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Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Neemholz in Indien eine suffiziente Alternative zur Zahnbürste darstellt. Zudem besitzt es mehrere Vorteile gegenüber der Zahnbürste. Es ist jederzeit und nahezu überall frisch verfügbar, ein eindeutiger hygienischer Vorteil. Seine Inhaltsstoffe besitzen eine antiphlogistische Wirkung, seine Bestandteile lassen sich zur weiteren Mundhygiene in Form eines Zahnholzes und Zungenschabers verwenden. Das Zerbeißen des Stockes ist ein gutes Training für Parodont und Zahnfleisch. Viele traditionell angewandte, sinnvolle Methoden in allen Bereichen geraten mehr und mehr in Vergessenheit. Dies zeigte sich auch in der Befragung, bei der nur 3,7 Prozent der Befragten das traditionelle Zahnholz zur Reinigung angaben. Eine Orientierung nach westlichen Verhalten beziehungsweise Reinigung mit der „modernen“ Zahnbürste bleibt aber bei falscher Handhabung nutzlos. Die hier nachgewiesen gleichwertige Effizienz der traditionellen Methode des Zahnholzes gegenüber der Zahnbürste ist sinnvoll für die Arbeit in der

zahnmedizinischen Prophylaxe. Diese Methode ist seit Jahrhunderten in der

indischen Tradition verankert und kann den Menschen deshalb leichter wieder nahe gebracht werden. Die Anschaffung ist kostenlos oder günstig, was ein ökonomischer Vorteil für die überwiegend arme Bevölkerung ist. Zusammenfassend stimmen diese Schlussfolgerungen mit den Aussagen von Enwonwu und Anyanwu (1985) überein, die das Zahnholz aus ökonomischen und kulturellen Gründen gegenüber der

Zahnbürste für Entwicklungsländer empfehlen. Wie sich auch in dieser Studie zeigte, ist es gleichgültig mit welchen Hilfsmitteln die Zahnreinigung erfolgt, wenn dabei bestimmte Regeln beachtet werden, die vom Patienten Ausdauer, Geduld und Geschicklichkeit verlangen. Das gemeinsame Ziel der Mundhygienemaßnahmen ist die Entfernung der Plaque als Prävention vor Erkrankungen der Zahnhartsubstanz und des Zahnhalteapparates (Ulbricht (1977)).

Um langfristig eine Verbesserung des zahnmedizinischen Gesundheitsstatus zu erreichen, müssen neben der zahnärztlichen Grundversorgung Aufklärung und Vorsorgeuntersuchungen zur Vermeidung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten erfolgen. Diese Aufgaben werden von dem derzeitigen Gesundheitswesen nicht erfüllt. Auch in der durchgeführten Studie war die Reinigungsleistung nach fünf Wochen im Gesamtergebnis nicht zufrieden stellend und fordert weitere

Anleitung und Kontrolle; ein Prozess, der sich langfristig rentieren wird. Motiviert von dem Ergebnis der hier vorliegenden Studie haben sich die Lehrer und der beteiligte Zahnarzt bereit erklärt, diese Maßnahmen nach den dort gegebenen Möglichkeiten in größeren Zeitabständen weiter durchzuführen.

Eine Möglichkeit, die Prophylaxemaßnahmen in Indien zu verbessern, wäre, ähnlich wie in Deutschland, in allen Bundesstaaten spezielle Landesarbeitsgemeinschaften zur Verhütung von Zahnerkrankungen zu bilden. Da in Indien immer noch das Pro-blem der Divergenz zwischen den einzelnen Staaten herrscht, wäre ein Lösungs-ansatz, dass zwar ein gemeinsamer gesetzlicher Auftrag besteht, aber jede Landesarbeitsgemeinschaft diesen in der Ausführung anders gestalten kann.

Speziell ausgebildete Prophylaxehelfer der Landesarbeitsgemeinschaften mit Unterstützung von angestellten Zahnärzten, können so mehrmals im Jahr

Kindergärten und Grundschulen besuchen und neben der reinen Prophylaxe auch Ernährungsberatung und Angstabbau lehren. Um die kommende Generation der Inder zu erreichen, sind die Schulen, speziell die Grundschule und wenn vorhanden, die Kindergärten, der beste Ansatz. Eine Studie aus Norwegen bestätigt die

Aussage: Wenn Schulkinder an Vorbeugungsprogrammen gegen Zahnkrankheiten teilnehmen, spielt dieses Faktum eine viel stärkere Rolle als die jeweiligen sozialen Verhältnisse (Anke (1977)). Wie in Deutschland sollten die Besuche im Sinne eines bedarfsgerechten Einsatzes nach den Sozialstruktur- und Kariesdaten des Landes ausgerichtet sein, möglicherweise sogar mit dentalen Einsatzfahrzeugen. Zusätzlich sollten geschulte Personen vor Ort vorhanden sein. Allerdings erschweren Verkehrs- und Transportprobleme in ländlichen Gebieten diese Besuche. Fast 50 Prozent der Dörfer sind noch ohne Anschluss an das Straßennetz (Abbildung 8.1). Hier wird der Verkehr nach wie vor mit Ochsenkarren und Fahrradrikschas geregelt. Dieses Problem wurde 2000 von Thomas et al. untersucht, wobei sie zu dem Schluss kamen, dass Lehrer in Schulen am besten geeignet wären, die Kinder kontinuierlich in der zahnmedizinischen Prophylaxe zu unterrichten.

Abb. 8.1: Transport in Padhar

Auch die Unterweisung der Erwachsenen, speziell der Eltern, ist von hoher Wichtigkeit. Nach einer Studie von Mascarenhas (1998) ist ein hauptsächlicher Risikofaktor für Karies in Indien neben der vernachlässigten Mundhygiene der Stand der Bildung der Eltern. Wie in der vorliegenden Studie gezeigt wurde, lernt der Großteil der befragten Personen (84,6 Prozent) die Reinigungsmethode von den Eltern beziehungsweise der Familie. Aber bereits vor dieser Zeit ist die Bildung der Eltern speziell die der Mutter wichtig. Die richtige Praxis der Säuglingsernährung ist essentiell für eine spätere Zahngesundheit der Kinder. Gerade bei Müttern und Jugendlichen ist die Vermittlung von Kenntnissen über zahnärztliche Prophylaxe wichtig, sie haben zudem die Schlüsselposition, Verhaltensänderungen in ihre Familien einzubringen. So ist auch die Ausbildung von Krankenschwestern in zahnärztlicher Prophylaxe sehr sinnvoll, um bereits in der Säuglingsstation der Hospitäler mit der zahnärztlichen Prophylaxe zu beginnen.

Ein solches Projekt wurde von Happ (2001) im Rahmen der Aktionsgemeinschaft Arzt- und Zahnarzthilfe in Nyabondo, Kenia, durchgeführt, wo fachliche zahnärztliche Hilfe zur Selbsthilfe zur langfristigen Verbesserung des Wissens und Handelns der Bevölkerung zur Vermeidung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten gegeben wurde. In diesem Projekt wurden Krankenschwestern von Vertretern der

Aktionsgemeinschaft Arzt- und Zahnarzthilfe in zahnärztlicher Prophylaxe ausgebildet, die wiederum ihr Wissen an Schwesternschülerinnen weitergeben sollen. So ausgebildete Krankenschwestern können dann im Rahmen ihrer

Berufs-tätigkeit ihr Wissen in den Gemeinden oder Schulen vor Ort an die Bevölkerung weitergeben.

Vieles spricht derzeit dafür, dass sich die bestehenden Verhältnisse in der zahnmedi-zinischen Prophylaxe und somit auch im Mundhygienebewusstsein der Inder in den kommenden Jahren zum Besseren verändern werden. Die indische Regierung wird weiterhin versuchen, mehr Personengruppen in der zahnmedizinischen Prophylaxe auszubilden, um größere Bevölkerungsteile zu erreichen. Dabei sollte auch beachtet werden, dass infolge der höheren Lebenserwartung auch vermehrt ältere Personen zu berücksichtigen sind. Eine Hinwendung zu der Fragestellung, wie solche

Reformprogramme effektiv in die Realität umgesetzt werden können, wird die Folge sein müssen. Ebenso werden allgemeinmedizinische Aspekte zu beachten sein, um geeignete Grundlagen einer zahnmedizinischen Versorgung zu schaffen.

Die Stärke der indischen Gesellschaft liegt in ihrer sozialen, kulturellen und religiösen Infrastruktur. Dieser Gesichtspunkt sollte ausgenutzt werden, um in den Lebensstil der Menschen zur Durchführung effektiver zahnmedizinischer Prävention

einzugreifen (Bhat et al. (1999)). Eine Reintegration traditioneller Methoden wie dem Zahnholz in bestehende und geplante Mundgesundheitsprogramme ist dabei sehr empfehlenswert. Es ist anzunehmen und zu hoffen, dass in diesem Zusammenhang die Prophylaxe der Zahnkaries und der Parodontitis weiter in den Vordergrund des allgemeinen Interesses rückt, ein Interesse, das dem Wohl der indischen Patienten zugute kommen wird (Abbildung 8.2).

Abb. 8.2: Kinder in Padhar