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Geschäftsmodelle für ÖPP im Fernstraßenbau

Teil 1: Funktionen privater Finanzierung bei ÖPP-Projektfinanzierungen im

2.2 ÖPP-Beschaffung

2.2.2 Geschäftsmodelle für ÖPP im Fernstraßenbau

Im Rahmen von ÖPP im Fernstraßenbau kamen in Deutschland bisher drei verschiedene Ge-schäftsmodelle zur Anwendung, die sich im Wesentlichen hinsichtlich der Vergütungsmecha-nismen und des Umfangs der Risikoübertragung unterscheiden. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Modelle:

• Konzessionsmodell (F-Modell),

44 Auch wenn (Teile der) Genehmigungen durch den AN einzuholen sind, hat gem. § 5 des ÖPP-Mus-tervertrages der Auftraggeber den AN innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten bei der Erteilung erforderlicher Genehmigungen zu unterstützen [vgl. BMVI (2018b)].

45 Vgl. BMVI (2020)

46 Im Fernstraßenbau erfolgt die Ausführungsplanung für Ingenieurbauwerke (Brücken, Tunnel etc.) und häufig auch für die herstellerabhängige Ausrüstungstechnik erst nach der Vergabe der entsprechen-den Bauleistungen.

47 Vgl. Reformkommission Bau von Großprojekten, AG Finanzierung (2015c), S. 8 f.

48 Vgl. BMVI (2013d)

49 Vgl. BMVI (2013f)

50 Vgl. Reformkommission Bau von Großprojekten, AG Finanzierung (2015c), S. 9

51 Vgl. Ockenga et al. (2016), S. 13

• Ausbaumodell (A-Modell),

• Verfügbarkeitsmodell (V-Modell).52

Grundsätzlich gibt es nicht den typischen ÖPP-Vertrag. Viel mehr werden die Projekt- bzw.

Konzessionsverträge fallspezifisch auf Grundlage dieser drei „Basismodelle“ ausgearbeitet.53 2.2.2.1 Konzessionsmodell (F-Modell)

Erstmalig kam das F-Modell für Sonderbauten, d. h. Brücken, Gebirgspässe und Tunnel, aber auch für „mehrstreifige Bundesstraßen mit getrennten Fahrbahnen für den Richtungsverkehr“, im Jahr 1994 zur Anwendung. Beim F-Modell, welches nach dem Fernstraßenbauprivatfinan-zierungsgesetz (FStrPrivFinG) benannt ist, werden Bau (inkl. Ausführungsplanung), Erhal-tung, Betrieb und Finanzierung eines definierten Streckenabschnitts bzw. Bauwerks an einen Privaten übertragen. Im Zuge einer durch den Bund erteilten Konzession wird dem Privaten die Refinanzierung durch die Erhebung einer Maut direkt vom Nutzer eingeräumt. Im Zuge der Mauterhebung wird der Private als sogenannter Beliehener tätig, d. h. er nimmt ausnahms-weise hoheitliche Tätigkeiten wahr. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass der Bund Projekte nach dem F-Modell zusätzlich durch die Gewährung einer Anschubfinanzierung von bis zu 50 % der Baukosten fördert.54

Sowohl die Preiskomponente (Mauthöhe), die durch die jeweils zuständige Landesbehörde bzw. den Bund genehmigt werden muss, als auch die Mengenkomponente (Verkehrsmenge) können nicht unmittelbar durch den Privaten beeinflusst werden und bilden somit Risiken in der Sphäre des privaten AN.55 Zudem besteht für ihn das Risiko, dass nicht alle Nutzer des Bauwerks bzw. der Strecke korrekt erfasst werden und somit auch nicht zur Zahlung veran-lasst werden können (Erfassungsrisiko).56

Mit der Warnowquerung (B105 in Rostock) - fertiggestellt im September 2003 - und dem Her-rentunnel (B75/B104 in Lübeck) - fertiggestellt im August 2005 - wurden die ersten beiden ÖPP-Modelle in Form des F-Modells umgesetzt.57 Die Projektgesellschaften beider bisher um-gesetzter F-Modelle gerieten in wirtschaftliche Probleme, da u. a. die Prognosen der Verkehrs-mengen nicht erfüllt werden konnten und die Mautakzeptanz in der Bevölkerung nicht im ver-muteten Umfang gegeben war.58

Dies führte u. a. dazu, dass vorerst keine weiteren Projekte als F-Modelle umgesetzt wurden.

Die Grundstruktur des F-Modells wird allerdings weiterhin als eine sinnvolle Handlungsalter-native angesehen. Dementsprechend wird die Umsetzung weiterer Projekte als F-Modelle in weiterentwickelter Form, z. B. mit längeren Konzessionslaufzeiten über 30 Jahre hinaus oder der Integration weiterer Vergütungselemente, weiterhin diskutiert.5960

52 Die Modelle sind in chronologischer Reihenfolge ihrer erstmaligen Umsetzung sortiert.

53 Vgl. BMVI (2013b)

54 Vgl. BMVI (2013b)

55 Vgl. VIFG (2017b)

56 Vgl. Weber/Alfen (2009), S. 215

57 Vgl. BMVI (2013b)

58 Vgl. BMVBS (April 2007), S. 10 f.

59 Vgl. VIFG (2017b)

60 Als Beispiel dafür kann das Projekt „Elbquerung“ im Zuge der BAB A20 bei Glückstadt dienen. (Vgl.

BMVBS (12.03.2013), S. 13 f.)

2.2.2.2 Ausbaumodell (A-Modell)

Beim sogenannten A-Modell, welches erstmalig 2005 zur Anwendung kam, übernimmt der Private den sechsstreifigen Ausbau einer bestehenden, hochbelasteten Bundesautobahn. Be-dingung für das A-Modell war die Einführung der streckenbezogenen Lkw-Maut in Deutschland im Jahr 2005.61 Der Private plant, baut, betreibt, erhält und finanziert den vereinbarten Stre-ckenabschnitt über eine Vertragslaufzeit von bisher stets 30 Jahren.62

Bei diesem Modell wird das Aufkommen aus der Lkw-Maut des durch den privaten betriebenen Streckenabschnitts (in Abhängigkeit der Mautklasse63) durch den Bund erhoben und unter Be-rücksichtigung eines verkehrsmengenbezogenen Vergütungsmechanismus an den Privaten anteilig oder vollständig weitergeleitet. Dieser bringt das Leistungsentgelt in die Refinanzie-rung seiner Investition ein. Neben der laufenden Vergütung kann unter dem A-Modell ebenfalls eine Anschubfinanzierung durch den Bund gewährt werden.64

Mit dem sogenannten Einheitsmautmodell wurde der Vergütungsmechanismus des A-Modells in seiner ursprünglichen Form weiterentwickelt. In Abgrenzung zum verkehrsmengenbezoge-nen Vergütungsmechanismus entfällt hier die durch verschiedene Mautklassen relativ kom-plexe Ermittlung der Vergütung zu Gunsten eines Einheitsmautsatzes je Lkw und Streckenki-lometer. Dieser Einheitsmautsatz wird im Wettbewerb ermittelt.65 Im Vergleich zum F-Modell trägt der private AN beim A-Modell somit kein Erlösrisiko mehr. Allerdings trägt er auch hier das Verkehrsmengenrisiko.66

2.2.2.3 Verfügbarkeitsmodell (V-Modell)

Das V-Modell, welches erstmalig 2009 zur Anwendung kam, stellt eine Weiterentwicklung des A-Modells dar. Dementsprechend ist der Vertragsgegenstand - wie beim A-Modell - der sechs-streifige Ausbau einer bestehenden, hochbelasteten BAB. Der Leistungsumfang beinhaltet ebenfalls Planung, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung, bei einer Vertragslaufzeit von bisher 20 bis 30 Jahren.67 Beim V-Modell sind auch Neubauprojekte und reine Erhaltungspro-jekte, die keine Erweiterungsbauten beinhalten, möglich.68

Der wesentliche Unterschied zum A-Modell liegt im Vergütungsmechanismus. Dieser ist näm-lich nicht von der Verkehrsmenge abhängig, sondern von der Verfügbarkeit des Streckenab-schnitts und der Qualität der erbrachten Leistung. Im Rahmen der Vertragsgestaltung definie-ren öAG und privater AN, in welchem Umfang die Strecke z. B. jährlich uneingeschränkt ver-fügbar zu sein hat. Verver-fügbarkeitseinschränkungen auf dem vom Privaten betriebenen Stre-ckenabschnitt können sich durch die (nicht baubedingte) Reduzierung von Fahrstreifen oder Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie durch Qualitätsmängel ergeben. Erfüllt der private Partner die im Vertrag definierte Verfügbarkeit, so erhält er das vereinbarte

61 Die Rechtsgrundlage bildet das Autobahnmautgesetz (ABMG) von 2005, welches 2011 durch das Bundesfernstraßenmautgesetz (BFStrMG) abgelöst wurde.

62 Vgl. BMVI (2013a)

63 Die durch die Nutzer zu zahlenden Mautsätze werden anhand von Mautklassen bestimmt, die sich z.B. in Abhängigkeit von Gewicht und Schadstoffausstoß ergeben.

64 Vgl. VIFG (2017a)

65 Vgl. VIFG (2017a)

66 VGl. BMVI (2013a)

67 Vgl. BMVI (2013c)

68 Vgl. VIFG (2017a)

Verfügbarkeitsentgelt. Unterschreitet er die vereinbarte Verfügbarkeit oder Qualität, so erhält er einen Vergütungsabzug (Malus). Überschreitet er die vereinbarte Verfügbarkeit kann er z. T.

einen Bonus erhalten. Zusätzlich zum Verfügbarkeitsentgelt ist auch beim V-Modell die Zah-lung einer Anschubfinanzierung durch den Bund möglich.69

Die Konsequenz aus dem Vergütungsmechanismus ist eine zum A-Modell abweichende Risi-koallokation. Während beim A-Modell das Verkehrsmengenrisiko noch vollständig beim Priva-ten lag, liegt dieses beim V-Modell im Wesentlichen beim Auftraggeber. Der private AN wird allein an der Verfügbarkeit gemessen, die er unmittelbar beeinflussen kann. Mittelbar bleibt das Verkehrsmengenrisiko allerdings in der Gestalt von zusätzlich erforderlichen Erhaltungs-maßnahmen, die durch unerwartet hohe Verkehrsmengen bedingt sein können, bestehen.70 Die folgende Tabelle fasst die oben beschriebenen Modelle zusammen.

Tabelle 2: Geschäftsmodelle für ÖPP im Bundesfernstraßenbau

F-Modell A-Modell V-Modell

Einführung 1994 2005 2009 Vertragslaufzeiten i.d.R. 30 Jahre

(u.a. 50 Jahre)

bisher 30 Jahre bisher 20-30 Jahre

Leistungsumfang

70 Vgl. Weber/Alfen (2009), S. 93; vgl. BMVI (2013c)

71 Die Übertragung des Leistungsbereichs Planung an den Privaten erfolgt üblicherweise auf dem Stand der Ausführungsplanung (Strecke) bzw. Entwurfsplanung (Ingenieurbauwerke).

72 Neben den hier in Verbindung mit dem Vergütungsmechanismus stehenden aufgeführten Risiken bestehen weitere Risiken, die der private AN im Rahmen des Projektes zu tragen hat. Auf diese wird in der Folge näher eingegangen.

Mit dem V-Modell ist ein Modell entwickelt worden, welches aus Sicht des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) deutliche Vorteile für die Bewirtschaftung be-stimmter Projektzuschnitte aufweist. Aus diesem Grund befindet sich eine hohe Anzahl an V-Modellen bereits in der Umsetzung. Darüber hinaus werden auch neue Projekte zunehmend als V-Modelle ausgeschrieben. Für die folgenden Untersuchungen wird daher vom ÖPP-Pro-jekt in der Ausgestaltung eines V-Modells ausgegangen.

2.2.3 Finanzierungsmodelle für ÖPP im Fernstraßenbau