• Keine Ergebnisse gefunden

Akzeptierende Jugendarbeit als praxisrelevantes Konzept?

12 Zum Stellenwert von Konzepten

12.3 Akzeptierende Jugendarbeit als praxisrelevantes Konzept?

Zu einem Konzept gehört auch die Verankerung in theoretischen Grundlagen und umfas-senderen Ansätzen. Dies beschränkt sich in der Praxis aber häufig auf eine grundsätzliche Positionierung, diese geschieht dann oft in Bezug zur „akzeptierenden Jugendarbeit“. Mit

Konzepte 112255

diesem Ansatz fühlt sich ein Teil der Projekte verbunden und er wird von ihnen (weiter-hin) als Orientierung für die Arbeit angesehen, einzelne Projekte haben auch konkrete Praxiskonzepte aufgrund dieses Ansatzes erarbeitet. Andere Projekte setzen sich deutlich ab und erklären, dass man akzeptierende Arbeit in jedem Fall ablehne. Interessant ist un-sere Beobachtung, dass eine solche Positionierung kaum Einfluss auf die praktische Projektarbeit hat und sich Projekte der offenen und aufsuchenden Arbeit mit sehr unter-schiedlicher Position hinsichtlich der „akzeptierenden Jugendarbeit“ von den Zielgruppen, Zielen und Arbeitsweisen nicht unterscheiden lassen. Es gibt Projekte, die sich auf den ak-zeptierenden Ansatz berufen und deren Grenzsetzungen dabei wesentlich rigider sind, als Projekte, die diesen Ansatz weit von sich weisen – dies gilt sowohl in Bezug auf Fragen wie Alkoholkonsum als auch die Frage von Mitgliedschaften in Organisationen etc. betref-fend. Andererseits berufen sich auch Projekte, die sich selber als konfrontativ bezeichnen auf grundsätzlich ganz ähnliche Prinzipien, wie sie die akzeptierende Jugendarbeit be-schreibt.

Dieses Phänomen lässt sich so erklären, dass auch von vielen Praktikern der Jugendarbeit der Begriff der „akzeptierenden Jugendarbeit“ eher verkürzt und schlagwort-artig gebraucht wird, häufig ist das vorliegende Konzept der „akzeptierenden Jugendarbeit mit rechten Cliquen“ gar nicht gemeint oder bekannt. Akzeptierende Jugendarbeit steht dann synonym für „keine Regeln setzen, alles erlauben, niemanden ausgrenzen“. Nur ei-nige Projekte haben sich tatsächlich ernsthaft mit dem eigentlichen Konzept beschäftigt, das sehr wohl solche Grenzsetzungen vorsieht. Das Konzept der „Akzeptierenden Jugendarbeit mit rechten Cliquen“ wurde bereits Ende der 1980er-Jahre aus einem Studienprojekt heraus von Franz Josef Krafeld (Krafeld 1992) und einer Gruppe Studierender in Bremen entworfen und mit fortlaufender Praxis weiterentwickelt; der Prozess dieser praxisnahen Konzeptentwicklung ist gut dokumentiert. Ausgehend von ei-nigen Grundprämissen wie der Lebenswelt-, Bedürfnis- und Sozialraumorientierung wurden schließlich folgende Handlungsebenen herausgearbeitet: Bereitstellung sozialer Räume, Beziehungsarbeit, Akzeptanz der Cliquen und lebensweltliche Einmischung (vgl. u.a.

Krafeld 1996).13

Kritisiert wurde in der später einsetzenden jugendpolitischen und öffentlichen Debatte, dass akzeptierende Jugendarbeit letztlich den Rechtsextremismus unter Jugendlichen ver-harmlose und eher befördere. Durch die unzulässige Übertragung des Konzeptes auf die Situation der neuen Bundesländer würden die grundsätzlich anderen Voraussetzungen ig-noriert und der Gefahr der rechten Dominanzkultur nicht angemessen Rechnung getragen.

13Von den damals Beteiligten ist ein Verein gegründet worden, der weiterhin auf dieser Grundlage arbeitet und an diesem Konzept festhält, trotz der starken öffentlichen Diskussion um „akzeptierende Jugendarbeit“ und des in-zwischen von Krafeld neu entwickelten Konzepts der „gerechtigkeitsorientierten Jugendarbeit“. Dabei hat es in der Arbeitsweise auch immer wieder Veränderungen gegeben, z.B. arbeitet der Verein schon seit einigen Jahren nicht mehr mit eigenen Räumen und die Einzelfallarbeit nimmt einen wesentlich größeren Raum ein, so dass sich auch hier noch einmal die Frage stellt, welchen Einfluss überhaupt Konzepte - selbst wenn sie professionell er-arbeitet und dokumentiert wurden - auf die konkrete Arbeit haben?

Gefordert wird stattdessen die Unterstützung von Gegenkulturen der Jugendlichen, die Rechtsextremismus entgegentreten. Abgesehen davon, dass nach unserer Erfahrung die lo-kalen Bedingungen auch innerhalb der neuen und alten Länder sehr unterschiedlich sind, wird so ein Gegensatz zwischen „akzeptierend“ auf der einen und „politisch-kritisch“ auf der anderen Seite festgeschrieben, der aus Sicht der Praxis nicht existiert und zumindest nicht existieren sollte. Die wichtige Frage, wie es rechte Dominanz, die gerade in einigen kleinen Orten und ländlichen Räumen anzutreffen ist, gebrochen werden kann, muss sich gerade auch die Jugend(sozial)arbeit mit rechtsorientierten Jugendlichen stellen.

Zahlreiche Projekte der Jugend(sozial)arbeit betonen daher, dass sie ausgehend von den konzeptionellen Grundannahmen der „akzeptierenden Jugendarbeit“ immer noch oder erneut auf der Suche nach einem passenden grundlegenden Konzept sind, das ihren Bedürfnissen und auch den inzwischen veränderten politischen Rahmenbedingungen Rechnung trägt. Damit verbunden ist auch der Wunsch der Anerkennung für die bereits ge-leistete und auch für die aktuell erbrachte Arbeit, die nicht einfach deshalb zu diskredi-tieren sei, weil der Begriff der akzepdiskredi-tierenden Jugendarbeit öffentlich in Misskredit gera-ten ist. So wird von einigen Praxisprojekgera-ten der Wunsch nach verstärkgera-ten gemeinwesen-oder sozialraumorientierten Ansätzen genannt, die mehr Vernetzung und jugendpolitische Einbindung ermöglichen; diese wurden bislang aber kaum ausformuliert für Projekte, die auch mit rechtsorientierten Jugendlichen arbeiten. Auch geschlechtssensible Konzepte und verstärkte Jungenarbeit werden als besonderer Bedarf genannt. Als eine besondere Herausforderung wurden vielfach neue Zugangswege für die sich wandelnde rechtsextre-me Jugendszene beschrieben, deren harter Kern imrechtsextre-mer weniger offensichtlich und öffent-lich auftritt und als immer schwieriger zu erreichen gilt. Außerdem soll es nicht in erster Linie darum gehen, exklusive Angebote für rechtsextrem orientierte Jugendliche zu schaf-fen, sondern eine qualitativ abgesicherte Jugendarbeit zu leisten, die auch zielgruppen-spezifische Angebote leisten kann. In jedem Fall muss sich Jugendarbeit auch als Ort der politischen Bildung und Einmischung verstehen, wenn sie ‘rechten’ Einstellungen und Fremdenfeindlichkeit, wie sie auch in anderen Jugendkulturen und -szenen (und in der Erwachsenenwelt) zu finden sind, begegnen will.

12.4 Fazit

Es entsteht der Eindruck, dass vorliegende, schriftliche Konzepte für die praktische pädagogische Arbeit eher wenig bedeutsam sind, während es andererseits so etwas wie ein Alltagskonzept gibt, das aber in der Regel kaum fixiert und auch nicht bewusst disku-tiert oder entwickelt wird. Dies mögen auf den ersten Blick alltagstaugliche Konzepte sein, aber sie geraten immer wieder an ihre Grenzen, wenn es darum geht, im Team und als Projekt in Aushandlung mit Trägern und Öffentlichkeit nicht nur allgemeine, sondern auch operationalisierbare und überprüfbare Ziele der Arbeit zu benennen, die über die Beziehungsaufnahme zu einzelnen Jugendlichen hinausgehen. Auch die Frage der Partizipation der Jugendlichen an der Erarbeitung und Umsetzung eines Konzepts bleibt

Konzepte 112277

dadurch unberücksichtigt. Ein im Team entwickeltes, praxisnahes Konzept, das auch ein-zelne Umsetzungsschritte benennt, wäre außerdem eine wichtige Grundlage für Qualitätsentwicklung und Evaluation (vgl. Kapitel 13). Die Fähigkeit, das eigene Angebot auch theoretisch zu verankern, aufgrund von Analysen zu spezifizieren und in einen größe-ren konzeptionellen Zusammenhang zu stellen, sowie die dafür notwendigen Gestaltungs-spielräume zu schaffen, erscheint als wesentlicher Faktor für eine qualitativ gesicherte Jugendarbeit, die jedoch nur in Ansätzen vorzufinden ist, was allerdings auch häufig damit zusammenhängt, dass die Bedingungen hierfür alles andere als optimal sind.

Konzepte scheinen vor allem dann gefragt zu sein, wenn es darum geht, ein neues Projekt ins Leben zu rufen oder wenn sich krisenhafte Entwicklungen im Projektverlauf ab-zeichnen. Ansonsten mag zwar eine gewisse beruhigende Wirkung davon ausgehen, dass es auf dem Papier und in der Schublade ein Konzept gibt; gemeinsame Konzeptent-wicklung als Bestandteil professioneller Arbeit wird jedoch kaum realisiert.

Als möglicher gemeinsamer Bezugsrahmen hat sich das Konzept oder besser der Begriff der „akzeptierenden Jugendarbeit“ kaum bewährt, dafür ist dieser zu missverständlich.

Auch wenn die Grundannahmen dieses Konzepts weiter Relevanz für die soziale und pädagogische Arbeit haben werden, ist es längst zum politischen Reizbegriff geworden und sagt nichts darüber aus, wie, mit wem und warum Jugendarbeit gestaltet wird. Dieses Manko mag dazu beitragen, dass es Praktikerinnen und Praktikern bislang kaum gelingt, aktuell diskutierte theoretische Grundlagen und Konzepte – wie vor allem der Sozialraumorientierung oder auch der geschlechtsbezogenen Jugendarbeit – auch auf die eigene Situation zu übertragen und in ein kompatibles Konzept zu fassen. Dies lässt sich wohl auch dadurch erklären, dass der geforderte Theorie-Praxis-Austausch bei der Erarbeitung von konzeptionellen Grundlagen und bei der Entwicklung von Praxiskonzepten in der Praxis einzelne Ausnahmen bleiben.

13 Evaluation pädagogischer Praxis – Erfahrungen und