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Teil 1: Funktionen privater Finanzierung bei ÖPP-Projektfinanzierungen im

7.1 Liquiditätsbereitstellungsfunktion

7.1.1 Beschreibung der Funktion

Die Liquiditätsbereitstellungsfunktion umfasst die Funktion von Finanzierung im eigentlichen Sinne. Darunter fallen Aktivitäten, die für die zeit- und bedarfsgerechte Bereitstellung von not-wendiger Liquidität für das Projekt sorgen. Bedarfsgerecht bedeutet, dass falls nötig auch bei Kostenerhöhungen in der Planungs- und Bauphase über das ursprünglich vereinbarte Finan-zierungsvolumen hinaus die notwendige Liquidität bereitgestellt wird.

Insbesondere bei Kostenerhöhungen wird allerdings durch die Bereitsteller der Liquidität über-prüft werden, ob die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit bzw. Tragfähigkeit des Projektes auch wei-terhin gegeben sind .

Ziele des öAG: Die Liquiditätsbereitstellungsfunktion wirkt sich v. a. positiv auf die zügige Re-alisierung des Projektes insbesondere in der Planungs- und Bauphase aus und kann somit

einen positiven Beitrag für die Terminsicherheit aus Sicht des öAG leisten. Des Weiteren kann in Folge der zügigen Umsetzung der Planungs- und Bauphase eine termingerechte – teilweise sogar frühzeitige – Inbetriebnahme des Streckenabschnitts erreicht werden. Dies hat zur Kon-sequenz, dass die Verfügbarkeit auf dem betroffenen Streckenabschnitt früher bereitgestellt werden kann.

In der Bauphase kann die Liquiditätsbereitstellungsfunktion auch einen Beitrag zur Vermei-dung von negativen monetären Folgewirkungen im Projekt leisten. Steht nämlich eine Bau-stelle aufgrund unzureichender Liquidität still, so entstehen weitere Fix- bzw. Opportunitäts-kosten („StillstandsOpportunitäts-kosten“) für die Sponsoren. Diese können z. B. durch die mangelnde Ver-zinsung von in Maschinen und Baustelleneinrichtung gebundenem Kapital hervorgerufen wer-den. Von diesem positiven Beitrag für die Ressourceneffizienz profitiert der öAG i. d. R. nur einmalig vor Zuschlagserteilung, in dem die Sponsoren ihr überlegenes Liquiditätsmanage-ment in ihrem Angebotspreis berücksichtigen.467

Handelnde Akteure: Die notwendige Liquidität für das Projekt wird einerseits von strategi-schen Investoren und Finanzinvestoren auf EK-Seite und andererseits von Banken bzw. Fi-nanzinvestoren auf FK-Seite zur Verfügung gestellt.

Projektphasen: Bereits in der Planungsphase spielt die Liquiditätsbereitstellung eine wichtige Rolle, da eine zeit- und bedarfsgerechte Liquiditätsausstattung für eine zügige Umsetzung der Planungen erforderlich ist. Die wohl bedeutendste Phase für die Liquiditätsbereitstellung ist die Bauphase, da sie mit Abstand den größten Finanzierungsbedarf hervorruft und in dieser auch die größten Probleme wegen fehlender Liquidität auftreten können.

Neben der Planungs- und Bauphase spielt die Liquiditätsbereitstellung allerdings auch in der Betriebsphase eine wesentliche Rolle. In dieser Phase ist von Bedeutung, dass eine an ein optimales Erhaltungsmanagement angepasste Liquiditätsplanung erfolgen kann. Sollten näm-lich dafür erfordernäm-liche Investitionen nicht durch den laufenden CF und die Instandhaltungsre-serve gedeckt werden können, so muss sichergestellt werden, dass diese dennoch zeit- und bedarfsgerecht getätigt werden können, um Effizienzverluste vermeiden zu können.

7.1.2 Beeinflussende Faktoren

Der Hintergrund der zeit- und bedarfsgerechten Bereitstellung von Liquidität durch die Sponso-ren und FK-Geber liegt in den Opportunitätskosten (vgl. 2.2.4), die in der privaten Finanzierung eine entscheidende Rolle spielen. Diese wirken letztlich auch auf das Ziel der Rendite- bzw.

Zinsoptimierung der Sponsoren und FK-Geber.468 Unter der Bedingung unendlich zur Verfü-gung stehender Liquidität bei sämtlichen Kapitalgebergruppen sollte die Liquiditätsbereitstel-lungsfunktion, solange das Projekt über den Lebenszyklus als wirtschaftlich vorteilhaft einge-stuft wird, uneingeschränkte Gültigkeit haben. In der Realität müssen allerdings evtl. Restrik-tionen in der Liquiditätsbereitstellung auf Ebene der Sponsoren und FK-Geber betrachtet wer-den.

467 Auf die Besonderheiten hinsichtlich der Partizipation des öAG an der Ressourceneffizienz wird in den Handlungsempfehlungen detailliert eingegangen.

468 Vgl. Reformkommission Bau von Großprojekten, AG Finanzierung (2015b), S. 5

Bei den strategischen Investoren handelt es sich dabei entweder um das Liquiditätsmanage-ment auf Ebene der Muttergesellschaft. Insofern bestünde hier eine Verbindung zur Unterneh-mensfinanzierung (vgl. 3.1.2). Andererseits verwalten strategische Investoren ihre ÖPP-Betei-ligungen häufig auch in Holdinggesellschaften, deren Zweck die Verwaltung der BeteiÖPP-Betei-ligungen ist. Vor diesem Hintergrund ist auch die Portfoliosicht in die Betrachtung der Liquiditätsbereit-stellung mit einzubeziehen. Das bedeutet, dass auch die sonstigen ÖPP-Projekte, in die der strategische Investor investiert hat, zu berücksichtigen wären. Zudem ist von Relevanz, in wel-cher Risikophase sich diese Projekte befinden und welche potenziellen Verpflichtungen (z. B.

Nachschusspflichten) sich aus diesen ergeben könnten.469

Ein weiterer Aspekt, der in der Ausfüllung der Liquiditätsbereitstellungsfunktion durch strategi-sche Investoren eine Rolle spielt, sind strategistrategi-sche Entstrategi-scheidungen. Beispielsweise ist es denkbar das strategische Investoren Kapital nachschießen, obwohl es aus rein betriebswirt-schaftlichen Gründen nicht gerechtfertigt wäre. In solchen Fällen steht die Positionierung als zuverlässiger Bieter vor dem Hintergrund weiterer Ausschreibungen im Vordergrund.

Bei den Finanzinvestoren wird es sich üblicherweise ebenfalls um Portfolios von Beteiligungen bzw. um Fonds handeln, in denen sich neben dem betrachteten ÖPP-Projekt auch weitere Projekte mit jeweils spezifischen CF-Reihen befinden. Durch die Konstitution und Strategie der Portfolios kann die Fähigkeit („Können“) und Bereitschaft („Wollen“) beeinflusst werden, zusätzliche Liquidität für das Projekt zur Verfügung zu stellen. Werden zudem Gelder im frem-den Namen verwaltet, sind die Finanzinvestoren gegenüber ihren Anlegern bzw. dem Anlage-mandat Rechenschaft schuldig. Das kann z. B. zur Konsequenz haben, dass diese – anders als strategische Investoren – in einer wirtschaftlich angestrengten Situation eines Projektes Liquidität nicht nachschießen dürfen und beispielsweise strategische Entscheidungen nicht mittragen.

Bei den FK-Gebern wäre analog zur obigen Betrachtung das gesamte Kreditportfolio zu be-rücksichtigen sowie das jeweils aktuelle Marktumfeld zur Refinanzierung. Die Relevanz der Betrachtung ist allerdings vor dem Hintergrund der Finanzierungsstruktur von geringer Rele-vanz als bei den EK-Investoren. Denn neben dem langfristig angelegten „term loan“ für die Finanzierung der Baukosten werden üblicherweise weitere Kreditlinien, z. B. zur Finanzierung unerwarteter Baukostenerhöhungen („Stand-by“-Fazilitäten), vereinbart. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die Kostenerhöhungen schon sehr wesentlich sein müssen, wenn sich auf Seiten der FK-Geber die Frage nach Opportunitätskosten für zusätzliche Mittelfreigaben stel-len sollte. In einem solchen Fall wird im Zweifel das EK der Sponsoren bereits angegriffen sein und ein Ausfall des FK bereits erfolgt sein. Viel mehr müsste dann bereits über komplette Neustrukturierungen der Finanzierung bzw. den Eintritt der FK-Geber in die SPV diskutiert werden (vgl. 7.6).

7.1.3 Vergleich zur öffentlichen Finanzierung

Aufgrund der jährlichen Haushaltsgesetzgebung können Projekte in der konventionellen Be-schaffung üblicherweise nicht nach Lebenszyklus optimiert bewirtschaftet werden, sondern in Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden Mittel.470 Liquiditätsengpässe treten häufig durch Ausgabenkonkurrenz zu anderen Zwecken auf. Selbst Zweckbindungen können in einem

469 Vgl. Böttcher/Blattner (2013), S. 158 f.

470 Vgl. Ockenga et al. (2016), S. 7

zumindest in Teilen steuerfinanzierten System über die Zeit wieder ausgesetzt bzw. verringert werden.471 Dieser Umstand kann gerade bei langfristig angelegten Infrastrukturprojekten zu wesentlichen Terminverzögerungen führen.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass in der Haushaltsfinanzierung (vgl. Kapitel 9) aufgrund des Jährlichkeitsprinzips kaum die Möglichkeit besteht, den für einen effizienten Bauablauf oder für ein optimales Erhaltungsmanagement notwendigen Liquiditätsbedarf zu decken.472 Diese Probleme werden voraussichtlich auch nach erfolgreicher Umsetzung der Reform nicht ausgeschlossen sein, da die Finanzierungsstruktur im Wesentlichen beibehalten wird.

Demgegenüber wird durch die private Finanzierung eine Finanzierung unabhängig vom Haus-halt dargestellt. Diese unterstützt einerseits die zügige Umsetzung der Planungs- und Bau-phase und ermöglicht andererseits die Etablierung eines langfristig angelegten und somit auch effizienterem Erhaltungsmanagement für den Betrieb der Infrastruktur.473

Ein Nachteil der privaten Finanzierung im Vergleich zur öffentlichen Finanzierung sind die hö-heren Finanzierungskosten. Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass mit der privaten Fi-nanzierung weitere vorteilhafte Funktionen (vgl. 7.2 bis 7.6) verbunden sind. Aus diesem Grund erscheint ein unmittelbarer Kostenvergleich zwischen privater und öffentlicher Finan-zierung ohne eine Betrachtung der weiteren Funktionen nicht zielführend.

471 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2013), S. 174

472 Vgl. Böger (2010), S. 95

473 Vgl. Klatt (2011), S. 158

7.1.4 Die Funktion im Überblick

Tabelle 13: Funktionssteckbrief "Liquiditätsbereitstellungsfunktion"

Titel: Liquiditätsbereitstellungsfunktion

Kurzbeschreibung: Die Liquiditätsbereitstellungsfunktion beinhaltet Aktivitäten, die für eine zeit- und bedarfsgerechte Bereitstellung notwen-diger Liquidität für das Projekt sorgen. Diese erfolgt auch bei evtl. Baukostenerhöhungen über das ursprünglich vereinbarte Finanzierungsvolumen hinaus, solange die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit weiterhin gegeben ist.

Ziele des öAG: ▪ Terminsicherheit

▪ Verfügbarkeit

▪ Kostensicherheit

▪ Ressourceneffizienz Beeinflussende

Faktoren:

▪ Opportunitätskosten der privaten Kapitalgeber