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Integration von informellen Fachplanungen

Im Dokument 06/2018 (Seite 101-106)

5 Die Rolle informeller Instrumente und Planung

5.3 Integration von informellen Fachplanungen

Informelle Fachplanungen stellen ein gängiges Instrumentarium dar, um Umweltqualität und Aufenthaltsqualität im Rahmen der Entwicklung umweltverträglicher (urban-gemischter)

Stadtstrukturen zu bewerten. Sie liefern strategische und praktische Fachbeiträge zum Umgang mit der Entwicklung unterschiedlicher Siedlungsstrukturen. Dabei lassen sich in der Regel

unterschiedliche Fachplanungen als Bausteine einer integrierten Stadt- und Quartiersentwicklung nutzen. Diese übergeordneten Konzepte sind nicht zwingend selektiv auf einzelne Quartiere ausgelegt oder speziell auf die Entwicklung ausgewählter urbaner Gebiete zugeschnitten. Deren Ergebnisse und Ziele lassen sich jedoch meist in entsprechender Körnigkeit auf einzelne

Planungsräume herunterbrechen. Für die Entwicklung gemischt genutzter Strukturen und Steuerung der Umwelt- und Aufenthaltsqualität können besonders folgende beispielhafte informelle

Fachplanungen relevant sein.

Tabelle 1: informelle Fachplanungen - Beispiele

Instrument Mögliche Ziele

Strategische Grünordnungs- und Freiraumentwicklungspläne

Bewertung von Grünausstattung, Defiziträumen, Aufenthaltsqualität

Entwicklung von Grünzügen, Freiräumen und deren Vernetzung

Verkehrsentwicklungspläne Entwicklung von Mobilitätskonzepten

Steuerung und Vermeidung von motorisiertem

Individualverkehr – Maßnahmen zur Förderung von ÖPNV und Fuß-Radwegesystem – Zielekanon für die Entwicklung des Modal Split

Maßnahmen zur Reduzierung der Verkehrsbelastungen sowie zur Verbesserung der Lärm- und Luftqualität

98 Klimaanpassungskonzepte Identifizierung von Gebieten mit künftig erhöhter

Betroffenheit durch den Klimawandel

Identifizierung relevanter Kaltluft- bzw. Belüftungsbahnen, Kaltluftentstehungsgebiete

Ermittlung der künftig zu erwartenden Folgen und

Einwirkungen (Starkregen, Überhitzung, Hochwasser) für unterschiedliche Gebiete

Entwicklung von Maßnahmenvorschlägen zur Sicherung einer nachhaltig hohen Umweltqualität und Sicherheit Innenentwicklungskonzepte,

beispielsweise Baulückenkataster Ermittlung und Bewertung von Baulandpotenzialen – Grundlagenermittlung für Nachverdichtung bzw. zur Bewertung möglicher Freiraum- und sonstiger Umweltfunktionen von Baulücken – Sicherung von Grünvernetzungen

Fassaden- oder Erhaltungs- und

Gestaltungskonzepte Sicherung und Entwicklung eines attraktiven Stadtbildes und hoher Gestaltungsqualitäten im öffentlichen Raum Vergnügungsstätten- oder

Spielhallenkonzept Steuerung bzw. gezielter Ausschluss von störenden Nutzungen im Stadt- bzw. Planungsgebiet

Einzelhandelskonzepte Steuerung der Qualität und Quantität künftiger

Einzelhandelsentwicklungen bezogen auf das Stadtgebiet und einzelne (verdichtete) Teilräume – Konzept zu einer verkehrsvermeidenden Einzelhandelsentwicklung

(beispielsweise durch Erhalt / Entwicklung kleinteiliger und wohnungsnaher Versorgungsstrukturen)

Aufzeigen der Versorgungsqualitäten- und Defizite

unterschiedlicher Quartiere oder Stadtteile mit Gütern des Einzelhandels (Nahversorgung),

Steuerung der Einzelhandelszentralität durch Vorschläge für zentrale Versorgungebereiche

Quelle: eigene Zusammenstellung

5.3.1 Beispiel strategische Grünplanung

Strategische Grünordnungs- oder andere Freiraumentwicklungspläne auf gesamtstädtischer und teilräumlicher Ebene sind als informelles Instrument ein probates Mittel zur Ermittlung des

Versorgungsgrades und zum Aufzeigen von „Defizitbereichen“ der Grün- und Freiflächenversorgung.

Darüber hinaus können der heutige und künftige Bedarf an Grün- und Freiflächen sowie geeignete Flächenkulissen – auch für eine temporäre Zwischennutzung – aufgezeigt werden. Zugleich bilden die Freiraumentwicklungspläne ein geeignetes Instrument, um den Anpassungsbedarf der Grün- und Freiräume an geänderte Rahmenbedingungen (Klimawandel, demografischer Wandel) zu definieren (Dams 2014).

Die nahezu wichtigste Funktion der Freiraumentwicklungspläne ist aber, dass im

Entstehungsprozess prozessual über Visionen, Leitbilder, Qualitätsziele und Rahmenbedingungen sowohl der Innenentwicklung, als auch der Freiraumentwicklung diskutiert werden kann. Im Ergebnis sollte ein kommunales Leitbild entstehen, das unter Beteiligung aller relevanten Akteure sowie auf Basis der jeweils spezifischen Rahmenbedingungen die Voraussetzungen und

Möglichkeiten zur Erhaltung und zur Förderung urbaner Grün- und Freiraumstrukturen aufzeigt.

99 Zugleich sollte es Beiträge für Konzepte und Planungen auf den nachfolgenden räumlichen Ebenen liefern (Böhm et al. 2015).

Viele Städte nutzen dieses strategische Instrument, um einen konkreten Beitrag der Grün- und Freiraumplanung zur gesamträumlichen Entwicklung zu definieren. Als besonders geeignet hat sich ein integrierter und interdisziplinärer Ansatz bereits bei der Erstellung des Konzeptes erwiesen, um den multifunktionalen Bedeutungen der Grün- und Freiflächen und den daraus resultierenden konkurrierenden Nutzungen gerecht zu werden. Neben einer öffentlichen Partizipation sind andere Fachstellen und -behörden (Stakeholder, beispielsweise aus der Wasserwirtschaft, dem Naturschutz oder der städtebaulichen Planung etc.) in die strategische Konzeption einzubinden: „Bei starker Flächenkonkurrenz und knappen Ressourcen sollten auch Freiräume anderer Fachzuständigkeiten wie Verkehr, Wasserwirtschaft, Flächen der sozialen und technischen Infrastruktur in eine

mehrdimensionale Gestaltung und Qualifizierung einbezogen werden. Anstelle des Nebeneinanders von Funktionen und der monofunktionalen Gestaltung sollte ein Miteinander der Nutzungen auf einer Fläche angestrebt werden.“ (MBWSV 2014: 30)

Mit Blick auf die angestrebte quantitative Grün- und Freiraumausstattung sowie zur Erreichbarkeit und zur gestalterischen Qualität haben einige Städte verbindliche Maßgaben bzw. Zielwerte für öffentliche Grünflächenanteile geschaffen. Andere Städte arbeiten zur Ermittlung des

Versorgungsgrades und des Bedarfs an Grünflächen mit den Richtwerten des Deutschen Städtetages, die 1973 als Empfehlung der Ständigen Konferenz der Gartenamtsleiter (GALK) formuliert wurden.

Demnach sollten pro Einwohner mindestens 20 m2 öffentliche Grünfläche zur Verfügung stehen, davon mindestens 7 m2 in einem größeren Stadtteilpark (> 10 ha) in maximal 1.000 m Entfernung und 6 m2 in kleineren Parks (> 0,5 ha) in maximal 500 m Entfernung zum Wohnort.

Dosch und Neubauer (2016) haben sich mit einer Vielzahl von Indikatoren auseinandergesetzt, die mit entsprechenden Kennwerten der Beschreibung und Bewertung städtischen Grüns dienen.

Allerdings werden sie nur in 38,5% der deutschen Großstädte angewendet. Dementsprechend verfügen auch nicht alle Städte über Orientierungswerte sowie Anforderungen an die Mindestgröße von Grün- und Freiflächen. Nicht alle Kommunen betrachten solche Quotenansätze allerdings als sinnvoll. Da es ein strukturelles Defizit in den dicht bebauten Quartieren gibt, verweist bspw.

Tübingen darauf, dass vor allem die Zugänglichkeit zu den großen städtischen Erholungsräumen gewährleistet und verbessert werden muss.

5.3.2 Beispiel Klimaanpassungskonzepte

Die Betrachtung stadtklimatischer Aspekte bzw. der Anforderungen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels erfolgt bei der planerischen Auseinandersetzung mit kompakt-urbanen und

nutzungsgemischten Quartieren nicht explizit, ist aber zumindest teilweise integraler Bestandteil der städtebaulichen bzw. freiraumplanerischen Konzeptionen und Quartiersentwicklungen.

Der Kanon bekannter stadtklimatischer Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen gegen hitzebedingte Auswirkungen auf öffentlichen Flächen kommt gerade auch in kompakten und nutzungsgemischten Quartieren zum Einsatz. Neben der Erhaltung bestehender und der Schaffung neuer Grünflächen, der Erhöhung des Grünanteils durch Entsiegelungs- und Begrünungsmaßnahmen,

Gleisbettbegrünungen von Straßenbahntrassen sowie Platz- und Straßenbegrünung werden auch immer wieder die Umwandlungen von Straßenverkehrsflächen bzw. straßenbegleitenden

Parkplätzen in Grünflächen inkl. Baumpflanzungen diskutiert. Gerade diese scheitern aber oftmals am öffentlichen Widerstand. Allerdings fehlen noch – aufgrund des hohen Aufwandes – belastbare Modellierungen, die die tatsächlichen Wirkungen von Maßnahmen darstellen können.

Das „gesunde Maß“ aus Nachverdichtung, Klimaanpassungsmaßnahmen, Identität etc. wird zukünftig wesentlicher Faktor der nachhaltigen Qualität von urbanen Quartieren sein. Die Vorsorge

100 vor weiteren Hitzebelastungen markiert damit die Grenzen der Nachverdichtung, insbesondere wenn gebäudebezogene und kleinräumige Kompensationsmaßnahmen (beispielsweise Fassaden-, Dach-, Hofbegrünung, Straßenbäume, Pocket-Parks etc.) keine ausreichende Wirkung zeigen.

Der Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen dient dabei der Ansatz der No-Regret-Maßnahmen, mit dem Anpassungserfordernisse an Maßnahmen gekoppelt werden, die auch unabhängig vom Klimawandel ökonomisch, ökologisch und sozial sinnvoll sind. Dazu zählen unter anderem die naturnähere Gestaltung von Gewässern oder auch die Begrünung bei der

Instandsetzung von Verkehrs- und Gemeinbedarfsinfrastruktur. (MBWSV 2014: 31) In

Zusammenhang mit den Entsiegelungs- und Begrünungsmaßnahmen werden auch Aspekte der wassersensiblen Stadtplanung berücksichtigt. In neuen Quartieren ist die Schaffung von

kommunalen Rückhalteräumen und Notwasserwegen ein Thema. Die Umsetzung entsprechender Maßnahmen in Bestandsquartieren wird als „Mehrgenerationen-Aufgabe“ beschrieben.

Erfolgversprechende Konzepte beinhalten je nach örtlicher Lage neben der Ertüchtigung der Entwässerungsanlagen u. a. die Mehrfachnutzung von Grünflächen als Aufenthaltsort, Klimaoase und Zwischenspeicher oder die klimaangepasste Umgestaltung von Straßen und Plätzen, die sich im Zusammenhang mit anstehenden Instandsetzungs- und Umbauvorhaben umsetzen lassen.

5.3.3 Beispiel Innenentwicklungskonzepte

Vor dem Hintergrund der Maßgaben zum Vorrang der Innenentwicklung einerseits und der hohen Nachfrage nach Wohn- und anderen Bauflächen andererseits gehen Kommunen dazu über, die im Innenbereich gelegenen und zur Bebauung geeigneten Flächen systematisch zu untersuchen. Dies erfolgt im Rahmen von Innenentwicklungskonzepten, mit denen sich Stand 2015 rund 60% aller deutschen Großstädte auseinandersetzen (Böhm et al. 2015: 67). Die Ziele einer doppelten

Innenentwicklung im Sinne einer Nutzung der innerstädtischen Flächenreserven als urbanes Grün werden hingegen nur von ca. einem Drittel der im Rahmen von Böhm et al. (2015) befragten Kommunen verfolgt.

Bezogen auf die Sicherung von Aufenthaltsqualitäten empfiehlt es sich, bei der Anwendung von Baulückenkatastern und ähnlichen Instrumenten keine rein städtebaulich-architektonische Betrachtung der Potenzialflächen durchzuführen. Vielmehr sind freiraumbezogene Kriterien einzubeziehen (Böhm et al. 2015). Besonderes Augenmerk ist dabei auf eine mögliche informelle oder auch temporäre Nutzung von Brachflächen zu legen.

Viele Kommunen fühlen sich den Zielen der Innenentwicklung verpflichtet und verfolgen – soweit dies das städtebauliche Instrumentarium zulässt – entsprechende Strategien. Zwei Gesichtspunkte sind hierfür neben allgemeinen Überlegungen ausschlaggebend: Zum einen verfügen die Städte aufgrund der vielfältigen Nutzungsansprüche an den Freiraum kaum über für die

Siedlungsentwicklung geeignete weitgehend konfliktfreie Erweiterungsflächen, die auch nur

annähernd ausreichend für die Deckung des absehbaren Bedarfs sind. Zum anderen haben die Städte die Folgen des wirtschaftlichen Strukturwandels zu bewältigen, der zur Freisetzung großer zuvor für gewerbliche oder industrielle Zwecke genutzter Flächen sowie Infrastrukturflächen (Bahn und Hafen, Kasernen) geführt hat. Eingeschränkte Flächenverfügbarkeit im Außenbereich einerseits, hoher Flächenbedarf für eine wachsende Bevölkerung und neue Wirtschaftszweige andererseits sowie Erfordernisse des Strukturwandels können in Maßnahmen zur Innenentwicklung verknüpft werden.

Zur Einbindung von Nachverdichtungsaktivitäten in eine gesamtstädtische Strategie bieten sich kommunale Dichtemodelle als Form der informellen Planung an. Diese zeigen insbesondere auf, welche Bereiche sich auch unter Gesichtspunkten der Umwelt- und Aufenthaltsqualitäten für eine weitere Verdichtung anbieten. Beispielhaft steht dafür das Modell der Freiburger Dichten, für die über ein Rechenmodell die Spanne möglicher baulicher Dichten ermittelt wurde. Die am Bestand orientierten städtebaulich vertretbaren Dichtezuwächse wurden mit stadtklimatischen sowie

101 freiraumbezogenen Daten überlagert. So wird die Nachverdichtung im Bereich stadtwärts gerichteter Luftleitbahnen gedeckelt. In Stadtbereichen mit einem Defizit an öffentlichen Freiräumen ist der Neubau neuer Wohnungen ausgeschlossen. Bereiche mit möglichen Dichtezuwächsen werden mit Empfehlungen für die Entwicklung sowohl von öffentlichen, als auch privaten Freiräumen versehen.

Im Ergebnis wird aufgezeigt, in welchen Stadtbereichen eine Verdichtung unter Berücksichtigung von Freiraumqualitäten möglich erscheint (Stadt Freiburg 2016).

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