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Teil 1: Funktionen privater Finanzierung bei ÖPP-Projektfinanzierungen im

7.6 Sicherungsfunktion

7.6.1 Beschreibung der Funktion

Die Sicherungsfunktion beinhaltet Aktivitäten bzw. Mechanismen, die einen positiven Effekt auf das Sicherungsbedürfnis des öAG haben. Diese rühren üblicherweise aus dem Sicherhei-tenkonzept der Projektfinanzierung (vgl. 4.2.4.4).503 Dazu gehören z. B.:

• durch private Kapitalgeber bereitgestelltes Haftungskapital (vgl. 4.1),

• die Entwicklung des Bestandes an Haftungskapital über den Projektlebenszyklus,

• Reservekonten504,

Darüber hinaus bewirkt der durch den Finanzierungsbedarf erzeugte zeitliche Versatz zwi-schen Leistungserstellung und Vergütung zusätzliche Sicherheit für den öAG. Insbesondere in Kombination mit dem leistungsabhängigen Vergütungsmechanismus, bei dem auch Teile der investiven Komponente des Entgeltes bei Mängeln reduziert werden können, kann die Bauleistung als eine Art Sicherheit für den öAG dienen.505

Das durch private Finanzierung begründete Sicherheitenkonzept greift v. a. bei Nichtleistung – also nicht zwingend bereits bei Schlechtleistung – des privaten AN-Konsortiums. Die Nicht-leistung wird häufig durch die Insolvenz der SPV hervorgerufen werden.506 Im Falle einer In-solvenz stellen die FK-Geber einen weiteren Sicherungsmechanismus bereit, indem sie das Projekt im Sinne des öAG fortführen können.

Ziele des öAG: Die Sicherungsfunktion wirkt sich in erster Linie positiv auf die Kostensicher-heit aus Sicht des öAG aus. Diese rührt in erster Linie aus vermiedenen Insolvenzkosten, die sich v. a. aus der Kostenersparnis einer zusätzlichen Ausschreibung und Effizienzverlusten zusammensetzen. Zudem kann aufgrund der starken Durchdringung des Projektes durch die Kapitalgeber und insbesondere durch die positive Entscheidung für das Projekt ein Zeichen für die finanzwirtschaftliche Stabilität des Projektes gesetzt und insofern auch Sicherheit für den öAG signalisiert werden.507 Insofern erfolgt auch ein Beitrag für die Transparenz im Pro-jekt.

Handelnde Akteure: Die Sicherungsfunktion wird durch sämtliche Kapitalgebergruppen er-füllt. Die EK-Geber stellen v. a. Haftungskapital bereit. Die FK-Geber, deren Kapital im Rang vor dem EK der Sponsoren steht, stehen zudem im Falle einer Insolvenz bereit, um das Projekt weiterzuführen. Im Vergleich zu den übrigen Funktionen ist die Sicherungsfunktion in erster Linie jedoch auf Mechanismen der Projektfinanzierung, insbesondere das Sicherheitenkon-zept, zurückzuführen. Durch die bereits zu Beginn intensive Strukturierung ist das Projekt sehr robust, sodass dieses selbst bei Insolvenzen, z. B. des GU, dennoch meist reibungslos fort-geführt werden kann.

503 Im Rahmen der durch private Finanzierung erzeugten Sicherungsfunktion werden Bürgschaften und Garantien nicht betrachtet, da diese Instrumente üblicherweise auch Teil des Sicherheitenkonzepts bei konventionellen Beschaffungen sind.

504 Kapital aus den Reservekonten wird zwar perspektivisch an die Sponsoren ausgeschüttet. Allerdings steht dieses bis zum späten Zeitpunkt im Projekt als Haftungskapital zur Verfügung.

505 Vgl. Eppinger/Käsewieter/Miksch (2008), S. 381 f.; vgl. Becher/Gehrt/Richter (2009), S. 19 ff.

506 Vgl. Eppinger/Käsewieter/Miksch (2008), S. 381 f.

507 Vgl. Weber/Moß/Bachhuber (2006), S. 607

Projektphasen: Grundsätzlich wirkt die Sicherungsfunktion phasenübergreifend. Beginnend mit der Strukturierung in der Planung wird die Funktion durch den Financial Close und die erstmalige Einbringung privaten Kapitals besiegelt. Über die Bauphase steigt der Sicherungs-umfang mit Erstellung der Bauleistung kontinuierlich an. Mit Übergang in die Betriebsphase nimmt der Sicherungsumfang kontinuierlich ab.

7.6.2 Beeinflussende Faktoren

Das Sicherungsniveau wird wesentlich durch den Umfang des privat bereitgestellten Haftungs-kapitals über den Projektlebenszyklus und den zeitlichen Verlauf des Projektes bestimmt.508 Beim zeitlichen Verlauf geht es neben dem Haftungskapital einerseits um die Sicherung aus der Bauleistung und andererseits um die Anreize der FK-Geber das Projekt im Falle einer Insolvenz im Sinne des öAG fortzuführen.

Im Hinblick auf das Haftungskapital lässt sich feststellen, dass je mehr EK509 sich in der SPV befindet, desto höher fällt auch der Sicherheitspuffer aus Sicht des öAG aus. Darüber hinaus lässt sich argumentieren, dass je mehr EK bis zum Ende in der SPV gebunden bleibt, desto stärker fallen auch die Anreize der Sponsoren aus, das Projekt im Sinne des öAG zu Ende zu führen (vgl. Steuerungsfunktion).

Ein weiterer Aspekt, der das Sicherungsniveau aus Sicht des öAG beeinflusst, ist die Sicher-heit aus der Bauleistung. Das diesbezügliche Ausmaß der Sicherung steigt mit Baufortschritt an (Nutzenzuwachs durch Bauleistung) und nimmt ab der Inbetriebnahme bis zum Ende der Vertragslaufzeit (zunehmende Rückführung des investiven Teils) kontinuierlich ab (zeitlicher Versatz der Refinanzierung).510 Das ist darauf zurückzuführen, dass je höher der kumulierte Anteil an der Vergütung des investiven Teils ausfällt, desto geringer fällt auch das Sicherungs-niveau aus der Bauleistung aus.

Sollte das Projekt trotz des privaten Haftungskapitals in Zahlungsschwierigkeiten geraten, be-steht ein weiterer Sicherungsmechanismus, der durch die FK-Geber bereitgestellt wird. Diese stehen nämlich grundsätzlich bereit, um das Projekt trotz Insolvenz fortzuführen.511 Im Falle der Insolvenz werden die FK-Geber der SPV bestrebt sein, das Projekt mit einem anderen strategischen Partner fortzuführen, um so v. a. den eigenen Verlust zu minimieren. Dabei kann argumentiert werden, dass je später die Insolvenz im Projektlebenszyklus eintritt, desto gerin-ger wird auch der Anreiz aus Sicht der FK-Geber sein, das Projekt tatsächlich auch mit ver-gleichbarer Motivation wie die ursprünglichen Sponsoren weiterzuführen.

Nichtsdestotrotz spielen die FK-Geber eine wichtige Rolle in diesem Kontext. Denn sollte eine Insolvenz kurz bevorstehen, d.h. wenn die Sponsoren auf das EK keine Rendite mehr erzielen können, ist die FK-Seite bereits zum Handeln gezwungen. Die Sponsoren könnten nämlich versuchen aus dem Projekt auszutreten oder aber übermäßig hohe Risiken einzugehen, um ihre Renditeanforderungen doch noch zu erfüllen. Dies rührt v. a. aus den asymmetrisch

508 Vgl. Becher/Gehrt/Richter (2009), S. 24 f.

509 Haftungskapital muss nicht zwingend nur EK sein. Es kann sich dabei auch um Mezzaninekapital handeln, welches als wirtschaftliches Eigenkapital ausgestaltet ist.

510 Vgl. Eppinger/Käsewieter/Miksch (2008), S. 381 f.; vgl. Becher/Gehrt/Richter (2009), S. 19 ff.

511 Vgl. Direktvertrag zwischen AN, öAG und FK-Geber in der Anlage 4 des ÖPP-Mustervertrags [vgl.

BMVI (2018b)]

verteilten Chancen und Risiken. Während die Chancen ausschließlich auf EK-Seite bestehen, liegen die Risiken sowohl auf EK- als auch auf FK-Seite.

7.6.3 Vergleich zur öffentlichen Finanzierung

Anders als bei der privaten Projektfinanzierung bestehen bei der öffentlichen Finanzierung neben den üblichen Bürgschaften und Garantien, die meist für die Leistungsbereiche Bau und Erhaltung vereinbart werden, keine weiteren Sicherungsmechanismen. Überschreiten konven-tionelle Beschaffungsprojekte die budgetierten Kosten oder geht ein GU während des Projek-tes in die Insolvenz, steht der öAG unmittelbar vor der Herausforderung, die zusätzlichen Kos-ten zu tragen. Dementsprechend könnte gerade bei komplexen GroßprojekKos-ten, z. B. mit einer besonders hohen Anzahl an Ingenieurbauwerken, das durch private Finanzierung erzeugte hohe Sicherungsniveau sinnvoll sein.

Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Sicherungsniveau für die meis-ten Projektzuschnitte deutlich höher ausfällt als es vermutlich notwendig wäre. Zudem muss das hohe Sicherungsniveau durch höhere Finanzierungskosten erkauft werden. Dies gilt ins-besondere für die Bereitstellung von EK als Haftungskapital, weil dieses besonders hohe Ka-pitalkosten verursacht, die sich dann negativ auf den Angebotspreis für den öAG auswirken können.

7.6.4 Die Funktion im Überblick

Tabelle 19: Funktionssteckbrief "Sicherungsfunktion"

Titel: Sicherungsfunktion

Kurzbeschreibung: Die Sicherungsfunktion beinhaltet Aktivitäten bzw. Mechanis-men, die üblicherweise aus dem Sicherheitenkonzept der Pro-jektfinanzierung rühren.Dazu gehört z. B. die Bereitstellung privaten Haftungskapitals sowie Mechanismen (z. B. Reserve-konten), die den Bestand des Haftungskapitals über den Pro-jektlebenszyklus bestimmen. Zudem bewirkt der durch den Fi-nanzierungsbedarf erzeugte zeitliche Versatz zwischen Leis-tungserstellung und Vergütung zusätzliche Sicherheit für den öAG, da die Bauleistung als Sicherheit dient.

Ein weiterer Sicherungsmechanismus wird durch die FK-Ge-ber FK-Ge-bereitgestellt, die das Projekt im Falle einer Insolvenz fort-führen können.

Ziele des öAG: ▪ Kostensicherheit

▪ Transparenz Beeinflussende

Faktoren:

▪ Umfang des zur Verfügung stehenden Haftungskapitals

▪ Zeitlicher Verlauf der Finanzierung

▪ Ausstehender Vergütungsanspruch aus investivem Teil