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5.1 Rekombinante Expression von Uroguanylin

Die Primärstrukturen von Proguanylin und Prouroguanylin zeichnen sich durch 35 % Identität aus.

Proguanylin enthält jedoch in seinem mittleren Sequenzabschnitt sieben Aminosäuren, die eine nicht strukturierte, flexible Schleife bilden und bei Prouroguanylin keine Entsprechung haben (Lauber et al., 2003). Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Deletion dieser Sequenz nur geringfügige Änderungen der Lösungsstruktur zur Folge hat, so dass angenommen werden kann, dass die Tertiärstrukturen von Proguanylin und Prouroguanylin im Wesentlichen übereinstimmen (Lauber, 2003). Diese Annahme wird auch durch die ähnlichen funktionellen Eigenschaften beider Proteine unterstützt. So gilt für beide Proteine, dass die Propeptide essentiell für die korrekte Faltung der jeweiligen Hormonregionen sind (Hidaka et al., 1998). Außerdem konnte für Prouroguanylin, wie auch für Proguanylin, durch Deletionsexperimente eine wichtige Rolle der N-Termini für die Faltung der C-terminalen Sequenzbereiche gezeigt werden (Schulz et al., 1999;

Hidaka et al., 2000). Die oxidative Faltung zum biologisch aktiven Hormon gelingt weder mit freiem Guanylin noch mit freiem Uroguanylin (Hidaka et al., 1998; Schulz et al., 1999). Dies steht im Gegensatz zu anderen kleinen disulfidverbrückten Peptiden wie Endothelin (Yanagisawa et al.,

1988) und ω-Conotoxinen (Price-Carter et al., 1996a), die mit relativ guten Ausbeuten zu ihrer nativen Form oxidiert werden können.

Eine Prosequenz-vermittelte Faltung wurde bei einer Reihe von anderen Proteinen beobachtet, darunter der Trypsin-Inhibitor BPTI aus der Bauchspeicheldrüse von Rindern (Weissman & Kim, 1992), das Zytokin MIC-1 (Fairlie et al., 2001) oder der humane Nervenwachstumsfaktor NGF (Rattenholl et al., 2001). Bei einigen Conotoxinen unterstützt das Propeptid die Faltung indirekt, indem es die Disulfidisomerase-abhängige Ausbildung der Disulfidbrücken erleichtert (Buczek et al., 2004).

In der vorliegenden Arbeit wurde Uroguanylin rekombinant hergestellt. Dazu wurde das Prohormon Prouroguanylin in E. coli exprimiert und gereinigt. Anschließend wurde Uroguanylin durch proteolytischen Verdau mit Trypsin freigesetzt und aus dem Spaltansatz aufgereinigt. In einer früheren Arbeit wurde bereits gezeigt, dass Prouroguanylin in E. coli exprimiert und in für NMR-Spektroskopie ausreichender Menge gereinigt werden kann (Schuster, 2004). Jedoch konnte damals das Hormon Uroguanylin nicht in reiner Form aus dem Prohormon freigesetzt werden.

Zur rekombinanten Expression von Prouroguanylin wurde in dieser Arbeit das Plasmid pET32a-Asp-pres-prouroguanylin im E. coli Stamm Origami B (DE3) als Fusionsprotein Trx-Prouroguanylin exprimiert. Da die oxidative Faltung von Trx-Prouroguanylin in vitro zur Ausbildung der korrekten Disulfidbrücken führt (Hidaka et al., 1998) wurde davon ausgegangen, dass die Faltung des Proteins auch im oxidativen Milieu des Cytoplasmas von Origami B (DE3) glückt.

Nach der Induktion kam es zu einer starken Expression des Fusionsproteins (Abb. 4.1). Der verwendete Stamm Origami B (DE3) hat gegenüber früher verwendeten, Leucin-auxotrophen E. coli Stämmen, etwa Origami (DE3) oder AD494 (DE3), den Vorteil wesentlich schnelleren Zellwachstums und damit einer höheren Ausbeute des Zielproteins. Während der Lyse der Zellen konnte das Auftreten eines weißlichen Präzipitats beobachtet werden. Dabei handelt es sich um schwer lösliche sog. Einschlusskörperchen, die im Wesentlichen aus rekombinantem Protein bestehen. Bei Trx-Proguanylin zeigte sich, dass nach dem Zellaufschluss der weitaus größte Teil des Fusionsproteins im löslichen Überstand enthalten ist (Lauber, 2003). Dies steht im Gegensatz zu Trx-Prouroguanylin, das größtenteils im unlöslichen Pellet zu finden ist. Das Lysepellet wurde mit 4 M Harnstoffpuffer extrahiert, was zur Solubilisierung großer Mengen des Fusionproteins führte (Abb. 4.2). Die Rückfaltung erfolgte vor der chromatographischen Reinigung durch Verdünnung des Harnstoffs. Bei der Spaltung des gereinigten Fusionsproteins mit PreScission-Protease wird Prouroguanylin freigesetzt, wobei allerdings auffällt, dass der Verdau nicht vollständig verläuft (Abb. 4.4). Dies lässt sich wohl darauf zurückführen, dass etwa 20-25 % des rückgefalteten Fusionsproteins in einer fehlgefalteten Struktur vorliegt, in der die Schnittstelle nicht zugänglich für

PreScission-Protease ist. Nach der Spaltung konnte das freigesetzte Prouroguanylin durch Metallionen-Affinitätschromatographie von noch vorhandenem Trx-Prouroguanylin und freiem Trx getrennt werden.

15N-markiertes Prouroguanylin konnte im Wesentlichen auf gleichem Weg wie unmarkiertes Prouroguanylin exprimiert und gereinigt werden. Das [1H, 15N]-HSQC-Spektrum von Prouroguanylin (Abb. 4.6) zeigt eindeutige Charakteristika eines gefalteten Proteins, wobei insbesondere die starke Dispersion der Signale entlang der Protonendimension hervorzuheben ist.

Augenfällig am vorliegenden Spektrum ist die Tatsache, dass mit 155 detektierten Rückgratamidsignalen etwa doppelt soviele Resonanzen zu beobachten sind, als die Sequenz des Proteins erwarten ließe. Außerdem gibt es bei den Signalen im Spektrum starke Intensitätsunterschiede, v. a. auch bei einigen Signalen, die paarweise dicht beieinander liegen. Das Spekrum sieht aus, als liege das Protein in zwei verschieden populierten Konformationszuständen vor. Möglicherweise ist dies ein Resultat einer unvollständigen Rückfaltung, so dass ein Teil des Proteins nicht die native Struktur einnimmt. Es kann sich auch um ein Gleichgewicht zweier Konformere des Proteins handeln, die im langsamen Austausch zueinander stehen. Eventuell ist auch cis/trans-Isomerie der 7 in der Sequenz vorkommenden Proline ein Grund für das Auftreten von paarweise beieinanderliegenden Peaks. Im [1H, 15N]-HSQC-Spektrum von Proguanylin ist ein derartiges Auftreten von verschieden populierten Konformationszuständen jedoch nicht erkennbar {(Lauber, 2003).

Die Freisetzung von Uroguanylin erfolgte durch die Spaltung des Prohormons mit Trypsin. Da Trypsin am C-Terminus der basischen Aminosäuren Lysin und Arginin spaltet, wird Prouroguanylin in eine Reihe kleinerer Peptidfragmente verdaut, darunter auch das 19 Aminosäuren lange C-terminale Fragment TIANDDCELCVNVACTGCL. Dieses unterscheidet sich von der in Urin nachgewiesenen Form (Abb. 1.2) (Kita et al., 1994) durch die drei zusätzlichen N-terminalen Aminosäuren Threonin, Isoleucin und Alanin. Da unbekannt ist, durch welche Enzyme das natürliche Prouroguanylin prozessiert wird und aus natürlichen Quellen nur das bereits erwähnte 16 Aminosäuren lange Uroguanylin sowie ein weiteres 24 Aminosäuren langes, ebenfalls biologisch aktives Fragment isoliert werden konnten (Hess et al., 1995) wurde mit dem durch die Trypsin-Spaltung erhaltenen Peptid weitergearbeitet, zumal dieses die gesamte für die Bioaktivität notwendige Kernregion enthält.

Bei der Reinigung von Uroguanylin aus dem Spaltansatz durch Umkehrphasen-HPLC erhält man bei einer Acetonitril-Konzentration von etwa 24 % (v/v) einen Elutionsgipfel, der das Uroguanylin-Peptid enthält (Abb. 4.7). Der Nachweis der Identität erfolgte durch MALDI-TOF-Massenspektrometrie. Der Elutionsgipfel im HPLC-Chromatogramm besitzt allerdings eine

Schulter was darauf hindeutet, dass zwei molekulare Spezies mit ähnlichem Elutionsverhalten darin enthalten sind. Die massenspektrometrische Analyse zusammen mit NMR-Spektren der Teilbereiche des Elutionsgipfels zeigte, dass es sich bei den beiden molekularen Spezies um ein und dasselbe Peptidfragment handelt, dass jedoch zwei unterschiedliche Strukturen annimmt, die durch die verwendete Polystyrol/Divinylbenzol-Säule nur unzureichend voneinander getrennt werden können. Durch NMR-Spektroskopie und Vergleich der chemischen Verschiebungen mit den Literaturwerten für die A-Form von Uroguanylin (Marx et al., 1998) konnte jedoch gezeigt werden, dass der größere und etwas später eluierende Teil des Elutionsgipfels dem aktiven Uroguanylin-Peptid entspricht (Abb. 4.9 und Anhang 10.2). Da die chemischen Verschiebungen der anderen Spezies jedoch nicht mit den Literaturwerten der B-Form von Uroguanylin (Marx et al., 1998) übereinstimmen, spiegelt das Auftreten zweier Isomere des Uroguanylin-Peptids nicht die bekannte Topoisomerie von Uroguanylin wider. Stattdessen handelt es sich bei der Verunreinigung vermutlich um ein fehlgefaltetes bzw. falsch disulfidverbrücktes Peptid. Das Vorliegen zweier Konformationen des Prohormons, das schon im [1H, 15N]-HSQC-Spektrum von Prouroguanylin sichtbar war, führt möglicherweise dazu, dass ein Teil des exprimierten Uroguanylins nicht zum nativen Hormon oxidiert wird. Um dennoch eine möglichst reine Probe von aktivem Uroguanylin zu erhalten wurde nur der hintere Teil des HPLC-Elutionsgipfels gesammelt und vereinigt, was jedoch dazu führt, dass auch ein Teil des Produkts verloren geht. Durch das wiederholte Auftragen auf die HPLC-Säule kann die Trennung der beiden Peptidspezies verbessert und die Ausbeute des nativen Peptids gesteigert werden. Die Resonanzen im NOESY-Spektrum des nativen Peptids (Abb.

4.9) konnten bis auf die Aminosäuren Asn-4 und Asp-5 zugeordnet werden (siehe Anhang 10.2).

Diese konnten wegen ihrer ähnlichen chemischen Verschiebungen und dem Fehlen von intraresidualen NOESY-Kreuzsignalen im Bereich des flexiblen N-Terminus des Peptids nicht eindeutig zugeordnet werden. Es ergab sich eine gute Übereinstimmung der chemischen Verschiebungen mit den Literaturwerten (Marx et al., 1998). Die Abweichungen der hier gemessenene Werte von den chemischen Verschiebungen der Literatur liegen in der Größenordnung 0 – 0,07 ppm. Lediglich für die Amidprotonen der Aminosäuren Asp-3 und Leu-19 betrugen die Differenzen zu den bei Marx et al. gemessenen Resonanzen 0,14 und 0,15 ppm . Dies kann für Asp-3 mit einem möglichen Einfluss der zusätzlich vorhandenen Thr-Ile-Ala-Sequenz am N-Terminus und für das C-terminale Leu-19 mit geringfügigen Variationen des pH-Werts erklärt werden. Von den 18 im [1H, 15N]-HSQC-Spektrum von Uroguanylin enthaltenen Rückgratamidsignalen konnten 16 eindeutig zugeordnet werden (Abb. 4.10 A). Zudem hat sich gezeigt, dass nach mehrtägiger Inkubation der NMR-Probe bei Raumtemperatur zusätzliche Signale im HSQC-Spektrum der Probe auftauchten (Abb. 4.10 B,). Die chemischen Verschiebungen dieser

zusätzlichen Signale in der Protonendimension stehen im Einklang mit den Literaturwerten für die B-Form von Uroguanylin (Marx et al., 1998), so dass erwartet werden kann, dass es sich bei dem Verhalten der Probe um die beschriebene Topoisomerie von Uroguanylin handelt.

Die massenspektrometrische Analyse der Uroguanylin-Probe (Abb. 4.8) ergab eine Masse von 1975,4 Da, was sehr gut mit der für das 15N-markierte Peptid erwarteten rechnerischen Masse von 1975,2 Da übereinstimmt und das Vorhandensein zweier Disulfidbrücken im Peptid bestätigt. Die Disulfidverbrückung wurde auch durch den beobachteten Massenzuwachs des Peptids um 4 Da nach Reduktion mit DTT nachgewiesen (Abb. 4.8 B).

Aufgrund dieser Ergebnisse steht nun eine Methode zur Verfügung um das Hormon Uroguanylin auf relativ einfachem Weg über rekombinante Expression des Vorläuferproteins herzustellen. Zwar führt die in einem Teil des Proteins beobachtete Fehlfaltung dazu, dass die Ausbeute kleiner ist als dies bei vollständiger Rückfaltung möglich wäre. Jedoch lassen sich trotzdem mit der hier vorgestellten Strategie Ausbeuten im Bereich 0,2 – 0,3 mg reines Hormon pro Liter Bakterienkultur erzielen, was den Erfordernissen dieser Arbeit genügt.