• Keine Ergebnisse gefunden

Beweggründe für eine Neukonzeption der Gemeinsamen Agrarpolitik

4   Vergangene Entwicklung und künftige Rahmenbedingungen der

4.2   Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik

4.2.1   Beweggründe für eine Neukonzeption der Gemeinsamen Agrarpolitik

Die im Zuge des Mid-Term-Review 2003 sowie dem Health-Check 2008 hervorgegangenen agrarpolitischen Rahmenbedingungen sind grundsätzlich bis zum Jahr 2013 festgeschrieben und bilden insbesondere bei der Ausgestaltung des Direktzahlungssystems sowie der beste-henden Marktorganisation (1.Säule) für einen Zeitraum von etwa zehn Jahren Planungssi-cherheit für die europäischen Landwirte. So sind in den meisten Staaten der europäischen Union die Direktzahlungen von der laufenden Produktion entkoppelt und bilden nunmehr den wesentlichen Anteil des Agrarbudgets. Die klassischen Marktstützungsinstrumente, deren Ausgaben in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesenkt werden konnten, stellen mittler-weile lediglich noch ein Sicherheitsnetz für Krisenfälle dar. Der Anteil der Ausgaben für die ländliche Entwicklung nimmt entgegen der ambitionierten Ziele des Mit-Term-Reviews 2003 und der Health-Check-Beschlüsse 2008, infolgedessen die finanzielle Umschichtung aus der 1. in die 2. Säule verstärkt wurde, nach wie vor nur einen relativ geringen Anteil am Gesamt-budget des Agrarhaushalts ein (vgl. KOM, 2011a, S.5; ZAHRNT, 2009,S.25). Im Rahmen des Reformprozesses zur Agrarpolitik nach 2013 und im Vorfeld der finanziellen Vorausschau des EU-Haushalts bis 2020 sowie der grundlegenden Weichenstellungen bezüglich des Sys-tems der Direktzahlungen zeichnen sich daher weitergehende Änderungen ab.

Insbesondere vor dem Hintergrund der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte als Fol-ge der Wirtschafts- und Finanzkrise, die in den Mitgliedsstaaten der EU immer noch anhält, und der Diskussion um eine zielgerichtete Verwendung der finanziellen Mittel wird derzeit intensiv über die Höhe des EU-Agrarhaushalts gestritten. Die Diskussion konzentriert sich insbesondere auf Themen wie die Verteilung der EU-Mittel auf die verschiedenen Mitglieds-staaten, die Frage nach der Legitimität der Fortführung ehemals als Ausgleichszahlungen für Preissenkungen im Agrarbereich gewährten Transferzahlungen sowie die Frage nach einer effizienten Bereitstellung öffentlicher Güter durch die Landwirtschaft.

Neben den budgetären Belastungen auf der einen und den finanziellen Begehrlichkeiten auf der anderen Seite liegen die Gründe für die intensive politische Diskussion insbesondere in den Unzulänglichkeiten der bisherigen Agrarpolitik. Bemängelt werden an der bestehenden Agrarpolitik beispielsweise deren Kosten bzw. der Anteil der Direktzahlungen am

22 Vgl. FARWICK und BERG (2011)

Haushalt, die Verteilungsgerechtigkeit der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel so-wohl zwischen den Mitgliedsstaaten als auch zwischen den Landwirten, die Transfereffizienz der Zahlungen, die Auswirkungen des Betriebsprämienmodells auf die Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors, die Frage der Legitimität der Direktzahlungen und die Umweltbilanz. Darü-ber hinaus wird nach wie vor argumentiert, dass die Betriebsprämienregelung keinen effekti-ven Beitrag zu Ernährungssicherheit und zur Marktstabilisierung leistet (vgl. BUREAU et al., 2007, S.3f.; BALDOCK et al. 2010, S.50-65). Nachfolgend werden einige Kritikpunkte an der bestehenden Agrarpolitik aufgegriffen, von denen eine Reihe als Ausgangspunkt für die Erar-beitung der vorliegenden Rechtsvorschläge zur GAP nach 2013 angesehen werden können.

Budgetbelastungen

Das Gesamtbudget der bestehenden europäischen Agrarpolitik ist weiterhin ein angeführter Kritikpunkt (vgl. BUREAU et al. 2007, S.4f.). Neben der Frage einer sachgemäßen Verwen-dung der Zahlungen stößt eine aus Sicht der Öffentlichkeit schwer nachvollziehbare und un-differenzierte Förderung der Landwirtschaft nach dem „Gießkannenprinzip“ sowohl im Hin-blick auf das Gerechtigkeitsempfinden als auch einer sinnvollen Verwendung von Steuermit-teln zunehmend auf Kritik (vgl. ZAHRNT, 2009, S.13f.; BMELV, 2010, S.27). Kritisiert wer-den sowohl die gesamten Agrarausgaben, die mit 57,3 Mrd. Euro gut 41 % des EU-Budgets ausmachen, als auch die anfallenden Verwaltungskosten, die auf nationale Einrich-tungen sowie die begünstigten Landwirte entfallen. Während die Agrarausgaben in den ver-gangenen Jahren absolut gesehen auf einem stabilen Niveau geblieben sind, hat sich der rela-tive Anteil aufgrund des steigenden Gesamtmittelvolumens des EU-Haushalts jedoch verrin-gert. So betrug das Mittelvolumen für marktbezogene Ausgaben sowie die Einkommensstüt-zung im Rahmen der Betriebsprämienregelung im Jahr 2011 rund 43 Mrd. Euro bzw. 75 % des Agrar- und lediglich noch 31 % des EU-Haushalts (KOM, 2012, S.131, Tab. 3.4.1).

Mittlerweile werden die Transfers an die Landwirtschaft im Wesentlichen aus Steuermitteln finanziert, wodurch die Belastung, die ehemals durch die Preisstützung auf die Kosten des Verarbeitungssektors und der Endverbraucher ging, erheblich zurückgegangen ist. Darüber hinaus hat die Einführung entkoppelter Direktzahlungen die Gefahr negativer Allokationsef-fekte allgemein verringert (BUREAU, 2007, S.3). Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die GAP auf europäischer Ebene das einzige im größeren Umfang gemeinschaftlich gestaltete Politikfeld darstellt, entkräftet den allgemein vorgebrachten Vorwurf, der Budgetanteil der Agrarpolitik am EU-Haushalt sei zu hoch. Vielmehr ist er der im Vergleich zu den übrigen Politikfeldern gemeinsamen Finanzierung auf europäischer Ebene geschuldet. Die Diskussion über das Budget der GAP müsste sich korrekterweise zunächst am Mittelbedarf orientieren, der zur Bewältigung der künftigen Herausforderungen des Agrar- und Ernährungssektors so-wie der ländlichen Räume erforderlich ist (vgl. BMELV, 2010, S.30ff.).

Verteilungseffekte

Das implementierte System der Direktzahlungen hat durch die Umstellung auf eine entkop-pelte Hektarprämie die in der Vergangenheit gewährten Garantiepreise als Agrarstützung ab-gelöst. Weil das auf historischen Referenzbeträgen basierende System der Direktzahlungen weder vollständig zeitgleich noch einheitlich für alle Produktionsbereiche Anwendung gefun-den hat, wergefun-den neben dem Budget darüber hinaus auch verteilungspolitische Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Produktionsbereichen innerhalb des Agrarsektors kritisiert. Auf-grund der BemessungsAuf-grundlage an historischen Bezugsgrößen resultiert eine ungleiche Ver-teilung des Gesamtvolumens der Zahlungen sowohl zwischen Produktionsbereichen, land-wirtschaftlichen Betrieben als auch einzelnen Mitgliedsstaaten der EU. In Bezug auf die Mit-telverteilung auf die Landwirtschaftsbetriebe wird vielfach kritisiert, dass ein relativ kleiner Teil der Landwirte den überwiegenden Anteil der Zahlungen erhält. Hierbei werden jedoch vielfach sowohl die Größenverteilung der Gesamtbetriebspopulation als auch die Systematik der hektarbezogenen Prämienzahlung außeracht gelassen. Es ist somit systembedingt, dass Betriebe mit einem größeren Flächenumfang auch ein höheres Gesamtprämienvolumen auf sich vereinigen. Gleichzeitig lägen diese Betriebe vielfach in Gunstlagen, deren natürliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen den dort ansässigen Landwirten ohnehin schon öko-nomische Vorteile verschafft (BUREAU, 2007, S.3). So finden sich in Nordrhein-Westfalen die höchsten Nennwerte für Zahlungsansprüche in Teilen der Kölner Bucht, am Niederrhein so-wie im Münsterland (vgl. SALHOFER et al., 2009, S.26ff.). Diese Regionen weisen im Ver-gleich zu den Mittelgebirgsregionen tatsächlich verVer-gleichsweise günstige Ausgangsbedingun-gen auf. Dieser Umstand wird sich jedoch automatisch ändern, da in Deutschland im Zeitraum 2010 bis 2013 durch den Übergang von einer betriebsindividuellen zu einer regional einheitli-chen Fläeinheitli-chenprämie übergegangen wird und sich der Wert aller Zahlungsansprüche angleicht.

Die ursprüngliche Bemessungsgrundlage für den Erhalt der Direktzahlungen wird zugleich undurchsichtiger und durch den Verlust des ursprünglichen Bezugsrahmes sowie eine man-gelnde Differenzierung der Direktzahlungen eine weitergehende Rechtfertigung von Direkt-zahlungen an landwirtschaftliche Betriebe immer schwieriger. Diesbezüglich ist nach ZAHRNT

das derzeitige Betriebsprämienmodell zutiefst undifferenziert, da es sowohl die Kriterien wie Haushaltseinkommen, Eigentumsverhältnisse der Betriebe als auch die Beschäftigung in der Landwirtschaft unberücksichtigt lässt (ZAHRNT, 2009, S.13). Die Art der Ausgestaltung und Höhe der gewährten Direktzahlungen zwischen den Produktionsbereichen ist somit grundsätz-lich nicht vereinbar mit dem allgemeinen Verständnis ordnungspolitischer Grundsätze. Unter sozialpolitischen Gesichtspunkten sind Maßnahmen der Einkommensstützung darüber hinaus ausschließlich am Haushaltseinkommen der Zielgruppe zu beurteilen und zu orientieren.

Transfereffizienz

Ein weiterer Effekt, der sich langfristig auf die Wirksamkeit der Direktzahlungen in ihrer der-zeitigen Form ergibt, ist eine zunehmende Überwälzung eines Großteils der Zahlungen auf die Eigentümer der Produktionsfaktoren, was speziell für Grund und Boden gilt. Damit wird die

im Vergleich zu einer produktionsabhängigen Erzeugersubvention als wohlfahrtsökonomisch effizienter zu beurteilende entkoppelte Direktzahlung in ihrer Wirkung stark beeinträchtigt.

Auf der einen Seite verringern sich zwar die mit einer gekoppelten Prämie verursachten Pro-duktionsanreize, die eine Reihe ungewünschter Effekte nach sich zogen (Umweltwirkungen, Produktionsüberschüsse, o.ä.), auf der anderen Seite werden die entkoppelten Zahlungen auf-grund ihrer Bindung an den Faktor Boden prinzipiell im jeweiligen Vermögenswert kapitali-siert und letztlich an den Eigentümer des Produktionsfaktors überwälzt. Wie stark dieser Ef-fekt zu Tage tritt, hängt wiederum neben den Knappheitsverhältnissen von Zahlungsansprü-chen und landwirtschaftlicher Fläche von mögliZahlungsansprü-chen Bewirtschaftungsauflagen o.ä. ab (vgl.

COURLEUX et al., 2008). Das in Deutschland Anwendung findende Kombinationsmodell für Direktzahlungen sorgt beispielsweise dafür, dass im Jahr 2013 alle Zahlungsansprüche einer Region dieselbe Wertigkeit aufweisen und die damit verbundene Einheitsprämie tendenziell wie eine Faktorsubvention auf Boden wirkt, was wiederum eine starke Überwälzung der Transferzahlungen auf die Grundeigentümer nach sich zieht (KILIAN und SALHOFER, 2009, S.142). Im Hinblick auf die Transfereffizienz der Zahlungen erwächst hierdurch ein zuneh-mendes Problem für die Landwirte, da die Einkommenswirksamkeit der Direktzahlungen all-mählich abnimmt.

In einer Analyse zur Wirkung von Direktzahlungen auf die Pachtentgelte in den neuen Mit-gliedsstaaten der EU finden VAN HERCK und VRANKEN (2011) einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen der Höhe der gewährten Hektarprämie und des zu zahlenden Pacht-entgeltes. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass etwa 10 bis 15 % der Direktzahlungen un-mittelbar in den Pachtpreisen kapitalisiert werden, woraus sie schließen, dass ein bedeutender Anteil der Direktzahlungen nicht den begünstigten Landwirten zu Gute kommt, sondern aus dem Agrarsektor abfließt. Aufgrund dessen würden die Zahlungen in den neuen Mitglieds-staaten der EU das Ziel der Förderung der ländlichen Bevölkerung in gewissem Maße verfeh-len (vgl. HERCK und VRANKEN, 2011, S.15). Im Zuge eines voranschreitenden Strukturwan-dels mit tendenziell steigenden Pachtflächenanteilen der Landwirtschaftsbetriebe nimmt daher allmählich der Personenkreis zu, der in den Genuss von Zahlungen kommt, ohne zur eigentli-chen Zielgruppe der Zahlungen zu gehören (vgl. ISERMEYER, 2003, S.22; BMELV, 2010, S.12f.).

Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit

Die Auswirkungen der Agrarpolitik auf die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit sind ins-gesamt unterschiedlich zu beurteilen und erlauben daher keine generelle Aussage. Die ehe-mals als Preisausgleichzahlung implementierten Direktzahlungen bieten für die landwirt-schaftlichen Betriebe zunächst eine finanzielle Sicherheit, da sie die Variabilität des Einkom-mens abmildern (vgl. LELYON et al., 2011, S.128). Daneben werden Kreditbelastungen bei Neu- und Erweiterungsinvestitionen verringert und damit prinzipiell Innovationen gefördert.

Andererseits führt die Bindung des Erhalts der Direktzahlungen an die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen dazu, dass eine Reihe von oftmals älteren und unter Umständen

weniger effizient wirtschaftenden Landwirte einen geringeren Anreiz zur Aufgabe ihres Be-triebs haben und dadurch das Angebot an landwirtschaftlicher Nutzfläche für potenzielle Wachstumsbetriebe verringern. CHAU und DE GORTER (2005) zeigen, dass hektarbezogene Direktzahlungen dazu führen können, dass ineffiziente landwirtschaftliche Betriebe, die ihre Fixkosten nicht decken können und damit langfristig aus der Produktion ausscheiden würden, die Produktion aufgrund der Direktzahlungen beibehalten (CHAU und DE GORTER, 2005, S.1181). Denn im Zuge der Entkopplung wurde den begünstigten Landwirten quasi kostenlos ein Prämienrecht erteilt, das sich prinzipiell als „Status-Quo-Rente“ interpretieren lässt (vgl.

Kapitel 3.2.4.2).23 Eine Veräußerung von Faktoren, die derartige Renten begründen, erscheint nach MARGARIAN (2010) nur sinnvoll, wenn entsprechende Anreizmechanismen beispiels-weise in Form einer Entschädigung vorliegen (MARGARIAN, 2010, S.28). Sofern ein Anreiz zur Aufgabe von Betrieben bzw. der Freisetzung von Land fehlt, werden dadurch mögliche Effizienzgewinne zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch betriebliches Wachstum behindert (BALDOCK et al., 2010, S.56). Eine Kapitalisierung der Zahlungen führt darüber hinaus zu höheren Pacht- und Bodenpreisen, die in der Folge zu höheren Eintritts- und Ex-pansionskosten führen. Zusammen mit einer gehemmten Mobilität aufgrund der Rentenwir-kung wird dadurch eine effiziente Allokation von Land und die Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors insgesamt negativ beeinträchtigt. Dies steht jedoch prinzipiell im Widerspruch zu den ursprünglichen Zielsetzungen der GAP, wonach die Produktivität der Landwirtschaft, unter anderem durch den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, gestärkt werden soll (vgl. EU-Vertrag, 2010, Art. 39).

Die im Rahmen des Mid-Term Review eingeräumte Möglichkeit, auf einzelnen Märkten le-diglich eine Teilentkopplung vorzunehmen, hat dazu geführt, dass in einigen Mitgliedsländern der EU nach wie vor produktionsabhängige Erzeugersubventionen gezahlt werden (vgl.

BALDOCK et al. 2010, S.3). Ein Nebeneinander unterschiedlicher Rahmenbedingungen zwi-schen den Mitgliedsstaaten steht allgemein jedoch im Widerspruch zu den Grundsätzen eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes (vgl. BMELV, 2010, S.7). Negative Allokations-wirkungen innerhalb der europäischen Union werden daher nur unvollständig beseitigt. Dabei erleichtert eine vollständige Entkopplung eine Ausdifferenzierung der Produktionsregionen mit komparativen Standortvorteilen, was hinsichtlich des Ziels der Steigerung der Wettbe-werbsfähigkeit des Agrarsektors von Vorteil ist. Auf der anderen Seite würde eine stärker spezialisierte bzw. auf weniger Produktionsbereiche differenziere Landwirtschaft dem Kon-zept einer multifunktionalen Landwirtschaft entgegenstehen, deren Vorzüge neben der Bereit-stellung von privaten Gütern in Form von Nahrungsmitteln auch darin bestehen sollte, eine Reihe von öffentlichen Gütern wie beispielsweise die Offenhaltung der Landschaft, die Erhö-hung der Biodiversität, den Erhalt des kulturellen Erbes oder der Kulturlandschaft als Kup-pelprodukte bereitzustellen. Für die Agrarpolitik ergibt sich hieraus ein Konflikt, da „sich die

23 Aufgrund der beabsichtigten Abschaffung bzw. Verringerung der Direktzahlungen lässt sich die dadurch gene-rierte Rente nicht dauerhaft aufrecht erhalten und kann damit als zeitlich begrenzt angesehen werden.

Effizienz (Höhe) der Bereitstellung öffentlicher Güter und die Effizienz (Höhe) der Bereitstel-lung marktfähiger Güter oftmals antagonistisch gegenüberstehen“ (WÜSTEMANN et al., 2008, S.37-57). Da der Wert der Bereitstellung öffentlicher Güter in Regionen mit komparativen Standortnachteilen (z.B. benachteiligte Gebiete) vielfach höher als auf Gunststandorten einge-schätzt wird, jedoch in diesen Regionen die Wettbewerbsfähigkeit bei handelbaren Gütern meist geringer ist, hat eine Sicherstellung der Bereitstellung öffentlicher Güter über die Auf-rechterhaltung der Landbewirtschaftung in jenen Regionen aus gesellschaftlicher Sicht daher einen besonderen Wert (vgl. SRU, 2009, S.9). Staatliche Interventionen in existierende Märk-te sind daher zur direkMärk-ten Förderung öffentlicher GüMärk-ter bzw. ÖkosysMärk-temdienstleistungen durch Landwirte grundsätzlich zu rechtfertigen, auch wenn sie teilweise im Konflikt mit WTO-Vereinbarungen oder im Widerspruch zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Agrarsektors stehen.

Umweltwirkungen

Die Landwirtschaft ist aufgrund des hohen Nutzungs- bzw. Bewirtschaftungsanteils von etwa 50 % an der Gesamtfläche von großer Bedeutung für Umweltaspekte (PETERSEN und CAMPLING, 2005, S.26). In der Vergangenheit standen die landwirtschaftliche Erzeugung und die Bereitstellung öffentlicher Güter aufgrund einer vergleichsweise vielschichtigen Produkti-onsstruktur der landwirtschaftlichen Betriebe nahezu unbemerkt im Einklang. Während mit vielfältigen Bewirtschaftungsformen positive Auswirkungen auf die Umwelt einhergingen, wie beispielsweise der Erhalt einer artenreichen Kulturlandschaft sowie naturnaher Ökosys-teme, gehen im Zuge einer weiteren Spezialisierung und Intensivierung der Landwirtschaft aber auch negative Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes einher. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik (WBA) beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz stellt hinsichtlich des Einflusses der Landwirtschaft auf die biologische Vielfalt fest: „Es ist unbestritten, dass die biologische Vielfalt national wie international stark rückläufig ist und dass dies zu einem erheblichen Teil durch Veränderungen verursacht wur-de, die der globale Agrarsektor in den vergangenen 50 Jahren durchlaufen hat“ (BMELV, 2010, S.20). Insbesondere die Biodiversität der Agrarlandschaften wird durch verschiedene Prozesse, wie eine Intensivierung beispielsweise durch verstärkten Einsatz von Pflanzen-schutzmitteln und Mineraldüngern sowie der Aufgabe extensiver Bewirtschaftungsformen, wie beispielsweise den Erhalt von Hecken und Wällen auf der einen sowie einer partiell vor-kommenden vollständigen Nutzungsaufgabe von Flächen (Marginalisierung) auf der anderen Seite, negativ beeinträchtigt (vgl. PETERSEN und CAMPLING, 2005, S.38; HART et al., 2011, S.25). Während sich der Wert des Indikators für Artenvielfalt und Landschaftsqualität in Deutschland im Zeitraum 1999 bis 2009 statistisch signifikant verschlechtert hat und im Jahr 2009 bei 67 % des Zielwertes lag, kann davon ausgegangen werden, dass sich der angestrebte Zielwert von 100 % im Jahr 2015 aller Voraussicht nach nicht mehr erreichen lässt (vgl.

STATISTISCHES BUNDESAMT, 2012, S.17).

Welchen Einfluss die Agrarpolitik allgemein und speziell die Ausgestaltung des Direktzah-lungssystems auf die Bewirtschaftungsformen und -intensitäten hat und welche Auswirkun-gen sich dadurch in der VerganAuswirkun-genheit auf die Umweltbilanz des Agrarsektors ergeben haben, lässt sich nur äußerst schwierig quantifizieren. In Bezug auf die Umweltwirkung ist die im Zuge des Mid-Term Review umgesetzte Entkopplung der Direktzahlungen von der laufenden Produktion im Vergleich zu den in der Vergangenheit praktizierten Instrumenten in Form von Preisstützungsmaßnahmen jedoch grundsätzlich als positiv zu beurteilen. Durch eine Ent-kopplung gehen zum einen verstärkte Anreize zur Intensivierung der Produktion zurück, wo-mit prinzipiell eine Verringerung des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzwo-mitteln ein-hergeht. Zum anderen eröffnet sie den Landwirten die Möglichkeit, jene Kulturen anzubauen, die sowohl im Hinblick auf die gegebenen Standortbedingungen als auch die Marktanforde-rungen als vorteilhaft anzusehen sind, was sich grundsätzlich förderlich auf die Fruchtarten-vielfalt und damit letztlich die Biodiversität auswirken kann. Dennoch lässt sich die Wirkung der derzeitigen Agrarpolitik auf den Naturhaushalt nicht zweifelsfrei beurteilen. Im Rahmen zunehmender Verknappung landwirtschaftlicher Nutzflächen infolge des Entzugs von Flächen für Siedlung, Gewerbe und Verkehr auf der einen sowie einem Nutzungsentzug durch ent-sprechende Kompensationsmaßnahmen beispielsweise durch Aufforstungsflächen oder He-cken und Gebüsche auf der anderen Seite verringert sich die Produktionsgrundlage landwirt-schaftlicher Betriebe tendenziell jedoch weiter. Durch eine Flächenverknappung wird diesbe-züglich eine Intensivierung der verbleibenden Nutzflächen angeregt, da die Nutzungskosten des Bodens steigen. Dies begünstigt daneben einen verstärkten Umbruch von Dauergrünland, was sich hinsichtlich des ökologischen Nutzens sowie der Artenvielfalt ungünstig auswirkt.

Letztlich bestehen für die Gemeinsame Agrarpolitik weiterhin Herausforderungen darin, ei-nen Beitrag zum des Erhalt der biologischen Vielfalt und des Umweltschutzes zu leisten. An-gesichts der in Teilen konkurrierenden Ziele Ernährungssicherung, Verbesserung der Wett-bewerbsfähigkeit sowie Ressourcenschutz und Bereitstellung öffentlicher Güter, wird eine übergreifende Strategie erforderlich. Anstelle weiterer Verschärfungen bestehender Cross-Compliance-Auflagen sollten grundsätzlich bestehende Maßnahmen des Vertragsnaturschut-zes erweitert und finanziell besser ausgestattet werden. Die bestehenden Politikmaßnahmen sollten diesbezüglich in Richtung verstärkt ergebnisorientierter Maßnahmen mit entsprechen-den Anreizkomponenten weiterentwickelt werentsprechen-den. Konzeptionell sollten die Maßnahmen so-wohl den ökologischen Nutzen der Maßnahmen als auch die mit möglichen Maßnahmen ver-bundenen Opportunitätskosten berücksichtigen. Gegenüber regulativen Maßnahmen haben Instrumente unter Einbeziehung betriebsindividueller Belange im Hinblick auf ein ausgewo-genes Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie eine bessere Zielgerichtetheit der Maßnahmen Vortei-le und steigern gVortei-leichzeitig die Teilnahmebereitschaft an Agrarumweltmaßnahmen (vgl.

BMELV, 2010, S.23).

Legitimierung der Direktzahlungen

Das aus den vergangenen Agrarreformen hervorgegangene System entkoppelter Direktzah-lungen wurde ursprünglich vor dem Hintergrund etabliert, die finanziellen Einbußen des Ab-baus der Marktpreisstützung für die Landwirte abzumildern. In diesem Zusammenhang stellt der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik in einem Gutachten zur Ausrichtung der EU-Agrarpolitik nach 2013 fest, dass es mit zunehmendem Abstand von diesem Ereignis schwie-riger wird, „die Direktzahlungen mit den ursprünglichen Argumenten „Einkommensaus-gleich“ und „Vertrauensschutz“ zu begründen“ (BMELV, 2010, S.2; vgl. auch BUREAU et al., 2007, S.4). Vielmehr bedarf es für eine weitere Gewährung von Zahlungen an die Landwirt-schaft neuer Legitimationen. Nach BECKER und RUDLOFF (2011) sollte bei langfristig ausge-richteten Reformzielen in der Agrar- und Kohäsionspolitik grundsätzlich geprüft werden, ob im Agrarsektor Marktversagen durch staatliche Eingriffe in Form finanzieller Beihilfen zu beheben ist, oder ob durch die Landwirtschaft öffentliche Aufgaben erfüllt werden, die einen finanziellen Ausgleich begründen. Nur in derartigen Fällen seien über öffentliche Eingriffe Wohlfahrtsgewinne zu erzielen und eine politische Legitimation gerechtfertigt. Losgelöst da-von besteht ferner die Frage nach der effizientesten Bereitstellung öffentlicher Aufgaben. Ei-ne mögliche Folge könnte Ei-neben Mittelverschiebungen zwischen verschiedeEi-nen Ausgabenbe-reichen ferner die Prüfung anderer Formen der Bereitstellung öffentlicher Leistungen bzw. die Behebung von Marktversagen (z.B. negativer externer Effekte) sein. So sind neben finanziel-len Anreizen prinzipiell auch ordnungsrechtliche Akte, Informationsmaßnahmen und finanzi-elle Sanktionen möglich (vgl. BECKER und RUDLOFF, 2011, S.51). Diesbezüglich rechtferti-gen auch die vielfach diskutierten und von Seiten der Landwirtschaft als Legitimation ange-führten Cross-Compliance-Anforderungen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht länger die Gewährung von direkten Transferzahlungen, da der weitaus größte Teil der Anforderungen bereits über geltendes Ordnungsrecht geregelt ist.

Die Produktion und Vermarktung von Nahrungsmitteln ist somit prinzipiell als Bereitstellung eines privaten Gutes zu verstehen, bei dem ordnungspolitische Eingriffe lediglich zur Interna-lisierung positiver oder negativer externer Effekte statthaft sind. Eine grundsätzliche Beibe-haltung der ehemals als Preisausgleichszahlungen gewährten Direktzahlungen lässt sich über diesen Mechanismus langfristig jedoch nicht weiter begründen. Vielmehr „lassen sich die entkoppelten Direktzahlungen als unterstützende Kompensationszahlung und Anpassungshil-fe für weitergehende Reformschritte auffassen“, sollte deren Einführung „im Rahmen eines evolutionären Reformprozesses“ verstanden werden (FARWICK undBERG, 2011, S.99). Damit erhalten sie grundsätzlich den Charakter einer finanziellen Unterstützung im Rahmen einer Übergangsstrategie, die einen „inkrementalistischen Ansatz bei der Abschaffung der einheitli-chen Betriebsprämie“ rechtfertigen könnte (ZAHRNT, 2009, S.25f.; vgl. BUCKWELL, 2009, S.11). Das Ziel kann daher langfristig nur in einer weitgehenden Abschaffung des derzeitigen Systems der Direktzahlungen liegen.

BUCKWELL (2009) schlägt in diesem Zusammenhang vor, die Betriebsprämienregelung in eine „Vorübergehende Anpassungshilfe“ umzubenennen, um eindringlich zu vermitteln, dass sowohl Art als auch Zweck der Zahlungen zukunftsorientiert sind (BUCKWELL, 2009, S.28).

Demnach lässt sich eine Legitimation für die Gewährung von Direktzahlungen zukünftig prinzipiell in der Bereitstellung öffentlicher Güter finden, die darin bestehen kann, Leistungen der Landwirtschaft, die über das als normal betrachtete Niveau, welches grundsätzlich über das geltende Ordnungsrecht definiert ist, hinausgehen, zu honorieren. Dazu zählen beispiels-weise neuen Herausforderungen wie Klima-, Boden- und Grundwasserschutz. Das Abrücken von einer an einkommenspolitischen Zielen orientierten Förderpolitik auf eine verstärkte För-derung der Landwirtschaft zur Bereitstellung öffentlicher Güter wirft jedoch zwangsläufig Fragen auf. So ist zu ermitteln, wie hoch der Bedarf der Bereitstellung öffentlicher Güter ist, d.h. welche Nachfrage regional besteht, nach welchen Kriterien die Zahlungen erfolgen sol-len, welche politische Ebene verantwortlich ist und letztlich mit welchen Mitteln ein ausge-wogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis erreicht wird. Nur dadurch lässt sich eine längerfristige und legitime Rechtfertigung von Zahlungen an die Landwirtschaft gegenüber der Öffentlich-keit vermitteln. Dem derzeit praktizierten System, bei dem die sich die Zahlungen nach histo-rischen Produktionsverfahren und deren Umfängen richten und prinzipiell als Einkommens-transfer an die Landwirtschaft zu werten sind, wäre demnach vielmehr ein an die jeweiligen Bedürfnisse der Bereitstellung öffentlicher Güter auf regionaler Ebene ausgerichteter Förder-ansatz vorzuziehen. Dabei würde eine stärkere Berücksichtigung des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz sowohl die Legitimität der Zahlungen erhöhen als auch den direkten Nutzen der Förderung entsprechend den regional unterschiedlichen Bedürfnissen erhöhen (vgl. BUREAU

et al., 2007, S.17; BUREAU und MAHÉ, 2008, S.82).24 Ein vorübergehendes Fördermodell würde diesbezüglich ein planmäßiges Auslaufen der bisherigen Betriebsprämienregelung bei gleichzeitiger Ausweitung von Programmen zur Entlohnung der Landwirte für die Bereitstel-lung von öffentlichen Gütern und Gemeinwohlleistungen umfassen.