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Relevante Ansätze für eine Gemeinsame Agrarpolitik nach 2013

4   Vergangene Entwicklung und künftige Rahmenbedingungen der

4.2   Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik

4.2.2   Relevante Ansätze für eine Gemeinsame Agrarpolitik nach 2013

BUCKWELL (2009) schlägt in diesem Zusammenhang vor, die Betriebsprämienregelung in eine „Vorübergehende Anpassungshilfe“ umzubenennen, um eindringlich zu vermitteln, dass sowohl Art als auch Zweck der Zahlungen zukunftsorientiert sind (BUCKWELL, 2009, S.28).

Demnach lässt sich eine Legitimation für die Gewährung von Direktzahlungen zukünftig prinzipiell in der Bereitstellung öffentlicher Güter finden, die darin bestehen kann, Leistungen der Landwirtschaft, die über das als normal betrachtete Niveau, welches grundsätzlich über das geltende Ordnungsrecht definiert ist, hinausgehen, zu honorieren. Dazu zählen beispiels-weise neuen Herausforderungen wie Klima-, Boden- und Grundwasserschutz. Das Abrücken von einer an einkommenspolitischen Zielen orientierten Förderpolitik auf eine verstärkte För-derung der Landwirtschaft zur Bereitstellung öffentlicher Güter wirft jedoch zwangsläufig Fragen auf. So ist zu ermitteln, wie hoch der Bedarf der Bereitstellung öffentlicher Güter ist, d.h. welche Nachfrage regional besteht, nach welchen Kriterien die Zahlungen erfolgen sol-len, welche politische Ebene verantwortlich ist und letztlich mit welchen Mitteln ein ausge-wogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis erreicht wird. Nur dadurch lässt sich eine längerfristige und legitime Rechtfertigung von Zahlungen an die Landwirtschaft gegenüber der Öffentlich-keit vermitteln. Dem derzeit praktizierten System, bei dem die sich die Zahlungen nach histo-rischen Produktionsverfahren und deren Umfängen richten und prinzipiell als Einkommens-transfer an die Landwirtschaft zu werten sind, wäre demnach vielmehr ein an die jeweiligen Bedürfnisse der Bereitstellung öffentlicher Güter auf regionaler Ebene ausgerichteter Förder-ansatz vorzuziehen. Dabei würde eine stärkere Berücksichtigung des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz sowohl die Legitimität der Zahlungen erhöhen als auch den direkten Nutzen der Förderung entsprechend den regional unterschiedlichen Bedürfnissen erhöhen (vgl. BUREAU

et al., 2007, S.17; BUREAU und MAHÉ, 2008, S.82).24 Ein vorübergehendes Fördermodell würde diesbezüglich ein planmäßiges Auslaufen der bisherigen Betriebsprämienregelung bei gleichzeitiger Ausweitung von Programmen zur Entlohnung der Landwirte für die Bereitstel-lung von öffentlichen Gütern und Gemeinwohlleistungen umfassen.

fangreiche Fragestellungen, die neben der grundsätzlichen Frage nach dem Nutzen einer ge-meinsamen europäischen Agrarpolitik, die Fragen beinhaltete, welche Anforderungen und Erwartungen die Gesellschaft an die Landwirtschaft stellt, warum und nach welcher Maßgabe die derzeitige Agrarpolitik einer Reform unterzogen werden sollte sowie letztlich die Frage, welche Instrumente die Agrarpolitik zukünftig benötigt.

Nach einer Konsolidierung der eingegangenen Beiträge veranlasste die EU-Kommission die Erstellung eines Berichts, in dem die wesentlichen Belange und Meinungsäußerungen als Er-gebnisse der öffentlichen Debatte zusammengefasst wurden. Auf dessen Basis wurden am 18.

November 2010 in einer Mitteilung der EU-Kommission an das europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen unter dem Titel „Die GAP bis 2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und ländliche Gebiete – die künftigen Herausforderungen“ drei grundsätzliche Optionen für die Agrarpolitik zwischen 2014 bis 2020 unterbreitet. Tabelle 3 enthält die wesentlichen Inhalte der Optionen, bei denen in der Kommissionsmitteilung Option 2 den meisten Raum einnimmt.

Während Option 1 im Wesentlichen Anpassungen der Agrarpolitik in ihrer jetzigen Form beinhaltet, um auf diese Weise gegenwärtige Fehentwicklungen zu beseitigen, wird mit ihr prinzipiell eine Kontinuität des eingeschlagenen Politikpfades sowie lediglich eine Nachjus-tierung bestehender Instrumente verfolgt. Abgesehen vom Ziel einer gerechteren Verteilung der gewährten Direktzahlungen sowohl zwischen den Mitgliedsstaaten als auch den landwirt-schaftlichen Betrieben, einer Verstärkung von Risikomanagementinstrumenten und einer Ver-einfachung bestehender Marktinstrumente sowie einer weitergehenden Orientierung an natio-nalen und internationatio-nalen Herausforderungen des Klimawandels, bietet die Option nach An-sicht der EU-Kommission jedoch nur eine geringe Chance zu einer grundlegenden und weit-reichenden Reform bzw. Korrektur der bisherigen Agrarpolitik.

Die unter dem Stickwort „Integration“ dargelegte Option 2 wurde von der Europäischen Kommission als eine Alternative mit „Chance für eine Reform“ gewertet und vorgestellt.

Demnach soll die Agrarpolitik insgesamt „nachhaltiger“ und balancierter ausgerichtet werden, indem sie in wesentlichen Bereichen korrigiert und an die künftigen Herausforderungen ange-passt wird. Durch zielgerichtetere Maßnahmen, die die Ausgabeneffizienz verbessern und die Agrarpolitik gleichzeitig stärker an den Zielen der Strategie „Europa 2020“ ausrichten sollte, würde auf diese Weise sowohl eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz als auch ein erhöhter EU-Mehrwert bewirkt. Entgegen dem beabsichtigten Ziel einer Vereinfachung und besseren Verständlichkeit der Agrarpolitik wird mit den Vorschlägen der EU-Kommission zur Option 2 jedoch bereits deutlich, dass diese Reformoption unweigerlich zu einer weiteren Verkomp-lizierung der bisherigen Regelungen beitragen würde. So beinhaltet der Vorschlag im Bereich der Direktzahlungen die Absicht einer gerechteren Verteilung als auch einer konzeptionellen Neuausrichtung der Finanzmittel zwischen den Mitgliedsstaaten. Mit dem vorgeschlagenen Konzept zur Neuausrichtung der Direktzahlungen sollten mehrere übergeordnete Zielsetzun-gen verfolgt werden, die sowohl zu einer Einkommensstützung, zur Bereitstellung

öffentli-cher Güter durch die Landwirtschaft, zum Ausgleich naturbedingter Nachteile, besondere Stützungen für bestimmte Sektoren, einer gezielten Förderung von Kleinlandwirten als auch einer Deckelung des Basissatzes für größere Landwirtschaftliche Betriebe beitragen sollen.

Die Option 3 sieht gegenüber den ersten beiden Optionen eine grundlegende Reform der bis-herigen Agrarpolitik vor. Eine Realisierung der Option erscheint jedoch bereits bei der Prä-sentation der Vorschläge wenig aussichtsreich, da der Vorschlag weder konkrete Details be-inhaltet noch eine tiefergehende Beachtung in der zum Teil widersprüchlichen Argumentati-onskette in der Mitteilung der EU-Kommission aufweist.

Tab. 3: Politikoptionen für eine Agrarpolitik nach 2013 Option

Instrument

Option 1:

„Anpassung“ Option 2:

„Integration“ Option 3:

„Neuausrichtung“

Marktinstrumente

- Vereinfachung bestehen-der Instrumente, - Verbesserung der

Wett-bewerbsfähigkeit

- Straffung und Vereinfa-chung bestehender In-strumente

- Aufhebung

- Etablierung von Stö-rungsklausel für Krisen-fälle

Direktzahlungen

- Gerechtere Verteilung der Direktzahlungen zwischen Mitgliedsstaaten

- Erweiterte Cross-Compliance

- Neue Struktur der Be-triebsprämienregelung:

„Greening“

- Begrenzung der Prämien - Junglandwirteregelung - Kleinerzeugerregelung

- schrittweises Auslaufen - Zahlungen für

Bereitstel-lung öffentlicher Güter und bestimmte benachtei-ligte Gebiete

Entwicklung des ländlichen Raums

- Moderater Anstieg der erforderlichen Mittel - Verbesserung der

Wett-bewerbsfähigkeit und In-novation

- Umverteilung zwischen Mitgliedsstaaten - Leitprinzipien: Umwelt-

und Klimaschutz, Innova-tion

- Verstärkte strategische Orientierung und gemein-samer strategischer Rah-men mit anderen EU-Fonds

- Aufstockung der Finanz-mittel für die Aspekte Klimawandel und Um-weltschutz

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an KOM (2010, S.16f.)

Dem Vorschlag zufolge würde eine vollständige Abschaffung sämtlicher Marktinstrumente bei eventueller Aufrechterhaltung einer Störungsklausel für Krisensituationen einhergehen mit einem allmählichen Auslaufen der Direktzahlungen in ihrer jetzigen Form. An deren Stel-le würden stattdessen zielgerichtete Zahlungen für gesellschaftlich gewünschte DienstStel-leistun- Dienstleistun-gen durch die Landwirtschaft sowie die Erbringung öffentlicher Güter treten. Demnach würde sich die Agrarpolitik grundsätzlich aus dem Marktgeschehen zurückziehen und im Wesentli-chen die Rahmenbedingungen für die Entwicklung des ländliWesentli-chen Raums setzen und diese

finanziell begleiten. Die andiskutierte Option 3 böte die Möglichkeit die finanzielle Ausstat-tung der bisherigen Agrarpolitik deutlich zu verschlanken und die Agrarpolitik zielgerichteter auszurichten, erscheint jedoch als mittelfristig eher unwahrscheinlich. Anhand der geringfügi-gen Bedeutung, die die Kommission dieser Option in ihren Ausführungeringfügi-gen beimisst, lässt sich entweder die Befürchtung sehen, dass mit einer geplanten Umsetzung erhebliche Auseinan-dersetzungen mit Interessensverbänden vermutet werden, denen man vorab aus dem Weg geht. Oder es wird befürchtet, dass die geplante Abschaffung der direkten Einkommensförrung unvorhersehbare strukturelle Anpassungen im Agrarsektor nach sich ziehen könnte, de-ren Folgen man als zu riskant einschätzt (vgl. KOM, 2011, S.7). Dieser Option wohnt daher eher der Charakter einer langfristigen Vision für einen wünschenswerten Zustand inne als der einer realistischen Alternative zum bisherigen Kurs der Agrarpolitik. Prinzipiell bleibt jedoch offen, ob eine weitergehende Liberalisierung des Agrarsektors aus gesellschaftlicher Sicht ein tragfähiges Konzept darstellen würde, bei dem die Erwartungen der Bürger mit Blick auf die Bereitstellung preiswerter und gesunder Lebensmittel, der Einhaltung hoher Standards im Bereich Tierschutz und Lebensmittelqualität, der Erhaltung einer artenreichen Kulturland-schaft mit gleichzeitig positivem Beitrag zum Klima- und Umweltschutz erfüllt werden könn-ten. Letztlich wird aus den unterbreiteten Reformoptionen für die GAP nach 2013 bereits er-kennbar, dass der Spielraum für grundlegende Anpassungen vergleichsweise klein ist.

Vor diesem Hintergrund ist im Zuge der Verhandlungen über das Agrarbudget und der Kon-sultationen über die konkrete Ausgestaltung der Agrarpolitik vielmehr davon auszugehen, dass die Gemeinsame Agrarpolitik den bisherigen Kurs einer inkrementalistischen Steue-rungskonzeption beibehalten wird, d.h. gegenüber einer „grundlegend andere[n] Architektur der Politik für Landwirtschaft und ländliche Räume“ wie sie beispielsweise vom Wissen-schaftlichen Beirat für Agrarpolitik im Mai 2010 (vgl. BMELV, 2010, S.30) gefordert wird, lediglich geringfügigere und in wesentlichen Bereichen revidierbare bzw. korrigierbare Schritte vollzogen werden.