in dieser Weise bisher nicht auf. Das in der Literatur diesbez¨uglich bekannte Ver-fahren von Humpherys, Zumbrun und Sandstede[29] wird hier nicht verwendet.
2.3 Numerische Integration von Unterr¨ aumen
Wir konzentrieren uns nun auf die Evolution der Basen des (in)stabilen Unterraums vonA±(λ) aus dem vorigen Abschnitt bez¨uglich der Differentialgleichung (2-1). Dies wird unser Hauptaugenmerk sein im Teil dieser Arbeit ¨uber die Evans-Funktion.
Das wichtigste Ziel dabei ist, das Problem der numerischen Instabilit¨at/Steifheit aufgrund der unterschiedlichen Wachstumsraten zu beheben (vgl. Abschnitt 2.1).
Die Idee zur L¨osung dieses Problem ist die folgende:[30] Betrachte die L¨osungen Wi±aus Algorithmus 2.1 nicht im Einzelnen, sondern den gesamten Unterraum, der von den Moden W1−, . . . , Wk− bzw. W1+, . . . , Wn+−k aufgespannt wird. Unsere neue Aufgabe lautet demnach:
Verfolge einen k-dimensionalen (bzw. (n−k)-dimensionalen) Unterraum S ⊂Cn bez¨uglich der Differentialgleichung (2-1).
Der Einfachheit halber schreiben wir im Folgenden f¨urk bzw. n−k einfach nur l.
2.3.1 Die Stiefel-Mannigfaltigkeit
F¨ur die Repr¨asentation eines l-dimensionalen Unterraums S gibt es verschiedene M¨oglichkeiten. Wir verwenden die Darstellung mittels derStiefel-Mannigfaltigkeit.
Die folgenden Bezeichnungen und Resultate beziehen sich dabei auf das Buch von Griffithsund Harris.[25]
2.4 Definition. Seien l und n nat¨urliche Zahlen mit l ≤n. Die Menge Gl(Cn) := {U ⊂Cn :U ist ein l-dimensionaler Unterraum von Cn} heißt Graßmann-Mannigfaltigkeit.
2.5 Bemerkung.Die Graßmann-MannigfaltigkeitGl(Cn)ist eine komplexe Man-nigfaltigkeit der Dimension (n−l)l.
Gegeben sei nun ein Unterraum S ∈ Gl(Cn) mit einer Basis v1, . . . , vl. Diesen Un-terraum k¨onnen wir als eine MatrixY im Cn×l auffassen:
Y := (v1, . . . , vl)∈Cn×l (2-3)
mit rank(Y) =l. F¨ur die Darstellung solch einer Matrix gilt der folgende allgemeine Zusammenhang:
Y1, Y2 ∈Cn×l repr¨asentierenS ∈Gl(Cn) ⇔ ∃u∈GL(l) :Y2 =Y1u, wobeiGL(l) die allgemeine lineare Gruppe der komplexenl×l-Matrizen bezeichne.
Repr¨asentationsmatrizen f¨ur Elemente ausGl(Cn) sind also invariant unter Rechts-multiplikation mit regul¨arenl×l-Matrizen.
2.6 Definition. F¨ur nat¨urliche Zahlen l, n∈N mit l ≤n heißt die Menge Vl(Cn) :=
Q∈Cn×l:Q∗Q=Il
die Stiefel-Mannigfaltigkeit. Dabei ist Il die l-dimensionale Einheitsmatrix.
F¨ur die MatrixY aus (2-3) gilt: Es gibt ein u∈GL(l) gibt, so dass
Q:=Y u∈Vl(Cn). (2-4)
Wir k¨onnen also einenl-dimensionalen Unterraum als ein Element aus derStiefel -MannigfaltigkeitVl(Cn) auffassen.
2.3.2 Die Polarkoordinaten-Methode
Wir betrachten jetzt wieder das System erster Ordnung (2-1) und nehmen an, es besitztl ≤nlinear unabh¨angige L¨osungenW1(ξ), . . . , Wl(ξ). Fassen wir diese L¨osun-gen als Matrix
Y(ξ) = (W1(ξ), . . . , Wl(ξ))∈Cn×l
zusammen, so erf¨ullt diesesY die matrixwertige Differentialgleichung
Y′(ξ) =A(ξ, λ)Y(ξ), Y(ξ)∈Cn×l, ξ ∈R. (2-5) Außerdem repr¨asentiert f¨ur jedesξ∈R die MatrixY(ξ)∈Cn×l einen l-dimensiona-len Unterraum.
Die Idee der Polarkoordinaten-Methode ist, die Differentialgleichung (2-5) auf die Stiefel-Mannigfaltigkeit zu projizieren.[30] Wir zerlegen also gem¨aß (2-4) f¨ur jedes ξ∈R die Matrix Y in zwei Faktoren:
Y(ξ) =Q(ξ)α(ξ), (2-6)
wobeiQ(ξ)∈Vl(Cn) und α(ξ)∈GL(l).
2.7 Definition. Das Tupel (Q, α) in der Zerlegung (2-6) bezeichnet man als Po-larkoordinaten mit dem Winkel Q und dem Radius α.
2.3 Numerische Integration von Unterr¨aumen
2.8 Bemerkung. Durch die Zerlegung (2-6) der Matrix Y wird das Wachstum von Y in den Faktor α ¨ubertragen. Da Q ∈ Vl(Cn) gilt, sind die Spalten von Q orthogonal und beschr¨ankt (genauer: auf 1 normiert in der euklidischen Norm). Dies ist insbesondere aus Sicht der Numerik interessant, da die Orthogonalit¨at der Spalten von Q gewissermaßen
”maximale“ lineare Unabh¨angigkeit sichert und damit kann das Problem der Steifheit umgangen werden.
Mit dem Ansatz (2-6) und der Tatsache, dassY die Differentialgleichung (2-5) erf¨ullt, erhalten wir
(Q(ξ)α(ξ))′ =A(ξ, λ)Q(ξ)α(ξ) ⇔
Q′(ξ)α(ξ) +Q(ξ)α′(ξ) =A(ξ, λ)Q(ξ)α(ξ). (2-7) Um die Eindeutigkeit derQ-Evolution zu sichern, fordern wir zudem (siehe Formel-zeile (6) in der Arbeit vonHumpherys und Zumbrun[30])
Q∗(ξ)Q′(ξ) = 0.
Damit erhalten wir weiter
Q′(ξ)α(ξ) +Q(ξ)α′(ξ) =A(ξ, λ)Q(ξ)α(ξ) ⇔ Q∗(ξ)Q′(ξ)α(ξ) +Q∗(ξ)Q(ξ)α′(ξ) =Q∗(ξ)A(ξ, λ)Q(ξ)α(ξ) ⇔
α′(ξ) =Q∗(ξ)A(ξ, λ)Q(ξ)α(ξ), (2-8) wobei wir ausgenutzt haben, dassQ(ξ)∈ Vl(Cn), d. h., Q∗(ξ)Q(ξ) = Il gilt. Damit haben wir eine Gleichung f¨ur den Radius α. F¨ur die Q-Gleichung setzen wir die α-Gleichung in (2-7) ein und erhalten
Q′(ξ)α(ξ) +Q(ξ)α′(ξ) =A(ξ, λ)Q(ξ)α(ξ) ⇔ Q′(ξ)α(ξ) +Q(ξ)Q∗(ξ)A(ξ, λ)Q(ξ)α(ξ) =A(ξ, λ)Q(ξ)α(ξ) ⇔
Q′(ξ) = (In−Q(ξ)Q∗(ξ))A(ξ, λ)Q(ξ).
Schließlich setzen wir nochγ(ξ) := det(α(ξ)) und erhalten mit dem Satz von Liou-ville(vgl. z. B. Satz 11.4 aus dem Buch vonAmann[5]) aus (2-8) die skalare Glei-chung
γ′(ξ) = Spur (Q∗(ξ)A(ξ, λ)Q(ξ))γ(ξ).
Insgesamt erhalten wir dadurch das gekoppelte System nachHumpherysund Zum-brun:[30]
Q′(ξ) = (In−Q(ξ)Q∗(ξ))A(ξ, λ)Q(ξ),
γ′(ξ) = Spur (Q∗(ξ)A(ξ, λ)Q(ξ))γ(ξ). (2-9) 2.9 Definition. Die erste Gleichung in (2-9) bezeichnet man als Drury-Oja -Gleichung.
Mit diesem System wollen wir dieEvans-Funktion neu, aber ¨aquivalent formulieren.
Dazu betrachten wir das System (2-9) einmal f¨ur l = k und einmal f¨ur l = n− k, assoziiert mit den instabilen bzw. stabilen Moden von (2-1). D. h., f¨ur l = k betrachten wir die L¨osung (Q−, γ−) von (2-9) und f¨url =n−k die L¨osung (Q+, γ+) von (2-9), gem¨aß den Zerlegungen
W1−(ξ, λ), . . . , Wk−(ξ, λ)
=Q−(ξ, λ)α−(ξ, λ), W1+(ξ, λ), . . . , Wn+−k(ξ, λ)
=Q+(ξ, λ)α+(ξ, λ) mit γ±(ξ, λ) := det(α±(ξ, λ)).
2.10 Lemma. Seien A ∈ Cn×k, B ∈ Cn×(n−k), a ∈ Ck×k und b ∈ C(n−k)×(n−k) beliebige Matrizen. Dann gilt
det (Aa, Bb) = det(a) det(b) det(A, B).
Beweis. Schreibe die Matrizen A und B als Bl¨ocke:
A= A1
A2
mit A1 ∈Ck×k, A2 ∈C(n−k)×k und
B = B1
B2
mit B1 ∈Ck×(n−k), B2 ∈C(n−k)×(n−k). Damit gilt
(Aa, Bb) =
A1a B1b A2a B2b
=
A1 B1
A2 B2
a 0 0 b
.
Dann erhalten wir mit der Produktregel und der Regel f¨ur Blockmatrizen det(Aa, Bb) = det
A1 B1 A2 B2
a 0 0 b
= det
A1 B1
A2 B2
det a 0
0 b
= det(a) det(b) det(A, B).
Mit Lemma 2.10 erhalten wir f¨ur die Evans-Funktion damit die Darstellung D(λ) = det W1−(ξ, λ), . . . , Wk−(ξ, λ), W1+(ξ, λ), . . . , Wn+−k(ξ, λ)
ξ=0
= det Q−(ξ, λ)α−(ξ, λ), Q+(ξ, λ)α+(ξ, λ) ξ=0
= γ−(ξ, λ)γ+(ξ, λ) det Q−(ξ, λ), Q+(ξ, λ) ξ=0.
2.3 Numerische Integration von Unterr¨aumen
2.3.3 Numerische Umsetzung
Jetzt geht es darum, wie man die Ergebnisse des letzten Abschnitts aus Sicht der Numerik am besten umsetzt, damit man einen zufriedenstellenden Algorithmus zur Berechnung derEvans-Funktion vorliegen hat. Ausgangspunkt hierbei ist f¨urλ∈Ω das System
Q′ = (In−QQ∗)A(ξ, λ)Q
γ′ = Spur (Q∗A(ξ, λ)Q)γ , Q(ξ)∈Vl(Cn), γ(ξ)∈R, ξ∈R
f¨ur l = k bzw. l = n − k. Als Erstes ist nat¨urlich klar, dass f¨ur die numerische Berechnung ein endliches Intervall gegeben sein muss, d. h., man w¨ahlt ein L ≫ 0 und betrachtet das System
Q′ = (In−QQ∗)A(ξ, λ)Q
γ′ = Spur (Q∗A(ξ, λ)Q)γ , Q(ξ)∈Vl(Cn), γ(ξ)∈R, ξ ∈[−L, L]
f¨ur l = k bzw. l = n −k. Wie in Algorithmus 2.1 bedeutet das f¨ur die konkrete Umsetzung: Man integriert f¨url =k von −L nach 0 und f¨ur l =n−k von L nach 0 mit entsprechenden Anfangsbedingungen.
Des Weiteren skalieren wir die Gr¨oße γ in der Form
˜
γ(ξ) := e−Spur((Q±)∗A±(λ)Q±)ξγ(ξ), Q±:= lim
ξ→±∞Q(ξ),
um eine Fehleranh¨aufung w¨ahrend der Integration auf [−L,0] bzw. [0, L] zu vermei-den[30,62], und erhalten
˜
γ′ = Spur Q∗A(ξ, λ)Q−(Q±)∗A±(λ)Q±
˜
γ, ξ∈[0, L] bzw. ξ∈[−L,0].
Damit ist ˜γ f¨ur |ξ| → ∞asymptotisch gesehen eine Gleichgewichtslage.
Zur Berechnung der Startwerte f¨ur Q bzw. ˜γ sei im Fall l = k eine Matrix B−(λ) gegeben, dessen Spalten eine in λ analytische Basis des instabilen Unterraums von A−(λ) bilden (vgl. Abschnitt 2.2). F¨ur diese Matrix betrachten wir die Zerlegung
B−(λ) = Q−(λ)˜α−(λ)
mit Q−(λ)∈Vk(Cn) und einer invertierbaren Matrix ˜α−(λ)∈Ck×k. Damit gilt
˜
α−(λ) = (Q−(λ))∗B−(λ),
wodurch die Startwerte f¨ur die Integration von−L nach 0 gegeben sind:[30]
Q(−L) =Q−(λ) und γ(˜ −L) = det (Q−(λ))∗B−(λ)
. (2-10)
In analoger Weise erh¨alt man im Falll =n−k f¨ur die Integration vonL nach 0 die Startwerte[30]
Q(L) =Q+(λ) und γ(L) = det (Q˜ +(λ))∗B+(λ)
. (2-11)
Insgesamt erhalten wir f¨ur die Numerik das Problem Q′ = (In−QQ∗)A(ξ, λ)Q
˜
γ′ = Spur Q∗A(ξ, λ)Q−(Q±)∗A±(λ)Q±
˜
γ , ξ ∈[−L, L] (2-12) mit den Startbedingungen (2-10) bzw. (2-11), welches f¨urQ(ξ)∈Vl(Cn) und ˜γ(ξ)∈ Rzu l¨osen ist.
2.11 Bemerkung. Als Integrationsmethode zur L¨osung von (2-12) kann man z. B.
das klassische Runge-Kutta-Verfahren oder den internen Matlab-Solver ode45 verwenden.
Durch L¨osen des Systems (2-12) k¨onnen wir schließlich die Evans-Funktion in der Form[30]
D(λ) = ˜γ−(ξ, λ)˜γ+(ξ, λ) det Q−(ξ, λ), Q+(ξ, λ) ξ=0
berechnen.