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Staatsaufgaben

Im Dokument ERFÜLLUNG STAATLICHER AUFGABEN (Seite 53-58)

I. Staat

2. Staatsaufgaben

Die Staatsdefinition verlagert sich somit auf eine Bestimmung der staatlichen Aufgaben. Wie im Folgenden zu zeigen ist, zeichnen sich Staatsaufgaben durch die Inpflichtnahme eines Akteurs auf Wegen des positiven Rechts aus.

Mit anderen Worten liegt eine Staatsaufgabe immer dann vor, wenn eine Tätig-keit einer Person oder Organisation per Verfassung oder Gesetz derart über-tragen wird, dass eine Pflicht zur Ausübung dieser Tätigkeit entsteht.

23 In diesem Sinn etwa bei der Gesetzmässigkeit schindler, St. Galler Kommentar, Art. 5 Rz. 28; ebenso bei der Staatshaftung JAAg/hänni, St. Galler Kommentar, Art. 146 Rz. 20, 23.

24 biAggini, Kommentar BV, Art. 5 Rz. 6; ePiney, Basler Kommentar, Art. 5 Rz. 33;

schindler, St. Galler Kommentar, Art. 5 Rz. 28.

25 biAggini, Kommentar BV, Art. 35 Rz. 9, 13; hAngArTner, Grundrechtsbindung, S. 517;

Kälin/lienhArd/WyTTenbAch, Auslagerung, S. 63. So auch das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung BGE 139 I 306 E. 3.2.2 S. 311; 138 I 289 E. 2.3 S. 292; 138 I 274 E. 2.2.1 S. 281. Zur Grundrechtsbindung eingehender hinten § 3/II.6.b.

26 BGE 107 Ib 5 E. 1 S. 6.

27 Art. 1 Abs. 1 Bst. f VG.

28 biAggini, Kommentar BV, Art. 146 Rz. 7.

29 rüTsche, Öffentliche Aufgaben, S. 162. Ferner auch rUch, Informalisierung, S. 506.

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a. Positivrechtliche Zuweisung

Staatsaufgaben sind «Tätigkeitsfelder, die kraft Verfassung und Gesetz dem Staat zugewiesen sind».30 Entscheidend ist also erstens die positiv-rechtliche Zuweisung.31

Hier wird deutlich, dass die Verfassung das staatliche Handeln grundle-gend anderen Regeln unterstellt als das private. Der Staat braucht zunächst eine rechtliche Ermächtigung, bevor er tätig werden darf, während Private grundsätzlich alles tun dürfen, was ihnen nicht ausdrücklich verboten ist.32 Dies ist Ausfluss des Gesetzmässigkeitsprinzips, wonach es «für das Gemein-wesen keinen rechtsfreien Raum»33 gibt.

Wofür der Staat zuständig ist, bestimmt sich also nicht ein für alle Mal abstrakt, sondern aus je einzelnen Aufgabenzuweisungen und deren Kon-kretisierung im positiven Recht. Kein anderer Massstab bestimmt, welche Aufgaben dem Staat zufallen. Entscheidend ist alleine die «rechtliche Über-antwortung an den Staat»34. Insbesondere gibt es kein ordnendes Kriterium, das bestimmt, welche Aufgabe dem Staat zugewiesen werden kann und wel-che nicht. Es liegt in der Macht der Staats zu entswel-cheiden, wofür er zuständig sein soll und wofür nicht.35

Es ist auch nicht zielführend, Staatsaufgaben über ihre Anbindung an Staatszwecke, Staatsziele oder öffentliche Interessen zu definieren. Die Auf-gaben, die dem Staat tatsächlich zugewiesen sind, können zwar als Konkre-tisierung der Staatsziele aufgefasst werden, die wiederum die Staatszwecke konkretisieren.36 Allerdings bleibt für die Bestimmung der Staatsaufgaben alleine entscheidend, ob sie positivrechtlich dem Staat zugewiesen werden, und nicht, ob sie aufgrund dieses oder jenen Staatszwecks geboten sind.37

30 TschAnnen/ziMMerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rz. 14; TschAnnen, Staatsrecht, § 7 Rz. 31. Ähnlich auch dAeniKer, Überführung staatlicher Aufgaben, S. 52;

Kiener/Kälin/WyTTenbAch, Grundrechte, § 4 Rz. 54.

31 rüTsche, Öffentliche Aufgaben, S. 158; TAnqUerel, Droit administratif, Rz. 4;

UhlMAnn, Gewinnorientiertes Staatshandeln, S. 230 f.

32 ePiney, Basler Kommentar, Art. 5 Rz. 41.

33 TschAnnen/ziMMerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rz. 1.

34 TschAnnen/ziMMerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rz. 14.

35 eichenberger, Staatsaufgaben, S. 103; TschAnnen, Privatisierung, S. 239.

36 So etwa dAeniKer, Überführung staatlicher Aufgaben, S. 51, der den hier vertreten Ansatz

«positivistisch» nennt und wegen der möglichen Uferlosigkeit staatlicher Auf gaben ablehnt.

37 Vgl. rUch, Informalisierung, S. 509–512; und UhlMAnn, Gewinnorientiertes Staatshan-deln, S. 228–231, die Staatsaufgaben aus Zwecken, Zielen und öffentlichen Interessen ableiten, aber schlussendlich nicht um das entscheidende Kriterium der rechtlichen Zuweisung herumkommen. Anders richli, Rechtsetzung, Rz. 4, der viel auf das «Ver-hältnis fortschreitender Konkretisierung» dieser Begriffe gibt und eine deutliche Unter-scheidung unterlässt, vgl. auch Rz. 39.

§ 2 Begriffserklärung

Eine beschränkende Bestimmung staatlicher Aufgaben ist auf diesem Weg jedenfalls nicht zu erreichen.

Schliesslich grenzt die positivrechtliche Aufgabenzuweisung die Erfül-lung von Staatsaufgaben gegenüber der Verwaltungshilfe ab. Bei Letzterer leistet jemand «lediglich Teilbeiträge an die Erfüllung einer fremden Aufga-be»38. Diese Abgrenzung ist vor allem dort notwendig, wo Private mit der Erfüllung von Staatsaufgaben betraut werden. In der Form der Beleihung werden Private Träger eigener staatlicher Aufgaben.39 Wer aber bloss «nach Art einer Hilfskraft zur technischen Ausführung bestimmter Verwaltungsauf-gaben eingespannt»40 wird, ist Verwaltungshelfer und nicht selbst Aufga-benträger.

Ein Beispiel zu dieser Abgrenzung: Gestützt auf seine aussenpoliti-schen Befugnisse trifft der Bund Massnahmen der internationalen Ent-wicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe.41 Die Entwicklungs-zusammenarbeit kann gemäss einschlägigem Bundesgesetz unter anderem in der Form der «Förderung des Einsatzes privatwirtschaftlicher Mittel»42 erfolgen. Gemäss der dazugehörigen Verordnung schafft der Bund «zur För-derung des Einsatzes privatwirtschaftlicher Mittel, namentlich von Investi-tionen in Entwicklungsländern, eine Gesellschaft in der Form einer privat-rechtlichen Aktiengesellschaft.»43 Diese Gesellschaft, die SIFEM AG44, ist Trägerin dieser Aufgabe. Diese AG besorgt ihre Geschäfte allerdings nicht selbst; seit 2011 übernimmt die OBVIAM DFI AG mit Zustimmung des Bundes-rats die Geschäftsführung der SIFEM AG.45 Diese zweite Aktiengesellschaft ist nicht selbst Trägerin der staatlichen Aufgabe, sie ist blosse Verwaltungs-helferin.

b. Pflicht zur Erfüllung

Durch die Zuweisung einer Tätigkeit an den Staat wird diese noch nicht zur Staatsaufgabe. Zusätzlich ist erforderlich, dass die positivrechtlich

überant-38 TschAnnen/ziMMerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 5 Rz. 10b.

39 TschAnnen/ziMMerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rz. 12–15.

40 TschAnnen/ziMMerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 5 Rz. 10a f.

41 Art. 1 des Bundesgesetzes über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe vom 19. März 1976 (SR 974.0); i.V.m. Art. 54, 66, 173 Abs. 1 Bst. a, Art. 184 und 185 Abs. 1 BV.

42 Art. 6 Abs. 1 Bst. d des Bundesgesetzes über die internationale Entwicklungszusammen-arbeit und humanitäre Hilfe (Fn. 41).

43 Art. 30a Abs. 1 der Verordnung über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe vom 12. Dezember 1977 (SR 974.01).

44 Art. 15i OV-WBF.

45 Siehe Bericht strategische Ziele SIFEM, Ziff. 1.1.

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wortete Tätigkeit zwingend erfüllt werden muss; zur gesetzlichen Übertra-gung muss also eine gesetzliche Erfüllungspflicht treten.46

Dies ergibt sich schon aus der zwingenden Natur des öffentlichen Rechts.47 Für den Bund hält Art. 42 Abs. 1 BV zudem fest, dass ihm verfassungsrecht-lich zugewiesene Aufgaben erfüllt werden müssen.48 Auch das Bundesge-richt verdeutlicht, dass Staatsaufgabe nur ist, was verpflichtend zu erfüllen ist: Die Tätigkeiten der Post, welche (nach damaligem Postrecht) Wettbe-werbsdienste sind, können keine «staatliche Aufgabe» im Sinne von Art. 35 Abs. 2 BV sein, weil «die Post in diesem Bereich — im Gegensatz zum Univer-saldienst — nicht verpflichtet ist, die entsprechenden Dienstleistungen zu erbringen.»49

Dass die Erfüllungspflicht entscheidend für das Vorliegen einer Staats-aufgabe ist, zeigt sich insbesondere bei der Beleihung, bei der Privaten die Erfüllung staatlicher Aufgaben übertragen wird.50 Das verpflichtende Ele-ment der Aufgabenzuweisung unterscheidet Staatsaufgaben von Konzessio-nen und Finanzhilfen.

Privaten kann mittels Konzession erlaubt werden, eine im staatlichen Monopolbereich liegende Tätigkeit auszuüben.51 Dadurch werden sie aller-dings nicht zum Träger staatlicher Aufgaben.52 Die Konzession überträgt ihnen die Befugnis, tätig zu werden, ohne sie allerdings in die Pflicht zu neh-men. Anders verhält es sich mit den sogenannten Konzessionen des öffentli-chen Dienstes: Hierbei ist die Konzession das Mittel, um Private zu verpflichten, eine staatliche Aufgabe zu erfüllen. Es handelt sich dann um eine Beleihung durch Konzession; doch eine Konzession alleine ist keine Inpflichtnahme.

Wie bei der Konzession fehlt die Erfüllungspflicht auch bei der Entrichtung von Finanzhilfen nach dem Subventionsgesetz (SuG).53 Diese Abgrenzung ist erforderlich, weil Subventionen mit Staatsaufgaben einhergehen können, aber vom einen nicht zwingend auf das andere zu schliessen ist. Finanzhilfen

46 Abegg/Frei, Wirtschaftsfreiheit, S. 292; Adler/Tönz, Privatisierung, S. 358; dUbey/

zUFFerey, Droit administratif général, Rz. 16; bAUMAnn, Wettbewerbsverzerrungen, Rz. 60; Kiener/Kälin/WyTTenbAch, Grundrechte, § 4 Rz. 54; rüTsche, Öffentliche Aufgaben, S. 159 f. Vgl. zudem JAAg, Staats- und Beamtenhaftung, Rz. 226, wonach nur die Aufgabenübertragung mit Erfüllungsauftrag die Staatshaftung begründet.

47 TschAnnen/ziMMerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 30 Rz. 26.

48 schWeizer, St. Galler Kommentar, Art. 42 Rz. 9.

49 BGE 129 III 35 E. 5.2 und 5.3 S. 40 f.

50 egli, Beleihung Privater, S. 195–200; TschAnnen/ziMMerli/Müller, Allgemeines Ver-waltungsrecht, § 10 Rz. 12–15.

51 TschAnnen/ziMMerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rz. 14, auch zum Folgenden.

52 biAggini, Kommentar BV, Art. 35 Rz. 13.

53 Näher dazu rüTsche, Öffentliche Aufgaben, S. 159.

§ 2 Begriffserklärung

i.S.v. Art. 3 Abs. 1 SuG sind nämlich geldwerte Vorteile für selbstgewählte Auf-gaben — im Unterschied zu Abgeltungen nach Abs. 2 derselben Bestimmung, welche Lasten mildern oder ausgleichen, die aus der Erfüllung von verpflich-tend übertragenen Aufgaben folgen.

c. Verwaltungsaufgaben und andere Staatsaufgaben

Staatsaufgaben werden bisweilen mit Verwaltungsaufgaben gleichgesetzt.54 Dies entspricht der negativen Definition der Verwaltung als diejenige Staat-stätigkeit, die übrig bleibt, wenn Rechtsetzung und Rechtsprechung ausge-spart werden.55 Eine strikte Trennung in Verwaltungs- und andere Aufgaben des Staats ist nicht erforderlich, um die Fragestellungen dieser Arbeit zu be-antworten. Untersucht wird die Privatisierung jeder Tätigkeit, die dem Staat verpflichtend zur Erfüllung übertragen ist, unabhängig davon, welcher Staats-funktion sie zufällt. Hauptsächlich wird die Privatisierung die Verwaltungs-tätigkeit betreffen,56 allerdings können damit insbesondere auch Rechtset-zungsaufgaben verbunden sein.

d. Verhältnis zu öffentlichen Aufgaben

Ein Teil der Lehre verwendet die Begriffe Staatsaufgabe und öffentliche Auf-gabe synonymisch.57 Und auch das Bundesgericht scheint die Begriffe für austauschbar zu halten.58

Gemäss einer anderen Auffassung besteht aber eine inhaltliche Differenz zwischen staatlichen und öffentlichen Aufgaben: Demnach seien Staatsaufga-ben diejenigen öffentlichen AufgaStaatsaufga-ben, die der Staat selber ausführe. Öffentliche Aufgaben, die «von ausserstaatlichen Stellen aufgrund von Aufgabenübertra-gungen erfüllt»59 werden, seien keine Staatsaufgaben.

Es ist nicht sinnvoll, diesen Unterschied mit abweichenden Aufgabenbe-griffen nachzuzeichnen. Ob eine Aufgabe verwaltungsintern oder durch ausgelagerte Aufgabenträger erfüllt wird, ist keine Frage der Aufgabe selbst,

54 Ohne weiteren Kommentar etwa rüTsche, Öffentliche Aufgaben, S. 153. Diese Ein-schränkung macht auch die Verfassung bezüglich Aufgabenübertragungen in Art. 178 Abs. 3 BV.

55 häFelin/Müller/UhlMAnn, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rz. 13 f.; TschAnnen/

ziMMerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rz. 9.

56 Ähnlich auch TschAnnen, Privatisierung, S. 211. Die Privatisierung ganz auf Verwal-tungsaufgaben beziehend JAAg, Dezentralisierung und Privatisierung, S. 25 f.

57 rüTsche, Öffentliche Aufgaben, S. 153; UhlMAnn, Gewinnorientiertes Staatshandeln, S. 230. bAUMAnn begründet die synonyme Verwendung ausdrücklich, Wettbewerbs-verzerrungen, Rz. 63.

58 BGE 140 I 338 E. 6 S. 343 und E. 7 S. 346.

59 richli, Rechtsetzung, Rz. 8. Ähnlich auch häner, Grundrechtsgeltung, S. 1150; UebersAx, Privatisierung, S. 395.

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sondern ihrer Erfüllung (siehe zu den Organisationsformen hinten § 4/II). Des-halb vermeidet diese Arbeit den Begriff der öffentlichen Aufgabe, um den Eindruck zu vermeiden, damit sei etwas anderes als eine Staatsaufgabe be-zeichnet.60 Ausserdem ist «staatliche Aufgabe» ein Begriff der Verfassung,61 während «öffentliche Aufgabe» darin keine Erwähnung findet.

Im Dokument ERFÜLLUNG STAATLICHER AUFGABEN (Seite 53-58)