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2.2. Komplikationen bei kardiovaskulären Implantaten

2.2.2. Resorbierbare Materialien

Kardiovaskuläre Implantate erfüllen temporäre Aufgaben, bis der Schaden mit eigenem Gewebe repariert oder ersetzt ist, danach führen sie oft zu Komplikationen (COLOMBO u. KARVOUNI 2000). Verschlusssysteme wie Occluder, die als Matrix für körpereigene Zellen fungieren, werden nach Verschluss des Defektes, abhängig von dessen Größe, nach einigen Wochen bis Monaten nicht mehr benötigt. Beim Verschluss kleinlumiger Gefäße durch Coils bildet sich ein Thrombus, nach dessen bindegewebiger Organisation der Coil nicht mehr nötig ist (PEUSTER et al. 2006a, b). Resorbierbare Stents machen ein positives „Remodelling“, d. h. eine Wiederherstellung des Gefäßes nach Stentauflösung und eine damit verbundene Vergrößerung des Lumens möglich (COLOMBO u. KARVOUNI 2000; ORNISTON u.

WEBSTER 2007). Allerdings befindet sich die Erforschung biodegradierbarer oder -absorbierbarer Implantate in einer frühen Phase, und das Wissen darüber, wie erkrankte humane Gefäße auf ein solches Implantat reagieren, ist noch spärlich (ORNISTON u. WEBSTER 2007). Obwohl die Begriffe biodegradierbar, bioresorbierbar und bioabsorbierbar häufig synonym verwendet werden, haben sie

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unterschiedliche Bedeutungen (LIM 2004). Der Begriff "biodegradierbar" bedeutet, dass ein biologisches Agens, wie ein Enzym oder eine Mikroorganismus, die Hauptkomponente im Auflösungsprozess darstellt, während die Begriffe

"bioabsorbierbar" oder "bioresorbierbar" einen Abbau der Degradationsprodukte durch zelluläre Aktivität wie z. B. Phagozytose implizieren (LIM 2004).

Es wird bisher an verschiedenen Kunststoffen und Metallen für den Einsatz als kardiovaskuläre Implantate gearbeitet. Als resorbierbare Kunststoffe werden am Menschen bisher verschiedene Polymere eingesetzt (YAMAWAKI et al. 1998; TAMAI et al. 2000), als Metall hauptsächlich Magnesium (HEUBLEIN et al. 2003). Die Entwicklung von Eisenstents befindet sich noch in einem präklinischen Stadium (PEUSTER et al. 2006a, b).

Bereits 1988 konnte experimentell ein Poly-L-Laktat-(PLLA-)-Polymer-Stent vorgestellt werden, der mit hohen Drücken implantiert werden konnte und nach neun Monaten eine komplette Degradation zeigte (STACK et al. 1988). Andere biodegradierbare Polymerstents aus PLLA, die in die Femoralarterien von Hunden implantiert wurden, degradierten nach neun Monaten mit Anzeichen minimaler Thrombosierung, moderater Neointimabildung und milder Inflammation (SUSAWA et al. 1993; TSUJI et al. 2001). 1998 wurde der erste PLLA-Stent in eine humane Urethra implantiert (ISOTALO et al. 1998; TAMMELA u. TALJA 2003), 2000 erstmals in Koronararterien beim Menschen (TAMAI et al. 2000). Der Koronarstent zeigte zwar in Follow-up-Studien nach sechs Monaten akzeptable Restenoseraten, jedoch konnten zu diesem Zeitpunkt noch keine Anzeichen einer Biodegradation beobachtet werden (TAMAI et al. 2000). Ballondilatation allein reichte allerdings nicht aus, um den Stent zu entfalten. Er musste mit einer Hitze von 80 °C expandiert werden, wozu ein kompliziertes Verfahren notwendig war (TAMAI et al. 2000).

Temperaturerhöhungen von wenigen Sekunden auf 65–75 °C reichen jedoch aus,

um Arterienwandnekrosen mit nachfolgender Proliferation von glatten Muskelzellen auszulösen (DOUEK et al. 1992). Eine Plättchenaggregation an die Gefäßwand findet bereits bei Temperaturen von 55 °C statt und führt zu einem erhöhten Thromboserisiko (POST et al. 1996). Außerdem wurde nach einem Zeitraum von ca.

drei Monaten nach Implantation der Polylactid-Stents in die Koronararterien ein unkontrolliertes Expansionsverhalten beobachtet (TAMAI et al. 2000). Auch haben momentan erhältliche Polymerstents keine ausreichende Fähigkeit zur Expansion in chirurgischen Läsionen, wie sie bei Patienten mit angeborenen kardialen Malformationen vorkommen können (VENKATRAMAN et al. 2003). YAMAWAKI et al.

(1998) beschichteten PLLA-Stents mit antiproliferativen Medikamenten und konnten damit eine unerwünschte Neointimabildung in Schweinearterien signifikant reduzieren (YAMAWAKI et al. 1998), was eine vermehrte Forschung auf dem Gebiet der drug-eluting Stents nach sich zog (SOUSA et al. 2001; MORICE et al. 2002;

STONE et al. 2004). Viel versprechende Resultate gab es bei einem resorbierbaren PLLA-Stent mit Everolimusbeschichtung. Nach neun Monaten zeigten sich eine niedrige Restenoserate von 12 % und keine Hinweise auf Thrombosen bei 30 untersuchten Patienten (ORNISTON et al. 2007).

Magnesium ist ein Spurenelement, das natürlicherweise in großen Mengen im Körper vorhanden ist und dessen Aufgaben dort gut erforscht sind. Magnesium als Medikament wird als nebenwirkungsarme Begleittherapie bei der koronaren Herzkrankheit und bei Herzrhythmusstörungen eingesetzt (SMITH et al. 1986). Als Implantatmaterial ist es resorbierbar, besitzt als Legierung eine gute mechanische Belastbarkeit und geringe Thrombogenität (DI MARIO et al. 2004). Zur Herstellung von Stents wurden bisher die zwei Magnesiumlegierungen AE21 (HEUBLEIN et al.

2003) und WE43 (DI MARIO et al. 2004) in Schweinekoronararterien präklinisch getestet. Der Stent aus der Legierung AE21, bei dem zum Magnesium ein Anteil von 2 % Aluminium und 1 % Seltene Erden hinzulegiert wurde, zeigte allerdings bereits

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zwischen 35 und 56 Tagen einen Verlust der mechanischen Integrität (HEUBLEIN et al. 2003). Bei der Legierung WE43 wurde dem Magnesium ein Anteil von 4 % Yttrium, 0,6 % Zirconium und 3,4 % Seltene Erden hinzulegiert. Sie ist als Lekton Magic Coronary Stent® der Firma Biotronik (Berlin) kommerziell erhältlich. Dieser Stent zeigte in Studien eine schnelle Endothelialisierung, geringe Neointimaproliferation und wenig inflammatorische Veränderungen (HEUBLEIN et al.

2003; DI MARIO et al. 2004; WAKSMAN 2006; ERBEL et al. 2007a). Er besitzt allerdings nur eine geringe radiale Festigkeit und ist zwar MRI-fähig, aber nicht röntgensichtbar (DI MARIO et al. 2004; ZARTNER et al. 2007). Dieser Umstand führte zu Schwierigkeiten bei der präzisen Platzierung von überlappenden Stents, bei der Kontrolle der korrekten Stentexpansion und beim Auffinden von Stentembolisationen (DI MARIO et al. 2004). 2006 wurde ein Magnesiumstent erstmals in humane Koronararterien implantiert (BÖSE et al. 2006). Erste klinische Anwendungen von Magnesiumstents in Koronararterien bei 63 Patienten wurden bereits evaluiert (ERBEL et al. 2007a). Nach vier Monaten war die Degradation bereits weit fortgeschritten (ERBEL et al. 2007a). Eine Follow-up-Studie nach zwölf Monaten ergab eine hohe Restenoserate von 47,5 %, sodass eine wiederholte Revaskularisierung durch eine erneute perkutane Intervention oder chirurgische Bypass-Operation der ursprünglichen Stenose bei 45 % aller Patienten notwendig wurde (ORNISTON u. WEBSTER 2007). SCHRANZ et al. (2006) implantierten einen Magnesiumstent in die Aorta eines Neugeborenen und erklärten die entstandene Restenose durch den beschleunigten Abbau des Stents. Bei der Implantation eines resorbierbaren Magnesiumstents in eine stenotische aortopulmonale Kollateralarterie eines zwei Monate alten Mädchens kam es nach vier Monaten ebenfalls zu einer Restenose (MCMAHON et al. 2007).

Andere Ansätze zur Herstellung biodegradierbarer Implantate aus Metallen für kardiovaskuläre Anwendungen wurden auch durch die Verwendung von Eisen

(PEUSTER et al. 2001a; PEUSTER et al. 2006a, b) evaluiert. Eisen als Implantatwerkstoff besitzt im Vergleich zu Edelstahl 316L ähnlich gute mechanische Eigenschaften (PEUSTER et al. 2001a, b; PEUSTER et al. 2006b), wie eine hohe radiale Festigkeit wegen seines hohen Elastizitätsmoduls von 205 GPa im Vergleich zu 41–45 GPa von Magnesium und 189–205 GPa von Edelstahl 316L (ZHANG et al.

2010). Dies ermöglicht die Herstellung dünner Stentstreben, wodurch die Menge des abgegebenen Materials in den Körper geringer wird (MANI et al. 2007). Obwohl die Streckfestigkeit und die Dehnbarkeit geringer sind als bei Edelstahl 316L, was theoretisch zu Probleme bei der Implantation führen könnte, wurden Stents aus Eisen bereits mit guten Drücken von 3,5–10 atm implantiert (PEUSTER et al. 2001a;

PEUSTER et al. 2006a, b).

Das Degradationsverhalten von Eisen zeigte sich in Voruntersuchungen in vitro unter Verwendung von drei verschiedenen Methoden als viel versprechend (PEUSTER et al. 2001a; HERMAWAN 2007a), geht in vivo jedoch deutlich langsamer voran (PEUSTER et al. 2001a; PEUSTER et al. 2006a, b). Ein vollständiger Abbau konnte in vivo bisher noch nicht gezeigt werden. Um den Abbau zu beschleunigen und um die mechanischen Eigenschaften weiter zu verbessern, wurde bereits eine Eisen-Mangan-Legierung mit einem Gehalt von 35 % Mangan entwickelt (HERMAWAN et al. 2008, 2010). Diese Legierung besitzt die guten mechanischen Eigenschaften von Edelstahl 316L, degradiert aber noch zu langsam. Ein anderer Ansatz erfolgte mit der Anwendung einer neuen Verarbeitungsmethode von MORAJEV et al. (2010). Diese führten Versuche mit elektrogeformtem Eisen durch. Dabei konnten Reineisenfolien mit geringerem Energieaufwand und weniger Equipment hergestellt werden als bisher. Außerdem zeigten die so hergestellten Folien eine schnellere Degradation als Folien aus Reineisen, die durch Gusstechnik hergestellt wurden (MORAJEV et al.

2010). Weitere neue Ansätze zur Entwicklung eines geeigneten resorbierbaren Stentmaterials erfolgten mit der In-vitro-Evaluierung von acht verschiedenen Eisenlegierungen in Zellkulturen, von denen sich vier Legierungen als

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vielversprechend erwiesen (LIU u. ZHENG 2011). In Voruntersuchungen mit Eisen gab es keinen Hinweis auf Toxizität in Zellkulturen mit humanen Endothelzellen oder humanen Fibroblasten (PEUSTER et al. 2006a, b; MÜLLER et al. 2006). Ebenfalls in Zellkulturexperimenten konnte jedoch ein vermindertes Wachstum von glatten Muskelzellen von Menschen und Ratten (MÜLLER et al. 2006; MORAJEV et al.

2010) gezeigt werden, was eine neointimale Proliferation nach Stentimplantation reduzieren könnte.

In-vivo-Studien mit Eisenstents in der Aorta descendens von Kaninchen belegten eine Durchgängigkeit der Aorta bei allen Tieren, wobei keine Anzeichen von Verletzungen der Gefäßwände auftraten. 18 Monate nach der Implantation konnten keine pathologischen Anzeichen bei den implantierten Tieren festgestellt werden.

Angiographien nach sechs, zwölf und 18 Monaten zeigten die komplette Durchgängigkeit der behandelten Gefäße. Der Verlust der luminalen Durchmesser betrug im Vergleich zum nativen Gefäß weniger als 10 %. Die makroskopische Evaluierung zeigte eine kontinuierliche und intakte endotheliale Oberfläche und es kam zur Akkumulation der Degradationsprodukte an den Stentstreben. Histologische Untersuchungen zeigten den Verlust der eindeutigen Grenzlinien des Implantates und Entzündungsreaktionen mit eisenbeladenen Makrophagen und multinukleären Riesenzellen in der Implantatumgebung (PEUSTER et al. 2001b). Weiterhin führten PEUSTER et al. (2006a) eine In-vivo-Studie mit peripheren Eisenstents im Vergleich zu Edelstahl-316L-Stents in der Aorta descendens von Schweinen durch. Die Durchgängigkeit aller Gefäße nach einem, drei, sechs und zwölf Monaten wurde mittels Angiographie gezeigt. Ein Verlust der luminalen Durchmesser nach drei Monaten war nicht zu beobachten, betrug sechs Monate nach Implantation jedoch 10

% und nach zwölf Monaten 25 % des Gefäßes. Es bestand damit kein Unterschied in der neointimalen Proliferation der Gefäße nach Implantation von Eisenstents im Vergleich zu den Edelstahl-316L-Stents. Die Degradation des Eisens wurde durch den progressiven Verlust der Stentintegrität sichtbar und durch Eisenprodukte, die in

die Gefäßwand inkorporiert wurden (PEUSTER et al. 2006a, b).

2.3. Prüfung von resorbierbaren Implantatwerkstoffen für