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Genexpressionsanalysen werden seit den 60er Jahren in der Medizinforschung eingesetzt. Zuerst existierten noch sehr beschränkte Methoden wie die In-situ-Hybridisierung, bei der eine radioaktiv markierte RNA-Sonde auf ein Gewebe hybridisiert und danach mit Röntgentechnik ausgewertet wurde (PARDUE u. GALL 1969). Diese wurde jedoch durch neuere Möglichkeiten mit komplexeren Protokollen abgelöst. Der Southern Blot ist eine Methode für die Analyse von DNA, die den Nachweis einer bestimmten DNA-Sequenz aus einer kompletten DNA erlaubt, ohne dass diese zuvor entschlüsselt werden muss (SOUTHERN 1975). Im Northern Blot wird RNA zunächst isoliert und elektrophoretisch nach ihrer Größe in einem Gel aufgetrennt. Nach der Übertragung erfolgt die komplementäre Bindung der markierten RNA an die gesuchte Sequenz (ALWINE et al. 1977; THOMAS 1980). Mit

diesem Verfahren lässt sich z. B. der Unterschied zwischen einer normalen und einer mutierten mRNA feststellen. Dabei können jedoch nur wenige Sequenzen gleichzeitig untersucht werden. Mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) können kurze, genau definierte Teile eines DNA-Stranges vervielfältigt werden, was bestimmte Untersuchungen auch mit geringem Ausgangsmaterial zulässt (MULLIS et al. 1986). Praktische Anwendung für die PCR ist z. B. der genetische Fingerabdruck in der Gerichtsmedizin zur Identifizierung einer Person. Diese Methode wurde zur Real-Time-quantitative-PCR weiterentwickelt, die zusätzlich eine Quantifizierung der gewonnenen DNA erlaubt (MURAKAWA et al. 1988; SINGER-SAM et al. 1990).

Mit dieser Methode konnten zwar schon deutlich mehr Gensequenzen untersucht werden, aber erst mit Einführung der Microarray-Technologie konnte eine parallele Analyse von mehreren tausend Gensequenzen in einer kurzen Zeiteinheit durchgeführt werden (SCHENA et al. 1995; LOCKHART et al. 1996). Zuerst wurden Hybridisationsanalysen von LENNON und LEHRACH (1991) auf hochgradig dichten Nylonfiltern beschrieben, dann folgte die Einführung der cDNA-Microarraytechnik (SCHENA et al. 1995). 1996 wurde ein Oligonukleotidarray entwickelt, mit dem sich große Mengen an mRNA-Sequenzen auf einem Chip analysieren lassen (LOCKHART et al. 1996). Dabei wird mRNA aus den zu untersuchenden Gewebeproben isoliert und mit Hilfe eines T7-Primers Doppelstrang-DNA hergestellt.

Daraus wird in einer In-vitro-Transkription unter Zugabe von Biotin-markierten Nukleinsäuren markierte cRNA generiert, die nach Fragmentierung an einige tausend synthetische Oligonukleotid-Sequenzen auf dem Array hybridisiert werden kann (Abb. 1).

Anders als bei cDNA-Microarrays wird bei Oligonukleotidarrays ein Gen durch mehrere (elf bis 20), aber deutlich kürzere (20 bis 80 Basenpaare) Sequenzen repräsentiert (SCHENA et al. 1995; LOCKHART et al. 1996). Die Oligonukleotide auf dem Chip sind in Paaren angeordnet: Zum einen bestehen sie aus einem 25-mer

LITERATURÜBERSICHT

Oligonukleotid, das identisch ist mit einer bestimmten bekannten Nukleinsäure und das als Perfect Match (PM), perfekte Übereinstimmung, bezeichnet wird. Zum anderen bestehen sie aus einem Oligonukleotid, das sich in einer Base in der Mitte der Oligonukleotidsequenz von dem Perfekt Match Oligo unterscheidet und als Mismatch (MM), also Fehlanpassung, bezeichnet wird (Abb. 2). Dieses Mismatch dient als Kontrolle und ermöglicht es, Kreuzhybridisierungen und lokalen Hintergrund abzuschätzen und rechnerisch durch Abzug vom Perfect Match zu eliminieren (ROUCHKA et al. 2008). Die je nach Arraytyp elf bis 20 Oligonukleotidpaare werden dann ausgewertet und daraus der Signalwert und die Wahrscheinlichkeit berechnet, mit der ein Gen detektiert wurde.

Genexpressionsarrays wurden bereits zur Erforschung von Entwicklungsvorgängen wie der Spermatogenese (CHOUDHURY et al. 2007), der enchondralen Ossifikation (JAMES et al. 2010) und dem Einfluss von Androgen auf die Lungenentwicklung (BRESSON et al. 2010) eingesetzt. Die Genexpression von Leukozyten nach Verbrennungen wurde untersucht, um ein tieferes Verständnis der Pathophysiologie von Verbrennungen zu erhalten (LEDERER et al. 2008). Regelmäßig dienen Werkstoffforschung zur Untersuchung der Antwort von Geweben oder Zellkulturen auf verschiedene Materialien eingesetzt (GALLAGHER et al. 2006). Erstmals fand dies statt zur Charakterisierung der Reaktion von Bioglass 45S5-Ionen auf humane Osteoblasten (XYNOS et al. 2001), sowie der Untersuchung der Interaktion zwischen Titan (CARINCI et al. 2003) bzw. Zirkonium (CARINCI et al. 2004) und der Osteoblasten-ähnlichen Zelllinie MG63. Goldnanopartikel, die als chemisch inert und

als nicht toxisch gelten, zeigten Expressionsveränderungen der Gene aus Milz und Leber, deren funktionelle Annotation eine Beteiligung der Pfade Entgiftung, Lipidmetabolismus, Zellzyklus und Abwehrantwort ergaben (BALASUBRAMANIAN et al. 2010). Andere Studien untersuchten den zytotoxischen Effekt von 100 und 200 µm großen Nickel2+-Ionen auf murine Fibroblasten der Zelllinie L-929 mittels cDNA-Mikroarrays 12, 24, 48 und 72 Stunden nach Exposition (LÜ et al. 2009). Die Einordnung in funktionelle Gruppen ergab einen beträchtlichen Effekt von Nickelionen auf die Zellen durch Inhibition der Zellproliferation und Differenzierung durch Induktion von Apoptose, Beeinflussung der Zellentwicklung und Beeinflussung des Cholesterinmetabolismus. Außerdem wurde herausgefunden, dass Ni2+-Ionen eine Zellantwort auf Hypoxie hervorrufen, indem sie die Hypoxie-induzierbare Genexpression regulieren und irreversible DNA-Schäden verursachen (LÜ et al.

2010). Während eine Toxizität durch Nickel auf zellulärem Level durch Verwendung eines metabolischen Methylthiazoltetrazolium-Assays nach 12 und 24 Stunden nicht detektiert werden konnte, konnte Mikroarraytechnik bereits signifikante Veränderungen auf einem molekularen Level zeigen (LÜ et al. 2010). Diese Veränderungen betrafen u. a. die Zelladhäsion, den Zellzyklus, das Insulinsignaling, die Elektronentransportkette und die mRNA-Prozessierung. NGUYEN et al. (2004) untersuchten die molekulare Antwort von peritonealen Phagozyten und humanen koronararteriellen glatten Muskelzellen auf einen Curcumin-beschichteten Poly-L-lactid-Stent. Dabei konnte festgestellt werden, dass Curcumin einerseits eine Makrophagenstimulation und -aktivierung auf den PLLA-Filmen reduziert und andererseits die Proliferation, aber nicht die Adhäsion der glatten Muskelzellen beeinträchtigt.

Oligonukleotid-Mikroarrays zur Zell-Material-Charakterisierung wurden zur Untersuchung von Änderungen im Genexpressionsprofil von Zellen zur Züchtung von vitalen Organen unter Laborbedingungen (Tissue Engineering) in Interaktion mit Kollagen-Glykosaminoglykan-Netzen als Stützgerüst (Scaffold) verwendet

LITERATURÜBERSICHT

(KLAPPERICH u. BERTOZZI 2004). Da Eisen transkriptional, post-transkriptional und translational reguliert wird (HENTZE et al. 2004), eignen sich Oligonukleotidarrays gut für die Untersuchung von Zellen unter Eiseneinwirkung.

MÜLLER et al. (2006) untersuchten die Interaktion von Eisenionen mit vaskulären glatten Muskelzellen. Die Inkubation der Zellen mit Fe2+-D-glukonat-dihydrat ergab eine reduzierte Wachstumsrate von Zellen und eine damit einhergehende geringere Quantität von zellulärer DNA ab einer Konzentration von 0,005 mg/dl Fe2+ -D-glukonat-dihydrat. Die Genexpressionsanalysen wurden mittels Oligonukleotidarraytechnik durchgeführt, um eine molekulare Charakterisierung der zugrunde liegenden Mechanismen der reduzierten Zellrate zu untersuchen. Dafür wurden wiederum humane, vaskuläre, glatte Muskelzellen mit 0,03 mg/dl Fe2+-Ionen bzw. ohne Eisen für 12 und 24 h inkubiert. Die Gesamt-RNA wurde aus den jeweiligen Proben isoliert und auf den humanen Genchip HGU133A hybridisiert.

Gene, die in den Zellisolaten mit Eiseninkubation gegenüber den Proben ohne Eiseninkubation 1,5fach herauf- oder 1,5fach herabreguliert waren und die mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,001 für heraufregulierte Gene und 0,999 für herabregulierte Gene detektiert wurden, wurden als differentiell reguliert betrachtet. Eine Analyse der Expressionsdaten erfolgte durch Verwendung des strukturierten Vokabulars der Gene-Ontology-(GO)-Datenbank mit zwei verschiedenen Programmen. Die am deutlichsten herunterregulierten zellulären Prozesse in Anwesenheit von Fe2+

betrafen vor allem die DNA-Replikation und den Zellzyklus. Der molekulare Mechanismus für einen arretierten Zellzyklus war in diesem Fall eine erhöhte Aktivität des Zellzyklusregulators p53, die durch eine erhöhte Expression des Gens p21, einem wichtigen p53-Zielgen, ausgelöst wurde (MÜLLER et al. 2006). Auch zeigte die Genexpressionsanalyse eine gesteigerte Cholesterin- und Fettsynthese (MÜLLER et al. 2006). Diese Ergebnisse konnten mittels Real-time Polymerase-Chain-Reaction (RT-PCR) von DRYNDA et al. (2010) bestätigt werden. Mit dieser Untersuchung konnte ebenfalls unter Anwesenheit von Fe2+- und Fe3+-Ionen eine

erhöhte Expression wichtiger Gene der Cholesterin- und Fettsynthese nachgewiesen werden.

RODRIGUEZ et al. (2007, 2009) nutzten Genexpressionsarrays, um den Einfluss von Eisenüberladung im Herz- und Skelettmuskel zu untersuchen. Dafür wurden Mäuse mit einer 2%-igen Carbonyleisendiät gefüttert und RNA aus Leber, Herz- und Skelettmuskel isoliert (RODRIGUEZ et al. 2007). In beiden Muskelarten und der Leber heraufreguliert waren die Gene Angiopoietin-like 4, Pyruvatdehydrogenase kinase 4 und Calgranulin A and B. Herunterreguliert waren Transferrinrezeptor, Heat shock protein 1B and DnaJ homolog B1. Im Herzmuskel allein war eine erhöhte Expression von Lectin, galaktose binding, soluble 3 (Lgals3) und verminderte Expression u. a. von Actin alpha I (ActaI), 3-hydroxybutyrate dehydrogenase (Bdh), CD9 antigen (CD 9), carbonic anhydrase 3 (Car3), cacysteine and histidine-rich domain-containing (Chordc1), eukaryotic translation elongation factor 2 (Eef2), ERBB receptor feedback inhibitor 1 (Erfi1), fatty acid synthase (Fasn), potassium voltage-gated channel (Kcna5), protein phosphatase (PppIr3c), protein O-fucosyltransferase 2 (Pofut2) festzustellen. Im Skelettmuskel allein waren u. a. die Gene major urinary protein 3 (mup3), heat shock protein 1 (HspbI), heat shock protein 1A (HspaIa), heat shock protein 1B (HspaIb), ERBB receptor feedback inhibitor 1(ErfiI), Kruppel-like factor 4 (Klf4), connective tissue growth factor (Ctgf), cerebellar degeneration-related 2 (Cdr2), actin, alpha, cardiac (ActcI) herunterreguliert.

In einer anderen Studie von RODRIGUEZ et al. (2009) wurden Leber und Duodenum von Mäusen untersucht, denen das Gen Hämojuvelin (Hfe) entfernt wurde im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen, die verstärkt mit Eisen gefüttert wurden oder eine normale Fütterung erhielten. Auch in dieser Studie waren Heat Shock Proteine in Leber und Duodenum von allen Tieren mit Eisenüberladung herunterreguliert.

Heraufreguliert bei Hfe-defizienten Tieren und herunterreguliert bei diätetischer Eisenüberladung waren Serumamyloide (Saa1-3) und Angiopoietin-like 4 (Apol4).

LITERATURÜBERSICHT

Umgekehrt waren in der Leber Histokompatibilitätsantigene (H2Aa, H2Ab1, H2Eb) bei Hfe-defizienten Tieren herunter und bei oraler Eisenüberladung heraufreguliert.

Abbildung 1: Vergleich der Technik von cDNA-Arrays und Oligonukleotid-Arrays im Bezug auf die Präparation des Probenmaterials und der Herstellung der Arrays nach SCHULZE und DOWNWARD (2001). Bei beiden Verfahren wird zunächst cDNA aus der Gewebe-RNA hergestellt. Während bei einem DNA-Microarray diese direkt auf den Chip hybridisiert wird (linke Seite der Abb.), erfolgt bei den Oligonukleotidarrays ein weiteres Umschreiben in Biotin-markierte cRNA, die dann fragmentiert auf den Chip aufgetragen wird (rechte Seite der Abb.).

Abbildung 2: Funktionsweise des Affymetrix GeneChip. Eine RNA-Sequenz wird je nach Arraytyp mit elf bis 20 Oligonukleotidpaaren detektiert (graue Kästchen unten).

In der Mitte der Sequenz unterscheidet sich ein Basenpaar in der Sequenz des Perfect Match von der des Mismatch (roter Kasten bzw. rote Klammer). Diese Redundanz ermöglicht eine quantitative und qualitative Detektion der RNA. (Quelle:

www.cnx.org)

EIGENE UNTERSUCHUNGEN - MATERIAL UND METHODEN