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Begasungsexperimenten

Fall1 .

Die Waldföhre (Pinus silvestris)-hat sich in unseren Begasungsexperimenten als recht ozon-empfindliche Baumart herausgestellt. Um einen Effekt der experimentellen Bedingungen auf die Versuchspflanzen zu finden, wurden einzelne Töpfe auch ausserhalb der Begasungsanlage im Freiland aufgestellt. Als Bioindikator diente Inosit, eine zuckerähnliche Substanz, die viel-fach an Stressreaktionen von Pflanzen beteiligt ist, ohne dass man deren Rolle im Detail genauer kennt.

In diesem Versuch zeigte sich, dass der Ino-sitgehalt von Föhrennadeln bereits durch die experimentellen Randbedingungen ohne Ozon«

erniedrigt wird. Fügt man der Kammerluft zusätzlich Ozon bei, so fällt der Inositgehalt

76 FORUM für Wissen Werner Landolt noch weiter ab. Wird daher der Ozoneffekt, wie

er sich im Inositgehalt begaster Nadeln zeigt, als Stressindikator angesehen, so muss bereits die Exposition der Versuchspflanzen in den Kam-mern als Stress ,gewertet werden.

Aufgrund dieses Resultates muss damit gerechnet werden, dass die dem Ozon zuge-schriebenen Effekte eine Kombinationswirkung darstellen, an der auch die Kammerbedingun-gen beteiligt sind. Da man in der Regel solche Effekte nicht sucht, werden sie auch nicht gefunden. Unter Umständen können durch sol-che Einflüsse Schadstoffeffekte auf Pflanzen über- oder unterschätzt werden.

Fall 2 .

Im Rahmen des NFP 14+-Projektes «Negativ-begasung» wurde Rotklee an der Lägern wäh-rend vier Wochen in gefilterter und ungefilter-ter Standortsluft exponiert, nachdem er vorher an schadstofffreier Luft aufgezogen worden war.

Während dieser Exposition entwickelten ver-schiedene Blätter nekrotische Flecken. Eine multiple lineare Regression mit verschiedenen Schadstoffparametern in der Kammerluft zeigte, dass insgesamt 82 Prozent der aufgetretenen Schädigungen sich mit Ozon erklären liessen.

Eine Pappelhybride zeigte ebenfalls' eine starke Ozonempfindlichkeit, hingegen fehlte die Konzentrationsabhängígkeit wie beim Klee.

Uberstieg die 'mittlere Ozonkonzentration 50 μg/m3, so musste bei der Pappel mit einem Blattfall von etwa 40 Prozent gerechnet werden.

Beide Ozoneffekte, sowohl der mit Klee wie auch jener mit der Pappel, wurden in zwei verschiedenen Jahren während des Sommers durchgeführt und zeigten die gleichen Resul-tate. Damit war die wesentliche Forderung nach der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse erfüllt.

Im Sommerhalbjahr 1990 zogen wir im Gar-ten der WSL unter Freilandbedingungen Pap-pelstecklinge desselben Klons auf, um für wei-tere Begasungsversuche genügend Pflanzen-nachschub zu haben. Aufgrund der Meldungen in den Medien und auch unserer eigenen Mes-sungen war der Sommer 1990 ozonreich. Umso erstaunlicher war die Feststellung -am Ende der Vegetationszeit, dass kaum ein Blattverlust auf-getreten war und die im Freiland exponierten Pappeln praktisch das letzte Blatt am Stamm-ansatz noch behielten. Aufgrund der vorange-gangenen Resultate war dieses Ergebnis kaum zu erwarten. Offensichtlich mussten die unter-schiedlichen Expositionsbedingungen zu die-sem Resultat geführt haben. Um diese Frage genauer abzuklären, wurde der Begasungsver-such von der Lägern im Garten der WSL

noch-mals wiederholt. Stecklinge wurden in Töpfen und im Boden herangezogen, mit und ohne Vorexposition in gefilterter Aussenluft. Nach einem Monat zeigten' weder die Pflanzen in gefilterter noch in ungefilterter Umgebungsluft einen Blattfall. Auch dieses Ergebnis steht in klarem Widerspruch zu jenem von der Lägern.

Immerhin war jetzt klar, dass weder das Kam-merklima noch die Pflanzentöpfe dieses Ergeb-nis hervorgerufen haben konnten. Als mögliche Erklärung blieb noch übrig, dass die Pflanzen an der Lägern in einer beschatteten Waldlich-tung aufwuchsen, im Garten des WSL dagegen an der vollen Sonne.

Vom Ozonindikator Tabak Bel W3 wissen wir, dass Schattenblätter erheblich rascher auf Ozoneinflüsse reagieren als dies bei Sonnen-blättern der Fall ist. Eine ungelöste Frage be-steht nun aber darin, wie diese Ergebnisse im Hinblick auf die Ozonempfindlichkeit unserer Waldbäume zu bewerten sind. Es ist sicher kein Zufall, dass unter den ozonempfindlichen Pflanzen aus Expositionsversuchen ausgespro-chen viele Lichtpflanzen anzutreffen sind, wäh-rend die schattenliebenden eher zu den resisten-teren zählen.

Nicht immer ist Versuchsresultaten aus der Literatur anzusehen, unter welchen Umständen sie erhalten wurden und welche Parameter aus-ser den Schadstoffen ebenfalls massgeblich da-ran beteiligt waren. Unter Umständen sind sol-che Kenntnisse aber eine unabdingbare Voraus-setzung für eine Interpretation der Ergebnisse.

Fall 3

Die Erfahrung zeigt, dass es grosse Unter-schiede in der Schadstoffempfindlichkeit zwi-schen verschiedenen Arten oder auch innerhalb einer Art zu verschiedenen Zeitpunkten gibt.

So erwies sich von den Koniferen die Föhre als ausserordentlich ozonempfindlich, während die Fichte erheblich toleranter erschien und die Weisstanne weder mit biochemischen noch sichtbaren Symptomen auf die Ozonbegasung reagierte. In der ersten Sommerhälfte dauerte es bei der Föhre 6 Wochen und mehr, bis mit 200 ug /m3 Ozon erste sichtbare Symptome auftra-ten, im Herbstversuch konnte man bereits nach 2 Wochen Effekte beobachten. Laubbäume wie die Buche oder die Birke reagierten in der Regel ebenfalls erheblich früher als die Fichte oder die Weisstanne.

In der Literatur werden nicht immer Anga-ben über den genauen Zeitpunkt von Versuchen gemacht, was eine erhebliche Einschränkung der Vergleichbarkeit zur Folge haben kann.

FORUM für Wissen Werner Landolt _ 77

Einfluss von Ozon auf die Nettophotosynthese in verschiedenen Pflanzengruppen j

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Fall 4 J

Mitunter lassen sich sehr unterschiedliche, wenn nicht gar widersprüchliche Schlussfolge-rungen aus den gleichen experimentellen Daten ziehen. In seiner umfangreichen und ausge-zeichneten Review über ozonbedingte Wachs-tums- und Photosynthesedepressionen an Pflan-zen kam REICH (1987) in einem ersten Ansatz zum Schluss, dass landwirtschaftliche Pflanzen bezüglich der exponierten Dosis empfindlicher reagieren als Laubbäume und diese wiederum empfindlicherals Koniferen. Bezieht man in

Zusammenstellung von Daten aus amerikanischen Kammerexperimenten (Reich, Tree Physiol. 3, 1987)

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diesen Vergleich das Blatt- oder Nadelalter mit ein, so verwischen sich diese Unterschiede, die verschiedenen Pflanzen reagieren vergleichbar.

Auch das klingt plausibel. Interessant wird es aber erst, wenn man an Stelle der Ozondosis die effektiv aufgenommene Ozonmenge über die ganze Lebensdauer der Blätter oder Nadeln berechnet. Hier kehren sich die Verhältnisse plötzlich um: Am empfindlichsten sind die Koniferen, gefolgt von den Laubhölzern und schliesslich den landwirtschaftlichen Pflanzen.

Scheint ebenfalls plausibel. Nur, was gilt jetzt?

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