeldesB:
div(B) = 0.
Des Weiteren wird angenommen, dass das Fluid
”polytropisch“ ist, d. h., der Druck steht zur Dichte in der Beziehung
p=RρT
mit einer Konstanten R und der Temperatur T, welche als konstant angenommen wird, so dass
p=c2ρ
gilt, wobei c die Schallgeschwindigkeit ist. Mittels Skalierung k¨onnen wir deswegen ohne Einschr¨ankung die Gleichheit
p=ρ
annehmen, d. h., die Schallgeschwindigkeit betr¨agt 1. Weitere Details und Hinter-gr¨unde zur Gleichung (6-1) sind z. B. in den B¨uchern vonCabannes[11]und Jack-son[31] zu finden.
6.1 Das MHD-System in konservativer und symmetrischer Form
so l¨asst sich (6-1) in der konservativen Form
Ut+f1(U)x1 +f2(U)x2 = 0 (6-2) gem¨aß (5-1) schreiben, denn:
ρt+ div(ρV) = ρt+ (ρv1)x1 + (ρv2)x2 = (Ut)1+ (f1(U)x1)1+ (f2(U)x2)1,
6.1 Das MHD-System in konservativer und symmetrischer Form Problems auch schreiben als
Ut+ ˆA1(U)Ux1 + ˆA2(U)Ux2 = 0 (6-3) mit reellen, nicht-symmetrischen 5×5-Matrizen1
Aˆ1(U) =
6.1 Bemerkung. Aufgrund der Divergenzfreiheit div(B) = 0 des Magnetfeldes B ist die Darstellung von (6-2) bzw. (6-3) mittels obigen f1 und f2 nicht eindeutig.
Wir wollen in Abschnitt 6.3 f¨ur das System (6-3) die Lopatinski-Determinante angeben. Da wir aber – wie wir sehen werden – die Invertierbarkeit von ˆA1 an der StelleU± br¨auchten, schreiben wir das System (6-3) unter der Bedingung
div(B) = b1x1 +b2x2 = 0
1Hierbei wurden die Formelzeilen zus¨atzlich mit einem * markiert. Diese und auch die im Fol-genden mit einem * markierten Formelzeilen werden aus ¨Ubersichtsgr¨unden erst im Anhang D bewiesen.
0 =Ut+ ˆA1(U)Ux1 + ˆA2(U)Ux2 +
F¨ur die Darstellung derLopatinski-Determinante ist es ¨ublich, die Gleichung (6-6) weiter umzuformen, und zwar in einsymmetrisch hyperbolisches System. Dazu definieren wir die
6.1 Das MHD-System in konservativer und symmetrischer Form
Diese liegt einer TransformationS :R5 →R5, ˜U 7→U zugrunde mit der Ableitung
T( ˜U) :=S′( ˜U) = dU
F¨ur die symmetrische Variante von (6-6) f¨uhren wir weiter die symmetrischen Ma-trizen
ein. Damit k¨onnen wir (6-6) weiter ¨aquivalent umformen:
0 =Ut+A1(U)Ux1 +A2(U)Ux2
erhalten wir schließlich die symmetrisch hyperbolische Darstellung des zweidimen-sionalen MHD-Systems:[24,45]
0 = ˜A0( ˜U) ˜Ut+ ˜A1( ˜U) ˜Ux1 + ˜A2( ˜U) ˜Ux2.
Die obigen Rechnungen halten wir als Ergebnis in folgendem Korollar fest.
6.2 Korollar. Das zweidimensionale MHD-System (6-1) ist unter der Bedingung div(B) = 0
zu den folgenden drei Gleichungen ¨aquivalent:
(i) Ut+f1(U)x1 +f2(U)x2 = 0, (ii) Ut+A1(U)Ux1 +A2(U)Ux2 = 0, (iii) A˜0( ˜U) ˜Ut+ ˜A1( ˜U) ˜Ux1 + ˜A2( ˜U) ˜Ux2 = 0.