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Teil 2: Funktionen der Finanzierung bei der Bewirtschaftung des Bundesautobahnnetzes

9.1 Modellparameter

9.1.2 Finanzierungsformen

Durch die Finanzierungsform wird einerseits definiert, welche Finanzierungsquellen zur Be-darfsdeckung im Bereich der BAB zur Verfügung stehen. Darüber hinaus werden durch die Wahl der Finanzierungsform allerdings auch Strukturen geschaffen, die das Bewirtschaftungs-modell umfassend beeinflussen können. Grundsätzlich bestehen zur Finanzierung von BAB auf Netzebene die in Abbildung 25 dargestellten Möglichkeiten.

546 Vgl. Weber/Alfen (2009), S. 69 f.

547 Bei Privatisierungen besteht für die Privaten – anders als zuvor bei den öffentlichen Unternehmen - die Möglichkeit ihre Rechtsform beliebig zu wählen, z. B. auch die Offene Handelsgesellschaft (OHG) oder eine Kommanditgesellschaft (KG).

548 Vgl. Weber/Alfen (2009), S. 70 f.

Abbildung 25: Möglichkeiten zur Finanzierung der BAB

Haushaltsfinanzierung: Hinter der Haushaltsfinanzierung verbirgt sich die „klassische“ Fi-nanzierung aus Steuermitteln549 des Bundeshaushalts. Die Höhe der zugewiesenen Haus-haltsmittel, z. B. für die Bewirtschaftung der BAB, richtet sich nach dem jeweils für das Kalen-derjahr aufgestellte und durch das Parlament beschlossene Haushaltsgesetz (Prinzip der Jährlichkeit).550

Die Verwendung von Steuermitteln unterliegt gemäß § 7 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) grundsätzlich dem Gesamtdeckungsprinzip, der sogenannten Non-Affektation. Das bedeutet, dass Steuermittel unabhängig von ihrer Einnahmequelle zu verwenden sind. Dadurch sollen die Flexibilität und die Gestaltungsfreiheit des Parlaments in der Verwendung der Steuerein-nahmen sichergestellt werden. Allerdings sind Abweichungen von diesem Prinzip über Zweck-bindungen möglich. Bei diesen werden einzelne Einnahmekategorien bestimmten Ausgaben zugeordnet. Die Voraussetzung einer Zweckbindung ist die Fixierung dessen in einem Gesetz.

Ein Beispiel für eine Zweckbindung bilden Teile der Energiesteuer im Verkehr, die zur Hälfte für die gemäß § 1 Straßenbaufinanzierungsgesetz (StrFinG) dem Straßenwesen zufließen sol-len. Diese Zweckbindung kann allerdings und wurde auch in der Vergangenheit regelmäßig durch die jährlichen Haushaltsgesetze zumindest in Teilen wieder ausgehebelt. Insofern ste-hen selbst die gesetzlicste-hen Zweckbindungen vor dem Vorbehalt der jährlicste-hen Haushaltsge-setzgebung. Die einzige Möglichkeit einer dauerhaft beständigen Zweckbindung wäre die Ver-ankerung im Grundgesetz (GG).551

Eine weitere Möglichkeit Haushaltsmittel langfristig einem zuvor definierten Zweck zuzuführen besteht über langfristig angelegte vertragliche Bindungen, sogenannten

549 Neben Steuern fließen auch Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben in den Haushalt ein. Der Ein-fachheit halber wird hier im Folgenden die Begrifflichkeit Steuern i. S. d. Summe der Einnahmen des Haushalts verwendet.

550 Vgl. Klatt (2011), S. 118

551 Vgl. Bundesrechnungshof (2016), S. 40 f.

Finanzierungsvereinbarungen. Im Rahmen von Finanzierungsvereinbarungen werden Ver-pflichtungsermächtigungen552 in den Haushalt eingestellt, durch welche die Zuteilung der not-wendigen Haushaltsmittel über die gesamte Vertragslaufzeit sichergestellt wird. Im Bundes-fernstraßenbau geht der Bund diese bereits bei ÖPP-Projekten ein. Die wohl prominenteste Finanzierungsvereinbarung ist jedoch vermutlich die Leistungs- und Finanzierungsvereinba-rung (LuFV), die zwischen Bund und der Deutschen Bahn AG (DBAG) geschlossen wird.

Grundsätzlich muss für die Finanzierungsvereinbarungen genau definiert werden, in welchem Umfang die Mittel langfristig bereitgestellt werden sollen und welche Leistungen dafür als Ge-genleistung erbracht werden müssen. Gerade die objektive Feststellung der durch die DBAG über einen langen Zeitraum erbrachten Leistungen hat bei der LuFV in der Vergangenheit häufig zu Problemen und intensiven Diskussionen geführt.553

Im Rahmen einer rechtlich eigenständigen Organisationsform (AöR, GmbH oder AG) besteht zudem durch haushaltsrechtliche Regelung die Möglichkeit Liquiditätshilfen als Darlehen aus dem Haushalt zu gewähren.554

Nutzerfinanzierung: Anders als bei der Steuerfinanzierung resultieren bei der Nutzerfinan-zierung die erforderlichen Einnahmen zur Deckung der Planungs-, Bau- und Betriebskosten aus Entgelten, die unmittelbar durch die Nutzer getragen werden.555

Die Nutzerfinanzierung unterliegt nicht dem Prinzip der Non-Affektation, da diese üblicher-weise als Gebühr ausgestaltet wird. Eine Gebühr beschreibt eine Geldleistung, die einer indi-viduell zurechenbaren Leistung gegenübersteht und die dazu bestimmt ist, die Kosten dieser Leistung zu decken. Insofern ist mit der Nutzerfinanzierung eine haushaltsfeste und somit ef-fektivere Zweckbindung der Mittel möglich.556

Grundsätzlich gilt - solange die Nutzerentgelte direkt in die Infrastruktur fließen - das Prinzip von Leistung (leistungsfähige Infrastruktur) und Gegenleistung (gezahlter Preis), auch Äquiva-lenzprinzip genannt. In diesem bilden Leistungsbereitstellung und Inanspruchnahme einen Fi-nanzierungskreislauf, indem die tatsächlichen Wegekosten widergespiegelt und sich das An-gebot an der Nachfrage orientieren können.557

Für die vorliegende Arbeit gilt eine Finanzierungsform nur als Nutzerfinanzierung, wenn die Infrastrukturgesellschaft auch tatsächlich einen unmittelbaren Anspruch auf die Mauteinnah-men der Nutzer hat. Dies kann entweder durch die Bestellung eines Nießbrauchs erfolgen oder aber indem die Gesellschaft als Eigentümerin der Infrastruktur direkt Gläubigerin der Mauteinnahmen wird.558

Der Nießbrauch ist gemäß § 1030 BGB das Recht, anstelle des Eigentümers (dem Bund) den Nutzen aus einer Sache zu ziehen. Dadurch wird die Gesellschaft zur wirtschaftlichen

552 Verpflichtungsermächtigungen sind in § 38 BHO geregelt und verpflichten den Bund zur Leistung von Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren.

553 Vgl. Bundesrechnungshof (2016), S. 41

554 Vgl. Bundesrechnungshof (2016), S. 50

555 Vgl. Weber/Alfen (2009), S. 82

556 Vgl. Schneebecke (2014), S. 12

557 Vgl. VIFG (2019); vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadt-entwicklung (2013), S. 167

558 Eine Finanzierung durch Nutzerentgelte, die wie bei der aktuellen Finanzierungsform der Autobahn Gmbh durch den Bundeshaushalt geleitet wird, würde demzufolge nicht dazu gehören.

Eigentümerin der BAB. Dies hat neben dem Anspruch auf die Mauteinnahmen u. a. zur Kon-sequenz, dass die Gesellschaft dieses Recht (Nießbrauchsrecht) gemäß § 246 Absatz 1 HGB auch in ihrer Bilanz ausweisen muss. Die rechtlichen Eigentumsverhältnisse bleiben vom Nießbrauch unberührt und verbleiben beim Bund.559

Als unmittelbare Gläubigerin der Mauteinnahmen gilt die Gesellschaft für die vorliegende Ar-beit dann, wenn sie die Mauteinnahmen direkt von den Nutzern erhebt und nicht nur die wirt-schaftliche, sondern auch rechtliche Eigentümerin der Infrastruktur ist. Dieses hat hinsichtlich der Bilanzierung gemäß § 246 Absatz 1 HGB zur Konsequenz, dass das Eigentum an der Infrastruktur als Vermögen verbucht werden muss.

Nutzerentgelte im Bereich der Fernstraßen können v. a. aus den folgenden Bereichen gene-riert werden:

• Lkw-Maut,

• Pkw-Maut („Infrastrukturabgabe“),

• sonstige Erlöse (z. B. perspektivisch der Betrieb von Ladeinfrastruktur oder Breit-band).

Eine flächendeckende Nutzerfinanzierung existiert in Deutschland bisher ausschließlich mit der Lkw-Maut.560 Bei privat finanzierten Infrastrukturmaßnahmen, ÖPP-Modelle in Ausgestal-tung eines F-Modells (vgl. 2.2.2.1), können den Privaten gemäß FStrPrivFinG die Refinanzie-rung durch die Erhebung einer Maut direkt vom Nutzer eingeräumt werden. Eine flächende-ckende Pkw-Maut ist bis dato nicht umgesetzt worden.561 Darüber hinaus ist es grundsätzlich denkbar die Nutzerfinanzierung auf weitere Bereiche, die über reine Straßennutzungsgebüh-ren hinausgehen, auszuweiten. Denkbar wäre es beispielsweise zusätzliche Erlöse durch den öffentlichen Betrieb von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zu erzielen.

Neben der reinen Liquiditätsbereitstellung kann Nutzerfinanzierung allerdings auch weitere Funktionen in einem Bewirtschaftungsmodell erfüllen. Dazu gehören z. B. die Schaffung einer Daten- und Informationsbasis (insbesondere bzgl. der Nachfrage) oder die Lenkung des Ver-kehrs durch differenzierte Preismechanismen.562

Private Finanzierung

Sollten sich die Finanzierungsquellen zur Erfüllung der Aufgaben, unabhängig von den Eigen-tumsverhältnissen, außerhalb des öffentlichen Haushaltes befinden, so wird von finanzwirt-schaftlicher Privatisierung gesprochen.563

Auf der einen Seite können private Finanzierungen über den Bankenmarkt dargestellt werden.

Bei diesen werden Fremdkapitalmittel ausschließlich von Banken beschafft. Die Bankkredite

559 Vgl. Vogt/Roth (2019), S. 122 ff.

560 Die Einnahmen aus der Lkw-Maut wurden nach der Einführung 2005 zunächst für den gesamten Verkehrssektor verwendet. Seit 2011 werden die Einnahmen ausschließlich für die Straße verwen-det.

561 Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) vom 18.06.2019 wurde das deutsche Konzept für eine Pkw-Maut als nicht vereinbar mit EU-Recht eingestuft.

562 Vgl. Schneebecke (2014), S. 12 f.

563 Vgl. Weber/Alfen (2009), S. 68

werden individuell verhandelt und unmittelbar zwischen Darlehensnehmer und der darlehens-gebenden Bank vertraglich vereinbart (vgl. Kapitel 4.1.2).

Auf der anderen Seite besteht die Möglichkeit Finanzierungen über den Kapitalmarkt darzu-stellen. Der Kapitalmarkt wird durch einen Markt definiert, an dem Kapital zwischen Marktteil-nehmern jeglicher Art gemäß dem Prinzip von Angebot und Nachfrage gehandelt werden kann. Dabei spielen Banken üblicherweise nur eine Rolle als Intermediär und treten nicht selbst in der Funktion eines Kapitalgebers auf. Die Kapitalmärkte können in öffentliche und private Kapitalmärkte unterschieden werden.564

Öffentliche Kapitalmärkte zeichnen sich durch eine hohe Liquidität bzw. Handelbarkeit an einer Börse (Preisbestimmung), hohe Regeldichte und ein hohes Maß an Transparenz aus. Auf öf-fentlichen Kapitalmärkten kann einerseits börsennotiertes Eigenkapital auf sogenannten Ak-tienmärkten gehandelt werden. Andererseits können auf Rentenmärkten börsennotierte Anlei-hen gehandelt werden. In den börsennotierten Wertpapieren (Aktien, AnleiAnlei-hen) wird das Recht auf die zugrundeliegenden Vermögenswerte verbrieft. Eine unmittelbare Beziehung zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer besteht hingegen nicht und verbleibt üblicherweise ano-nym.565

Die privaten Kapitalmärkte zeichnen sich im Vergleich zu öffentlichen Kapitalmärkten durch ein deutlich geringeres Maß an Regulierung aus. Auf den privaten Kapitalmärkten kann eben-falls sowohl Eigenkapital, in Form von nicht börsennotierten Beteiligungen („private equity“), als auch Fremdkapital, z. B. in Form von Schuldscheinen („private debt“), beschafft werden.

Dabei werden die rechtlichen Beziehungen zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer durch einen direkten bilateralen Vertrag abseits einer Börse („private placement“) definiert. Üblicher-weise besteht vor und nach Abschluss der vertraglichen Bindung ein enger Austausch zwi-schen beiden Parteien.566 Bei den Marktteilnehmern auf privaten Kapitalmärkten handelt es sich üblicherweise um professionelle und qualifizierte Investoren.

Die in Abschnitt 9.1.1 diskutierten Organisationsformen haben maßgeblichen Einfluss auf die Verfügbarkeit der privaten Finanzierung. So wird durch diese z. B. definiert, ob die mit der Verwaltung der BAB betraute Institution kreditfähig ist (GmbH und AG) und ob ihr theoretisch bzw. rechtlich der Zugang zu den öffentlichen Kapitalmärkten gewährt wird (i. d. R. nur AG).

Neben der theoretischen bzw. rechtlichen Zulässigkeit von Finanzierungen über den (öffentli-chen) Kapitalmarkt, spielt allerdings auch die Kapitalmarktfähigkeit eine Rolle. Bei dieser han-delt es sich darum, ob z. B. das Geschäftsmodell und die Governance des Unternehmens den hohen Anforderungen des Kapitalmarkts (z. B. hinsichtlich Publizitätspflichten) gerecht werden können.567

Sollte die mit der Bewirtschaftung betraute Organisation Fremdkapital von Dritten aufnehmen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass der Bund für die Zahlungen gegenüber diesen Dritten garantiert. In diesem Fall wird auch von einer Staatsgarantie gesprochen. Im Zuge dieser erfolgt eine Bonitätsleihe des Bundes an die Organisation, was im Ergebnis für

564 Vgl. Achleitner et al. (2011), S. 22 f.

565 Vgl. Bundesverband deutscher Banken e. V. (2013), S. 3 f.; vgl. Achleitner et al. (2011), S. 22 f.

566 Vgl. Achleitner et al. (2011), S. 22 f.

567 Vgl. Bundesverband deutscher Banken e. V. (2013), S. 4 ff.

günstigere Finanzierungskonditionen sorgen kann.568 Inwiefern sich ein solches Konstrukt auf die Funktionen privater Finanzierung auswirkt, wird im Rahmen der Analyse und Bewertung der Bewirtschaftungsmodelle adressiert.

Mischfinanzierung

Anders als bei der Wahl der Organisationsform, bei der eine exklusive Entscheidung getroffen werden muss, besteht bei der Finanzierungsform die Möglichkeit auf Mischfinanzierungen zu-rückzugreifen. Mischfinanzierungen beschreiben Kombinationen aus den o. g. Finanzierungs-formen. Dabei sind v. a. die folgenden Kombinationen als sinnvoll zu erachten:

• Haushaltsfinanzierung und Nutzerfinanzierung,

• private Finanzierung und Nutzerfinanzierung569.

Eine Kombination aus Haushaltsfinanzierung und privater Finanzierung erscheint hingegen unrealistisch. Dies ist v. a. darauf zurückzuführen, dass aus Sicht eines privaten Investors ein berechenbares Geschäftsmodell unabdingbar für die Vereinbarung einer privaten Finanzie-rung ist. Bei hohen Abhängigkeiten von der jährlichen Haushaltsgesetzgebung wird dies übli-cherweise nicht gegeben sein. Aus Sicht der öffentlichen Hand ist diese Kombination u. a.

aufgrund des Haushaltsrechts (z. B. beihilferechtliche Aspekte) mit großen Schwierigkeiten verbunden.

Für die folgenden Analysen sind insbesondere die Varianten mit Haushalts- und Nutzerfinan-zierung (Realmodell) sowie NutzerfinanNutzerfinan-zierung und private FinanNutzerfinan-zierung (Referenzmodell 1 und 2) von Relevanz.