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Die Lehre des Jakob von Viterbo (+108) von der Wirklichkeit des göttlichen Seins, in: Mittelalterliches Geistesleben II (196) pp.490-511

Im Dokument R E L A T I ON A LS V E R G L E I CH (Seite 142-178)

B. Decker, Die Gotteslehre des Jakob von Metz, p.399-403

3 Die Lehre des Jakob von Viterbo (+108) von der Wirklichkeit des göttlichen Seins, in: Mittelalterliches Geistesleben II (196) pp.490-511

4 op.cit, p.495.

zeitgenössischen Scholastikern auffälligen Weise.5 Z u m Text-charakter der "Quaestiones de Divinis Praedicamentis" sagt i h r Herausgeber, Eelcko Ypma: "Bien compose, il est sans doute la 'determinatio' de nombreuses disputes scolaires que le Maitre a soigneusement redigee."6 Y p m a datiert sie auf 1292/93.7

Jakob behandelt i n diesen quaestiones ein Zentralproblem der mittelalterlichen Theologie: Die Anwendbarkeit der aristotelischen Kategoriebegriffe auf Gott. Die damit zuammenhängenden Fra-gen waren einerseits allgeFra-genwärtig, sind aber selten mit solcher Systematik u n d solch ausgreifender Ausführlichkeit angegangen worden wie hier oder i n der S u m m a quaestionum o r d i n a r i u m des H e i n r i c h von Gent.8

Die Relationstheorie des Jakob v o n Viterbo ist eine i m Sinne der in der E i n l e i t u n g genannten M e r k m a l e typisch scholastische.

Z u m einen ist für sie der eben genannte theologische Kontext augenfällig:9 N e b e n einigen sporadischen B e m e r k u n g e n i n d e n

"quodlibeta" gibt Jakob eine ausführliche - i n der Edition v o n E. Y p m a ca. 270 Seiten lange - Erörterung des Relationsproblems in den "quaestiones de divinis praedicamentis". A m Leitfaden der aristotelischen Kategorienlehre wird die Tauglichkeit der Katego-rien für die V e r w e n d u n g in einem theologischen Zusammenhang analysiert. N e b e n dieser typisch "scholastischen" Situierung ist aber zum anderen insbesondere der U m s t a n d bemerkenswert, daß diese Frage nicht direkt, sondern auf d e m U m w e g einer Verallgemei-nerung angegangen wird. Bevor also die einzelnen Fragen zu d e n trinitarischen u n d kreativen Relationen erörtert werden, wird zuvor nach d e m ontologischen Status von Relationen überhaupt gefragt:

quia videri n o n potest nisi prius aliquid dicatur de natura relationis, ideo haec quaestio mota est tamquam praeambula.1 0 Dieser auf

b cf. F. Ruello, L'analogie de l'etre selon Jacques de Viterbe, qdl.I, 1, p.179, vermutet dahinter das Ansehen des Simplicius, ein besonders präziser Aristo-teles-Kommentator zu sein. Jakob selbst scheint keinen Hinweis zu geben.

6 quaest.I-X, Rom 1983, Introduction, p.VI.

7 Recherches sur la productivite litteraire de Jacques de Viterbe jusqu'ä 1300, in: Augusüniana 25 (1975), p.282; zur Rezeption: p.256 sq.; von diesem Forscher auch die einzige Arbeit zu unserer Frage: La relaüon est-elle un etre reel ou seulement un etre de raison d'apres Jacques de Viterbe, in: J. Jolivet (1991), 155-162.

8 Sum.32, 5 (op.omn.XXVII pp.75-121).

9 qu.ll (p.l2): oportet sie sentire de relatione, ut nec derogetur divinae simplicitati, nec Personarum distinetioni. Si enim non essent relationes divinae, non esset opus cum tanta diligentia relationis naturam pertractare.

1 0 de div.praed.il (Ypma p.l2); cf.q.6 (p.149): ad videndum ergo modum distinetionis Personarum, oportet videre de natura relationis et modo praedi-candi. Quod ut melius videatur, distinguendi sunt modi praedicandi, et ipsa praedicamenta, et quae illorum assumi possunt in divinis, et quae non, et

e i n e m unmittelbaren Rationalitätsinteresse basierende Universa-litätsanspruch scheint wesentlich z u d e m z u gehören, was die Scho-lastizität eines mittelalterlichen T h e o l o g e n auszeichnet.

2. Die Statusfrage

Die Frage, welche das P r o b l e m des ontologischen Status z u m Ausdruck bringt, ist vergleichsweise simpel formuliert: Ist eine Relation ein ens reale oder ein ens secundum rationem tantum?

Die Zahl der als einschlägig u n d relevant erachteten Gesichts-p u n k t e dagegen ist e n o r m : N i c h t weniger als 29 A r g u m e n t e führt Jakob i m E i n g a n g der quaestio X I an, u m die Plausibilität der Logisierungsthese vorzuführen. E r weiß j e d o c h aus d e n klassischen T e x t e n (Simplicius; Avicenna; Averroes), daß diese Frage n a c h d e m o n t o l o g i s c h e n Status n i c h t erst d u r c h die christliche T h e o l o g i e kontrovers wurde. W i e schon eine Reihe anderer doctores macht auch Jakob die Stoiker als Vertreter der Logisierungsthese namhaft. Was j e d o c h seine Zeitgenossen an-geht, so ist J a k o b auffällig zurückhaltend. Es versteht sich zwar v o n selbst, daß J a k o b darauf verzichtet, die einzelnen L e h r -m e i n u n g e n i h r e n Vertretern z u z u o r d n e n , er scheint hingegen angesichts des Schwierigkeitsgrades der Fragestellung1 1 voll Re-spekt für die vorgetragenen T h e s e n1 2 eine eher ausgleichende T h e o r i e zu v e r s u c h e n .1 3

Die Kontroverse scheint für Jakob o h n e h i n n o c h keine klar konturierten F o r m e n a n g e n o m m e n zu haben. E r spricht eingangs zwar v o n einer alten Streitfrage,1 4 diese hat aber, so scheint es quomodo; q.6 (p.l49): ad videndum ergo modum distinctionis Personarum, oportet videre de natura relationis et modo praedicandi.

1 1 de div.praed.il (p.12): quae quantum sit difficilis, nullus doctor ignorat.

Et maxime redditur difficilis propter relationes in divinis, secundum quas attenditur distinctio Personarum; cf. 12 (p.l07); cf. 11 (p.14): Nam prosequi per singula ea quae dicuntur, et praecipue a modernis, de relatione, non esset opus unius diei. Nec intendo multum ad narrationem opinionum, nisi quatenus facit ad inquisitionem veritatis.

1 2 Er fahrt an der zuletzt zitierten Stelle fort: nec narratis opinionibus intendo praeiudicare, sed, sine praeiudicio alicuius, immo cum reverentia dicentium, illud quod melius intelligo dicere. p.2T. Secundo, ponam illud quod de hac quaestione magis intelligo, sine praeiudicio cuiuscumque opinionis.; cf.14 (p.190):

sine praeiudicio.

1 3 de div.praed.il (p.21): Immo, si possem, vellem utramque salvare, sed sine improbatione dicam quod mihi videtur. Diese Absicht zeigt sich bei Jakob auch sonst: cf.p.52; häufig begegnen auch Formeln wie "vel dicendum", in denen Divergenzen als sprachliche ausgelegt werden.

1 4 qu.ll (14): de relationis existentia, non solum apud modernos sed etiam apud veteres, diversae fuerunt opiniones, sicut Simplicius narrat in Praedicamentis;

in der unter Alberts Werken edierten Summa theologiae heißt es sum. theol.I

i h m , w o h l eher Subtilitäten z u m Gegenstand, d e n n bezüglich der grundsätzlichen Fragestellung herrscht nach Jakobs Einschätzung Einhelligkeit:

Nam quod sit aliquid reale fere omnes concedunt, etiam qui aliquando videntur dicere oppositum, et quod non sit ens rationis.1 5 W e n n oben von einer eher schlicht f o r m u l i e r t e n D i s j u n k t i o n die Rede war, so zeigt sich diese Schlichtheit auch n o c h i n der Weise, wie diese Alternativen jeweils expliziert werden. J e n e Gegenthese, für die Jakob wie gesagt n u r die Stoici namhaft macht, besagt:

Die Relation hat n u r Bestand als ein aktueller Komparationsakt des Verstandes: q u o d d a m i u d i c i u m intellectus c o m p a r a n t i s .1 6 Angesichts der Fundamentalität der Divergenz k a n n Jakob n o c h eine Reihe weiterer F o r m e l n angeben, die offenbar auf dasselbe hinauskommen sollen: solum q u o d d a m m o d u m s i g n i f i c a n d i ,1 7 ens rationis,1 8 intentio secunda.1 9

Die Argumente, die Jakob dafür anführt, sind durchaus die gängigen: E r spricht v o n Relationen auch da, wo sich reale entia auf unwirkliche entia (ein erst zukünftiges Ereignis etwa) bezie-hen. W i e soll eine solche B e z i e h u n g eine andere W i r k l i c h k e i t haben als eben dadurch, daß der Verstand sie konstituiert? A u c h der aus Aristoteles e n t n o m m e n e Gedanke, daß d u r c h das Auf-treten u n d Verschwinden von Relationen mitunter nichts a m realen Bestand eines Dinges geändert wird, scheint gegen die Realität von Relationen zu sprechen. S o d a n n ist der Begriff der Relation ein universale, z u d e m es eine V i e l z a h l v o n Unterarten gibt. Es wäre eine gegen viele andere Prämissen verstoßende A n n a h m e , wenn dieser Gattungsbegriff ein ens reale darstellte. Schließlich scheint sich auch die von A v i c e n n a referierte A p o r i e , daß eine in irgendeinem Sinne reale Relation w i e d e r u m eine Relation zu ihrem Relatum erforderte u n d auf diese Weise e i n e n u n e n d l i c h e n Regreß initiierte, nur i m Sinne der stoischen Komparationstheorie vermeiden zu lassen.

p.l3 q.52 (Borgnet XXXI, 535 b): inter philosophos Semper fuit disputatio de relativis.

1 5 qu.ll (28). Allerdings darf das "fere" nicht überlesen werden! Auf der anderen Seite wirkt der theoretische Aufwand überzogen, wenn im Grundsätz-lichen der angeblich zu konstatierende Konsens besteht.

1 6 qu.ll (15) u.ö.; auch Jakob von Viterbo vertritt die Lehre, daß Relationen nicht zu den Sinnesdaten gehören: nullus tarnen sensus, interior et exterior, ratio-nem relationis apprehendit. Ideo relatio est sensibilis per accidens: qu.ll (44).

1 7 ib.

1 8 qu.ll (17).

1 9 qu.ll (18).

Allerdings würde sich diese These i m Verständnis des Jakob von Viterbo nur d a n n ergeben, wenn bereits ein sehr gesteigerter Begriff von Realität der Gegenthese unterstellt wird. Es gehört j e d o c h zu d e n Grundüberzeugungen derjenigen

Metaphysik-tradition, in die sich Jakob ohne weiteres stellt, daß i n der "quaestio de entitate et realitate relationis"2 0 nicht notwendig in einer linearen Alternative - wirklich oder gedacht - zu optieren ist, sondern vielmehr eine adäquate Antwort aus verschieden inten-siven G r a d e n von Seiendheit ermittelt werden k a n n . Jakob stellt daher seine Lösung - was nochmals sein oben erwähntes Interesse am Ausgleich unterstreicht - als eine via m e d i a2 1 vor, als Theorie eines mittleren Seinsgrades zwischen zuviel u n d zuwenig an Seiendheit. W e n n dies nicht eine ganz äußerlich schematische K e n n z e i c h n u n g bleiben soll, muß dies freilich erst n o c h begrün-det w e r d e n . G l e i c h w o h l liegt d a r i n s c h o n e i n e gewichtige inhaltliche These: N i c h t die Wirklichkeit als solche scheint für Jakob das eigentlich Fragliche zu sein; wo sie bestritten wird, liegt

d e m ein unzureichender, weil zu undifferenzierter Begriff von Wirklichkeit zugrunde; das Problematische ist die Gradbestimmung derjenigen Wirklichkeit, die einer Relation z u k o m m e n k a n n . Die Argumente, welche die These des Wirklichseins überhaupt erzwin-gen s o l l e n , s c h e i n e n J a k o b o f f e n k u n d i g i m strikten S i n n e unbestreitbar. D a sie j e d o c h keine argumentative Originalität dokumentieren, sondern ganz traditionell sind - w e n n auch mit der für Jakob typischen Sorgfalt u n d Ausführlichkeit vorgetragen - , seien sie ohne interpretatorische Einbettung hier n u r genannt:

1. Die Wirklichkeit der Welt selbst läßt sich nicht denken o h n e Relationen, die daher in dieser Wirklichkeit selbst v o r k o m m e n müssen. Z u r Welt gehören nicht allein die Dinge, sondern auch verschiedene Typen von O r d n u n g e n , welche allererst eine E i n h e i t der Wirklichkeit konstituieren. Solche Ordnungsrelationen sind etwa: priora - posteriora; perfectiora - imperfectiora; kausaler Einfluß u n d finale Ausrichtung. Z u d e m liegt in der Ordnung der Dinge noch ein gegenüber den D i n g e n selbst zusätzlicher u n d insofern unverzichtbarer Sinn von V o l l k o m m e n h e i t :

Propter q u a m c o n n e x i o n e m ipsum Universum dicitur u n u m , et p e r consequens b o n u m , q u i a b o n u m u n i idem.2 2

2 0 qu.ll (21). (Man beachte die Verwendung des Wortes "realitas"!); zur späteren Begriffsgeschichte: A. Maier, Kants Qualitätskategorien, p.73 sqq.

2 X qu.ll (23); cf.qu.15 (253).

2 2 qu. 11 (24). Unser Verstand konstituiert nicht die Ordnung der Welt, sondern

Ebenso m u ß aber auch, u n d das scheint selten i n dieser Debatte u m die Relationen so klar gesagt worden z u sein, die Verschie-denheit eine reale sein:

in rebus est distinctio secundum quod ab alio est differens aut diversum, aut unum alii oppositum. Haec autem relationem important. Ideo auferre relationem est tollere diversitatem rerum, et ponere omnia confusa.2 3

2. D e r Erwähnung wert scheint m i r auch das disziplinentheore-tische A r g u m e n t z u sein, welches auch bei Duns Scotus wieder begegnet: D i e Mathematik ist z u m einen eine Realwissenschaft

(scientia realis et de rebus), z u m anderen aber hat sie z u i h r e m eigentlichen Gegenstand Relationen (maxime versatur e a r u m consideratio circa habitudines).2 4

3. Zuletzt versucht J a k o b a u c h eine S e l b s t w i d e r l e g u n g d e r K o m p a r a t i o n s t h e o r i e . E r stellt d i e Frage: W o v o n s i n d d i e relationalen Begriffe Begriffe? Entweder, so seine Dialektik, sie haben i n der T a t keine Entsprechung, d a n n sind sie j e d o c h sinnlos u n d falsch (vanus et falsus), d . h . sie besagen nichts, oder aber sie haben eine reale Entsprechung, u n d dies heißt nichts anderes als daß es reale Relationen gibt. A u f das Gegenargument, dies sei ein ziemlich naiver u n d simpler Begriffsrealismus, i n d e m die L e h r e v o n d e n intentiones secundae vergessen ist, entgegnet Jakob, daß Sekundärintentionen eben die primären voraussetzen

u n d j e n e ohne diese Voraussetzung tatsächlich sinnlos wären.2 5 A b e r wie o b e n bereits gesagt u n d belegt wurde, hält Jakob nicht die Frage nach der Realität überhaupt, sondern vielmehr nach deren genauer bestimmtem Status für das eigentlich intrikate Problem. W i e dieses P r o b l e m formuliert werden muß, scheint für Jakob hingegen nicht selbst problematisch. E r übernimmt

frag-los die konventionelle Fragestellung: Ist die Relation i m Verhältnis zu i h r e m F u n d a m e n t eine andere res o d e r v o n g e r i n g e r e r Unterschiedenheit?

Schon diese Bedingtheit d u r c h ein F u n d a m e n t zeigt d e n ge-ringeren Seinsgrad der Relation. Sie setzt bereits begrifflich e i n

findet sie vor bzw. erforscht sie mit viel Mühe. Auf der anderen Seite ist für Jakob wie für jeden mittelalterlichen Theologen die Prioritatsfrage bei Ordnung und Rationalitat entweder gegenstandslos oder doch zumindest ungenau gestellt, weil die menschliche Form der Rationalitat nicht deren einzige ist: etiam sine ratione est ordo in rebus; qui tarnen est a summo intellectu, scilicet divino, sicut ordo artificialium ab artifice: qu.ll (46).

2 3 qu.ll (25).

2 4 cf. qu.ll (26 sq.).

2 5 cf. qu.ll (27 sq.).

anderes voraus: N a m a d aliquid sunt quibus ipsum esse i d e m est c u m hoc q u o d est a d aliquid aliquo m o d o se habere.2 6 Genauer gesprochen setzt sie sogar zwei andere voraus: ihr F u n d a m e n t u n d ihren Terminus, d.h. die Relata. W e n n z u r Relation n u n aber sowohl i m ontischen wie i m epistemischen Sinne zwei Relata gehören, aber so, daß diese ebenfalls i n diesem doppelten Sinne ein nicht-relationales M o m e n t enthalten, wie Jakob unter Beru-f u n g auBeru-f Augustinus u n d Aristoteles sagt,2 7 d a n n enthält der kategoriale Begriff d e r Relation selbst eine R e l a t i o n .2 8 Welche Bedingungen u n d Implikationen dies hat, wird von Jakob nicht weiter reflektiert.

E r möchte genau daraus einen Aufschluß darüber gewinnen, auf welche Weise der gesuchte Status der Relation bestimmt werden k a n n . In dieser H i n o r d n u n g liegt e i n In-Beziehung-bringen.

D a d u r c h scheint die Relation eine A r t Gegensatz zur Negation zu besagen, m i t d e r sie jedenfalls auf derselben Ebene liegt:

Et quia appropinquat negationem multo, negatio removet hoc ab hoc vel aliud ab alio; relatio refert hoc ad hoc vel aliud ad aliud.2 9 Bei der Negation n u n lassen sich zwei F o r m e n unterscheiden: eine negatio simplex - eine verneinter Begriff - u n d eine negatio composita - ein verneinter Satz. Letztere k a n n ihre Wirklichkeit n u r i m D e n k e n haben, erstere auch i n re, u n d zwar entweder einfachhin oder als Negation an einem Seiendem - letzteres erfüllte den Sinn von Privation. D a diese j e d o c h i n d e m Sinne wirklich ist, als es sich u m wirkliche Beeinträchtigungen handelt, muß sie von der substantiellen Wirklichkeit her, u n d damit als unabhängig vom D e n k e n bestehend gedacht werden. Sie hat also n u r e i n attributives, aber kein d u r c h eine eigene Wesenheit angebbares S e i n .3 0 D a r a u s e n t n i m m t J a k o b seine R e l a t i o n s t h e s e , d a ß

2* qu.ll (30).

2 7 qu.ll (55) - die Quellenangabe zu Aristoteles, Met.IV scheint mir nicht 1005 b zu sein, wie Ypma angibt, sondern 1011 a 17 sqq.; etwas später vergleicht Jakob diese Struktur mit der aristotelischen Lehre von der Kopula in peri herm.

16 b 24—25; die augustinische Formel findet sich auch ohne ausdrücklichen Verweis qu.14 (185).

2 8 qu.ll (50): ad aliquid non potest intelligi sine re alterius praedicamenti, ideo dicitur quod habitudo sine differentia non facit praedicamentum ad aliquid;

(40): relatio secundum propriam rationem dicit ordinem ad aliud.

2 9 qu.ll (30). Er fährt fort: Ex ipsa negatione potest declarari aliquid de relatione. Nam a priori non possumus intendere in declarando praedicamenta, sed aliquibus manuductionibus; E. Ypma, La relation, p.l57 sq.

3 0 qu.ll (32): Unde quod privatio sit realis, patet per Simplicium, in Postpraedicamentis, qui assignans differentiam inter oppositionem privativam et contradictoriam, quae est inter affirmationem et negationem ut dicunt

Relationen q u a unabhängig v o m D e n k e n zwar real, aber nicht real q u a unabhängig von anderen D i n g e n sind bzw. sein können.

T e r m i n o l o g i s c h wird dieser Status m i t einem A u s d r u c k aus der Trinitätslehre des Johannes v o n Damaskus festgemacht, der die Seinsweise einer göttlichen Person als "modus existentiae" be-stimmt hatte.

Est igitur relatio modus quidam essendi realis illius rei in qua fundatur. Modus autem essendi rei non differt a re, ita quod dicat aliam essentiam vel rem. Igitur relatio non dicit aliam rem a fundamento.3 1

Zwei Fragen sollen zuletzt n o c h angegangen werden: Was ist damit gesagt u n d was ist damit gewonnen? D i e letztere könnte sich j a schon daraus ergeben, daß m i t d e n bislang entwickelten Bestim-m u n g e n n o c h nicht h i n r e i c h e n d d e u d i c h geworden ist, inwiefern mit d e m Begriff "modus realis" m e h r oder anderes gesagt sein soll, als n u r eben dies, daß Relationen Akzidentien sind. Das wußte auch schon Aristoteles. J a k o b umgeht durchaus nicht das Erfor-dernis, d e n S i n n v o n modus n o c h weiter aufzuklären. Dabei sind zwei verschiedene Sinne z u unterscheiden. Z u m einen werden alle Kategorien als M o d i v o n Sein bezeichnet:3 2 D i e Substanz hat die Weise des p e r se esse, A k z i d e n t i e n die des in-esse. Dies sind allerdings lediglich quasiniefinitorische Bestimmungen, die sich zu d e n Kategorialbegriffen verhalten wie Explikationen zu Be-griffen. Das heißt, diese sind ontologisch folgenlos.

Demgegenüber ist der S i n n von M o d u s , wenn die Relation nicht qua Kategorie, sondern eben als Relation bestimmt werden soll, ein wesentlich davon unterschiedener: alio m o d o modus rei n o n dicitur specificans entitatem, sed magis est praeter rationem rei et quasi accidens r e i .3 3 Dies hebt n u n auch i n einem weiterge-henden Sinne die Relation aus d e n übrigen Kategorien heraus.

enuntiadonem, ait quod haec opposido, scilicet privativa, in rebus habet hypostasim; haec autem, scilicet contradictio, in rationibus. Unde aliquis realiter dicitur caecus, etiam circumscripto intellectu; et realiter est negatio lapidis.

Negatio ergo quae non est oratio, sive sit negatio simpliciter, sive privatio alicuius subiecti, dicitur ens reale.

3 1 qu.ll (33); (42): aliud quid, non tarnen alia res vel essentia; (55): aliud a fundamento, licet non alia res.

3 2 qu.ll (47): Sic igitur praedicamenta distinguuntur per diversos modos essendi, qui quandoque specificant unam rem, quandoque diversos [.. .] Semper tarnen distinctio praedicamentorum attenditur secundum modos reales, et non solum secundum conceptionem, nisi in quantum ei respondet modus realis.

3 3 qu.ll (34).

3. Die Sonderstellung der Relation

Erstens weist n u r die Relation j e n e n gleichsam überkategorialen Charakter auf. A u c h die passiones entis genannten Transzenden-talien haben nämlich einen auf ähnliche Weise beschreibbaren Status.3 4 Jene konstituiert einerseits als spezifische Prädikations-weise eine Kategorie, sie ist aber, wie Jakob an anderer Stelle sagt, nicht darauf beschränkt:

Relatio enim secundum Simplicium per omnia vadit. Unde nihil prohibet quod sit transcendens, et tarnen secundum aliquam rationem sit in speciali genere, et maxime relationis.3 5

M o d u s als ontologischer Status der Relation bezieht diese i m Unterschied z u m M o d u s als Explikation des Kategoriebegriffes auf ihre Fundamente, u n d dies sind Dinge, die zu a n d e r e n Kategorien gehören. So kann sich Jakob schließlich die F o r m u l i e r u n g gestat-ten: relatio est modus aliorum p r a e d i c a m e n t o r u m .3 6

D a m i t ist zweitens auch e i n wichtiger U n t e r s c h i e d z u d e n

" n o r m a l e n " (den sog. "absoluten") Akzidentien gegeben. Akziden-telle Bestimmungen gehen mit i h r e m Subjekt eine reale Einheit ein. Für einen M o d u s gilt dies nicht.3 7 So sind i m Kontrast z u den anderen Akzidentien Relationen zugleich äußerlicher, weil sie den ontischen Bestand ihres Subjektes unberührt lassen, wie a u c h i n n e r l i c h e r , weil selbst v o n fragilerer Seinsart.3 8 J a k o b unterscheidet daher zwei F o r m e n d e r Inhärenz:

3 4 qu.ll (34 sq.): Et est simile de hoc modo, sicut de illis modis essendi, qui dicunt passiones entis, ut natura perfectivum et huiusmodi. Illa enim sunt quidam modi essendi non declarantes entitatem eius de quo dicuntur, sed magis praeter rationem eorum de quibus dicuntur, ut sunt quasi accidentes. Unde dicuntur passiones. Non tarnen huiusmodi dicunt aliam rem ab ea de qua dicuntur, et tarnen sunt modi reales. Simile est de relatione, immo multi illorum modorum qui sunt passiones entis important relationem.

3 5 qu.6 (174) cf. qu.XIII (174): omnia penetrat; A. Pattin hatte bereits vor der Publikation der kritischen Edition mehrmals auf diese Stelle hingewiesen:

Simplicius, p.XXII; Contribution, p.l40*.

36_ qu.ll (52).

3 7 qu.6 (162): res et modus non faciunt compositionem. Dies ist naturgemäß eine für die trinitätstheologische Tauglichkeit folgenreiche Bestimmung. Gleich-wohl versucht Jakob nicht, einen univoken, invariant übertragbaren Begriff von Relationalität zu entwickeln; er ist sogar der dezidierten Uberzeugung, die er ausführlich begründet, daß dies definitiv unmöglich ist. cf. qu.8 (260): relatio autem analogice dicitur in Deo et aliis; cf. 12 (104).

3 8 qu.l 1 (55): relatio multum dependet a fundamento, plus quam alia accidentia a subiectis; (30): ad aliquid est minime intrinsice.

non inest sicut res alia, et sicut forma dans aliquod esse; sed inest sicut modus rei a quo res non habet quod sit sed quod ad aliquid sit, et non facit rem esse sed ad aliquid esse.39

Dabei darf nicht übersehen werden, daß gleichwohl der Akzi-denzstatus nicht völlig aufgegeben ist. Daher spricht Jakob m i t Avicenna von einer realen Zweiheit der Relationen bezüglich ihrer Relata. Es bleibt dabei, daß zwischen zwei einander ähnlichen D i n g e n zwei Ähnlichkeiten bestehen.4 0

Drittens ändert Jakob auch nichts am Prinzipiencharakter der Relation. Sie ist dasjenige, so betont er des öfteren, wodurch sich etwas auf ein anderes bezieht, nicht selbst ein Etwas, eine essentia, wie es oben hieß: Relatio e n i m n o n est ad aliud, sed relativum per relationem est a d a l i u d .4 1

Viertens: Besonders wichtig ist z u beachten, daß Jakob d e n Kategorienbegriffen nicht ohne weiteres einräumt, als Primär-intentionen verstanden werden zu müssen. Das sind sie zwar, aber eben nicht i n der Weise, daß daraus ein apriorisches A r g u m e n t für d e n Realitätscharakter der Relation abgeleitet werden könnte.

Die Relationskategorie hat nämlich gerade darin eine Ausnahme-stellung, daß sie wirkliche u n d gedachte Relationalität umgreift:

hoc est speciale i n praedicamento relationis q u o d est aliquid s e c u n d u m r e m et aliquid s e c u n d u m r a t i o n e m .4 2 D e r Bezugs-charakter als solcher läßt sich nicht auf bloß eine A r t von Wirk-lichkeit festlegen.

Zuletzt sei n o c h hingewiesen darauf, daß J a k o b für diese T e r m i n o l o g i e keine strikte V e r b i n d l i c h k e i t beansprucht. D i e Modus-Theorie hat ihre Prägnanz nicht aus einer verbindlich gemachten Sprachregelung. Dies gibt i h m umgekehrt wiederum

3 9 qu.ll (46).

1 0 qu.ll (56): in duobus similibus duae similitudines. Von dem Vorschlag, bei der Relation zwei Momente zu unterscheiden, nämlich die Relation als solche

(gleichsam als intervallum) und ihre Fundierung in den Relaten, sagt Jakob:

sed hoc non bene intelligo (11; p.49). Eine ausgedehnte Diskussion der accidentalitas der Relation: qu.12 (91-105).

4 1 qu.13 (126); 13 (133): relatio enim non est ad aliud, sed est ad-alietas, ut ita fingamus nomen; qu.15 (226): ordinis enim non est ordo, vel relationis relatio.

Et ideo relationis ad relatum non est relatio realis sed secundum rationem.

Relationis enim ad relationem est relatio per accidens; qu.l 1 (64): ratio referendi;

cf. qu.15 (231): Sic ergo relatio, licet ut accidens non dicatur ad subiectum, tarnen ut perfectio vel ut habitus dicetur relative, sed non secundum rem, quia tunc procederetur in infinitum. Ergo secundum rationem. In talibus autem nihil prohibet procedi in infinitum.

4 2 qu.ll (40); cf. p.60; generell gilt, qu.ll (50; 47): praedicamentum dicit rem ut concipitur.

die Möglichkeit, anders f o r m u l i e r t e T h e o r i e n n i c h t als theoreti-sche A l t e r n a t i v e n , s o n d e r n als schlechter formulierte T h e o r i e n zu integrieren. W o h l aus diesem n u n schon mehrfach bei Jakob begeg-neten Ausgleichsinteresse fördert J a k o b eine schon ziemlich weitge-hende Bereitschaft, eine willkürliche Terminologie zu konzedieren.4 3

4 3 Von seiner abschließlichen Determination des Problems, daß die Relation ein ens reale, nicht aber eine alia res a suo fundamento sei, sagt er: si quis

4 3 Von seiner abschließlichen Determination des Problems, daß die Relation ein ens reale, nicht aber eine alia res a suo fundamento sei, sagt er: si quis

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