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Fazit: Quartier im stetigen Transformationsprozess braucht dauerhafte Begleitung Begleitung

Im Dokument 06/2018 (Seite 131-135)

2 Berlin Spandauer Vorstadt – Balance zwischen Kiez und internationalem Hotspot internationalem Hotspot

2.4 Fazit: Quartier im stetigen Transformationsprozess braucht dauerhafte Begleitung Begleitung

Die Spandauer Vorstadt zeigt deutlich die Dynamik von Veränderungen in attraktiven innerstädtischen Quartieren. Erreichte Qualitäten und Kompromisse müssen immer wieder überprüft, nachjustiert und gegebenenfalls auch „geschützt“ werden. So wurden nach dem

Abschluss des Sanierungsverfahrens im Quartier allein sechs neue Hotels gebaut und eröffnet. In der 1-A-Lage um die Hackeschen Höfe steigen stetig die Mieten für Ladenflächen und drängen

ökonomisch weniger zahlungskräftige Nutzungen in die Nebenstraßen. Das Profil einzelner

Hauptachsen wird immer einseitiger (Schwerpunkt Gastronomie: Hackescher Markt/Oranienburger Straße, Schwerpunkt Handel mit Bekleidung: Rosenthaler-/Schönhauser Straße). Kaum Chancen im Wettbewerb haben Alltagsangebote für die Wohnbevölkerung (Einzelhandel, Dienstleistungen sowie soziokulturelle Nutzungen).

Soziale Vielfalt: Das Ziel, die alteingesessene Bevölkerung im Gebiet zu halten, war unter den gegebenen Umständen zumeist nur in Wohnungen mit Mietpreis- und

Belegungsbindungen (Sanierungsförderung bis 2002) umsetzbar. Eine große Rolle spielt heute der Wohnungsbestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Die letzten Belegungsbindungen im privaten Bestand laufen derzeit aus.

Nutzungsmischung: In Quartieren, die wie die Spandauer Vorstadt unter einem extrem hohen ökonomischen „Verwertungsdruck“ stehen, befindet sich die Nutzungsmischung in einem steten Veränderungsprozess. In Abhängigkeit von Marktmechanismen setzen sich die

128 renditestärkeren Nutzungen durch. Der Einfluss der öffentlichen Hand auf die Art der

gewerblichen Nutzung ist gering, wenn die Immobilien sich nicht in städtischer Hand befinden. Über einfache Bebauungspläne können allerdings einzelne Nutzungen

ausgeschlossen oder – wenn die Festsetzung rechtzeitig erfolgt – auch störende Ballungen von Gastronomie begrenzt werden.

▸ Kommunikative und kooperative Ansätze fruchten dagegen nur in seltenen Fällen, auch weil die Zusammensetzung der Akteure sich stetig verändert. Im Unterschied zu vielen anderen kompakten nutzungsgemischten Quartieren liegt in der Spandauer Vorstadt aufgrund der besonderen Lage und Funktion die Situation vor, dass die große Nachfrage von Freiberuflern etc. nach Büroflächen sowie die Attraktivität der Vermietung von Ferienwohnungen die Wohnnutzung zu verdrängen drohen. Über einfache Bebauungspläne lässt sich der Anteil der Wohnnutzung steuern; auch Zweckentfremdungsverbote sind ein wirksames Mittel, die Wohnnutzung zu sichern.

Auswirkungen verschiedener Faktoren auf die Umwelt- und Aufenthaltsqualitäten

Dichte: Die Bebauung der Baulücken und Brachen in der Spandauer Vorstadt ging mit zahlreichen Maßnahmen zur Verbesserung der Wohn- und Aufenthaltsqualität einher und trug zur Wiederherstellung des historischen Stadtbilds bei. Wegen dieser urbanen

Stadtqualität (in Verbindung mit der spezifischen Nutzungsmischung) wird die hohe Verdichtung generell im Gebiet akzeptiert, auch wenn sie mit quantitativen Defiziten in der Grün- und Freiflächenausstattung sowie einer tendenziellen „Überlastung“ der vorhandenen Grünflächen verbunden ist. Auch die soziale Infrastruktur weist Defizite auf. Ein im

Straßenbild sichtbarer und auch von den Bewohnerinnen und Bewohnern negativ wahrgenommener Belastungsfaktor der hohen Dichte stellt der ruhende Verkehr bzw. der Parkplatzmangel dar. Die bauliche Dichte (Versieglung) in Verbindung mit einer geringen Durchlüftung führt zudem zu einer erhöhten thermischen Belastung.

Quartiersbezogene Nutzungsmischung: Die quartiersbezogene Nutzungsmischung löst in der Spandauer Vorstadt kaum Konflikte aus. Die Bewohnerinnen und Bewohner schätzen die hohe Erlebnis- und Angebotsdichte.

Erweiterter Einzugsbereich: Die Konfliktlinien im Quartier resultieren vor allem aus der Funktion des Quartiers als Ausgehmeile, Einzelhandelsstandort und touristischer Hotspot.

Die Folge sind deutliche Lärmbelastungen sowie Nutzungskonkurrenzen im öffentlichen Raum – zumal die Straßenquerschnitte hier überwiegend sehr schmal sind. Die größten Probleme gehen in den Abendstunden von der Gastronomie (Freisitze, „Kneipenbummler“) sowie ganztägig vom fließenden und ruhenden Verkehr aus. Zudem können sich

Alltagsangebote für die Wohnbevölkerung (Handel, Dienstleistungen) in der Konkurrenz mit den anderen Angeboten kaum behaupten.

Externe Faktoren: Vor allem entlang der Hauptverkehrsstraßen ballen sich Lärm- und Schadstoffbelastungen aufgrund von Durchgangsverkehren.

Interventionsfelder/ Instrumente

Grün- und Freiflächen: Das Ziel der Verbesserung der Grünflächenausstattung stand in Konkurrenz mit der baulichen Rekonstruktion des Gebiets. Die meisten heute im Gebiet vorhandenen Grün-, Sport- und Spielflächen waren nicht Teil der historischen Bebauung, sondern wurden im Zuge des Sanierungsverfahrens auf der Grundlage von Blockkonzepten umgesetzt. Im Umgang mit den Ausstattungsdefiziten halfen Richtwerte nicht weiter.

Vielmehr wurden Ansprüche der Grün- und Freiflächenausstattung mit Ansprüchen der städtebaulichen Gestalt individuell verhandelt. Dahinter lag hier die Idee der

129 wohnungsnahen grünen Trittsteine in Verbindung mit der Beruhigung und Begrünung von (halböffentlichen) Höfen. Die Situation wird von den Bewohnenden akzeptiert, da das Quartier viele andere Vorzüge bietet.

Nutzungskonkurrenzen im öffentlichen Raum: Der Nutzungsdruck auf den zu schmalen Gehwegen lässt sich in dem Quartier nur mit integrierten Ansätzen lösen: Ordnungsrechtliche Maßnahmen bezüglich der Sondernutzungen, Gehwegvorstreckungen in Verbindung mit restriktiven Konzepten für den MIV etc.

Verkehr: Mit lokalen und gesamtstädtischen Verkehrskonzepten in Verbindung mit

ordnungsrechtlichen Maßnahmen lassen sich die wesentlichen verkehrlichen Probleme nur eindämmen. Weniger die zur Verfügung stehenden Instrumente als die politische

Willensbildung ist hier Hemmnis für durchgreifende Lösungen.

Gastronomie: Insgesamt ist der Einfluss der Planung auf die Entwicklung überörtlich

bedeutsamer Gastronomiestandorte gering. Zudem sind sie für viele Zielgruppen ein wichtiger Teil des urbanen Lebens und prägen die Attraktivität von Städten. Dennoch gibt es eine Reihe von Maßnahmen, mit denen die negativen Auswirkungen auf die Umwelt- und

Aufenthaltsqualität in den Quartieren gemildert werden können. In der Spandauer Vorstadt waren dies zum Beispiel der Schutz der Innenhöfe vor Lärmemissionen der Gastronomie, die im Rahmen sanierungsrechtlicher Genehmigungen durchgesetzt werden konnten. Zudem spielten und spielen das Ordnungs- und Straßenrecht eine wichtige Rolle. Ein Ausschluss von Neugenehmigungen unerwünschter Nutzungen (Vergnügungsstätten etc.) konnte über einfache Bebauungspläne erreicht werden (Festlegung von allgemeinen oder besonderen Wohngebieten in den „hinteren“ Bereichen).

Sanierungsrecht: Die Entwicklung der Spandauer Vorstadt zeigt eindrücklich die Möglichkeiten des Sanierungsrechts bzw. besonderen Städtebaurechts. Über die sanierungsrechtlichen Genehmigungen, auch in Verbindung mit den vielfältigen Fördermöglichkeiten (Städtebauförderung, hier auch Stadtumbau Ost, städtebaulicher Denkmalschutz etc.), hatte die öffentliche Hand sehr große Einflussmöglichkeiten. Auf der Grundlage von Sanierungszielen oder Blockkonzepten konnten auch private Vorhaben gesteuert bzw. an Auflagen gebunden werden. Nur so konnten beispielsweise die Höfe vom ruhenden Verkehr befreit und dort Aufenthaltsqualitäten geschaffen werden. Die

Fördermittel, die in der Regel an die Festsetzung als förmliches Sanierungsgebiet gebunden sind, ermöglichten es zudem, anspruchsvolle Grünkonzepte umzusetzen, den öffentlichen Raum aufzuwerten oder Infrastrukturen zu ertüchtigen. So ging die Verdichtung mit einer deutlichen Aufwertung der Umwelt- und Aufenthaltsqualitäten im Quartier einher. Die Genehmigungsvorbehalte und Förderkulissen sind allerding nach Abschluss des Sanierungsverfahrens entfallen.

Ergänzende Einschätzungen aus Sicht der Interviewpartner

§ 34 BauGB: Auch nach Abschluss des Sanierungsverfahrens erfolgte die Verdichtung im Wesentlichen nach Maßgabe des § 34 BauGB – allerdings ohne die begleitenden

Möglichkeiten des Sanierungsrechts. Wie vielerorts wünscht sich auch hier die

Stadtplanungs- bzw. Stadtentwicklungsbehörde mehr Steuerungsmöglichkeiten im Hinblick auf bauliche und städtebauliche Qualitäten.

Gebietskategorie Urbanes Gebiet: Zwar wird es für sinnvoll gehalten, dass die BauNVO den Gegebenheiten (Dichte, Nutzungsmischung) stärker angepasst wird, gleichzeitig sollten aber Änderungen der BauNVO nicht in dem Sinne erfolgen, dass den Flächeneigentümern damit einseitig erweiterte Spielräume zufallen. Vielmehr gehe es darum, den Behörden wieder mehr Einflussmöglichkeiten einzuräumen, um quartiersbezogene Zielstellungen oder notwendige Ansprüche an Wohnqualitäten umzusetzen. Bereits heute halten die Interviewpartner der

130 Fallstudie einiges von dem, was in den vergangenen Jahren gebaut wurde, für baulich zu dicht.

Verallgemeinerte Regelungen, die keine oder nicht hinlängliche Entscheidungsspielräume für Genehmigungen enthalten, werden oft der Situation von sehr unterschiedlich

zugeschnittenen Grundstücken und baulichen Situationen (zum Beispiel Eckgrundstück vs.

Mittelgrundstück) nicht gerecht. Deshalb wird die generelle Heraufsetzung von Dichtewerten, die generelle Herabsetzung von Abstandsflächen, aber auch Konzepte wie der

Biotopflächenfaktor skeptisch gesehen. Viele derjenigen, die in der Vergangenheit mitgewirkt haben, Blöcke zu entkernen, um Licht und Grün in die Höfe zu bringen, halten das nun wieder akzeptierte Bauen in zweiter oder dritter Reihe für fragwürdig.

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3 Esslingen: Östliche Altstadt / östliche Innenstadt

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