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Resultate von Beziehungsarbeit

Hinsichtlich der Erfolge pädagogischer Arbeit mit rechtsgerichteten oder rechtsextremen Jugendlichen äußern sich die befragten Praktikerinnen und Praktikern nur zögerlich und sehr vorsichtig (vgl. Kapitel 13). Teilweise werden Entwicklungen beschrieben, die den Beteiligten als unspektakulär erscheinen. So wurde in verschiedenen Projekten z.B. beob-achtet, dass sich die Atmosphäre in einem Jugendclub entspannt, die Jugendlichen besser miteinander auskommen oder dass sie Rücksicht auf die Pädagoginnen und Pädagogen nehmen. Sobald Sozialarbeiter konkretere Erfolge beschreiben, betonen sie die großen Unterschiede innerhalb der von ihnen betreuten Gruppen: Für wenige, manchmal auch nur für einzelne Jugendliche beschreiben sie produktive Entwicklungen, während sie bei an-deren bzw. bei den meisten ihrer Klienten nicht den Eindruck haben, etwas bewegt zu haben. Positive Entwicklungen bei Einzelnen werden dann gesehen, wenn diese Unzufriedenheit mit ihrer Cliquen artikulieren, den Kontakt zur rechten Szene abbrechen und sich darum bemühen, ein ‘normales Leben’ zu führen. Verschiedentlich haben Sozialarbeiter den Eindruck, dass es wichtig war, dass sie sich mit den Eltern der Jugendlichen auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt haben bzw. dass Erfolge nur bei den Jugendlichen zu verzeichnen waren, deren Familien einbezogen werden konnten.

Es werden auch Entwicklungen deutlich, die von den Praktikerinnen und Praktikern als Niederlage erlebt werden. Von Misserfolgen kann z.B. dann gesprochen werden, wenn pädagogische Bemühungen keine spürbaren Erfolge zeigen. Von solchen ‘Nicht-Entwicklungen’ ist oft dann die Rede, wenn vor allem mit älteren Jugendlichen gearbeitet wird. Besonders spürbar werden Misserfolge dann, wenn einzelne Jugendliche, mit denen jahrelang intensiv gearbeitet wurde und die Anzeichen für produktive Entwicklungen ge-zeigt haben, sich plötzlich erneut auf die rechte Szene einlassen und die Kontakte zu den Pädagoginnen und Pädagogen abbrechen. Solche Rück-Entwicklungen konnten z.T. fest-gestellt werden, wenn einzelne Jugendliche im Rahmen von Bildungs- oder Begegnungs-veranstaltungen positive Entwicklungen durchlaufen haben; nach der Veranstaltung aber wieder mit ihrem alten Freundeskreis konfrontiert waren und wieder in diesen integriert werden wollten.

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2.5 Schlussfolgerungen

In der praktischen Arbeit konzentrieren sich die pädagogischen Fachkräfte vor allem auf den Aufbau tragfähiger Beziehungen zu den jugendlichen Klienten. Demgegenüber bleibt oft unklar, mit welchen Zielen pädagogische Beziehungen aufgebaut werden und wie sie ausgestaltet werden sollen, so dass diese Beziehungen diffus bleiben. Vor diesem Hintergrund macht man sich zu wenig Gedanken darüber, wie professionelle Distanz und persönliche Akzeptanz erreicht werden sollen, wie pädagogische Beziehungen weiterent-wickelt und angemessen beendet werden können.

Es hat sich gezeigt, dass es in der Regel als vorteilhaft eingeschätzt wird, wenn die Arbeit mit Jugendlichen von gemischten Teams geleistet wird, d.h. von Frauen und Männern, von Älteren und Jüngeren, von Migranten und Einheimischen. Weniger klar ist, ob es notwendig bzw. wünschenswert ist, dass diese Arbeit ausschließlich von solchen Praktikerinnen und Praktikern geleistet wird, die den Einstellungen und Verhaltensweisen der Jugendlichen kritisch gegenüberstehen. Oder anders gefragt: Sind nicht auch Arbeits-formen oder Aufgaben denkbar, in denen sich eine solch kritische Grundhaltung als wenig hilfreich erweist? Außerdem ist genauer zu bestimmen, welche Bedeutung solche Mitarbei-ter für diese Arbeit haben können, die keine ausgebildeten Pädagogen sind, aber über spezielle Qualifikationen oder Fähigkeiten verfügen bzw. den Jugendlichen auch ganz ‘un-pädagogisch’ begegnen können.

Obwohl mit rechtsorientierten und rechtsextremen Jugendlichen schon jahrzehntelang gearbeitet wird, ist immer noch zu wenig systematisches Wissen über die professionellen Beziehungen zwischen Sozialarbeitern und (jugendlichen) Klienten verfügbar. Neben der Erkenntnis, dass im Rahmen dieser Beziehungen oftmals verschiedene Phasen durchlau-fen werden – von großer Nähe und teilweise auch Kumpelhaftigkeit bis hin zu Fremdheits-und Differenzgefühlen (Bimschas 2002: 56) – wäre es z.B. wichtig, mehr über die persön-lichen Aspekte dieser Beziehungen zu erfahren, die hier offenbar immer mitschwingen.

Hilfreich könnte es in diesem Zusammenhang beispielsweise sein, wenn Pädagoginnen und Pädagogen im Rahmen ihrer Arbeit mehr Aufmerksamkeit darauf verwenden, die von ihnen in professionelle Beziehungen eingebrachten Eigenheiten und in ihnen entwickelten Erwartungen, Erfahrungen und Enttäuschungen zu reflektieren und zu dokumentieren, um diese damit systematisch und kontrolliert zum Bestandteil der eigenen Arbeit zu machen.

Deutlich wurde, dass die Kontaktaufnahme zu rechtsgerichteten Jugendlichen und die Etablierung tragfähiger Arbeitsbündnisse für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter häufig eine besondere Herausforderung darstellt und auch scheitern kann. Als nahezu unmöglich erscheint es in der Regel, organisierte Jugendliche zu erreichen. Vor diesem Hintergrund erscheint es uns geboten, die vorliegenden Erfahrungen hinsichtlich einer frühzeitigen Kontaktaufnahme stärker zu berücksichtigen, die unter bestimmten Umständen geeignet sein können, Jugendlichen auch dann noch Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten zur Umorientierung zu bieten, wenn sie bereits Kontakte zur rechtsextremen Szene unterhal-ten.

In der Frage, mit welchen Jugendlichen (gut) gearbeitet werden kann, gibt es teilweise klare und nachvollziehbare Positionen, z.B. wenn die Arbeit mit jüngeren Jugendlichen als

erfolgversprechender beschrieben wird als die mit älteren. Hinsichtlich der Frage, ob mit Jugendlichen, die in rechtsextreme Organisationen eingebunden sind, gearbeitet werden kann, können dann überzeugende Antworten gegeben werden, wenn entsprechende Erfahrungen gemacht wurden. Vielfach scheint diese Zielgruppe aber auch einem Tabu zu unterliegen, so dass die Möglichkeiten der pädagogischen Arbeit mit ihr gar nicht ernst-haft erwogen werden. Auf den Prüfstand der Machbarkeit gehört unseres Eindrucks die Maxime, dass in der Arbeit mit rechtsorientierten Jugendlichen mit Cliquen gearbeitet wer-den sollte. Wenn dieser Anspruch praktisch umgesetzt wird, ist dies für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter häufig mit Misserfolgserlebnissen verbunden, während sie in der Einzelarbeit eher den Eindruck haben, produktive Entwicklungen anregen zu können.

Gegenwärtig werden beide Arbeitsformen allerdings häufig in Konkurrenz zueinander er-lebt, d.h. wirkungsvolle Einzelarbeit scheint die Gruppenarbeit zu gefährden und die Arbeit mit Cliquen erschwert es vielerorts Einzelne zu erreichen. Wenn beide Arbeitsformen mit-einander kombiniert werden können, gilt dies tendenziell als Ergebnis günstiger Zufälle.

Sinnvoll erscheint es vor diesem Hintergrund, über die Verbindung von Cliquen- und Einzelarbeit nachzudenken und Vorstellungen dazu zu entwickeln, wie beide Arbeitsformen mit ihren jeweils spezifischen Potenzialen integriert werden können. Die Notwendigkeit einer solchen Integration wird auch durch die Erfahrungsberichte plausibel, denen zufolge Einzelarbeit scheitert, wenn die Cliquen der Jugendlichen nicht berücksichtigt werden.

Erhebliche Unklarheiten bestehen auch hinsichtlich der Beendigung von (Jugend-) Sozialarbeit, d.h. in bestimmten Arbeitsfeldern – z.B. in der offenen Jugendarbeit – gibt es weder begründete Kriterien für den Abschluss sozialarbeiterischer Interventionen, noch haben sich in der Praxis entsprechende Verabschiedungsverfahren etabliert. Häufig endet die Arbeit aus Gründen, die mit pädagogischen Erwägungen nichts zu tun haben. Unseres Erachtens hängt diese Tendenz zu ‘endlosen’ Beziehungen zwischen Sozialarbeitern/

Sozialarbeiterinnen und Klienten u.a. damit zusammen, dass die Ziele sozialarbeiterischer Interventionen nicht immer klar sind. Hilfreich wäre es vor diesem Hintergrund, regelmäßig Rechenschaft über die Ziele der Arbeit abzulegen, Indikatoren für das Erreichen dieser Ziele zu haben und auch praktische Formen gelingender Verabschiedungen zu entwickeln.

Schließlich stellt auch die Verbindung sozialarbeiterischer Angebote zu außerpädagogi-schen Bereichen eine zentrale Herausforderung dar. Nachdem was uns aus verschiedenen Projekten berichtet wurde, haben Jugendliche ein feines Gespür für unterschiedliche Qualitäten von Anerkennung und Entwicklungsmöglichkeiten. Offenbar sind besonders produktive Entwicklungen dann besonders wahrscheinlich, wenn Jugendliche mit glaub-würdigen Autoritäten konfrontiert werden, z.B. dem Kapitän auf einem Segelschiff oder einem Bergführer der örtlichen Bergrettung. Motivationsfördernd wirkt es sich auch aus, wenn die Jugendlichen den Eindruck haben, dass es auf sie ankommt und sie sich in schwierigen Situationen wirklich bewähren können oder wenn sie nach der Vermittlung in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis eigenes Geld verdienen können. Hierfür bedarf es zunächst der Integration pädagogischer und außerpädagogischer Angebote, aber letztlich muss es der Sozialarbeit immer darum gehen, sich ‘überflüssig’ zu machen.

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3 Regeln und Grenzen in der pädagogischen