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Situation Gesamtstadt: Schrumpfung und Wachstum

Im Dokument 06/2018 (Seite 192-198)

6 Leipzig Lindenau – Richtungswechsel des Entwicklungspfads

6.1 Situation Gesamtstadt: Schrumpfung und Wachstum

Leipzig ist heute die (relativ) am stärksten wachsende Großstadt Deutschlands. Vor wenigen Jahren waren noch Fragen des Umgangs mit Leerstand zentral in der Außenwahrnehmung der Stadt. Der wohl bundesweit einzigartige Trittwechsel von Schrumpfung und Wachstum bedingt, dass sich die Vorzeichen der Stadtentwicklung in kurzer Zeit drastisch veränderten. Momentan stehen

Stadtverwaltung, Stadtpolitik und Stadtgesellschaft vor der Herausforderung, lange gültige

Gewissheiten und Zukunftsbilder zu überarbeiten, Instrumente an neue Parameter anzupassen bzw.

neue Instrumente einzuführen. Es zeigt sich, dass dieser Prozess keinesfalls „einfacher“ ist als der Umgang mit Schrumpfung und das Vertrauen in die Stabilität von Entwicklungsprozessen ist bei den Akteuren sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Schrumpfung und Leere

Nach der Wiedervereinigung kam es in der Stadt zunächst zu einem enormen Bevölkerungseinbruch:

1990 bis Ende 1998 verlor die Stadt rund 18 % ihrer Einwohnerinnen und Einwohner. (Stadt Leipzig 2016a) Der schlechte Erhaltungszustand der Altbausubstanz und die massive (z.T.

steuersubventionierte) Neubautätigkeit im Umland führten dazu, dass in einigen Altbauquartieren Leerstandsquoten von über 50 % auftraten. Der „Exodus“ der Stadtbevölkerung wurde, als die Entwicklung mit 69.000 leerstehenden Wohnungen ihren Zenit erreichte, teilweise mit

umfangreichen Eingemeindungen „kompensiert“.

Stand nach der Wiedervereinigung die Sanierung und Reparatur des Stadtbilds der Gründerzeit im Vordergrund, musste Stadtentwicklung angesichts der Schrumpfung radikal umdenken. In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends wurde das Leitbild der „perforierten Stadt“ entworfen. (Lütke Daldrup 2003, 55) Leipzig ging im Unterschied zu den meisten anderen schrumpfenden Städten sehr offensiv mit dem Thema um und wurde mit dieser differenzierten Strategie zum Vorreiter im Umgang mit der „Leere“: Gezielte Interventionen sollten „Kerne“ stabilisieren und in Quartieren mit hohem Potenzial Impulse setzen; in den Zwischenräumen sollten durch Rückbau, Umbau oder

Transformation neue Qualitäten entwickelt werden. Bereits damals lag ein Schwerpunkt auf der Magistralenentwicklung. Die Hauptverkehrsstraßen und die dort verorteten Stadtteilzentren litten in besonderem Maße unter dem Leerstand. Hier trafen eine hohe Lärm- und Schadstoffbelastung auf unattraktive Straßenräume und schlechte Bausubstanz. Die Stadt investierte einerseits in

Entlastungsstraßen, insbesondere die Schaffung des so genannten Tangenten-Vierecks. Andererseits wurden Straßenquerschnitte der Magistralen zugunsten des Umweltverbundes umgestaltet, später im Rahmen der Sanierung mit Hilfe von EU-Mitteln auch Wohnungsgrundrisse „gedreht“, um sie lärmrobuster zu machen. Ein weiterer Schwerpunkt war die Entwicklung und Vernetzung von Grünflächen in den dicht bebauten Altbauquartieren. Zwei der Zwischennutzungsansätze, die bundesweite Aufmerksamkeit fanden – und einen Schwerpunkt im Leipziger Westen haben – sollen im Folgenden etwas näher beschrieben werden. Kern von beiden ist die Idee, die „Ressource Raum“

anders in Wert zu setzen und damit die endogenen Potenziale der Quartiere zu stärken. Nicht der

189 Verfall bzw. die Abwesenheit von Zukunft sollten den Gang der Flächen und Gebäude bestimmen;

mit kleinen Schritten sollten Perspektiven bewahrt und aufgezeigt werden.

Gestattungsvereinbarung Freiraum

▸ Über 80 % der zahlreichen Brachflächen und Baulücken in der Stadt Leipzig befanden sich im Jahr 2000 in Privatbesitz. Vieler dieser Lücken entstanden aufgrund des Abrisses ruinöser Gebäude und waren ein sichtbares Zeichen der Perforation. Sie waren „frei“, aber nicht nutzbar und prägten die Wahrnehmung der Umgebung. Die Eigentümerinnen und

Eigentümer der Flächen waren in der Regel nicht bereit zu investieren und ein Erwerb durch die öffentliche Hand war aufgrund der Haushaltslage nicht möglich. Um diese Situation aufzubrechen, wurde 1999 das Instrument der „Gestattungsvereinbarung Freiraum“ in Kooperation von bürgerschaftlichen Initiativen und Stadtverwaltung entwickelt, das auf eine zeitlich befristete öffentliche Nutzung von brachliegenden Privatgrundstücken unter Erhalt des bestehenden Baurechtes zielt.

▸ Eine Gestattungsvereinbarung wird zwischen Stadt und Privateigentümern abgeschlossen.

Die Eigentümerinnen und Eigentümer stellen ihr Grundstück für mindestens 10 Jahre einer öffentlichen Nutzung zur Verfügung. Die anteiligen Kosten für die Planungsleistungen sowie die Umsetzung übernimmt innerhalb festgesetzter Fördergebiete die Stadt. Dazu gehören die Beräumung verwahrloster Grundstücke („Baureifmachung“), aber auch eine einfache Interimsbegrünung. Die Stadt setzt zusätzliche Anreize, in dem sie die Grundsteuer für die betroffenen Grundstücke für die Dauer der Vertragslaufzeit erlässt. Die Privateigentümer übernehmen Unterhalt und Pflege sowie die Verkehrssicherungspflicht. Damit profitieren beide Seiten von der Vereinbarung. Der Privateigentümer spart Kosten und vermeidet eine Verwahrlosung. Die Stadt wertet Wohnumfelder auf und schafft zusätzliche, öffentlich nutzbare Freiräume. Innerstädtische Standorte gewinnen gegenüber den Umlandgebieten an Attraktivität, das Investitionsklima wird verbessert.

Wächterhäuser

▸ Die Desinvestitionsprozesse waren auch im Fortschritt des Verfalls der Bausubstanz sichtbar.

Insbesondere betraf dies Wohngebäude an den Magistralen und Verkehrsknotenpunkten. Da Mieter sich aufgrund der entspannten Marktsituation Wohnlagen aussuchen konnten, hatten diese „schwierigen“ Objekte keine Chance am Markt. Die Bebauung der „vorderen Kante“ ist jedoch einerseits für das Bild der Straßen und Plätze zentral und schützt andererseits die rückwärtige Bebauung. Der Verlust einiger stadtbildprägender Gebäude alarmierte die

aktiven Initiativen und 2004 initiierte der neu gegründete Verein HausHalten e.V. das Projekt

„Wächterhäuser“. Analog zu den Freiräumen zielt das Konzept darauf, leerstehende Immobilien durch eine nichtkommerzielle Zwischennutzung vor dem Verfall zu bewahren und ihnen damit „Zeit zu verschaffen“. Die Leipziger Stadtverwaltung unterstützte die Idee von Anfang an – ideell wie finanziell.

▸ Der Verein ermittelt Eigentümerinnen und Eigentümer von leerstehenden Häusern, leistet Überzeugungsarbeit und bringt sie mit Menschen zusammen, die – wie insbesondere viele

„Kreative“ – viel Raum benötigen und nur über eingeschränkte Mittel verfügen.

▸ Die Eigentümerinnen und Eigentümer verpflichten sich, das Dach abzudichten und pro Etage für einen funktionsfähigen Strom- und Sanitäranschluss zu sorgen. Die „Hauswächter“

verhindern Vandalismus und weiteren Verfall. Sie übernehmen darüber hinaus alle

Maßnahmen, die sie für ihre Nutzung für erforderlich erachten. Der Verein stellt Werkzeuge zur Verfügung und vermittelt gegebenenfalls Kontakte zu Handwerkern und Banken. Neben

190 den Fördermitteln der Stadt finanziert sich der Verein aus monatlichen Beiträgen der

Hauswächter.

Wachstum und Verdichtung

Die Stadt hatte sich konzeptionell auf Schrumpfung mit dem „Maximalziel“ Stagnation ausgerichtet.

Ab Mitte der 2000er Jahre wurden vermehrt Wanderungsgewinne verzeichnet. Die Renaissance der Innenstadt löste Hoffnungen aus. Insofern war die Stadt nicht nur Austragungsort sondern zugleich Symbol der „Charta von Leipzig“ zur integrierten Stadtentwicklung. Nach 2010 nahm die

Wachstumsdynamik deutlich zu: 2013 erreichte die Stadt mit gut 530.000 Einwohnern wieder den Stand von 1989 – allerdings auf einem fast doppelt so großen Stadtgebiet. (Stadt Leipzig 2016b) Heute, nur drei Jahre später, leben bereits rund 570.000 Einwohner in der Stadt. (Stadt Leipzig 2016a)

In Leipzig zeigt sich die Ambivalenz von Entwicklungsdynamiken: Zu der Aufbruchsstimmung angesichts des Abbaus der Leerstände, der besseren Nutzung der vorhandenen Infrastruktur und auch der neuen Impulse für die Stadtteilzentren gesellte sich relativ rasch die Frage, wer die Verlierer des Wachstums sein werden. Die Veröffentlichung der Bevölkerungsvorausschätzung im April 2016 löste dann fast einen „Schock“ aus: Der Stadt werden bis 2030 in der mittleren Variante 720.000 Einwohnerinnen und Einwohner vorausgesagt. Auch wenn die Höhe der Vorausschätzung von einigen anzweifelt wird, wird die Entwicklungsrichtung nicht in Frage gestellt. Und es erweist sich als komplexe Aufgabe, auf den verschiedenen Ebenen mit den veränderten Vorzeichen der

Stadtentwicklung gedanklich Schritt zu halten und zeitnah neue Bilder für zukünftige Qualitäten zu entwickeln. Es gilt umzudenken von punktuellen Interventionen und aktivierender Planung für Einzelflächen zu einem flächendeckenden Steuerungsbedarf, vom Umgang mit der Leere zur

Flächenknappheit und Flächenkonkurrenz. Mit Blick auf lange Planungsvorläufe müssten schon jetzt Weichen gestellt werden, um das Wachstum zu steuern, Infrastrukturen auszubauen oder

Grünräume zu sichern. Es fehlt nicht nur Zeit; die Stadt verfügt derzeit auch nicht über die dafür erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen.

Abbildung 40: Bevölkerungsentwicklung Leipzig – verschiedene Projektionen Bevölkerungsvorausschätzung im Jahr 2007

191 Bevölkerungsvorausschätzungen anderer Institutionen und tatsächliche Entwicklung der

Einwohnerzahl bis 2014/2015

Quellen: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen: Bevölkerungsvorausschätzung 2007 für die Stadt Leipzig:

17; Bevölkerungsvorausschätzung 2016: 8

Die Interviewpartner der unterschiedlichen Verwaltungsressorts hoben vor allem folgende Herausforderungen hervor:

▸ Die Nachverdichtungspotenziale in den gründerzeitlichen Stadtquartieren sind

überwiegend in privater Hand und Baugenehmigungen fast ausschließlich nach § 34 BauGB zu erteilen. Der Einfluss der Kommune ist also gering. Zunehmend werden nun Bauanträge gestellt und die Brachflächen und Baulücken mit freifinanziertem Wohnungsbau gefüllt. Die Zeit drängt, Flächen für Infrastrukturen oder Grünräume zu sichern. Die

Gestattungsvereinbarungen laufen sukzessive aus und damit ist die Zukunft vieler Nachbarschaftsgärten ungewiss (siehe unten).

▸ Bisher war der Wohnungsmarkt ein Mietermarkt und der (bezahlbare) Wohnungsneubau kein Thema. So gab es viele Jahre lang keinen einzigen Bauantrag für mehrgeschossigen Mietwohnungsbau. Seit 2011 steigen die Neuvermietungsmieten merklich. Die Sicherung und Bereitstellung kostengünstigen Wohnraums wird eine wichtige Zukunftsaufgabe. In diesem Kontext müssen sich die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft und die kommunale Liegenschaftspolitik neu aufstellen (Konzeptvergabe, kooperative Baulandmodelle, kommunaler Wohnungsbau etc.). Ende 2015 wurde das „Wohnungspolitische Konzept“

beschlossen, das entsprechende Leitlinien und Strategieansätze enthält. Vieles ist jedoch weiterhin unklar, zum Beispiel die Umstellung der Wohnungsbauförderung des Freistaates Sachsen. Derzeit laufen Erhebungen zu Innenentwicklungspotenzialen und die Erarbeitung einer Wohnungsmarktprognose. Bislang geht man von einem Neubaubedarf von rund 4.500 Wohnungen pro Jahr aus. (Rometsch 2016)

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▸ Bereits heute treten Engpässe bei der sozialen Infrastruktur zu Tage. Es fehlen insbesondere Kindergärten, Grund- und weiterführende Schulen. Zahlreiche Erweiterungen, aber auch Neubauten sind erforderlich – für die es bislang vielfach noch keine Flächen gibt.

▸ Mit Blick auf das Einwohnerwachstum werden die Verkehrsträger absehbar ihre

Kapazitätsgrenzen erreichen. Bereits 2008 setzte sich Leipzig das Ziel, ein Viertel der Wege vom MIV auf den Umweltverbund zu verlagern (Stadt Leipzig 2015, 8), ist diesem Ziel bis heute aber kaum nähergekommen. Ein Grund dafür ist, dass das Straßennetz bisher ein weitgehend stauloses Fahren ermöglichte. Diskutiert werden neben Sharing-Konzepten oder Anreizen für umweltverträglichen Lieferverkehr nun auch restriktive Maßnahmen, wie Parkraumbewirtschaftung oder die Ausweitung der „autoarmen Innenstadt“ auf den Bereich innerhalb des Tangentenvierecks. Allerdings gibt es dagegen großen Widerstand seitens der Wirtschaftsförderung. Auch der Ausbau des Schienennetzes ist ein diskutiertes Thema. Da der Planungsvorlauf in diesem Bereich besonders groß ist, wird allerdings befürchtet, dass die Trassenfreihaltung angesichts des hohen Siedlungsdrucks besonders schwierig wird.

▸ Leipzig verfügt mit den ausgedehnten Auegebieten bzw. Auwäldern über ein grünes Band, das durch das Stadtgebiet verläuft und wichtige Funktionen für Stadtklima und Erholung erfüllt. Dieses wird durch kleinteiligere Parks und Grünanlagen ergänzt und mit den Wohnquartieren vernetzt. Allerdings weisen viele Altbauquartiere immer noch ein großes Defizit an wohnungsnahen öffentlichen Grünflächen auf. Durch die

„Gestattungsvereinbarungen Freiraum“ sind viele Grünflächen auf Wohnbauflächen entstanden, die diese Funktion übernommen haben. Über die Jahre hat sich eine üppige Vegetation entwickelt und haben sich Bewohnerinitiativen diese „grünen Trittsteine“

angeeignet (Gemeinschaftsgärten etc.). Die Verträge sind unterdessen überwiegend

ausgelaufen oder laufen in Kürze aus. Leipzig steht vor der Herausforderung, diese Freiräume und Freiraumnutzungen wieder in den öffentlichen Raum zurück zu verlagern. Auch hier müssten zügig Flächen planungsrechtlich gesichert und angekauft bzw. Eigentümerinnen und Eigentümer entschädigt werden. Dafür müssen jedoch zunächst Strategien zu Umfang, Qualitäten und Vernetzung erarbeitet werden.

▸ Diese Überlegungen stehen in engem Zusammenhang mit Klimaanpassungsstrategien.

Auch hier müssen Kriterien und konkrete Konzepte erst erarbeitet werden. Zwar gibt es

Aussagen im Landschaftsplan, im gültigen INSEK oder in stadtklimatischen Untersuchungen, eine systematische Auseinandersetzung mit dem Thema war bislang jedoch nicht notwendig.

In Zeiten allgemeiner Flächenverfügbarkeit genügten einfache Leitziele, etwa dass in Überwärmungsbereichen eher von einer weiteren Nutzungsverdichtung abgesehen werden sollte. Die derzeitige Praxis im Falle der Nachverdichtung bestehender Quartiere beschränkt sich weitgehend auf einzelfallbezogene Stellungnahmen im Rahmen der Bauanträge, bei denen nach § 34-BauGB Baurecht besteht.

Neuausrichtung der Instrumente unter Beibehaltung der tragenden Leitbilder

Das Einwohnerwachstum stellt die Stadt vor enorme Herausforderungen. Leipzig ringt darum, mit der Entwicklungsdynamik konzeptionell Schritt zu halten bzw. sich einen „Planungsvorsprung“ zu erarbeiten. So werden derzeit das Integrierte Stadtentwicklungskonzept „Leipzig 2020“ (abgekürzt SEKo, 2009), aber auch Stadtentwicklungspläne und Fachplanungen fortgeschrieben. Für das neue Integrierte Stadtentwicklungskonzept (INSEK) „Leipzig 2030“, das 2017 beschlossen werden soll, werden aktuell elf Fachkonzepte erarbeitet, die in eine integrierte Gesamtstrategie münden sollen. Selbst eben erst bearbeitete Konzepte, wie der Stadtentwicklungsplan Verkehr und Öffentlicher Raum von 2015 müssen vor dem Hintergrund der neuen Prognose neu diskutiert werden. Nach der Fortschreibung des Stadtentwicklungsplans Wohnen soll auch der FNP (letzte Beschlussfassung 2015) ab 2018 erneut angefasst werden. Nicht nur das Stadtentwicklungskonzept,

193 sondern auch die Fachplanungen werden von umfangreichen Bürgerbeteiligungsverfahren, wie auch innovativen partizipativen Instrumenten21 begleitet. Allerdings gibt es in der Verwaltung durchaus die Sorge, ob es der Stadt gelingen wird, drängende Fragen rechtzeitig zu beantworten und

planungsrechtliche Weichen zu stellen.

Das klingt auf den ersten Blick nach einer „Entwertung“ der bisherigen Planwerke, aber viele Planungsprinzipien behalten trotz des „Richtungswechsels“ ihre Gültigkeit. So gibt es in Leipzig nach wie vor ein klares Bekenntnis zum Leitbild der nutzungsgemischten, kompakten Stadt der kurzen Wege, zur Innenentwicklung, wie auch zur sozial gemischten Stadt. In diesem

Zusammenhang bleibt auch die Magistralenentwicklung ein wichtiger strategischer Baustein. Für Einfamilienhäuser stehen noch geeignete Bauflächen in integrierten Lagen am Stadtrand, etwa im Umfeld der ehemals selbständigen Dorfkerne, zur Verfügung. Angedacht ist zudem, das Umland in das Wachstum einzubeziehen und verdichtete Wachstumskerne an den Haltepunkten der S-Bahn zu entwickeln.

Im Bereich der Industrie- und Gewerbeflächenentwicklung gab und gibt es allerdings Ausnahmen vom Bekenntnis zur Innen- und Achsenentwicklung. Nach der Wiedervereinigung hatte der Zusammenbruch der Industrie zu einem Verlust von über 100.000 Arbeitsplätzen geführt. Leipzig setze vielfältige Strategien ein, um den wirtschaftlichen Strukturwandel zu bewältigen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. So wurden insbesondere im Nordraum entlang der A 14 (Standort von Flughafen und neuer Messe) großflächige Gewerbeansiedlungen vorgenommen (BMW, Porsche, Logistik). Weitere Ansiedlungen sind avisiert. Zunehmend werden nun jedoch auch innerstädtische gewerbliche Brachflächen in den Blick genommen und entwickelt. Vor allem kleinteilige

Ansiedlungen der Kreativwirtschaft haben in der Summe unterdessen eine relevante Größe erreicht.

Auch Grundsätze zu Umwelt- und Aufenthaltsqualitäten haben Bestand. Derzeit werden der Lärmaktionsplan (2013) und der Luftreinhalteplan (2009) fortgeschrieben. Auch die wesentlichen Leitlinien im Energie- und Klimaschutzprogramm 2014 – 2020 bleiben bestehen, in dem sich Leipzig, im Unterschied zu den meisten anderen Kommunen, auch quantifizierte Ziele gesetzt und sich per Stadtratsbeschluss daran gebunden hat (zum Beispiel Senkung des CO2-Ausstoßes auf 2,5 t/EW/a, Reduzierung des MIV-Anteils von fast 40 % im Jahr 2008 auf 25 % im Jahr 2025). Es finden sich dort über 100 Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Das Programm stellt damit das zentrale Steuerungselement im Energie- und Klimaschutzprozess der Stadt dar. Weiterhin werden seit 1993 Stadtklimauntersuchungen durchgeführt – zuletzt 2010. Die Ergebnisse bilden eine wichtige Grundlage für klimaökologische Bewertungen im Rahmen der Bauleitplanung, der Landschaftsplanung und der Grünordnung sowie für die Fortschreibung des Fachkonzeptes Freiraum und Umwelt. Infolge dieser Konzepte wurde die Entwicklung von Grünflächen erheblich befördert.

Im „Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum“ (2015), im

„Radverkehrsentwicklungsplan 2010 – 2020“ (2012) oder dem „Ausstattungskatalog für den öffentlichen Raum“ hat sich die Stadt ambitionierte Ziele im Hinblick auf Stadtgestalt und Aufenthaltsqualität gesetzt (Beleuchtung, Straßenbäume, Neuaufteilung von Straßenräumen zugunsten des Umweltverbundes, Vereinheitlichung des Mobiliars etc.). So ist dort unter anderem das Bekenntnis zum Prinzip der städtebaulichen Bemessung nach RASt 06 zu finden. Dadurch kann bei der Diskussion über Straßenquerschnitte Transparenz in die Abwägung zwischen Belangen und Flächenansprüchen der Verkehre und Randnutzungen gebracht werden.

21 Ideenwettbewerb zum Thema Verkehr, Bürgerbefragungen zur Zufriedenheit oder zum Stadtklima etc.

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