• Keine Ergebnisse gefunden

Sozialräumliche Netzwerke und Bündnisse gegen Rechtsextremismus

11 Kooperationen, Netzwerke und jugendpolitische Zusammenarbeit

11.5 Sozialräumliche Netzwerke und Bündnisse gegen Rechtsextremismus

Projekte, die sich selber über die normalen Kooperationen hinaus als ‘Netzwerker’ oder doch als Teil eines Netzwerkes sehen, haben wir in drei Fällen vorgefunden.

In einem Fall handelt es sich dabei um ein Netzwerk, dessen Ausrichtung über den Jugendhilferahmen hinausgeht und die Förderung der strukturschwachen Region – vor allem den Ausbau des Tourismus und die Entwicklung von Arbeitsplätzen – zum Ziel hat.

Der Anstoß für ein solches Netzwerk und die unterschiedlichen Projekte der Jugendarbeit und Jugendberufshilfe, die dazu gehören, ging in diesem Fall von einer engagierten Pastorin aus. In dem beteiligten Projekt geht es darum, Berufs- und Ausbildungschancen der Jugendlichen zu verbessern und ihnen zumindest befristet Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Damit wird dieses Projekt zu einer gewissen eigenständigen politischen Größe.

Die Einbindung in die Strukturen der Jugendhilfe andererseits und die Kooperation mit an-deren Jugendeinrichtungen ist bei diesem Projekt allerdings wenig ausgeprägt. In einem anderen Beispiel ist es ein kirchlicher Träger, der seine Angebote im Kirchenkreis als Netzwerk versteht und mit einem mobilen Angebot Vernetzung in der Jugendarbeit fördern will. Bereits kurz erwähnt wurde ein Streetwork-Projekt, das sich als Katalysator und Organisator im Stadtteil verstanden hat und dort Einrichtungen vernetzt und eine Stadtteil-AG gegründet hat.

In einigen Fällen werden Mitarbeiter oder Projekte als Experten zum Thema Rechtsextremismus in der kommunalpolitischen Öffentlichkeit gehört und wahrgenommen.

Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit nicht allein mit den Jugendlichen, sondern auch an anderen Stellen zu thematisieren, ist dabei ein Anliegen, das viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter formulieren, wobei es allerdings wenig konkrete Beispiele für diese Umsetzung gibt. Ein eher abstrakter Einsatz für mehr Zivilgesellschaft und Demokratie, wie er von der Jugendarbeit oftmals gefordert wird, spielt in der Praxis eben-falls kaum eine Rolle. Das Hauptaugenmerk der meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegt eindeutig auf der konkreten Arbeit mit den Jugendlichen – alles was an Vertretungsarbeit, Austausch, Öffentlichkeitsarbeit und politischer Einmischung passiert, geschieht am Rande oder bleibt in den Händen einer Person, die dann hauptsächlich mit diesen Aufgaben betraut ist und nur noch wenig pädagogisch arbeitet.

Keines der von uns besuchten Projekte war in ein bestehendes sozialräumliches Netzwerk eingebunden, wie sie z.B. in definierten Stadtteilen durch das Quartiersmana-gement etc. gefördert werden sollen, auch wenn einzelne Projekte in solchen Stadtteilen angesiedelt waren. Eine verstärkte Zusammenarbeit in dieser Richtung wurde nur als Wunsch genannt, dem aber die konkreten Anforderungen durch die Arbeit mit einzelnen Jugendlichen entgegenstünden. Die aktive Mitarbeit und das eigene Selbstverständnis von Praxisprojekten, Teil eines Netzwerkes zu sein, ist uns also nur in wenigen Ausnahmen

be-Kooperationen 111155

gegnet – die Erfahrung von sozialräumlichen Netzen fehlt in der Praxis weitestgehend. Ob dies auf die Ausrichtung der pädagogischen Arbeit der untersuchten Praxisprojekte zurück-zuführen ist oder doch eher darauf, dass solche Netzwerke, in denen Jugendarbeit und Jugendhilfe mit weiteren Akteuren und Beteiligten in Kommunen oder Landkreisen zusam-menarbeiten und planen noch seltene Ausnahmen sind, kann nicht abschließend beant-wortet werden, weil wir nicht nach Netzwerken außerhalb unseres Themengebiets gesucht haben.

Es gibt allerdings inzwischen zahlreiche Einrichtungen, Vereine und Initiativen, die sich Vernetzung, Beratung und Politik gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ‘auf die Fahnen geschrieben’ haben. Ein besonderer Schwerpunkt liegt zumeist auf der Jugend-und Bildungsarbeit. Trotzdem sind Kooperationen mit den Angeboten der Jugendhilfe Jugend-und Jugendarbeit, die auch versuchen, direkt mit ‘rechten’ Jugendlichen zu arbeiten, selten.

Vereinzelt gibt es in öffentlicher oder freier Trägerschaft Anlaufstellen zum Thema Rechtsextremismus, z.B. das städtische Referat in Düsseldorf oder die Arbeitsstelle Rechtsextremismus von Arbeit und Leben in Braunschweig, in denen versucht wird, nicht nur Informationen zu bündeln und Beratung zu leisten, es werden auch eigene Projekte und Konzepte der Jugend- und Bildungsarbeit verfolgt. Eine Besonderheit gerade dieser Stellen liegt darin, dass teilweise auch Erfahrungen in der pädagogischen Arbeit mit rechts-gerichteten und/oder gewaltbereiten Jugendlichen vorliegen und nicht allein präventive Arbeit geleistet wird. Bereits erwähnt wurde der Arbeitskreis Ruhr, der ein Beispiel für eine regionale Vernetzung darstellt und versucht, politisches Engagement mit dem fachlichen pädagogischen Austausch vor allem von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Jugendämtern der Region zu verbinden. Insgesamt bleiben jedoch praxisnahe ‘Netzwerke’, die pädagogische Arbeit und politische Arbeit verknüpfen wollen und dabei auch versu-chen, rechtsgerichtete Jugendliche selber zu erreiversu-chen, eine Ausnahme.

Auf der Ebene der Bundesländer sind im Untersuchungszeitraum unterschiedliche Versuche unternommen worden, Jugendarbeit in der Auseinandersetzung mit Rechtsextre-mismus zu unterstützen und Kooperationen zu fördern – bekannte Beispiele wären hier der Verein Miteinander e.V. für Sachsen-Anhalt oder die RAA Brandenburg mit den ange-gliederten mobilen Beratungsteams, die inzwischen auch in den anderen neuen Bundesländern aufgebaut wurden. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt aber, auch in dem Selbstverständnis dieser Organisationen, in der Förderung demokratischer Strukturen und der eher präventiv ausgerichteten Jugend- und Bildungsarbeit – eine konkrete Zusammenarbeit mit pädagogischen Projekten, die direkt mit rechtsgerichteten Jugend-lichen arbeiten, bleibt die Ausnahme.

Für die Praxisprojekte, die wir gesprochen und besucht haben, spielte die Mitarbeit in solchen Initiativen und Bündnissen oder Landesprogrammen demnach keine Rolle. Zwar wurden solche ‘zivilgesellschaftlichen’ Aktivitäten durchaus begrüßt und als mögliche Erleichterung der eigene Arbeit eingeschätzt, gleichzeitig wurde aber auch die Befürchtung geäußert, mit der eigenen Arbeitsweise und der direkten Arbeit mit der Zielgruppe immer mehr ins Abseits zu geraten.

Die Trennung zwischen denjenigen, die mit diesen Jugendlichen arbeiten und denjeni-gen die es nicht tun scheint – bei allen fließenden Übergändenjeni-gen der Zielgruppen – weiter-hin groß zu sein. Vielfach fühlen die Praktikerinnen und Praktiker, die mit rechten

Jugendlichen arbeiten, sich in dieser Szene nicht erwünscht, teilweise sind sie es auch ex-plizit nicht, weil „akzeptierende“ Jugendarbeit grundsätzlich abgelehnt wird. Das Selbstverständnis und auch das Selbstbewusstsein, als sozialpädagogisches Projekt be-wusst nach außen zu treten, die Arbeit öffentlich zu machen und sich in politischen Bündnissen zu engagieren, fehlt einer Vielzahl von Praktikern.

11.6 Fazit

Trotz der Bedeutung, die dem Thema „Kooperation“ zuerkannt wird und die dieses auch unter Fachkräften hat, gibt es in der Praxis neben einigen positiven Beispielen auch zahl-reiche Probleme, die den Kooperationsbeziehungen und der Netzwerkarbeit im Wege ste-hen. Praktikerinnen und Praktiker der sozialpädagogisch orientierten Jugendarbeit haben in der Regel wenig eigene praktische Erfahrungen, Kompetenzen und Ressourcen, wenn es darum geht, gemeinsame Interessenvertretung zu betreiben sowie kommunalpolitische Partizipation und zivilgesellschaftliche Aktivitäten im Gemeinwesen zu befördern.

Noch einmal zu betonen sind die schon angesprochenen Schwierigkeiten für ein Projekt, das mit rechtsextremen Jugendlichen arbeitet, interessierte Kooperationspartner zu finden, die in der Lage und auch bereit sind, mit dieser Zielgruppe zu arbeiten. Und so gibt es auch wenig Zusammenarbeit über die Jugendhilfe hinaus. Dennoch ist die konkre-te Kooperation in pädagogischen Maßnahmen vor Ort sicher noch relativ gut gewährlei-stet und zeichnet auch die gut funktionierenden Projekte aus. Angestrebt und teilweise verwirklicht ist auch der fachliche Austausch zur Förderung der pädagogischen Angebote.

Sehr unterschiedlich und in der Tendenz eher gering ist jedoch die Beteiligung an Kooperationen und gesellschaftlichen Aktivitäten, die über die pädagogische Arbeit mit den Jugendlichen hinausgehen. Dazu gehört die Integration in Strukturen, die die Interessenvertretung von Jugendlichen sowie Jugendarbeit im Rahmen von Jugendhilfe und Jugendpolitik vor allem auch in der Kommunalpolitik gewährleisten sollten. Hier liegen si-cher noch Potenziale, die vorhandenen Strukturen besser zu nutzen und der jugendpoliti-schen Zusammenarbeit mehr Gewicht einzuräumen. Dabei geht es sowohl darum, den Jugendlichen und ihren Interessen (sofern sie berechtigt sind) und Zukunftsperspektiven mehr Gehör zu verschaffen als auch darum, sich als Projekt einzumischen und abzusichern.

Eigene Kapazitäten für weitergehende politische Kooperationen oder Netzwerkarbeit sind in den Projekten nicht vorhanden. Projekte sind teilweise in Gremien oder AG´s ver-treten, diese sind aber wohl eher dem Austausch vorbehalten, haben kaum eigene Aktivitäten oder eine Strategie der Vernetzung aufzuweisen. Eine konkrete Vorstellung von einem eher sozialräumlichen Ansatz des Arbeitens oder gar eine konkrete Ausrichtung auf Veränderung im Sozialraum als expliziter Bestandteil oder sogar Schwerpunkt der Arbeit, ist uns unter den Praxisprojekten nicht begegnet. Unklar bleibt auch, wie eine produktive Verbindung zwischen den traditionellen jugendpolitischen Strukturen und einer gemein-wesenorientierten Netzwerkarbeit in der Kommune gelingen kann, ohne dass unprodukti-ve Konkurrenz oder Doppelstrukturen entstehen.

Kooperationen 111177

Die Zusammenarbeit zwischen politischen Initiativen gegen Rechtsextremismus und der konkreten pädagogischen Arbeit mit rechtsgerichteten Jugendlichen ist schließlich eher die seltene Ausnahme als die Regel. Aus Sicht der Praxisprojekte scheint eine verstärkte Zusammenarbeit aus pragmatischen Gründen aber auch aufgrund grundsätzlicher ‘ideolo-gischer’ Vorbehalte gegen ihre Arbeit nicht unbedingt einfach – wenn sie gelänge, könnte sie allerdings der Gefahr von Isolation und auch der Entpolitisierung der eigenen pädago-gischen Arbeit entgegenwirken. Es muss also an dieser Stelle die Frage offen bleiben, wie eine Mitarbeit der Praxisprojekte in einem funktionierenden Netzwerk gegen Rechts-extremismus aussehen könnte und welche Auswirkungen dies auf die pädagogische Arbeit mit der Zielgruppe hätte.