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Männer und Frauen in der pädagogischen Arbeit

4 Geschlechtssensible Jugendarbeit

4.2 Männer und Frauen in der pädagogischen Arbeit

Die Einschätzung, dass Männer in der sozialen Arbeit eher selten sind, gilt für dieses Praxisfeld nicht generell. So waren in den Projekten und Teams, mit denen wir gesprochen haben, insgesamt deutlich mehr Männer als Frauen beschäftigt. Bei den Männern ist auch der ‘Einzelkämpfer ohne Team’ häufiger vertreten, aber wir haben ebenso vereinzelt Frauen getroffen, die allein gearbeitet haben. Insgesamt bedauerten aber alle diejenigen, die al-lein auf sich gestellt waren, das Fehlen eines Teams. Die existierenden Teams sind über-wiegend gemischtgeschlechtlich zusammengesetzt. Es gibt aber auch positive Erfahrungen in reinen Männer- und Frauenteams, z.B. in der Streetwork. In einem Beispiel war ein ge-mischtes Team bereits gescheitert, der männliche Kollege war nicht von den Jugendlichen akzeptiert worden. Danach haben zwei Pädagoginnen versucht, mit der rechtsextremen und gewaltbereiten Clique von neun männlichen und zwei weiblichen Jugendlichen zu ar-beiten: Ihr Eindruck war, dass sie als Frauen davon profitierten, dass sie in den Augen der jungen Männer und Jungen nicht als Konkurrenz galten. Auch andere Frauen bestätigten, dass sie sich sicher – auch subjektiv sicherer als männliche Kollegen – vor körperlichen Angriffen und Anmache fühlten.

In einem Praxisprojekt schilderte eine Sozialpädagogin, wie es ihr gelang, einen engen

Kontakt zu einer gewaltbereiten, rechtsextreme Clique als Streetworkerin aufzubauen. Für sie haben die Tatsachen, dass sie zum einen eine Frau, zum anderen deutlich älter als die Jugendlichen war, ihre Arbeit wesentlich mitgeprägt und den Zugang erleichtert. Die Gefahr eigener Bedrohung oder von Übergriffen vonseiten der Jugendlichen erschien ihr wesent-lich geringer als bei männwesent-lichen Kollegen. So wurde ihr von den Jugendwesent-lichen zugestan-den, auch körperlich einzugreifen, wenn es zu Rangeleien unter den männlichen Jugendlichen kam oder Gewalt untereinander verhindert werden sollte. Als besonders schwierig erwiesen sich dagegen Reaktionen der Umwelt: Eine Sozialpädagogin mit bür-gerlichem Hintergrund und eigener Familie, die – in aller Öffentlichkeit – mit gewaltberei-ten Skins zu tun hat: Dies erweckt wohl (noch) mehr Unverständnis – zumindest im länd-lichen und kleinstädtischen Raum – als bei männländ-lichen Streetworkern. Ihr ist häufig mit massiver Kritik („Wie kann man nur ...“) begegnet worden.

In Projekten, in denen Männer und Frauen zusammenarbeiten, zeigte sich eine ge-schlechtsspezifische Aufteilung im Team, die als wenig überraschend anzusehen ist. Frauen arbeiten in der Regel mit männlichen und weiblichen Jugendlichen, Mädchenarbeit wird ausschließlich von Frauen angeboten und durchgeführt. Fast alle Mitarbeiterinnen haben versucht, eigene Angebote für Mädchen zu etablieren oder fühlen sich in besonderer Weise auch als deren Ansprechpartnerinnen. Dies gelingt nicht immer: Vereinzelt wurde berich-tet, dass die Mädchen wenig Interesse an weiblichen Ansprechpersonen hätten. Vor allem wenn diese selber noch sehr jung sind, wurden sie eher als Konkurrenz wahrgenommen, so dass die Pädagoginnen nur schwer einen positiven Kontakt aufbauen konnten.

Die Männer arbeiten ganz eindeutig schwerpunktmäßig mit den männlichen Jugendlichen. Wenn auch Mädchen dabei sind, was – wie bereits erwähnt – häufig ange-strebt wird, kommt es in der Regel nicht zu einem engeren Vertrauensverhältnis oder zu-mindest ist uns dies in keinem Fall berichtet worden. Eher finden sich die Männer damit ab bzw. es gilt als ‘normal’, dass man(n) mit Mädchen und jungen Frauen kaum arbeiten kann, wenn keine Frau im Team ist. Andererseits sind Frauen ganz selbstverständlich – teil-weise auch die bevorzugten – Vertrauenspersonen für männliche Jugendliche. Das heißt zum einen, dass ein Mann im Team nicht unbedingt auch ein männlicher Ansprechpartner für Jungen sein muss. Für die Mädchen wiederum stehen männliche Ansprechpartner – ab-gesehen von ihren rechtsextrem orientierten Freunden – kaum zur Verfügung. Unklar bleibt letztlich häufig, worin männliche Mitarbeiter ihren pädagogischen Auftrag gegenüber rechtsorientierten Mädchen sehen oder auch sehen könnten.

Von den Pädagoginnen und Pädagogen haben wir übereinstimmende Einschätzungen zur Arbeit in gemischtgeschlechtlichen Teams und zu geschlechtsspezifischen Arbeitstei-lungen geschildert bekommen. Die Tatsache, in einem gemischtgeschlechtlichen Team zu arbeiten, wurde grundsätzlich als sehr positiv eingeschätzt. Aus den Schilderungen geht hervor, dass damit oft auch eine Arbeitsteilung im Team verbunden ist, die aber nicht in allen Fällen gutgeheißen wurde. Frauen werden nicht nur von Mädchen, sondern häufig auch von Jungen eher als Ansprechpartnerinnen für persönliche Probleme und Fragen ge-sehen; und dies gilt sowohl für junge als auch für ältere Pädagoginnen. Frauen sind also häufig in besonderem Maße für Beziehungsarbeit zuständig. Einige Frauen haben sich durchaus unzufrieden darüber geäußert, dass männliche Kollegen ihnen allein das

‘Persönliche’ überlassen und so gerade nicht als männliche, gleichgeschlechtliche

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Ansprechpartner für die Jugendlichen zur Verfügung stehen. In den pädagogischen Teams gibt es häufig eine geschlechtstypische Arbeitsaufteilung, die sich in der Regel auch team-intern fortsetzt. Und obwohl diese Aufteilung den meisten Teams bewusst ist und stellen-weise auch offen – vor allem von den Mitarbeiterinnen – kritisiert wird, wird dies kaum re-flektiert bzw. konfliktreich ausgetragen. So dominiert letztlich in vielen Teams doch eher die Haltung, im Grunde komme es doch auf das ‘Fachliche’ oder eben auch auf das

‘Menschliche’ an; das Geschlecht sei dagegen zweitrangig bzw. es wird nicht als integra-tiver Bestandteil von Fachlichkeit angesehen. Diese Haltung ist unter den Fachkräften in den neuen Bundesländern sicher verbreiteter, aber auch in den alten Bundesländern an-zutreffen.

In einigen Teams ist es zwar Teil des beschriebenen pädagogischen Konzepts, bewusst gängige Rollenklischees zu verlassen, wie sie die Jugendlichen selber fast durchweg ver-treten, und stattdessen positive Beispiele für den respektvollen, gleichberechtigten Umgang für Männer und Frauen zu geben. Dies scheint aber – zumindest was das Rollenverständnis angeht – kaum zu gelingen bzw. oft bleibt unklar, was damit eigentlich gemeint ist: Sollen bewusst traditionelle Klischees positiv besetzt oder sollen sie hinter-fragt werden? So haben sich einige Teams explizit als Familienersatz eingeschätzt, die ähn-liche Rollen wie Vater, Mutter und auch ältere Geschwister übernehmen.

Während einige Frauen für sich Ursachen von Respekt und Anerkennung tatsächlich in einer eher mütterlichen Rolle sahen und dies befürworteten, gibt es andererseits Pädagoginnen, die das für sich in keiner Weise so gesehen haben oder sehen wollen, es gelingt ihnen jedoch kaum, dieser Zuschreibung zu entgehen, zumal für Frauen damit auch eine untergeordnete Rolle im Team verbunden sein kann, auch wenn der Mann/die Männer formal gar keine Leitungsposition einnehmen. Auch unter männlichen Sozialarbeitern und Pädagogen gibt es verschiedene Rollenverständnisse: Neben der väterlichen Rolle über-wog eher die des ‘kumpelhaften’ Ansprechpartners, wobei das Ausstrahlen von Autorität in jedem Fall als zentrale Voraussetzung für die Arbeit gesehen wird. Einige Männer sind kör-perlich stark präsent und entsprechen der Vorstellung von ‘harten Kerlen’, die sich allein schon durch ihr muskulöses Aussehen Respekt verschaffen. Männliche Mitarbeiter mit lan-gen Haaren wiederum gelten bei den Julan-gendlichen automatisch erstmal als ‘links’.

Während einige der weiblichen Kolleginnen rein optisch ein eher flippiges bis punkiges Outfit aufwiesen, traten bei den männlichen Sozialarbeitern einige eher martialisch auf.

Es lässt sich festhalten, dass es Männern und Frauen – je individuell und geschlechts-spezifisch unterschiedlich – gelingen kann, sich bei rechtsextremen Jugendlichen Respekt zu verschaffen und auch stabile fachliche Beziehungen zu ihnen aufzubauen und in engen Kontakt mit ihnen zu treten. Frauen haben allerdings in der Zusammenarbeit mit den männlichen Jugendlichen Schwierigkeiten und persönliche Grenzen genannt, die von Männern nicht oder weniger deutlich thematisiert wurden: Jungen und männliche Jugendliche, die sich untereinander und Mädchen gegenüber – in Ausnahmefällen auch ge-genüber Pädagoginnen durch herabwürdigendes, sexistisches Verhalten hervortun, deren Sprache schwer zu ertragen ist oder deren Auftreten als abstoßend empfunden wird. Ein Spruch wie: „Lass das mal die Fotzen machen...“, wenn es um das gemeinsame Aufräumen im Projekt geht, mag für Männer und Frauen inakzeptabel sein, trifft Frauen aber wesent-lich unmittelbarer und persönwesent-licher, auch wenn es wie in diesem Fall zum direkten Verweis

des Jugendlichen führt. Schwerer zu ertragen ist es für die Frauen auch, zu sehen und zu erleben, wenn junge Frauen und Mädchen sich unhinterfragt unterordnen, sich von ihren

‘Freunden’ oder in Cliquen tyrannisieren oder gar misshandeln lassen. Als ebenso schwer erträglich wird auch die Erfahrung geschildert, wenn junge Frauen in mehr oder weniger selbstzerstörerischer Form agieren, wenn sie gewaltsamen Sex dulden oder dies auch selbst provozieren. Auch persönliche Erfahrungen mit rechtsextremen und gewaltbereiten Mädchen und jungen Frauen, die selbst Gewalt anwenden, wurden uns nur aus weiblicher Sicht geschildert. Einige Mitarbeiterinnen haben dargelegt, dass die Anwendung von Gewalt bei Mädchen für sie selber befremdlicher und daher noch weniger nachvollziehbar und akzeptabel ist als bei Jungen – und in diesem Fall die Arbeit mit den Mädchen für sie schwerer ist als mit den männlichen Cliquenmitgliedern.

4.3 Fazit: Geschlechtsreflektierte Pädagoginnen und Pädagogen – geschlechtssensible