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Ein ganzheitlicher Versuchsansatz wird im fol-genden anhand' einer kontrollierten Ozonbega-sung für einen Birkenklon demonstriert. Aus Stecklingen gezogene Topfpflanzen wurden während einer gesamten Vegetationsperiode in der WSL-Freilandbegasungsanlage umweltrele-vanten Ozonkonzentrationen und -dosen ausge-setzt (Dosis = Konzentration X Zeitdauer; oben-stehende Tabelle): Die gewählten Konzentra-tionen umfassen jene der natürlichen Umge-bungsluft im Raum Zürich, die sommerlichen

Ozondosen liegen im mittleren Bereich des Experiments. Prozesse auf der zellulären, der Organ- und gesamtpflanzlichen Ebenewurden kontinuierlich von Mai bis Oktober untersucht.

Aufider Organebene wurden vor allem die Blätter studiert. Sie sind die Organe für die Assimilation des Kohlendioxids (CO2) der Luft, bilden somit die Voraussetzung für die pflanzli-che Produktion, sind aber auch unmittelbar dem Angriff durchdie Luftimmissionen ausge-setzt. Aus Messungen des .Gasaustausches der Blätter (CO2-Gewinn, Wasserdampfverlust) er-kennt man mit fortschreitender Ozonschädi-gung eine allmähliche Abnahme der maximalen CO2-Aufnahmerate bei hoher Lichtintensität (siehe Abbildung A, nebenstehende Seite).

Zugleich beginnt der Bereich der konstant-bleibenden Aufnahmerate bei niedrigeren Lichtintensitâten als in den intakten Kontroll-blättern. Ozonschädigung bewirkt also eine ver-schlechterte Lichtnutzung der Photosynthese.

Darüber hinaus nimmt auch das photosyntheti-sche Nutzungsvermögen der natürlichen CO2-Konzentration (heute ca. 340 ppm) in der Um-gebungsluft ab (Abb. B, nebenstehende Seite):

Der Pfeil zeigt für die in den Lufträumen des Blattinnengewebes resultierende

CO2-Konzen-FORUM für Wissen Rainer Matyssek _, _ __” 97 tration einen abflachenden Kurvenverlauf der

assimilatorischen CO2-Abhängigkeit. Dies bedeutet, die Ozonschäcligung senkt die CO1-Aufnahmerate bei gegebenem CO2-Angebot der Umgebungsluft. _

Während die CO2-Assimilation zusammen-bricht, verschlechtert sich auch die «Kosten-Nutzen-Bilanz» des Blattes, nämlich das

Ver-Betula pendula, 5-week-old leaves June 26 - .ıuıy 15. was

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CO2 in mesophyll intercellulars, C, (μl l") Die Abhängigkeit der CO2'Aufnahmerate der Blät-ter (= «CO2-assimilation rate››) von der Lichtintensi-tät (= Light intensity››; Teilabb. A) und von der CO2' Konzentration in den Lufträumen des Blattinnenge-webes (= «CO2 concentration of the mesophyll inter-cellulars»; Teilabb. B). Es werden sieben Kontroll-blätter mit acht ozonbegasten Blättern verglichen (jedes Blatt von einer anderen Pflanze), die durchge-zogenen Linien stellen die mittlere Blattreaktion je Schädigungsgrad dar: obere Linie = Kontrollblätter und ozonexponiertc Blätter ohne sichtbare Sym-ptome; mittlere Linie = frühe sichtbare Ozonschädi-gung; untere Linie = deutliche ozonbedingte Blatt-verfärbung. Die Kurverıplateaus geben die maximale CO2-Aufnahmerate an. Aus diagnostischen Gründen wurden die Lichtabhängigkeit bei ca. Sfach erhöhter CO2-Konzentration der Umgebungsluft («ca > 1500 μl l-1››) und die CO9_'Abhängigkeit bei «Licht-sättigung» bestimmt («I > 1200 μmol Photonen m"2 s' 1*). Sowohl für CO2 wie Ozon ist die Einheit «μl 1-1»

gleichbedeutend mit «ppm››, für Ozon gilt: 0.100 μl l-1

= 0.100 ppm = 100 ppb = 200 μg/m3 (MATYSSEK et al. 1990, 1991).

hältnis von Transpiration (= Wasserdampfver-lust) zu CO2-Assimilation (= CO2-Gewinn).

Aus dem gemessenen Gasaustausch leitet sich ab, dass Ozonstress die Spaltöffnungen verengt, die den Gasaustausch des Blattes kontrollieren.

Dies äussert sich in untenstehender Abbildung in der abnehmenden «stomatären Leitfähigkeit››.

Im Vergleich zur ebenfalls sinkenden CO2-Aufnahmerate reicht die stomatäre Verengung dennoch nicht aus, die «Kosten-Nutzen-Bilanz»

konstant zu halten. Dadurch sinkt die Tran-spiration weniger stark als die C02-Assi-milation, so dass der reduzierte CO2-Gewinn

Betula pendula L

10 -- ~ June 26 - Aug. 25, 1989

A 0.100 5-week-old O Oconlrol

Stomatal conductance, g

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Beziehung zwischen der CO2-Aufnahmerate der Blätter (= «CO2 assimílation rate››) und der stomatä-ren Leitfähigkeit für Wasserdampf (= «stomatal con-ductance»). Letztere repräsentiert die mittlere Öff-nungsweite der Spaltöffnungen (= Stomata) in der Blattoberfläche. Mit fortschreitender Ozonschädi-gung sinkt die CO2'/Xufnahmerate bei zugleich sich verengenden Spaltöffnungen;_jecloch wird der CO2' Gewinn im Vergleich zur Offnungsweite stärker reduziert. Dies ist im abflachenden Geradenverlauf ozongeschädigter Blätter zu erkennen. Ozonstress senkt also den Wasserdampfverlust (= Transpiration) weniger stark als den CO2-Gewinn, so dass im Ver-gleich zur Kontrolle der CO2-Gewinn mit zu hohem Wasserverbrauch «bczahlt›› werden muss. Jeder Messpunkt stellt ein Blatt von jeweils verschiedenen Pflanzen dar, die Messungen wurden unter der CO2-Konzentration natürlicher Aussenluft (340 μl l-1 = 340 ppm) durchgeführt ( MATYSSEK ct al. 1990,

1991).

98 FORUM für Wissen Rainer Matyssek

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<<Tief-Temperatur Raster-Elektronenmikroskopie›>: Die Mikroskopaufnahmen zeigen in den Blattober-flächen Verengungen der Spaltöffnungen mit zunehmender Ozonkonzentration (Teilabb. A-D).

Ozonexponierte Blätter bilden auf den Zellwänden des Blattinnengewebes «Ausstülpungen›› (Teilabb. E), bevor die Zellen kollabieren (Teilabb. F); Teilabb. G zeigt die Zellen des intakten Blattinnengewebes von Kontrollblättern (MATYSSEK et al. 1990, 1991; SCHEIDEGGER et al. 1991).

vom Blatt mit zu hohem Wasserverbrauch

<<bczal1lt›› werden muss.

Diese Störung der Blattfunktion ist nur zu verstehen, sofern auf der Zell- und Gewebe-ebene auch die Struktur von Blattepidermis (=

«Aussenhaut››) und -innengewebe untersucht wird. ,Elektronenmikroskopische Aufnahmen der Epidermis machen die unter Ozonstress verengten Spaltöffnungen sichtbar (siehe oben-stehende Abbildungen A-D), und bestätigen damit die Messung des Gasaustausches. Die Verengung resultiert aus einem veränderten Bewegungsverhalten der beiden Schliesszellen,

welche jeweils die Spaltöffnungen umgeben. lm Innengewebe dieser Blätter, in dem die Pro-zesse der Photosynthese ablaufen, erkennt man einen dramatischen Zellkollaps (Abb. oben F;

s. intaktes Kontrollgewebe in.Abb. oben G);

dieser begrenzt die CO2-Aufnahme offenbar stärker, als die verengten Spaltöffnungen den Wasserdampfverlust beschränken (s.o.). Es wird deutlich, dass erst die 'Kombination der Unter-suchungen von Blattfunktion und -struktur auf sowohl der Organebene als auch auf der Ge-webe- und Zellebene ein vertieftes Verstehen des veränderten Gasaustausches der Blätter

FORUM für Wissen Rainer Matyssek 99 unter Ozonstress ermöglicht. Zudem deuten

Ausstülpungen der Zellwände (Abb. Seite 98 E) einen gestörten Stoffwechsel der Zellen ozonexponierter Blätter an. Letzteres zeigt sich auf der untersten Ebene der Zellinhaltsstoffe (Schema Seite 95),. z.B. auch in einem veränder-ten Assirnilat- und Stickstoffhaushalt (hierzu sind vertiefende Untersuchungen noch »im

Gange). i

Welche Auswirkungen haben die ozonbe-dingten Veränderungen der bisher gezeigten Organisationsebenen auf die oberste Ebene, die Pflanze als Gesamtsystem? Dies lässt sich z.B.

anhand der jährlichen Biomasseproduktion und pflanzeninternen Kohlenstoffverteilung zeigen.

Mit der zunehmenden Dosis der experimentel-len Ozonbegasungen fortschreitend, bleibt die bis zum Ende der Vegetationszeit produzierte Biomasse reduziert (untenstehende Abbil-dung). Man beachte, dass die experimentelle Dosis, bei welcher eine Produktionseinbusse einsetzt, im Bereich der sommerlichen Ozon-dosen der Umgebungsluft im Raum Zürich liegt. Die reduzierte Biomasse unter Ozonstress resultiert zum einen aus der auf Blattebene zusammenbrechenden Photosynthese. Gravie-render ist jedoch der vorzeitige ozonbedingte Blattwurf, der bis zu 60 Prozent der gesamten Blattzahl erreichen kann und die produzierende Belaubungsfläche, das Produktionskapital der

Betula pendula e 1989

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Ozone dose (μl l'*h): May-Oct.

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Das bis Anfang Oktober (vor der .herbstlichen Laub-verfärbung) gebildete Trockengewicht der gesamten Pflanze (= «whole-plant dry weight›› :Biomassepro-duktion) ist reduziert in Abhängigkeit von der im Experiment von Mai bis Oktober resultierenden Ozondosis (= «ozone dose››; Dosis = Konzentration x Zeitdauer; eine Ozondosis = 100 μl 1-1' h = 100ippm h entspricht 200 mg/m3 h). Im Experiment setzt die Reduktion der Biomasseproduktion bei ähnlichen Ozondosen ein, wie sie in der Umgebung Zürichs (auftreten (S. horizontalen Balken mit Aufschrift

«ozone doses near Zurich››). Messpunkte mit vertika-len Balken sind Mittelwerte ± Standardabweichung von 7-10 Pflanzen (MATYSSEK et al. 1990, 1992).

Pflanze, drastisch verringert. Die Wachstums-analyse ergibt,idass darüber hinaus unter Ozon die Anzahl der gebildeten laubtragenden Aste sowie die Flächen der einzelnen Blätter seit dem Wachstumsbeginn im Frühling reduziert sind, und damit ebenfalls die Produktion limitieren. Untenstehende Abbildung fasst die Zusammenhänge zwischen Produktion, Ent-wicklung der Belaubungsfläche und Blattverlust im Jahresgang zusammen - erneut sind Vernet-zungen zwischen den pflanzlichen Organisa-tionsebenen dokumentiert. F B

Parallel zur limitierten Biomasseproduktion unter Ozonstress ändert sich die Verteilung des gebundenen Kohlenstoffs in der gesamten Pflanze (Abbildung Seite 100): Das Belau-bungsgewicht pro -fläche nimmt besonders im Spätsommer zu, während das Stammgewicht pro -länge sowie der Wurzel/Spross-Quotient (=

Wurzelmasse bezogen auf die gesamte

ober-Betula pendula 1989

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Jahreszeitlicher Verlauf der gesamten Biomassepro-duktion der Pflanze (= «total dry weight››; Teilabb.

A), der vorhandenen Belaubungsfläche (= «attached foliage area››; Teilabb. B) und des relativen Blattver-lustes bezogen auf die gesamte Anzahl der gebilde-ten Blätter (= «relative leaf loss of total foliage››;

Teilabb. C). Messpunkte und vertikale Balken sind Mittelwerte ± Standardabweichung von 5-10 Pflan-zen pro Erntezeitpunkt (bei jeder Ernte wurden jeweils verschiedene Pflanzen analysiert). Zur besse-ren Ubersichtlichkeit sind die Symbole der Ozon-behandlungen um jeden der drei Erntezeitpunkte gruppiert (MATYSSEK et al. 1990, 1992).

100 _ _ FORUM für Wissen Rainer Matyssek irdische Biomasse) deutlich reduziert bleiben.

Diese Wachsturnsänderungen können im Stamm zu mechanischen Stabilitätsproblernen führen und die Wurzelfunktion beeinträchtigen. Die funktionelle Ursache für die veränderte Koh-lenstoffverteilung liegt in der Stönıng des Assi-milattransportes im Phloem (den Leitbahnen für die Assimilatverteilung in der gesamten Pflanze), und ist von Deformationen der Gewe-bestruktur des Phloems begleitet. Die veränder-te Assimilatververänder-teilung unveränder-ter Ozonstress ver-deutlicht Wechselwirkungen selbst zwischen der untersten uncl der obersten Organisations-ebene (Schema Seite 95).

Berula pendula 1959

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Jahreszeitlicher Verlauf der Quotienten «Belau-bungsgewicht pro ~fläche›› (= «foliage biomasslfo-liage area››; Teilabb. A), «Stammgewicht pro -länge»

(= «stem weight/stem length››; Teilabb. B) und

«unterirdische Wurzelbiomasse pro gesamte ober-irdische Sprossbiomasse» (= «root/shoot››; Teilabb.

C); Pflanzen, Messpunkte und Symbolanordnung wie in vorangegangener Abbildung (MATYSSBK et al.

1990, 1992).

Der Stellenwert der