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5.5 Auswirkungen auf Arten bzw. Sippen mit besonderer

5.5.1 Schierlings-Wasserfenchel (Oenanthe conioides)

Standortansprüche sowie Vorkommen im Untersuchungsgebiet

Es wird auf die Angaben in Planergänzungsunterlage II, Teil 5.1 und 5.2 Bezug genommen. Dort sind die Standortansprüche und die Vorkommen im UG ausführlich auf Grundlage einer umfassenden Da-tenauswertung und mehrjähriger Untersuchungen dargestellt.

Der Schierlings-Wasserfenchel wächst als Lokal-Endemit an der Unterelbe an naturnahen Standorten im Bereich zwischen -0,2 bis -1,3 m unter MThw (95% der Standorte) an flachen Böschungen (nicht steiler als 1:3) und fällt dort zweimal täglich für mehrere Stunden trocken bzw. wird für mehrere Stun-den überflutet. Seine aktuelle Verbreitung an Stun-den Ufern der Tideelbe reicht vom Wehr Geesthacht bis mindestens nach unterstrom bei Glückstadt (etwa Elbe-km 685). Entlang der über 100 km langen Verbreitungstrecke (ohne Berücksichtigung der Vorkommen in tidebeeinflussten Nebenflüssen) herr-schen unterschiedliche Tidewasserstandsschwankungen und Überflutungs- bzw. Ebbezeiten.

Der Schierlings-Wasserfenchel benötigt strömungsgeschützte Buchten, z. B. Prielerweiterungen mit Schlickterrassen oder Flächen zwischen Buhnen. Ebenso geeignet sind strömungsberuhigte Bereiche am Ende von größeren Prielen und die Ufer kleiner Seitenpriele. Im Tide-Auwald liegende Senken werden ebenfalls besiedelt. Nicht geeignet sind ungeschützte, strömungs- und wellenexponierte Be-reiche direkt am Elbufer und Flächen an den Seiten von größeren Prielen, die direkt einer stärkeren Strömung beim Ein- und Ausströmen der Tide ausgesetzt sind. Auf derart beschaffenen Flächen wur-den zwar im Rahmen des langjährigen Monitorings (vgl. Planergänzungsunterlage II, Teil 5.1) einzel-ne Standorte festgestellt, dies stellt jedoch eieinzel-ne Ausnahme dar.

Ideal für den Schierlings-Wasserfenchel ist tief- bis flachgründiger, fester Schlick oder mit Sand durchmischter Schlick. Nicht als naturnahe (natürliche) Standorte geeignet sind sowohl weicher, tief-gründiger Schlick (Substrat zu weich, Pflanze kann hier nicht wurzeln) als auch Deckwerke und Stein-schüttungen (schlechte Möglichkeit zum Anwachsen und Überdauern bis zur nächsten Vegetationspe-riode).

Prognose bei Durchführung des Vorhabens

Vorhabensbedingte Veränderungen der Tidewasserstände

Der Schierlings-Wasserfenchel besiedelt obligat Uferabschnitte unter MThw und toleriert eine bis vier Stunden andauernde Überflutung je Tidezyklus. Unter Bezug zum MThw und zu 95% der Standorte (s.o.) ist Oenanthe conioides an deutliche Wasserstandsschwankungen von mehreren Dezimetern angepasst. Die Art besiedelt einen Wechselwasserbereich mit 1,1 m23 Schwankungshöhe zwischen

23 NLWKN (2011) gibt die Höhenlage in Bezug zum MThw mit „in Höhen von ca. 30-170 cm unter MThw“ an, entsprechend 1,4 m Schwankungshöhe im regelmäßigen mittleren Tideverlauf.

MThw und MTnw und wird von Ellenberg & Leuschner (2010) mit der Feuchtezahl „10“ nicht (mehr) zu den überflutungstoleranten Landpflanzen gestellt, sondern zu den Wasserpflanzen mit Anpassung an starke Wasserstandsschwankungen: „Wasserpflanze, die längere Zeiten auch ohne Wasserbede-ckung des Bodens überlebt“ (Ellenberg & Leuschner 2010).

Auswirkungen auf den Schierlings-Wasserfenchel durch vorhabensbedingte Veränderungen der Ti-dewasserstände werden im UG nicht auftreten. Denn erstens betragen die Änderungen des MThw nur wenige Zentimeter (bis zu 3 cm)24, was eher, jedenfalls rechnerisch, als Vergrößerung des Wuchsbe-reichs zum MThw interpretiert werden kann, und zweitens sind die ebenfalls geringen Änderungen des MTnw für die Art ohne Bedeutung, weil sie so tief nicht vorkommt. Die Änderungen der Überflu-tungsdauer (Dauer des Flutstroms) liegen nach Unterlage H.1a zwischen Elbe-km 690 bis Geesthacht (km 586) im kleinen Minutenbereich (zumeist Abnahmen um eine Minute) und liegen relativ zur Schwankungsbreite der mittleren Flutdauer im unteren (max. 1,2 %) bis untersten Prozentbereich (0,3 %).

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass bei Hochwässern von oberstrom oder Kettensturmtiden die Standorte mehrere Tage unter Wasser bleiben, bei Ostwind und niedrigem Abfluss können Standorte mehrere Stunden länger trocken fallen als unter mittleren Tidebedingungen.

Vorhabensbedingte Veränderungen der Strömungsgeschwindigkeiten

Ausweislich der o.g. Standortansprüche wächst der Schierlings-Wasserfenchel in strömungsberuhig-ten und meist geschützströmungsberuhig-ten Bereichen, an denen auch höhere Individuenanzahlen festgestellt werden gegenüber eher pessimalen, mehr der Strömung ausgesetzten Wuchsorten. Strömungsexponierte Standorte werden von Oenanthe conioides nicht und wenn nur kurz mit wenigen Exemplaren besie-delt. Es sind keine typischen Standorte.

Soweit ufernahe Standorte im Schilf (dort in Lücken) vorkommen gilt zudem, dass der umliegende Bestand der Tide-Röhrichte die Geschwindigkeit des Wassers bremst. Die Geschwindigkeit, mit der das Wasser in die Vegetation eindringt, wird durch den Widerstand der Pflanzenstängel gebremst.

Vor dem Hintergrund der ohnehin als gering einzuordnenden vorhabensbedingten Veränderungen der Strömungsgeschwindigkeiten25 einerseits und der an den „ufernahen“ Wuchsorten von Oenanthe conioides vorhabensbedingt überwiegend zu erwartenden Abnahmen der Tideströmungsgeschwin-digkeiten andererseits sind über diesen Wirkpfad keine Auswirkungen begründet.

Vorhabensbedingte Veränderungen des Schwebstoffregimes und des Geschiebetransports

Die Planergänzungsunterlage II, Teil 5.1 (dort Kap. 4.3) setzt sich umfassend mit Sedimentation und Schwebstoffgehalten auseinander. Wie ausgeführt, ist Sedimentation in strömungsberuhigten Berei-chen, die für den Schierlings-Wasserfenchel typische Standorte sind, ein natürlicher Prozess. Dabei kann es wegen der Autökologie der Art dahingestellt bleiben, ob es zu einer vorhabensbedingten Zu-nahme der Schwebstoffkonzentration und der Sedimentationstendenzen kommen kann, weil solche Prozesse langfristig wirken, der Schierlings-Wasserfenchel als zweijährige Pionierart jedoch kurzfristig geeignete Wuchsorte besiedelt. Überdies ist Sedimentation an Standorten des Schierlings-Wasserfenchels als langsamer Prozess nicht einseitig gerichtet. Singuläre und aperiodisch wiederkeh-rende Witterungs- und Tideereignisse führen in Ästuarien immer wieder zu gegenteiligen Prozessen mit Erosion und Sedimentaustrag (und auch zur Freilegung von Samen). Auch an diese Ereignisse ist der Schierlings-Wasserfenchel angepasst. Schon wegen dieser naturschutzfachlichen Sachverhalte stellt eine Zunahme von Sedimentation an Standorten der Art grundsätzlich keine Beeinträchtigung

24 Unter den von der BAW gewählten Randbedingungen im Worst case mit einem niedrigen, häufigsten Oberwasser

25 Diese Änderungen sind im Übrigen tendenziell theoretischer Natur und bewegen sich im Bereich der ersten Umschläge der Farbskala (< +/- 0,055 m/sec) also im einstelligen Zentimeterbereich (Unterlage H.4a, Anlage 4).

dar. Die im Weiteren aus einer Zunahme der Sedimentation ggf. resultierende Zunahme von konkur-renzstarkem Schilf wird weiter unten thematisiert.

Eine Sensitivität der Art gegenüber vorhabensbedingten Veränderungen des Schwebstoffregimes und des Geschiebetransports ist damit nicht gegeben. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass Oenanthe conioides außerhalb der Wirkreichweite vorhabensbedingter Veränderungen des Geschiebetranspor-tes wächst, der sich auf die Strommitte und das tiefe Wasser konzentriert, sodass diese Vorhabenswirkung für die Art nicht relevant ist.

Vorhabensbedingte Veränderungen der Salinität

In Planergänzungsunterlage II, Teil 5.1 (dort Kap. 4.1) erfolgt eine ausführliche Befassung zu diesem Wirkfaktor im Kontext der Standortansprüche der Art. Dort wird festgestellt, dass es bislang keine Untersuchungen zur Abhängigkeit der Verbreitung des Schierlings-Wasserfenchels vom Salzgehalt des Poren- und des Oberflächenwassers am Wuchsort gibt. Untersuchungen von Jensch und Poschlod (2008) stellen nur die Abhängigkeit der Keimfähigkeit von der Salinität dar. Dass es sich beim Schierlings-Wasserfenchel um eine vorwiegend im Süßwasserbereich der Tideelbe vorkommen-de Pflanze hanvorkommen-delt, wird aus ihrer Verbreitung an vorkommen-der Tivorkommen-deelbe abgeleitet: Der Schierlings-Wasserfenchel wächst zwischen Geesthacht bis elbeabwärts auf Höhe der Störmündung, mithin so-wohl im limnischen als auch im oligohalinen Oberflächenwasserkörper. Ihren Verbreitungsschwer-punkt hat die Art offensichtlich im limnischen OWK Elbe-Ost.

Ähnlich verhält es sich mit den Zeigerwerten nach Ellenberg, die von ökologischen und botanischen Beobachtungen und Erfahrungen abgeleitete Kenngrößen für einzelne Pflanzenarten darstellen und nicht das Ergebnis von Labormessungen sind. Dies ist v. a. deshalb bedeutsam, da sich das reale Pflanzenvorkommen zu einem sehr großen Anteil aus der Konkurrenz zu anderen Pflanzenarten ergibt, d. h. der Vorkommensschwerpunkt nur selten mit dem physiologischen Optimum der Art zu-sammenfällt.

Die sog. Salzzahl nach Ellenberg & Leuschner (2010) drückt das Vorkommen der Arten im Gefälle der Salzkonzentration im Wurzelbereich aus (insbesondere Cl-Konzentration). Oenanthe conioides ist die Salzzahl S = 2 zugeordnet (oligohalin), was einem Salzgehaltsbereich von 0,05 bis zu 0,3 % (in etwa 0,5 bis 3 PSU) entspricht. Die Salzzahl ist nicht belegt und bedeutet nicht, dass höhere Salzkonzent-rationen lebensfeindlich für die Art sind oder gar der Wert von 3 PSU (so in BioConsult 2010 gesetzt) eine Toleranzschwelle darstellt. Es handelt sich lediglich um eine relative Abstufung nach dem Schwergewicht des Auftretens im Gelände. Die Ellenberg-Salzzahl sagt nichts über eine Verträglich-keit aus.

Keimungsversuche im Rahmen des E+E Vorhabens „Schierlings-Wasserfenchel“ ergaben, dass die Art auch bei Salzgehalten von 1 % (~10 PSU) noch gut keimt (Keimungsrate ca. 65 %). Der optimale Bereich der Keimung (in vitro) liegt bei einem Salzgehalt bis ca. 0,33 % (~3,3 PSU, Keimung 100 %) (Jensch und Poschlod 2008).

Kurz & Below (2012, S. 45) beziehen bei ihren Überlegungen zur Gefährdung der Art ebenfalls diese Keimungsversuche ein, konstatieren aber richtigerweise die fehlenden Untersuchungen, „ob sich die Art auch bei diesem Salzgehalt in der Konkurrenz behaupten kann und zum Fruchten kommt. Denk-bar wäre daher auch ein Zurückgehen der Art durch einen Anstieg des Salzgehaltes in der Unterelbe.

Dieses Thema ist jedoch sehr komplex zu bearbeiten. So kamen immerhin in der Störmündungs-schleife Individuen vor, die mit Sicherheit einem hohen Salzgehalt ausgesetzt sind. Sie standen dort allerdings relativ frei von Lichtkonkurrenz vor Abbruchkanten auf Schlick und nicht unter Weiden oder im Schilf. Es ist durchaus zu beobachten, dass Salzpflanzen mehr Licht (entspricht Energie) benöti-gen, um auf salzigen Standorten überleben zu können. Denkbar wäre also auch, dass der

Schierlings-Wasserfenchel bei erhöhtem Salzgehalt des Wassers eher der Konkurrenz um Licht erliegt.“ Aller-dings ist dieser Zusammenhang bisher nicht belegt.

Aus den bisherigen Kenntnissen kann lediglich abgleitet werden, dass der Salzgehalt im Komplex mit anderen Standorteigenschaften einschließlich Konkurrenz mit anderen höheren Pflanzen eine limitie-rende Rolle spielen kann.

Ergänzend sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Tideelbe zur Zeit der ersten Verbrei-tungsangaben zu Oenanthe conioides von Junge (1912, Untersuchungen 1911) und in den nachfol-genden Dekaden nur eingeschränkt limnisch war. Petermeier et al. (1996) weisen auf den Anstieg der Salzbelastung der Ober- und Mittelelbe infolge Einleitung von Bergbauabwässern seit den 1870er Jahren sowie auf Volk (1908) hin. Dieser „hat Chloridwerte der Elbe bei Hamburg (oberhalb der Brackwassergrenze“) angegeben und nennt in der „Elbe bei Hamburg“:

Jahr 1852-1870 1871 1875 1887 1889 1892 1893 CI- [mg/l] 18,5-29 7 59,3 85,2 116,0 218,4 483,0 693,1.

693 mg/l Chlorid charakterisieren etwa den Bereich des Wasserkörpers „Elbe-Übergangsgewässer“

unterhalb der Störmündung. Dieses deckt sich mit den bereits oben gemachten Angaben in Jensch &

Poschlod (2008), die zu dem Schluss kommen „Both Oenanthe taxa [gemeint sind Oenanthe conioides und Oenanthe aquatica] can tolerate an environment of brackish water and/or a high load of dissolved matter during germination which is comparable to other coastal species where germination is inhibited by 3.5–13% salinity“. Zusammengefasst stellen die Autoren fest, dass Oenanthe conioides im Vergleich mit der nahe verwandten Oenanthe aquatica besser an tidale Bedingungen angepasst ist und insofern quasi ein evolutives „Fine-Tuning“ stattgefunden hätte.

Im Maßstab der UVU (nicht im vorsorglichen und strengen Kontext des FFH-Gebietsschutzes wie bei BioConsult 2010 und nach Planergänzungsunterlage II, 5.1) ist es daher begründet, dass vorhabensbedingte Änderungen der Salinität ohne erhebliche Beeinträchtigungen für den Schierlings-Wasserfenchel bleiben. Doch selbst wenn dieses nach vorsorglichem Maßstab (hier unter FFH-Bezug) für Standorte der Art im unterstromigen Verbreitungsgebiet angenommen wird, sind nur weni-ge aktuelle Standorte im Abschnitt Elbe-km 670-680 überhaupt betroffen, nämlich vier (s. Planergän-zungsunterlage II, Teil 5.1, dort Tabelle 5-2). Bis auf den einen niedersächsischen Standort an der Wischhafener Süderelbe (2015: 10 Individuen) sind die übrigen drei schleswig-holsteinischen Standor-te an der GlückstädStandor-ter Nebenelbe und im UnStandor-terlauf der Stör nach 2009 ohne Nachweis. An allen drei Standorten zusammen kamen nie mehr als maximal 4 Individuen vor. Auf die lokale und endemische Population an der Tideelbe wirkt sich das Vorhaben über diesen Wirkfaktor nicht erheblich negativ aus. Weil langfristig und im FHH-Kontext wenige Standorte vorsorglich als betroffen angenommen werden, erfolgen ausgleichende Kohärenzsicherungsmaßnahmen (s. auch Planergänzungsunterlage II, Teil 5.2).

Auswirkungen durch Konkurrenz

Wegen der Empfindlichkeit der Art gegenüber konkurrenzstarken Schilf-Röhrichten werden in Planer-gänzungsunterlage II, Teil 5.1 synökologische Aspekte näher betrachtet. Darauf wird an dieser Stelle verwiesen.

Im Ergebnis wird festgestellt: „Die Röhrichtausbreitung hat in strömungsberuhigten Bereichen in der Vergangenheit teilweise stattgefunden, insgesamt aber zeigen die Untersuchungen der BfG (2004b) keine signifikanten Änderungen. Die Standorte der Art liegen an Übergangszonen am Röhrichtrand, an Prielenden, Buchten etc., in aller Regel aber nicht direkt an der äußeren Röhrichtfront der Ufer der Unterelbe. Ein Zuwachs der Röhrichte findet jedoch eher wasserseitig statt. Soweit Priele im Schilf mit Standorten des Schierlings-Wasserfenchels im ökotonen Übergangsbereich vorhanden sein können,

wachsen diese mit der Röhrichtsausdehung mit. Überhaupt ist eine Röhrichtsausbreitung, die sich langsam vollzieht, eher mit einer Vergrößerung potenzieller Habitate verbunden als das Gegenteil im Sinne einer Verdrängung des Schierlings-Wasserfenchels.“

5.5.2 Elbe-Schmiele (Deschampsia wibeliana)