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Teil 1: Funktionen privater Finanzierung bei ÖPP-Projektfinanzierungen im

4.2 Ablauf des Finanzierungsprozesses

4.2.3 Risikoanalyse und -allokation

Im Rahmen der Projektvorbereitungsphase erfolgt ebenso eine Risikoanalyse. Wie bereits un-ter Kapitel 3.1.3 herausgearbeitet, beinhaltet ein umfassendes RM die vier Phasen Risikoiden-tifikation, Risikobewertung, Risikoallokation und -Überwachung.263 Für die vorliegende Teil-phase spielen insbesondere die ersten drei Phasen des RM-Prozesses eine Rolle.

In der ersten Phase, der Risikoidentifikation, versuchen die Sponsoren (ggf. mit Unterstützung von Beratern) sämtliche Projektrisiken zu erfassen und diese möglichst detailliert zu

258 Üblicherweise wird eine eigene Betriebsgesellschaft durch (Teile der) Gesellschafter der SPV, im Wesentlichen strategische Investoren, gegründet. Die Gründe dafür liegen v. a. in der Risikoabschir-mung zu den übrigen Leistungsbereichen und den Finanzinvestoren.

259 Vgl. Weber/Alfen (2009), S. 187

260 Vgl. Weber/Alfen (2009), S. 186

261 Vgl. Pfarl (2017), S. 10

262 Weber/Moß/Bachhuber (2006), S. 613

263 Vgl. Pfnür/Schetter/Schöbener (2010), S. 29 f.

beschreiben.264 Die Risikoidentifikation ist besonders kritisch zu betrachten, weil nicht er-kannte Risiken in den sich anschließenden Phasen nicht weiter berücksichtigt werden kön-nen.265

Anschließend erfolgt die Risikoanalyse und -Bewertung. In dieser werden die zuvor identifi-zierten Risiken qualifiziert bzw. quantifiziert. Bei der qualitativen Risikobewertung werden die Risiken in Abhängigkeit der Eintrittswahrscheinlichkeit und ihres Schadensausmaßes in Risi-kogruppen eingeordnet. Besonders wesentliche Risiken können so identifiziert und in der an-schließenden quantitativen Bewertung genauer betrachtet werden.266

Im Rahmen der quantitativen Risikobewertung werden die zu berücksichtigenden Risiken mit einem monetären Risikowert verknüpft. Dies erfolgt analog zum qualitativen Verfahren meist in Abhängigkeit der Eintrittswahrscheinlichkeiten und des Schadensausmaßes. Die Bestim-mung der Eintrittswahrscheinlichkeiten erfolgt dabei meist aus Expertenbefragungen oder auf Basis empirischer Daten. Die Bewertung des Schadensausmaßes eines Risikos erfolgt in der Praxis meist als prozentuale Abweichung (z. B. Kostenüberschreitung) zu einer Bezugsgröße.

Im Rahmen des sogenannten Zuschlagverfahrens267, welches in der Praxis häufig zur Anwen-dung kommt, können dann durch Multiplikation der Schadeneintrittswahrscheinlichkeit und der prozentualen Abweichung die Risikowerte berechnet werden.268

In der Praxis erfolgt die Bewertung der Risiken im Rahmen des CF-Modells z. B. in Form von Sensitivitäts- und Szenarioanalysen, in denen u. a. die Konsequenzen von negativen Abwei-chungen der identifizierten Parameter auf den Projekterfolg abgebildet werden können. Dies ist insbesondere für die EK-Investoren von Relevanz, da sie die erste Kapitalgebergruppe sind, die von negativen Abweichungen des CF betroffen ist. Darüber hinaus bieten sich Szenario-analysen insbesondere dafür an, die Gesamtwirkung der Risiken auf den Projekterfolg zu be-trachten. Da einzelne Risiken häufig in Wechselwirkung zueinanderstehen, ist es beispiels-weise denkbar, dass eine negative Auswirkung auf der Erlösseite mit einer positiven Wirkung für die Kostenseite verknüpft ist.269

Die Risikoallokation- als dritte Phase - findet, wie bereits in Kapitel 3.1.3 herausgestellt, zu-nächst zwischen dem öAG und dem privaten AN-Konsortium (SPV) statt. Die grundsätzliche Zuteilung der Risiken wird dabei meist in der Ausschreibung durch den öAG vorgegeben. Ver-handlungen bezüglich einer Änderung der Risikoallokation sind allerdings im Laufe des Verga-beverfahrens denkbar. Anschließend findet eine Risikoallokation zwischen SPV und den Ka-pitalgebern sowie Projektbeteiligten statt.270

Grundsätzlich sollten Risiken auf denjenigen übertragen werden, der diese am besten beein-flussen kann (Prinzip des „cheapest cost avoider“). Vor diesem Hintergrund ist ein

264 Die Identifikation der Risiken kann u. a. durch die Verwendung von Checklisten, Experten- und Mit-arbeiterbefragungen und einer Analyse der Projektunterlagen erfolgen.

265 Vgl. Hofstadler/Kummer (2017), S. 128 ff.

266 Vgl. Pfnür/Schetter/Schöbener (2010), S. 38 f.

267 Alternativ können auch marktorientierte Bewertungsverfahren zur Anwendung kommen, in denen z.B. Versicherungsprämien oder Derivate-Prämien (insb. bei Finanzierungsrisiken) als Bewertungs-maßstab herangezogen werden können.

268 Vgl. Pfnür/Schetter/Schöbener (2010), S. 39 f.

269 Vgl. Böttcher/Blattner (2013), 46–48; 116

270 Vgl. Boll (2007), S. 167

angemessener Risikotransfer zwischen öAG und dem AN-Konsortium anzustreben, mit dem eine optimale (monetäre) Projektbewertung erreicht werden kann. Dabei sollte darauf geachtet werden, überhöhte Risikoübertragungen auf das Konsortium zu vermeiden. Für das AN-Konsortium kaum beherrschbare Risiken können nämlich zu erheblichen Effizienzverlusten führen, die sich wiederum in überhöhten Risikoprämien im Angebot äußern und sich so negativ auf das Preis-Leistungsverhältnis aus Sicht des öAG auswirken können. Im schlimmsten Fall kann dies sogar zum Scheitern des ÖPP-Projektes führen.271

Sämtliche auf das private Konsortium übertragene Risiken verbleiben zunächst in der SPV.272 In Abschnitt 3.1.1 konnte bereits festgestellt werden, dass sämtliche Beteiligte der Projektfi-nanzierung über Verträge mit der SPV verbunden sind. Für die Risikoallokation auf Ebene des AN-Konsortiums bedeutet das, dass die SPV die Risiken auch über Verträge an die einzelnen Projektbeteiligten übertragen kann.273 Üblicherweise werden Risiken, die einen bestimmte Leistungsbereich betreffen, z. B. das Fertigstellungsrisiko im Leistungsbereich Bau, auf den-jenigen Projektbeteiligten durchgestellt, der den Leistungsbereich im Wesentlichen zu verant-worten hat (Grundsatz der Kontrollfähigkeit), also in diesem Fall den GU.274 Neben der Über-tragung auf Projektbeteiligte besteht darüber hinaus die Möglichkeit, bestimmte Risiken zu versichern, z. B. Feuer- oder Betriebsunterbrechungsversicherungen.275

Das Prinzip des „cheapest cost avoider“ gilt insbesondere auch bei der Risikoallokation zwi-schen SPV und Projektbeteiligten. Das bedeutet allerdings nicht, dass diejenigen, die ein Ri-siko am besten beeinflussen können, mit diesem RiRi-siko dann auch unbegrenzt belastet wer-den. Vielmehr ist von Bedeutung, die richtige Balance zwischen Risikoprämie und Anreizen zu erzielen. Hier sollte die Risikoallokation in Abhängigkeit der Risikoaversion des Projektbetei-ligten und dem Ausmaß der Handlungsanreize erfolgen.276 Die Zuweisung der Risiken setzt voraus, dass die Risiken identifiziert und ihren Risikoträgern (Projektbeteiligte) zugeordnet werden können.277 Aus Gründen der Übersichtlichkeit und der Vielzahl an möglichen Risiken wird für eine detaillierte Beschreibung auf Anhang C verwiesen.

In der letzten Phase des RM-Prozesses, der Risikoüberwachung, werden die Annahmen aus den vorherigen Phasen auf Abweichungen kontrolliert. Dazu zählt z. B. die Überprüfung auf neu entstandene, bisher unbekannte Risiken oder mögliche Relevanzverluste einzelner Risi-ken. Zudem sind veränderte Rahmenbedingungen hinsichtlich des Schadensausmaßes und der Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist die Sicher-stellung einer gesicherten Risikotragfähigkeit durch den verantwortlichen Projektbeteiligten von Bedeutung. Verändert sich beispielsweise im Verlauf des Projektlebenszyklus die Fähig-keit des Risikoträgers Einfluss auf das Risiko nehmen zu können, so muss die Risikoallokation ggf. angepasst werden.278

271 Vgl. Weber/Moß/Bachhuber (2006), S. 613; vgl. Pfnür/Schetter/Schöbener (2010), S. 43 f.

272 Vgl. Boll (2007), S. 167

273 Vgl. Weber/Alfen (2009), S. 164

274 Vgl. Tytko (2003), S. 18

275 Vgl. Pfnür/Schetter/Schöbener (2010), S. 46

276 Vgl. Böttcher/Blattner (2013), S. 64 f.

277 Vgl. Böttcher/Blattner (2013), S. 51

278 Vgl. Pfnür/Schetter/Schöbener (2010), S. 46 f.