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1. Einleitung

1.3. Rehabilitationsmaßnahmen bei onkologischen Erkrankungen

Im deutschen Sozialrecht haben Menschen mit oder nach Krebserkrankungen (auch unabhängig, ob sie sich einer Therapie unterziehen) ein Anrecht auf eine Rehabilitationsmaßnahme, sofern sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllen (SGB V). Dieses Anrecht ist im IX Sozialgesetzbuch festgelegt.

㤠1 SGB IX Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft

Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen.“ [4].

In der Praxis absolvieren Menschen in Deutschland mit oder nach Krebserkrankung eine dreiwöchige stationäre Rehabilitationsmaßnahme oder Anschlußheilbehandlung (AHB).

Die Verfahren unterscheiden sich vor allem durch den Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme. AHBs müssen innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung der Akuttherapie angetreten werden, für die Rehabilitationsmaßnahme gilt diese Zeitfrist nicht.

Im Rahmen von onkologischen Erkrankungen sind die Kostenträger je nach Versicherungsstatus die Rentenversicherungsträger, Sozialämter, Agentur für Arbeit, Berufsgenossenschaften oder Krankenkassen.

Die Zielsetzung einer solchen Maßnahme ist die Verbesserung der Gesundheit, um Pflegebedürftigkeit oder Behinderung zu vermeiden und die Erwerbsfähigkeit zu erhalten, somit der Erhalt der körperlichen und geistigen Funktionsfähigkeit.

Bei Menschen, die aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, wird der Schwerpunkt in den Bereich der Selbstversorgung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gelegt.

Bei Rehabilitanden, die noch im erwerbsfähigen Alter sind, ist die berufliche Wiedereingliederung („return to work“) das Ziel einer medizinisch beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR). Die Fokussierung liegt dabei in der Vermeidung einer Arbeitsplatz auswirken und im Abbau von Barrierefaktoren, die diesem return to work entgegenwirken.

Durch Erkrankungen aus dem onkologischen Bereich treten Folgestörungen auf, die den Alltag, das gesellschaftliche Leben, aber auch die berufliche Situation beeinflussen und beeinträchtigen können (vgl. Tabelle 1). Im Rahmen des Bio-Psycho-Sozialen Modells sind aber weitere Faktoren von Bedeutung, die unabhängig der Krebserkrankung eine wichtige Rolle bei der Erwerbsprognose spielen.

Um das Prinzip einer solchen medizinisch beruflich orientierten Rehabilitation im Rahmen des Bio-Psycho-Sozialen Modells näher zu erläutern, sei im Folgenden ein Beispiel genannt.

Eine Patientin leidet an einem Mammakarzinom links. Sie wird operiert und erhält eine Chemo- und Strahlentherapie. Durch die Behandlung klagt sie über verschiedene Folgestörungen, wie Bewegungseinschränkung des linken Armes sowie Gefühlsstörungen der Hände. Psychisch hat sie die Erkrankung noch nicht bewältigt und leidet sehr an Rezidivängsten.

Beruflich ist sie vor der Erkrankung als Tischlerin tätig gewesen. Sie hat die Arbeit als sehr bereichernd empfunden, jedoch seien in den letzten Jahren zunehmend Konflikte mit den Kollegen aufgetreten.

Initial sollten neben den körperlichen und seelischen Funktionseinschränkungen auch eine berufliche Problemlage identifiziert werden.

Dabei muss beispielsweise geklärt sein, ob die Patientin ihrer bisherigen Tätigkeit aus medizinischer Sicht noch nachgehen kann.

Eine detaillierte Arbeitsplatzbeschreibung ist dabei eine wichtige Basis, um diese Einschätzung machen zu können. Kann die Patientin aus medizinischer Sicht die alte Tätigkeit nicht mehr ausführen oder nur noch eingeschränkt, so liegt eine besondere berufliche Problemlage vor. Kann sie ihren Beruf weiter ausüben, sieht sich aber subjektiv nicht mehr in der Lage dazu, liegt ebenfalls eine berufliche Problemlage vor.

Die Unterstützung des Arbeitgebers und das Empfinden der Arbeit als Bereicherung sind wichtige Förderfaktoren. Die Arbeitsplatzkonflikte stellen einen möglichen Barrierefaktor dar.

Im Rahmen der medizinisch beruflichen Rehabilitation müssen bei dieser Patientin nicht nur die Körperfunktionen (Beweglichkeit des Armes, Polyneuropathie der Hände ) behandelt werden. Die psychische Problematik sollte ebenso Schwerpunkt der Behandlung sein, wie das Thematisieren der Arbeitsplatzkonflikte. Im Rahmen eines multimodalen und interdisziplinären Konzeptes mit Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten können die Körperfunktionen und die psychische Stabilität positiv beeinflusst werden. Ein besserer Umgang mit beruflichen Stresssituationen und die Einleitung einer stufenweisen Wiedereingliederung durch den Sozialdienst können ebenfalls wichtige Bausteine sein. All diese Maßnahmen sollten während einer beruflich orientierten Rehabilitation gezielt eingesetzt werden, um ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu vermeiden.

1.3.1. Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung in der Rehabilitation

Im Rahmen der Rehabilitation muss bei Patienten im erwerbsfähigen Alter eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung erfolgen.

Inhalt dieses Gutachtens ist die Beurteilung sowohl für die letzte berufliche Tätigkeit als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dies bedeutet, dass ein Arzt mit der Zusatzbezeichnung „Sozialmedizin“ beurteilen muss, ob die letzte Tätigkeit, in welchem Umfang und mit welchen Einschränkungen ausgeübt werden kann. Weiterhin beinhaltet das Gutachten, welche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichtet werden können. Dabei werden spezielle Fachbegriffe aus der Sozialmedizin einheitlich verwendet.

An erster Stelle steht die Leistungsfähigkeit für die letzte berufliche Tätigkeit mit Angabe von Stunden, die der Betroffene in dieser Tätigkeit noch arbeiten kann:

a) unter 3 Stunden, b) 3-6 Stunden,

c) mehr als 6 Stunden.

An zweiter Stelle steht die Leistungsbeurteilung für den allgemeinen Arbeitsmarkt (positives Leistungsvermögen). Dabei werden folgende Punkte beurteilt:

a) die körperliche Arbeitsschwere,

(schwer, mittelschwer, leicht bis mittelschwer, leicht) b) die Arbeitshaltung,

(Stehen, gehen, sitzen unterteilt in ständig, überwiegend, zeitweise) c) Arbeitsorganisation.

(Tagesschicht, Früh-Spätschicht, Nachtschicht)

Eine weitere Differenzierung erfolgt durch Beschreibung eines sogenannten negativen Leistungsvermögens.

Hierbei werden alle Einschränkungen benannt, die beruflich berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören Einschränkungen

a) der geistigen / psychischen Belastbarkeit, b) der Sinnesorgane,

c) des Bewegungs- und Haltungsapparates,

d) in Bezug auf Gefährdungs- und Belastungsfaktoren.

Das Gutachten wird im Rahmen eines standardisierten Vordruckes erstellt, welches auch eine komplette Ausformulierung des Leistungsvermögens mit Worten vorsieht.