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5 Diskussion der Synthesen

5.4 Silylierung mit Diphenyldichlorsilan

Ein Ziel der vorliegenden Arbeit ist die homogene Anbindung von organischen Gastmolekü-len im Poreninneren der mesoporösen Wirtmaterialien. Dabei soll besonders eine gleich-mäßige, monomolekulare Verteilung von geringen Mengen der organischen Gäste im anorga-nischen Gerüst gewährleistet werden.

Unter der Arbeitshypothese, daß eine Funktionalisierung der äußeren Oberfläche mit ei-nem precursor die selektive Bindung der Farbstoffmoleküle im Poreninneren zur Folge hätte, wurde schon in einer vorangehenden Arbeit des Autors eine Methode zur Oberflächenpassi-vierung standardisiert.59 Es wurde angenommen, daß bevorzugt an den Porenmündern ange-bundene organische Moleküle die Kanäle verstopfen können und hohe lokale Konzentratio-nen und ein unerwünschtes Aggregieren des Farbstoffes die Folgen sein könnten.

Eine Möglichkeit zur Passivierung der äußeren Oberfläche ist die Silylierung von as-synthesized Si-MCM-41. Nach der abschließender Entfernung des Templates durch Extrakti-on mit ethanolischer, verdünnter Salzsäurelösung steht auch die innere Oberfläche für die Modifikation zur Verfügung. M. PARK teilte mit, daß die Vorgehensweise keine Struktur-schädigung zur Folge hat.78 Ebenfalls wurde die Reaktion mit Alkoxysilan im dynamischen Vakuum beschrieben.79 D. SHEPHARD et al. berichten die ortsspezifische Derivatisierung von

78 M. Park, S. Komarneni, Microporous and Mesoporous Materials 1998,25, 75.

79 J. Kim, M. Okajima, M. Niwa, Stud. Surf. Sci. Catal. 1997,105, 1965.

Abbildung 5.18 Passivierung der äußeren Oberflächen von Si-MCM-41 mit Diphenyldi-chlorsilan (DPDCS).

+ Si

Cl Cl

+ THF

äußere Oberfläche des SiO2

- HCl OH

OH OH

O O

Si OH

Si-MCM-41 in Lösung.80 Ebenso wie dort wurde auch hier Diphenyldichlorsilan (DPDCS) als sterisch anspruchsvolle Silylierungsreagenz eingesetzt. Standardmäßig wird folgendermaßen vorgegangen: die Glasapparaturen werden ausgeheizt und das Molekularsieb wird vakuumge-trocknet. Die Reaktion wird nach Zugabe von DPDCS unter Inertgas in trockenem Tetrahy-drofuran THF unter Rühren durchgeführt (Abb. 5.18). Das Si-MCM-41-Material wird aus der Suspension abgefiltert, wonach mit THF und Dichlormethan gewaschen wird.

Pulverröntgendiffraktometrie. Mittels Röntgendiffrakrometrie läßt sich untersuchen, ob die Modifikationsschritte Strukturschädigung zur Folge haben, und Veränderungen der Textur können erkannt werden. Nach Betrachtung der Diffraktogramme (Abb. 5.19) zweier ausge-wählter Proben mit 150 µL und 200 µL angebotenem DPDCS/g Ausgangsmaterial kann aus-geschlossen werden, daß die Qualität des Si-MCM-41 durch die Prozedur maßgeblich verrin-gert wird. Gestalt und Lage des 100-, 110-, 200- und 200-Reflexes entsprechen bis auf eine geringe Verbreiterung denen des Ausgangsmaterials (Tab. 5.3). Das Material ist unverändert hoch geordnet; der 210-Reflex ist erkennbar. Nach der Modifizierung ist eine Abnahme der konstruktiven Interferenz (Reflektivität) festzustellen. Probe 1 zeigt eine ungewöhnliche

Ver-80 D. Shephard, W. Zhou, T. Maschmeyer, J. Matters, C. Roper, S. Parsons, B. Johnson, M. Duer, Angew.

Chem.1998,110, 2847.

Abbildung 5.19 Röntgendiffraktogramme von diphenylfunktionalisiertem Si-MCM-41.

(a) Referenz, (b) modifiziertes Silicat. Probe 1 wurde mit 200 µL und Probe 2 mit 150 µL DPDCS/g silyliert.

2 3 4 5 6 7

Probe 2

110 200 210 100

b a

Intensität / a.u.

Einstrahlwinkel 2T / °

2 3 4 5 6 7

Probe 1

210 200

110 100

b a

Intensität / a.u.

Einstrahlwinkel 2T / °

änderung des Röntgendiffraktogramms. Die Basis des 100-Reflexes des Ausgangsmaterials besitzt eine Schulter zu größeren Winkeln 2T (siehe Abschnitt 5.3). Diese konkurrierende Ordnung wird durch den Modifizierungsschritt anscheinend unterdrückt, denn der 100-Reflex der Probe 1 ist geglättet. Das Phänomen wurde von mir häufiger beobachtet, scheint auch bei anderer Modifizierung nicht ungewöhnlich zu sein, wird aber nicht von anderen Autoren er-wähnt. Vermutlich werden Makroporen, die für die Silylierungsreagenz zugänglich sind, durch diese gefüllt.

Die Intensitäten in Relation zur 100-Spitze sind um über 20 % höher geworden, wohinge-gen die Verhältnisse von 110- und 200-Spitze zueinander nur geringe Änderunwohinge-gen erfahren.

Tabelle 5.3 dokumentiert dies. Bei Modifizierung des Poreninneren tritt aber stets eine relati-ve Intensitätsänderung zugunsten der 200-Spitze ein,81 was zeigt, daß eine Belegung des Po-reninneren nicht stattgefunden hat.

81 Diese Beobachtung konnte für alle Silylierungen des Poreninneren mit ausreichend angebotener Reagenz gemacht werden.

Tabelle 5.3 XRD-Daten zweier ausgewählter DPDCS-silylierter Proben und der jeweiligen Ausgangsmaterialien (Abb. 5.19). Den Einstrahlwinkeln sind die relativen Intensitäten zum 100-Reflex zugeordnet.

hkl 2T [°] rel. Int. 2T [°] rel. Int. 2T [°] rel. Int. 2T [°] rel. Int.

100 2,31 – 2,30 – 2,31 – 2,30 –

110 3,97 14,0 % 3,97 17,0 % 3,98 13,4 % 3,98 16,9 % 200 4,59 9,4 % 4,57 11,5 % 4,59 8,6 % 4,57 11,5 % 210 6,09 3,3 % 6,07 4,8 % 6,09 3,1 % 6,07 4,3 %

Referenz 1 Probe 1 Referenz 2 Probe 2

dhkl: Netzebenenabstand; 2T: Einstrahlwinkel.

Tabelle 5.4 Texturparameter aus der Adsorptionsisothermen von Probe 2 (150 µL DPDCS/g Si-MCM-41) und dem Ausgangsmaterial. Die Gesamtoberflächen SBET wurden mit der BET-Gleichung, die anderen Texturparameter mittels t-plot-Auftragung (HARKIN-JURA) bestimmt.

SBET [m2/g] Sme [m2/g] Sext [m2/g] Vme [cm3/g] CBET Dme [Å]

Referenz 2 1071 954 118 0,800 72 33,5

Probe 2 1067 944 123 0,774 65 32,8

Dme: Mesoporendurchmesser; CBET: BET-Parameter.

Stickstoffsorptionsmessung. Zu weiteren Aussagen über eine exklusive Passivierung der äußeren Oberfläche des Si-MCM-41 führen die Messungen von Stickstoffsorptionsisother-men. Probe 2 wird hier exemplarisch beschrieben (Abb. 5.20, Tab. 5.4). Wie auch beim Aus-gangsmaterial ist die erhaltene Adsorptionsisotherme nach BRUNAUER als Typ IV klassifi-zierbar. Eine breitere Porengrößenverteilung und eine starke Absenkung des zweiten Plateaus, was eine Funktionalisierung des Poreninneren anzeigt, ist nicht festzustellen. Der Vergleich der aus Referenz- und Probenisotherme ermittelten Strukturdaten unterstützt die Annahme, daß allenfalls kleine Bereiche der Poren durch die Arylfunktion des DPDCS belegt sind. So verringern sich Mesoporenvolumen und Porendurchmesser wenig. Wenn sich bei DPDCS-modifizierten Materialien eine leichte Abnahme der Gesamtoberfläche errechnet, resultiert dies wahrscheinlich aus der teilweisen Belegung der Porenhälse. Hingegen hat die Rauhigkeit der äußeren Oberfläche um 5 m2/g zugenommen.

Es muß erwähnt werden, daß die beschriebenen Unterschiede sich knapp in den Grenzen der Genauigkeit der Methode (< 5 m2/g) bewegen. Allerdings folgte jede der durchgeführten Sorptionsmessungen an oberflächenderivatisierten Si-MCM-41 der vorgestellten Tendenz.

Ebenfalls geht mit der DPDCS-Silylierung immer eine Veränderung des BET-Parameters CBET. Dieser Umstand und die Erhöhung der Oberflächenrauhigkeit deuten auf eine tatsächliche regioselektive Modifizierung der Partikeloberfläche und der über Kaver-nen und Makroporen frei zugänglichen Bereiche.

Abbildung 5.20

Stickstoffadsorptionsisothermen von Si-MCM-41. Auftragung von Aus-gangsmaterial (Ɣ) und DPDCS-deri-vatisiertem Silikat (ż).

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8

100 200 300 400 500

Volumen des adsorbierten N 2 / cm3 g-1

p/p0

Referenz 2 Probe 2

DRIFT-Spektroskopie. Falls eine erfolgreiche organische Modifizierung des Si-MCM-41 stattgefunden hat, sind im IR-Spektrum die charakteristischen Banden organischer Derivate zu detektieren. Zunächst soll ein für die Silylierung mit Diphenyldichlorsilan bei Raumtempe-ratur typisches Spektrum erläutert werden. Abbildung 5.21b zeigt Si-MCM-41, welchem 200 µL Silylierungsreagenz pro Gramm angeboten wurden. Die Reaktion wurde nach 45 Minuten abgebrochen. Die Probenkammer wurde evakuiert (10-3 bar) und somit eine Trocknung erreicht. Die Probe diente später als Ausgangsmaterial für die ionische Anbindung von Farbstoffen (Abschnitt 5.6.2).

Im Vergleich mit Spektrum a, dem Ausgangsmaterial, sind einige Veränderungen festzu-stellen. Im Bereich kurz unter 3000 cm-1 sind die Banden von CH-Valenzschwingungen aus-zumachen. In diesem Falle finden wir die Maxima bei 2986, 2940 und 2907 cm-1, wobei bei anderen mit DPDCS behandelten Materialien auch eine geringfügig veränderte Bandenlage beobachtet werden konnte. In Transmissionsspektren in Lösung werden aromatische CH-Valenzschwingungen bei 3000 bis 3050 cm-1 erwartet. Zum einen sind beim Übergang von Transmisssions- zu Festkörper-Reflexionsmethoden generell stark unterschiedliche Posi-tionen der Schwingungsbanden möglich, zum anderen verändert man durch die Anbindung

Abbildung 5.21

DRIFT-Spektren von Si-MCM-41, silyliert mit DPDCS. a) Ausgangs-material und b) mit 200 µL/g für 45 min in THF modifiziertes Mate-rial. Die Messung erfolgt bei 10-3 bar.

4000 3500 3000 2500

2907 2940

3543 3537

2986 3745

b a

F(R)

Wellenzahl / cm-1

3100 3000 2900 2800

am anorganischen Wirtmaterial stets auch die chemische Umgebung des organischen Restes, wobei auch Aggregation begünstigt werden kann, die eventuell zur Verschiebung der Banden beiträgt.

Da die funktionellen Gruppen des Si-MCM-41 Silanolgruppen sind, muß mit einer An-bindung an sie stets auch eine Veränderung der zugeordneten Schwingungen einhergehen.

Die äußere Oberfläche macht etwa 10 % der Geasamtoberfläche aus, daher sind nur geringe Änderungen zu erwarten. Im Bereiche der „polymeren“ Banden verbrückter OH-Gruppen tritt eine Verschiebung der Gestalt und Lage auf (~ 3540 cm-1). Bei der Reaktion mit DPDCS bei Raumtemperatur tritt stets eine Abnahme der Reflektivität der scharfen Spitze der OH-Valenzschwingung freier Silanolgruppen bei 3745 cm-1 ein. Silylierungsreagenzien nut-zen diese reaktiven OH-Gruppen bevorzugt zur Anbindung. Im Falle von DPDCS führt dies zu geringerer Reflektivität, aber nicht zum vollständigen Verschwinden der Bande bei 3745 cm-1, wie beim einschließlichen Funktionalisieren des Poreninneren vielfach beobachtet wurde (Abschnitt 5.5). Die Ergebnisse können also als deutlicher Hinweis auf die Funktiona-lisierung der äußeren Obefläche gedeutet werden. Das Bandenmuster der SiO-Schwingungen im fingerprint-Bereich (nicht abgebildet) mit Maxima bei 1860, 1615, 1340, 1210 und 1035 cm-1 bleibt unverändert.

Eine quantitative Betrachtung der CH- und OH-Schwingungsbanden scheint nicht sinn-voll, da die Reflektivität von der Präparation des Preßlings beeinflußt ist (Höhe, Verdichtung und Oberfläche). Wie aussagekräftig eine Normierung auf die SiO-Banden ist, bleibt fraglich.

Die Intensität ihrer konstruktiven Interferenz liegt weit über dem Geltungsbereich der für die quantitative Auswertung notwendigen KUBELKA-MUNK-Funktion.

Faßt man die vorgestellten Ergebnisse der drei analytischen Methoden zusammen, so ist der Beweis für eine regioselektive Funktionalisierung erbracht. Dieser Befund ist recht bemer-kenswert, denn sterische Hinderung kann nicht der alleinige Grund sein. Die Porenweiten der Ausgangsmaterialien wurden aus den Stickstoffsorptionsisothermen mit ca. 32 Å errechnet.

Der Diffusionsquerschnitt des Moleküls Diphenyldichlorsilan mit seinen zwei Arylfunktionen sollte dieses Maß unterschreiten. Um eine ausreichend genaue Abschätzung der Dimensionen des Gastmoleküls zu erhalten, wurde eine energiearme Konformation im Vakuum mittels des molecular modelling-Programms HYPERCHEM™ errechnet (Abb. 5.22).82 Mit einer Längs-ausdehnung von 12,8 Å und einer Breite von 8,0 Å ist eine Belegung der Poren möglich.83

82 Version HYPERCHEM™ 7.0; steepest descent, Monte-Carlo-Methode, 100 Zyklen.

83 Für die Abschätzung der Größe wurden als VAN-DER-WAALS-Radien 1,2 Å für H und 1,8 Å für Cl ange-nommen.

Es stellt sich also die Frage, warum unter den genannten Reaktionsbedingungen die innere Oberfläche des Silikatmaterials von DPDCS nicht angegriffen wird, aber andere Organosilane anbinden können (Abschnitt 5.5). Eine Erklärungsmöglichkeit wäre die mögliche Aggregati-on mehrer Silanmolekel zu größeren clustern und die damit verbundene Erhöhung des Diffu-sionsquerschnittes.

Ein Modell, welches konform geht mit allen Beobachtungen, soll hier vorgestellt werden.

Dichlorsilane gelten als sehr reaktive Reagenzien. Daher werden bei Raumtemperatur bevor-zugt leicht zugängliche, reaktive Silanolgruppen umgesetzt. Dies führt zum einen zur Anbin-dung an die OH-Gruppen der zugänglichen Außenseite der Porenwände aber sicher auch zur Umsetzung von Silanolgruppen an den Porenmündern. So kann sich ein „Vorhang“, der die Porenöffnung teilweise auch verdeckt, bilden. Wäre Diphenyldichlorsilan über eine SN2-Reaktion am Porenmund kovalent gebunden, so könnte dieser „Vorhang“ die Porenöff-nung mehr als 7 Å weit verdecken. Die beiden Arylfunktionen sind frei drehbar, so daß auch größere Molekel, wie Silylierungsreagenzien und Farbstoffmoleküle, in die Kanäle diffundie-ren können. Wenn sich jedoch ein frei in Lösung befindliches DPDCS-Molekül in seiner energieärmsten, weitestgehend planaren Konformation nähert, dann kommt es bevorzugt zu einer Aggregation, einer Stapelung der jeweils zwei aromatischen Zentren, die z. B. charge transfer-Wechselwirkungen eingehen. So könnte eine selektive Diffusionshinderung für DPDCS durch einen „Vorhang“ mit maximalen Wechselwirkungspotential erklärt werden.

Die Ergebnisse zur selektiven Funktionalisierung von Si-MCM-41 konnten von Wissen-schaftlern des Heyrovský-Institutes in Prag bestätigt werden.84 Die Methode konnte allerdings nicht auf SBA-15 mit seinen größeren Porenöffnungen übertragen werden: der „Vorhang“ ist zu kurz.

84 Persönliche Mitteilung von J. RATHOUSKÝ.

Abbildung 5.22

Stäbchenmodell von DPDCS mit Atomorbitalen in der wahrschein-lichsten Konformation im Vakuum.82

Da der Diffusionsquerschnitt des DPDCS kleiner ist als der Porendurchmesser des Aus-gangsmaterial läßt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, daß Agglomerate der Silylie-rungsreagenz die Porenöffnungen verstopfen oder in eventuell vorhandenen Makroporen gehalten werden. DRIFT-Messungen solcher Materialien könnten zu ähnlichen Spektren füh-ren, wie von hauptsächlich oberflächenmodifiziertem Material zu erwarten wäre. Zur Verifi-zierung der OberflächenmodifiVerifi-zierung unter den gewählten Reaktionsbedingungen wurden einem Gramm Si-MCM-41 ein große Menge von 800 µL (2,57 mmol) DPDCS angeboten und die Silylierung unter schonenden Bedingungen durchgeführt. Um nicht angebundenes Silan zu entfernen, wurde zum einen mit viel THF gewaschen und zum anderen eine mehrtägige SOXHLET-Extraktion mit Ethanol durchgeführt.

Ohne weitere Trocknung wurde das Material reflexionsspektrometrisch bei Normaldruck vermessen. Deutlich kann man in Abbildung 5.23 erkennen, daß – im Gegensatz zur Aus-gangssubstanz – bei der noch feuchten, silylierten Probe kaum noch freie Silanolgruppen (3745 cm-1) vorhanden sind. Die breite Bande bei 3340 cm-1 ist zu niedrigeren Wellenzahlen verschoben und die Schulter bei 3230 cm-1 hält ihre Position (a). Dies deutet auf ein vermehr-tes Vorhandensein verbrückter Silanolgruppen und absorbiertem Wassers hin. Sehr deutlich Abbildung 5.23 DRIFT-Spektren von Si-MCM-41, silyliert mit 800 µL DPDCS/g unter

milden Bedingungen. Das mit breiter Linie hervorgehobene Spektrum zeigt das Ausgangsmaterial ohne Trocknung unter Normaldruck. (a) Mo-difiziertes Material ohne Trocknung, (b) Trocknung bei 10-3 bar, (c) bei 6˜ 10-5 bar und (d) bei 10-5 bar.

4000 3500 3000 2500

b c d a

3460

3543

~ 3230 3745

2980

2903

3340 2934

Wellenzahl / cm-1 F(R)

sind auch die CH-Schwingungen der organischen Silylierungsreagenz unterhalb 3000 cm-1 zu erkennen (a; 2980, 2934 und 2903 cm-1). An die evakuierbare Probenkammer des DRIFT-Spektrometers wurde Ölpumpenvakuum angelegt (b). Eine weitere Druckminderung und da-mit Trocknung des Pulvers wurde durch Zuschalten einer Turbopumpe erreicht (c, d). Man beobachtet die beinahe vollständige Entfernung sowohl von adsorbiertem Wasser/Ethanol als auch von nicht umgesetztem DPDCS bei einem Druck von 10-5 bar (d). Verbrückte Silanol-gruppen werden von der Wechselwirkung mit anderen OH-Gruppen befreit und sind wieder detektierbar. Die CH-Banden werden wenig in Richtung höherer Wellenzahlen verschoben.

Bei ausschließlicher Adsorption wäre im Turbopumpenvakuum die Silylierungsreagenz fast vollständig entfernt worden und die Dichte der freien Silanolgruppen hätte zumindest Aus-gangsniveau erreicht.

Bei Diskussionen über die exklusive Funktionalisierung der äußeren Oberfläche mesoporösen Materials wurden immer wieder Einwände laut, daß keine Silylierung stattgefunden hätte, sondern einzig verunreinigte Kammerfenster sowie adsorbiertes Lösemittel Ursache für CH-Schwingungen wäre. Auswirkungen von verschmutzten Kammerfenstern können von vornherein ausgeschlossen werden, da die Ergebnisse unter Normaldruck auch ohne abgeschlossene, evakuierbare Kammer erzielt werden.

Abbildung 5.24 zeigt DRIFT-Spektren von Si-MCM-41, wobei die Probe mit einem Tropfen Abbildung 5.25 DRIFT-Spektren von Si-MCM-41 mit physisorbiertem THF. Messungen (a) nach THF-Zugabe, (b) Trocknung bei 10-3 bar, (c) bei 4 ˜ 10-5 bar und (d) bei 10-5 bar.

4000 3500 3000 2500

d c b a

3270 2982

2885

3545 3745

F(R)

Wellenzahl / cm-1

THF versetzt wurde (a). Das Lösemittel wurde mittels einer Ölpumpe und einer Turbopumpe entfernt (b – d). Als Referenz ist das Spektrum des Ausgangsmaterial aufgetragen. Im Vakuum der hier verwendeten Turbopumpe (> 10-8 bar) läßt sich das Lösemittel komplett entfernen. Die CH-Valenzschwingungen des THF zeigen zudem andere Bandenlagen und Gestalt als die der Silylierungsreagenz. Die Hauptbanden liegen bei 2982 und 2885 cm-1, respektive einer Schulter bei ~ 2950 cm-1 (a). Die charakteristische Schwingungsbande freier Silanolgruppen ist nicht mehr präsent; stattdessen wird das Spektrum von einer breiten Bande um 3270 cm-1 dominiert. Nach dem Abpumpen der Atmosphäre in der Probenkammer (10-3 bar) erhält man wieder eine scharfe Bande freier Silanolgruppen (b). Die Reflektivität übesteigt, nachdem die Turbopumpe zugeschaltet wurde, die Intensität der Spitze des ungetrockneten Ausgangsmaterials (b – d). Die breite Hauptbande verändert bei niedrigen Drücken ihre Gestalt, da der Einfluß des Lösemittels auf die Oberfläche des Molekularsiebes schwindet. In diesem Zusammenhang ist auch auf den isosbestischen Punkt bei

~Q = 3545 cm-1 hinzuweisen. Es stehen hier wahrscheinlich freie und verbrückte OH-Gruppen in einem Gleichgewicht miteinander. Die Hauptintensität der Bande bewegt sich im Zuge der Trocknung auf den isosbestischen Punkt zu und zeigt somit das für unmodifizierten Si-MCM-41 typische Aussehen. Die durchgeführten Experimente können als weitere Indizien für eine ausschließliche Funktionalisierung der äußeren Oberfläche nach der beschriebenen Methode angesehen werden.

Um die Bedingungen für die Modifizierung einzugrenzen, wurden bereits im Rahmen der Diplomarbeit Reaktionsparameter variiert. Die Ergebnisse sollen kurz vorgestellt werden und zur Ergänzung dienen:59

Unter den oben genannten Reaktionsbedingungen wurde zunächst jeweils 27, 67, 150, 300 und 600 µL DPDCS/g Si-MCM-41 eingesetzt. Die Auswertung der Stickstoffsorptionsdaten hat ergeben, daß schon mit der Anwendung geringer Diphenyldichlorsilanmengen eine Ände-rung des Mesoporenvolumens, der Größe der Oberfläche als auch der Stickstoffsorptions-wärme CBET einhergeht. Eine minimale, gerade noch meßbare Porenverengung konnte nur bei höchsten angebotenen Mengen an Silylierungsreagenz ausgemacht werden. Die Röntgendif-fraktogramme zeigen alle vier Reflexe niedriger 2T-Werte und deuten nicht auf eine Modifi-zierung des Poreninneren hin. Aus einer Steigerung des Angebotes scheint keine höhere Um-setzung zu resultieren. Ist die Oberfläche silyliert, so folgt keine weitere Anbindung im Po-reninneren. Die Umsetzung von DPDCS wurde unter Kühlung im Eisbad

(Eis/Kochsalz-Mischung, -10 °C) durchgeführt. DRIFT-Spektren zeigen, daß keine nennenswerte Anbin-dung bei geringen Temperaturen stattfindet.

Um Einfluß höherer Temperaturen, Zeitabhängigkeit und die Auswirkungen von Löse-mittel sowie basischen Aktivatoren auf die Reaktion zu untersuchen, wurden Umsetzungen in zum Rückfluß (111 °C) erhitzten Toluol bei unterschiedlichen Temperaturen auch unter Pyridinzugabe durchgeführt. Zum Vergleich wurden Experimente bei Raumtemperatur in THF durchgeführt. Es wurden je 25 mL Lösemittel eingesetzt und etwa 0,167 mL Pyridin zugegeben. Die Aktivitätssteigerung wurde schon bei der Zugabe der Base deutlich. Die Sus-pension trübte unter Dampfbildung merklich ein.

Die Sorptionsisothermen (Abb. 5.26) führen zu unerwarteten Strukturdaten. Ein Parame-ter, der bisher in der Betrachtung vernachlässigt wurde, ist die Lösemittelabhängigkeit. Die Umsetzung in THF führt anscheinend zu einer stärkeren Diffusion in die Mesoporen des Sili-kates, während die Reaktionsdauer die Beladung von innerer (und äußerer) Oberfläche nur minimal beeinflußt. Mit dem Übergang zum aromatischen Lösemittel geht ein Wechsel der Solvathülle des Diphenyldichlorsilan einher. Das aromatische Toluol wechselwirkt wahr-Abbildung 5.26 Stickstoffadsorptionsisothermen von Si-MCM-41. Auftragung von

Ausgangsmaterial (Ÿ) und DPDCS-derivatisiertem Silikat (Ɣ, ż, Ŷ, Ƒ). DPDCS wurde in THF bei Raumtemperatur und in Toluol bei 111 °C unterschiedlich lang umgesetzt. Bei einigen Reaktionen wurde Pyridin zugegeben.

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8

0 5 10 15 20 25

Volumen des adsorbierten N 2 / mmol g-1

p/po

THF, Raumtemperatur

Si-MCM-41 1,5 h 1,5 h, Pyridin 20 h

20 h, Pyridin

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8

0 5 10 15 20 25

Toluol, Rückfluß

Si-MCM-41 1,5 h 1,5 h, Pyridin 20 h

20 h, Pyridin

Volumen des adsorbierten N 2 / mmol g-1

p/po

scheinlich stärker mit dem Silylierungsreagenz, was eine Verhinderung der Diffusion ins Po-reninnere zur Folge hat.

Die Verlängerung der Reaktionsdauer hat nur geringe Auswirkung, so daß sich die jewei-ligen Kurven gleichen. Das zweite Plateau der Typ-IV-Isotherme ist zu niedrigerem Volumen verschoben. Außerdem erkennt man bei aufmerksamer Betrachtung der Isotherme an den ge-ringeren Steigungen um 0,3 p/p0, daß die Porengrößenverteilung zugenommen hat. Das ist durchaus plausibel und zeigt, daß bei zu langer Umsetzung eine größere Anzahl Moleküle in das Innere gelangt und sich inhomogen in den Poren verteilt. Eine Bindung nahe der Poren-öffnung ist wahrscheinlich.

Augenscheinlich hat der Zusatz des Aktivators Pyridin den größten Einfluß auf die – hier unerwünschte – Beladung der Poren des Si-MCM-41. Erst der Einsatz des Pyridins führt zu einer dramatischen Porenverengung von 29 auf bis zu 19 Å und dem Absinken von CBET von 60 auf 45. Legt man das oben vorgestellte Modell eines Vorhanges mit Diphenylfunktion zugrunde, so wird das Wechselwirkungspotential des kovalent gebundenen DPDCS bezie-hungsweise der in Lösung befindlichen Moleküle durch den Einfluß des Pyridins so verän-dert, daß die Regioselektivität der Anbindung aufgehoben ist. Erst dann wird der Lösemit-teleinfluß des Toluols durch erhöhte Temperatur (111 °C) überkompensiert. Gegenüber der Umsetzung in THF bei Raumtemperatur wird nun der Porendurchmesser um ein bis zwei Å stärker verringert.

Tabelle 5.5 Texturparameter aus den Adsorptionsisothermen von DPDCS-modifiziertem Si-MCM-41. Lösemittel, Reaktionsdauer und Aktivator sind angegeben. Die GesamtoberflächenSBET wurden mit der BET-Gleichung, die anderen Texturparameter mittels t-plot-Auftragung bestimmt.

SBET [m2/g] Sme [m2/g] Sext [m2/g] Vme [cm3/g] CBET Dme [Å]

Referenz 1121 1015 106 0,801 60 31,6

Tol./1,5 h/– 1084 994 90 0,764 60 30,7

Tol./1,5 h/Pyr. 920 860 60 0,447 47 20,8

Tol./20 h/– 1105 1018 87 0,759 57 30,9

Tol./20 h/Pyr. 905 844 61 0,434 46 20,6

THF/1,5 h/– 1299 1197 102 0,860 52 28,7

THF/1,5 h/Pyr. 1020 955 65 0,524 45 21,9

THF/20 h/– 1120 1040 79 0,690 47 26,5

THF/20 h/Pyr. 1032 963 69 0,530 45 22,0

Dme: Mesoporendurchmesser; CBET: BET-Parameter.

Außergewöhnlich ist ebenfalls die Tendenz, daß nach der Silylierung mit Diphenyldichlorsi-lan die durch Physisorption ermittelte Oberfläche größer ist. Man nehme zum Beispiel die Texturparameter der Probe Tol./20 h/–, THF/1,5 h/– und THF/20 h/– aus Tabelle 5.5. Bei Funktionalisierung mesoporösen Materials schrumpfen meist die Porenweiten, was mit einer drastischen Abnahme von Porenvolumen und Oberfläche einhergeht. Jedoch geht das zur Be-rechnung zugrundeliegende Modell von linearen Poren mit glatten Wänden aus. Die Theorie derself assembled monolayers (SAM) postuliert ebenfalls einen lückenlosen Film des Silylie-rungsreagenzes in den Poren.85 Nach Meinung des Autors entspricht eher ein Inselwachstum der funktionalisierten Flächen der Realität. Dieses erklärt die Zunahme der Porengrößenver-teilung nach der Funktionalisierung des Poreninneren. Auch die Vergrößerung der ermittelten Oberfläche kann nur verstanden werden, wenn man nicht von einer Monolage der Reagenz ausgeht. Durch das Aufbringen der sterisch anspruchsvollen Funktion nimmt die Oberflä-chenrauhigkeit zu. Man muß bedenken, daß die Gesamtoberfläche der Diphenylsilanfunktion in grober Schätzung 1,6 nm2 beträgt, hingegen die Basis eines bipodal-gebundenen DPDCS nur ungefähr 0,2 nm2 einnimmt.86

Abbildung 5.27 zeigt Adsorptionsisothermen des Ausgangsmaterials DAVISIL™ und deri-vatisierter Proben. Die Gestalt der Isotherme verrät, daß es sich nicht um ein poröses Material handelt, sondern um ein makroporöses Silikat, dessen Porendurchmesser rund 50 nm beträgt.

85 X. Feng, G. Fryxell, L.-Q. Wang, A. Kim, J. Liu, K. Kemner, Science1997,276, 923.

86 Man beachte Abb. 5.22 und die im Text angegebenen Moleküldimensionen.

Abbildung 5.27

Stickstoffadsorptionsisothermen von DAVISIL•. Auftragung von Aus-gangsmaterial (Ɣ) und DPDCS-deri-vatisiertem Silikat (ż,Ƒ).

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5

Davisil

DPDCS, 20 °C DPDCS, 66 °C Volumen des adsorbierten N 2 / mmol g-1

p/po

Durch den weiten Porenradius kann das Material als Referenz für die Dokumentation für Mo-difikation auf einer planaren Oberfläche dienen. Planare Substrate ohne Porensysteme sind aufgrund ihrer kleinen Oberflächen nur unter großem Aufwand der der Sorptionmessung zu-zuführen.

Die Anbindung von Diphenyldichlorsilan wurde in THF bei Raumtemperatur und unter Rückfluß durchgeführt (66 °C). Die Annahme, daß monomer- oder wenig-vergesellschaftet-gebundene DPDCS-Moleküle auf der Silikatoberfläche angebunden sind, liegt nahe, denn auch diese Proben zeigen das angesprochene Phänomen der Oberflächenvergrößerung. Nach Umsetzung mit 5 mmol DPDCS/g wurden 84,9 m2/g gemessen; eine Steigerung um fast drei m2/g (Tab. 5.6). Wird bei der Reaktion zum Rückfluß erhitzt, so ermittelt man bereits eine Oberfläche von 92,8 m2/g. Die Stickstoffsorptionswärme CBET des unbehandelten Materials beträgt 134, bei den modifizierten Materialien nur noch 97 und 59.

Die vorgestellten Ergebnisse beweisen die Durchführbarkeit der regioselektive Anbindung einer Sylilierungsreagenz an der äußeren Oberfläche eines mesoporösen Materials. Insbeson-dere die Anbindung des sterisch anspruchsvollen Diphenyldichlorsilan verdeutlicht die Para-meterabhängigkeit der Funktionalisierung einer porösen Matrix. Mit der Einzelmolekülfluo-reszenzmikroskopie konnte später überprüft werden, ob überhaupt eine Notwendigkeit für eine vorangehende Passivierung der Bindungsmöglichkeiten außerhalb der Porensystem be-steht (siehe Kap. 7.1).

Tabelle 5.6 Texturparameter aus den Adsorptionsisothermen von modifiziertem D AVI-SIL•. Die Silylierung wurde bei unterschiedlichen Temperaturen mit 5 mmol DPDCS/g Silikat durchgeführt.

SBET [m2/g] Vads [mmol/g] CBET

DAVISIL• 82,0 0,841 134

THF/20 °C 84,9 0,870 97

THF/66 °C 92,8 0,952 59

CBET: BET-Parameter.