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Wenn das relativum nur als vox oder überhaupt einem Zeichen zukommend verstanden würde, wäre die Lehre von den drei als relationes reales zu

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J. Paulus, Henri de Gand, p.l86 n.3

8 Wenn das relativum nur als vox oder überhaupt einem Zeichen zukommend verstanden würde, wäre die Lehre von den drei als relationes reales zu

den-kenden Personen in Gott nicht aufrechtzuerhalten: Praed.7 <22vb>; die Ausgabe Venedig 1485 enthält leider keine Paginierung, sie wird zur leichteren Verifizierung der Textzitate in spitzen Klammern < > nachgetragen.

Begründung, die er dafür gibt, findet sich auch sonst allenthal-ben: D a die Relation eine debilissimam entitatem9 habe, sei sie wesentlich für uns schwer erkennbar. Nicht allein dieser Hinweis u n d seine Begründung, sondern auch der angesprochene epistem o l o g i s c h e K o n t e x t ist gänzlich t r a d i t i o n e l l . D e r epistem e n s c h l i -chen V e r n u n f t wird eine W i r k l i c h k e i t zugeordnet, die zwar als Wirklichkeit erkennbar ist, aber das Maß dieser Erkennbarkeit für uns w i r d an e i n e m sozusagen mittleren G r a d v o n W i r k l i c h -keit festgemacht. W i r d dieses - wie etwa i m Falle Gottes - über-schritten, d a n n bleibt es für uns n u r indirekt, nämlich vermittels seiner W i r k u n g e n erkennbar; wird dies - wie etwa i m Falle d e r materia p r i m a unterschritten, d a n n ist ebenfalls n u r eine i n -direkte Erkenntnis, nämlich p e r analogiam, möglich. M i t d e m i n der Scholastik zahllose Male zitierten Satz des Averroes, die Relation habe unter allen Kategorien das schwächste Sein, verbindet Burley darüber hinaus auch n o c h eine bereits aus Scotus bekannte Folgerung:

ideo non cognoscitur a nobis nisi per suum fundamentum. Ideo philosophus species et differentias relativorum tanquam minus notas enumerat.1 0

Diese Folgerung ist n u n gewiß kein Resultat einer abstrakten oder methodisch vorgängigen Theorie d e r Erkennbarkeit. D i e F o r m , in der die klassische T h e o r i e der Relation faktisch bereits expliziert ist, wird nachträglich auf ihre Berechtigung h i n analysiert. D i e Legitimierung mit H i l f e des Begriffes der Erkennbarkeit soll d e r Unvermeidlichkeit desjenigen Umstandes R e c h n u n g tragen, daß sich die Relationen nicht intern, sondern nur dadurch spezifizieren lassen, daß i n die D e f i n i t i o n e n der Relationsarten die jeweiligen Fundamente m i t a u f g e n o m m e n werden. Diese nachträgliche methodische Reflexion macht d e n Status d e r Theorie als einer Hilfkonstruktion z u m einen d e u d i c h u n d z u m anderen i n seiner Unvermeidlichkeit einsichtig. Burley bestätigt die Schwierigkeiten nochmals a m E n d e des Kapitels, wo er das bekannte Eingeständnis des Aristoteles über die Detailprobleme des Relationsbegriffes mit d e m Buridans Tractus de relationibus einsetzt z u k o m m e n -tieren hat.1 1 Dies schließt natürlich keineswegs aus, daß n i c h t ungeachtet der grundsätzlichen Schwierigkeiten die aristotelische Relationslehre d i e beste O r i e n t i e r u n g b i e t e n k ö n n t e : I t e m

9 Praed.7 < 24vb >.

1 0 Praed.7 <24vb>; cf. cap.12, n.6.

1 1 Praed.7 < 29ra >.

philosophus in hoc capitulo dat o p t i m a m d o c t r i n a m ad cognos-c e n d u m relativa quae talis est.1 2 D i e Schwierigkeit des K o m -mentators Burley ist aber nicht, Aristoteles gegen eine andere L e h r e - etwa die der Stoiker - z u verteidigen, sondern den genuinen S i n n seiner L e h r e im Blick auf eine kontroverse Inter-pretation des Aristoteles zu eruieren. D i e Kontroverse besteht somit zwischen einer betont realistischen u n d einer betont nomina-listischen Interpretation des Aristoteles. Diese betrifft naturgemäß nicht erst die Frage nach dem ontologischen Status der Relationen, s o n d e r n schon die Interpretation der Kategorien überhaupt.

H a n d e l t die Kategorienschrift de vocibus oder de rebus? Burley n e n n t i m Sinne der ersten Interpretation Boethius u n d Simpli-cius - et m u l t o r u m a l i o r u m .1 3 Dies k a n n natürlich nicht heißen, die Schrift gehöre i n die G r a m m a t i k ; daher fügt Burley zur Präzisierung h i n z u , sie handle v o n d e n voces, aber insofern sie Dinge bezeichnen. Die andere Interpretationsrichtung - quam credo veriorem - verhält sich zur ersteren spiegelverkehrt: i n hoc libro determinatur de rebus principaliter et ex consequenti et secundario de vocibus.1 4 Als i h r zugehörig nennt Burley nur Avicenna u n d Averroes. Insofern es eine A b h a n d l u n g der L o g i k ist, so lautet eines ihrer A r g u m e n t e , k a n n die vox keine primäre R o l l e spielen, weil sonst die L o g i k abhängig würde von den kontingenten Bedingungen der Sprachlichkeit. Sie gehörte dann z u d e m schon selbst i n eine bestimmte Kategorie, nämlich zur Qualität. D i e Kategorienlehre fiele somit selbst unter i h r e n Gegenstand. ( O b dies ein wirklich durchschlagendes A r g u m e n t sein kann, sei hier offengelassen). Burley's eigene Bestimmung des Gegenstandes lautet folgendermaßen: ens dicibile i n c o m -p l e x u m ordinabile in genere intelligendo -per genus coordina-tionem praedicamentalem.1 5

2. Die Realität der Relationen

Dieser realistische Ansatz i m Verständnis der Kategorien vermag freilich nicht die spezifischen P r o b l e m e mit d e m Status der

1 2 Praed.7 < 22vb >.

1 3 Praed., prol.< lra>. Die Verwendung von "multi" mit Bezug auf Vertreter einer These ist in den meisten Fällen nicht einschätzbar. Es kann sowohl als bloße Anonymisierungsformel wie auch als wirkliche Angabe über die Stärke einer Partei gemeint sein. Wenn es den letzteren Sinn haben soll, muß dies aus dem Kontext eindeutig hervorgehen.

1 1 Praed., prol. < lra >; moderne Ausleger sind davon nicht weit weg: K. Oehler, Aristoteles, Kategorien, p.239; 251.

Praed., prol. <lra>.

Relationen zu lösen oder gar nicht erst a u f k o m m e n zu lassen.

Betrachten wir zuerst das, was Burley unter einer Relation versteht:

E r verwendet auch i n anderen Schriften die klassische D e f i n i t i o n : relativum est cuius esse est ad aliud se habere.1 6

G l e i c h w o h l hält B u r l e y an der für i h n erst scholastischen Unterscheidung i n der T e r m i n o l o g i e fest: Die allgemeinste Be-zeichnung für die Kategorie der B e z i e h u n g ist nicht relativum, sondern relatio. D e n n m a n k a n n v o n solchen Arten der Relation wie Vaterschaft oder Sohnschaft nicht sagen, sie seien ein relativum, sondern nur, sie seien eine Relation. D i e alte B e z e i c h n u n g ad aliquid, die von Boethius u n d Albertus Magnus als die allgemeinste u n d damit angemessenste legitimiert w o r d e n ist, möchte Burley in der Weise verstanden wissen, daß das " a d " die habitudo v o n terminus z u terminus denotiert. Es ist dabei unschwer erkennbar, daß die d e m Aristoteles latinus entstammende T e r m i n o l o g i e keine direkte, sondern n u r eine indirekte Berechtigung hat. Die inzwi-schen völlig geläufig gewordene U n t e r s c h e i d u n g von Relatio u n d Relativum ergibt sich nicht aus der Bezeichung ad aliquid, son-dern es wird umgekehrt diese interpretiert unter Voraussetzung eben j e n e r U n t e r s c h e i d u n g v o n d e m , was i n einer Relation steht, u n d d e m , was die R e l a t i o n selbst ausmacht. H i e r b e i ist v o n besonderer Wichtigkeit zu sehen, daß damit nicht einfach zwei unterschiedliche Entitäten gefaßt werden, sondern - wenn m a n so sagen k a n n - zwei unterschiedliche F o r m e n von Entitäten. Es ist nämlich die U n t e r s c h e i d u n g von demjenigen, was i n einer Beziehung steht, zu demjenigen, was, wie Burley sagt, das Prinzip des Bezogenseins darstellt: R e l a t i v u m e n i m d i c i t u r r e l a t i v i relativum. Ideo relatio quae est p r i n c i p i u m r e f e r e n d i relati-v u m ad relatirelati-vum est u n a s e c u n d u m genus.1 7 Dieser gegenüber Aristoteles abstraktere Begriff der Relation scheint, wie aus d e m eben zitierten Schlußsatz hervorgeht, Burley größere C h a n c e n z u eröffnen, die Einheit der Relationskategorie z u bewahren. Das heißt nichts anderes, als daß der Relationsbegriff gar nicht auf seine Kategorialität i m engeren Sinne festgelegt ist. Burley integriert d e n n auch ausdrücklich die transzendentalen Relationen der Skotisten. A u c h die Beziehungen wie genus-species, actus-potentia, die als solche nicht unter e i n als Gattungsbegriff verstandenes

1 6 De relativis, 1 (Shapiro 160). Burley unterscheidet dort das grammatikalische relativum (das Relativpronomen) einerseits vom relativum logicum seu reale seu metaphysicum und bemerkt andererseits zu dieser auffalligen Zuordnung des logischen und des metaphysischen RelationsbegrifFes: Istae enim idem sunt aliquo modo; quia logicus et metaphysicus circa idem laborant.

1 7 Praed.7 <24ra>.

ad aliquid z u rechnen sind, gehören quidditative zur Kategorie der R e l a t i o n .1 8

Bei allem erkennbaren Bestreben Walter Burley's, d e n genui-nen Sinn des aristotelischen Textes gegen seine nominalistische Verfälschung zu bestimmen u n d festzuhalten, sind also die S p u r e n der i h m unmittelbar voraufgehenden Aristoteles-Rezeption u n d - Transformation unverkennbar. A u c h die erst inzwischen selbst-verständlich gewordene Differenzierung i n reale u n d rationale Relationen u n d i n - damit nicht ineins f a l l e n d - relationes secundum esse u n d secundum dici sind hierher z u r e c h n e n . D i e für die realen Relationen gegebene D e f i n i t i o n ähnelt d e r des Duns Scotus. A u c h Burley gibt drei B e d i n g u n g e n an:

A d relaüonem realem requiruntur tres conditiones: prima quod extrema relationis non dependeant ab intellectu, sed quod sint realia;

secunda conditio est quod extrema relationis sint realiter diversa;

tertia quod inter extrema sit habitudo mutua.1 9

Allerdings geht Burley insofern über Scotus hinaus, als er auch die Identität, weil nicht v o m Erkenntnissubjekt abhängig, n o c h zu d e n realen Relationen rechnet. Allerdings ist damit n u r einiges begrifflich geklärt, über die Realität realer Relationen j e d o c h n o c h nichts ausgemacht. A u c h die Frage danach hat die uns inzwischen vertraute F o r m : U t r u m relatio sit distincta ab o m n i re absoluta, scilicet a subiecto et a f u n d a m e n t o .2 0

Die Relation kann zumindest nicht ihrer D e f i n i t i o n nach bloß eine Bezeichnung sein, d a die für eine Relation wesentlichen Bestimmungen sich gar nicht rein innersprachlich interpretieren lassen. W e n n auch Gradualität u n d Kontrarietät n i c h t allen Relationen z u k o m m e n können, so hätten sie d o c h mit B e z i e h u n g auf bloß sprachliche Z e i c h e n eine ganz andere B e d e u t u n g . Kontrarietät bezöge sich etwa auf eine helle oder d u n k l e Stimme.

Die Reziprozität j e d o c h ist überhaupt n u r i n personaler Suppo-sition sinnvoll, d e n n die Bestimmung des "simul natura" hat m i t sprachlichen Zeichen gar nichts z u t u n . D e r N o m i n a l i s m u s w i -derspricht somit d e m Begriff d e r Relation. A u c h unter d e m Gesichtspunkt der E r k e n n t n i s b e d i n g u n g e n unterscheiden sich jene. E i n relationales W o r t (nomen) ist für sich erkennbar - m a n

denke etwa an Fremdsprachenkenntnisse - , aber der Sache nach

1 8 Praed.7 < 24vb >.

1 9 Praed.7 <24vb-25ra>; cf. cap. 12, n.77.

2 0 Praed.7 < 21va >.

kann keineswegs e i n Relatives ohne e i n anderes erkannt werden:

ergo n o m i n a n o n sunt relativa.2 1

Z u d e m macht der Begriff der Relation die Implikation des Begriffes des Fundamentes unausweichlich. Eine res absoluta k a n n für sich erkannt werden, aber, wie eben gesagt, nicht eine res respectiva. Ihre Erkenntnis steht unter der B e d i n g u n g , daß e i n anderes m i t erkannt wird. Dieses andere ist i h r Fundament. Etwas vermag n u r aufgrund von etwas in einer Relation zu stehen. W e n n aber ebensowenig etwas i n sich selbst fundiert sein kann, so ist z u g l e i c h d i e N o t w e n d i g k e i t d e r I m p l i k a t i o n wie des U n t e r -schiedenseins dargetan.2 2

Burley verwendet auch das bekannte A r g u m e n t , daß etwas, o h n e seine inhaltliche B e s t i m m u n g z u ändern, gleichwohl i n verschie-denen Relationen der Ähnlichkeit stehen k a n n . Das Sich-Gleich-Bleibende u n d das Sich-Verändernde k a n n j e d o c h niemals das-selbe sein. D i e graduelle Steigerbarkeit einer Relation wie d e r Ähnlichkeit gibt aber m i t Bezug auf Worte keinen Sinn. Ebenso

ist die Relation d e r Kausalität eine objektive Beziehung, die z u r W e l t ganz u n a b h ä n g i g v o n s u b j e k t i v e n B e d i n g u n g e n d e r Sprachlichkeit oder des aktuellen Erkenntnisvollzuges gehört.

Die Debatte u m d e n ontologischen Status v o n Relationen ist somit für Burley eine, die nicht die geringste Chance für eine Konkordanzformel offenläßt. Selbst für die diversen T h e o r i e n über die Verschiedenheit von Sein u n d Wesen haben manche seiner Zeitgenossen vielfach gesagt, all das sei e i n Streit u m Worte. D e r Relationennominalismus ist für Burley eine nicht allein Aristoteles widersprechende, sondern zugleich eine i n sich begrifflich unsin-nige Theorie. W i e sie a u f k o m m e n kann, diese Frage stellt Burley nicht. Es genügt i h m gezeigt zu haben, daß sie falsch ist. N u r dies wird aus der Erkenntnislage verständlich.

Praed.7 < 22rb >.

Praed.7 < 24vb >.

15. KAPITEL W I L L I A M O C K H A M

1. Der Neuansatz in der Relationstheorie Ockhams

O c k h a m s Theorie der Relation ist i m wesentlichen eine kritische T h e o r i e . In ihr - wie bekanntlich i n vielen anderen E l e m e n t e n seines Denkens - soll eine Realitätsunterstellung als unbegründet gezeigt werden, für welche namentlich D u n s Scotus, aber auch andere D e n k e r vermeintlich unausweichliche A r g u m e n t e gefun-d e n z u h a b e n schienen. O c k h a m s Generalthese ist, gefun-d a ß gefun-d i e A n n a h m e wirklicher Relationen nicht auf d e n A r g u m e n t e n be-ruht, die dafür vorgebracht worden sind, d e n n diese m a c h e n die Realitätsannahme von Relationen nicht letztlich zwingend; ihnen liege vielmehr eine unzureichende, u m nicht zu sagen systema-tisch irreführende Semantik eine realissystema-tische Interpretation v o n Kategorien wie der d e r Relation zugrunde.

In nahezu allen seinen (akademischen) Schriften von der frühen bis z u r späten Phase thematisiert O c k h a m das P r o b l e m d e r Relationen u n d wiederholt dabei unermüdlich seine These, daß Relationen zwischen D i n g e n nicht real sein können. A u f die Besonderheit d e r L e h r e O c k h a m s , daß die z u r Kategorie d e r Relation ebenso wie die zur Kategorie der Quantität gehörenden Begriffe keine eigene Realität bedeuten, darauf hat eindrucksvoll erstmals G o t t f r i e d M a r t i n i n d e r vielfach beachteten Studie

" W i l h e l m v o n O c k h a m . U n t e r s u c h u n g e n z u r O n t o l o g i e d e r O r d n u n g e n " von 1949, welche j e d o c h bereits 1938 abgeschlossen war, aufmerksam gemacht.1

1 Berlin 1949; dazu kritisch: J.A. Aertsen, Ockham, ein Transzendental-philosoph? Eine kritische Diskussion mit G. Martin, in: E.P. Bos [1987], 3-13;

zu Ockhams Relationstheorie: P. Doncoeur, Le nominalisme de Guillaume Occam. La theorie de la relation, in: Rev. neo-scol. de Philos. 23 (1921), 5-25; G. Martin, Ist Ockhams Relationstheorie Nominalismus?, in: Franz. Studien 32 (1950), 31-49; H. Greive, Zur Relationslehre Wilhelms von Ockham, in: Franz.

Stud. 49 (1967), 248-258; M. McCord Adams, William Ockham, part I cap.7 (215-276); J.R. Lopez Väzquez, La relaciön segün Guillermo de Ockham, in:

Pensamiento 44 (1988), 423-438; M.G. Henninger, Relations, cap.7, pp.119-149. Insbesondere M. McCord Adams und M.G. Henninger haben eindringliche Argumentationsanalysen vorgelegt.

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