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A. Mehnert hat den negativen Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und return to work in einem Literaturüberblick bereits darstellen können [6]. Weiterhin hatte sie in einem Review unter anderem Fatigue als wichtigen Barrierefaktor zur Rückkehr ins Erwerbsleben aufgezeigt [22]. Ebenfalls konnten A. Mehnert und U. Koch in einer prospektiven Studie zeigen, dass psychische Komorbiditäten ebenfalls mit einer schlechteren Prognose hinsichtlich der Rückkehr ins Erwerbsleben korrelierten [9].

Inwiefern jedoch ein Zusammenhang mit einem subjektiven Frühberentungsrisiko besteht, war bisher nicht untersucht worden.

Aufgrund dieser Angaben stellte sich uns die Frage, ob auch ein subjektives Frühberentungsrisiko mit solchen psychischen Belastungsfaktoren korreliert.

Rehabilitanden mit vollschichtigem Leistungsvermögen, die in der Selbsteinschätzung ein Frühberentungsrisiko aufwiesen, zeigten in unseren Daten eine höhere psychische Belastung.

Ob dies eine möglich Ursache für das Frühberentungsrisiko ist, kann daraus jedoch nicht geschlossen werden.

Beim SIBAR-Screening wird im klinischen Alltag die Punktevergabe bezüglich der Arbeitsunfähigkeitszeiten kritisiert, da onkologische Erkrankungen häufig durch die multimodalen Therapien mit langen Ausfallzeiten verbunden sind. Im Screening werden im Rahmen von Krankheitszeiten über 26 Wochen bereits 50% der Punkte erreicht, die für ein subjektives Frühberentungsrisiko notwendig sind.

Zudem ist der Zeitpunkt der Befragung zu prüfen. Rehabilitanden, die direkt nach einer solchen multimodalen Therapie befragt werden, meist im Rahmen einer Anschlußheilbehandlung, sind körperlich häufig noch sehr beeinträchtigt. Sie schätzen sich somit möglicherweise schlechter ein als nach einer Rekonvaleszenzzeit von einigen Wochen oder Monaten.

Es sind weitere Datenerhebungen notwendig, um Zusammenhänge zwischen Frühberentungsrisiko und Zeitpunkt der Befragung herauszufiltern. Zudem sollten weitere Untersuchungen im Hinblick auf die psychischen Belastungen und Zusammenhang mit Frühberentungsrisiko erfolgen.

In den bisherigen Studien war die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung nicht berücksichtigt worden im Hinblick auf return to work oder Frühbereutngsrisiko.

In unseren Daten zeigte sich ein Zusammenhang zwischen sozialmedizinischer Einschätzung und subjektivem Frühberentungsrisiko.

37,2% der Rehabilitanden mit Frühberentungsrisiko hatten ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Diese Gruppe ist in Hypothese eins bereits diskutiert worden.

40,9% der Probanden mit Einschränkungen für die letzte Tätigkeit und Notwendigkeit einer Anpassung waren ebenfalls positiv im Screening.

In der Gruppe der Patienten, die ihre letzte Tätigkeit nicht mehr ausüben konnten, aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Restleistungsvermögen aufwiesen, lag das Frühberentungsrisiko bei 95,5%.

Die Hypothese, dass ein Zusammenhang zwischen beruflicher Leistungsbeurteilung und subjektivem Frühberentungsrisiko besteht, konnte in unserer Untersuchung bestätigt werden.

Zwar fand sich in allen sozialmedizinischen Gruppen ein Anteil an Rehabilitanden mit Rentenbegehren, jedoch stieg der prozentuale Anteil bei Einschränkungen bezüglich der letzten Tätigkeit.

Bis Ende 2000 wurde in Deutschland bei Rehabilitanden, die ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben konnten, eine Berufsunfähigkeitsrente bewilligt.

Heute erhält eine Erwerbsminderung nur noch jemand, der auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine leichten Tätigkeiten mit mindestens drei Stunden ausüben kann. Es gibt lediglich Ausnahmen bei den Geburtsjahrgängen vor 1961, die in solchen Fällen eine Teilerwerbsminderungsrente erhalten können.

Es ist anzunehmen, dass Betroffene im Rahmen solcher Einschränkungen davon ausgehen, als erwerbsgemindert eingeschätzt zu werden. Sie können schließlich ihrem bisherigen Beruf nicht mehr nachgehen.

Aus der klinischen Erfahrung haben jüngere Menschen die Möglichkeit einer Umschulung oder anderer berufsfördernder Maßnahmen. Probanden, die älter als 50 Jahre sind, sehen sich zum Teil nicht mehr in der Lage zu solch einer Maßnahme und erhalten aufgrund ihres Alters keine Umschulungsmaßnahmen. Dies ist als sozialpolitische Problematik anzusehen.

Kritisch zu bewerten ist, dass in der Gruppe mit nicht auswertbarem Screening 35%

ein Restleistungsvermögen aufwiesen. Somit hatte ein Großteil dieser sozialmedizinischen Kohorte das Screening nicht ausreichend ausgefüllt. Zudem waren die absoluten Gruppengrößen bei den Rehabilitanden mit beruflichen Einschränkungen relativ klein.

Gerade in diesen beruflichen Problemgruppen mit Einschränkungen für den Arbeitsmarkt sollten weitere Untersuchungen erfolgen, um die Daten zu überprüfen und daraus Konsequenzen ziehen zu können.

Alle 22 Probanden, die mit einem aufgehobenen Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurden, wiesen ein Frühberentungsrisiko auf. Hier zeigte sich eine Übereinstimmung zwischen Fremd- und Eigenbeurteilung der Leistungsfähigkeit. Denn tatsächlich besteht in dieser Gruppe ein Frühberentungsgrund.

Eine medizinisch beruflich orientierte Rehabilitation macht für diese Rehabilitanden keinen Sinn, da sie dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen.

Das Tumorstadium war aufgrund der Literaturdaten ein wichtiger Untersuchungsaspekt in unserer Arbeit.

77,8% der Probanden waren kurativ behandelt, während bei 21,5% ein chronisches/palliatives Stadium vorlag.

Hier muss differenziert werden, dass bei einer palliativen Erkrankung nicht immer von einer sehr limitierten Lebenserwartung auszugehen ist. Die steigende Lebenserwartung trotz Krebs durch neue und besser verträgliche Therapien spielen dabei eine wesentliche Rolle. Folgestörungen sind nicht bei jeder chronischen Krebserkrankung gleich schwerwiegend, die Prognosen sind sehr unterschiedlich. Die Diagnose selbst und das Stadium sind häufig weniger bedeutend als die Folgestörungen im Sinne der ICF. Dies spiegelt sich auch in den Ergebnissen zum Frühberentungsrisiko wieder.

80,1% der kurativ behandelten und 73,5% der palliativ behandelten Rehabilitanden zeigten ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Mit 7,4% versus 7,8% sind auch Rehabilitanden mit Notwendigkeit einer Arbeitsplatzanpassung in beiden Krankheitsgruppen gleichermaßen vertreten. Rehabilitanden mit einem aufgehobenen Leistungsvermögen, aber Restleistungsbild waren sogar häufiger in einem kurativen Stadium (8,6% versus 3,1%). Hier zeigt sich die Bedeutung der ICF und des Bio-Psycho-Sozialen-Modells, da nicht die Diagnose selbst, sondern die Funktionseinschränkungen und beispielsweise der bisherige Arbeitsplatz von größerer Bedeutung sein können.

Lediglich die Patienten, die keine berufliche Tätigkeit mehr ausüben können, waren häufiger in einem chronischem Erkrankungsstadium (15,6% palliativ versus 3,9%

kurativ).

Zu beachten ist dabei jedoch die relativ kleine Gruppe der palliativen Erkrankungen mit n=64. Die Daten sind somit auf größere Populationen nicht ohne weiteres übertragbar.

Da eine Rückkehr an den Arbeitsplatz durch palliative Erkrankungen in den Daten von Rick et al., sowie von A. Mehnert und U.Koch [23][10] als wichtiger Barrierefaktor identifiziert worden war, war in dieser Arbeit eine weitere Hypothese, dass bei palliativ Erkrankten das Frühberentungsrisiko erhöht ist gegenüber den kurativ behandelten Patienten.

Diese Aussage konnte nicht bestätigt werden. Es zeigen sich in unserer Untersuchung weder ein Zusammenhang zwischen Stadium und Frühberentungsrisiko, noch zwischen sozialmedizinischer Leistungsbeurteilung und Erkrankungsstadium. Dabei ist kritisch zu bewerten, dass die Gruppe der palliativ behandelten Probanden verhältnismäßig klein ausfällt mit n=64.

Diskutiert werden sollte auch, ob die Differenzierung palliativ/ kurativ für die Zukunft sinnvoll erscheint oder eine differenziertere Einteilung auch nach Grunderkrankung notwendig ist.

In unserer Studie waren Patienten mit metastasierter Erkrankung (Metastasierter Darmkrebs bsp.) und schlechter Prognose gleichgestellt mit Menschen, die trotz chronischer Erkrankung eine deutlich relativ normale Lebenserwartung hatten (chronisch myeloische Leukämie bsp.).

Die Tumorentitäten spielen bei dieser Unterscheidung eine wichtige Rolle. Hier sollten solide Krebserkrankungen von hämatogenen Erkrankungen getrennt untersucht werden. Da die Gruppen der einzelnen Krankheitsentitäten in dieser Untersuchung zu klein waren, erfolgte keine Differenzierung.

Weiterhin erscheint es sinnvoll eine Differenzierung im Sinne der ICF zu machen, um gleiche Folgestörungen miteinander in Relation setzten zu können und so Einflussfaktoren besser zu identifizieren.

Bei der Implementierung des Screenings SIBAR war in der untersuchten Gruppe festgestellt worden, dass onkologische Rehabilitanden mit subjektivem Frühberentungsrisiko seltener den Wunsch nach berufsbezogenen Maßnahmen äußerten. [25]. Dies wollten wir in unserer Population überprüfen.

Die Hypothese, dass es einen negativen Zusammenhang zwischen Frühberentungsrisiko und Wunsch nach berufsbezogenen Maßnahmen gibt, konnte nicht bestätigt werden. Unabhängig vom Leistungsbild äußern in allen Gruppe

Rehabilitanden den Wunsch nach solchen Maßnahmen. Es zeigte sich lediglich eine Tendenz, dass palliative Patienten häufiger solche Maßnahmen wünschen.

Ein subjektives Frühberentungsrisiko im SIBAR ist nicht immer gleichzusetzen mit Frühberentung, während eine Gruppe ein Rentenbegehren äußert, somit nicht mehr motiviert ist oder sich in der Lage sieht, jemals wieder ins Berufsleben zurückzukehren.

Somit ist es nicht verwunderlich, dass Patienten, die an sich kein Rentenbegehren haben, den Wunsch nach berufsbezogenen Maßnahmen äußern.

In der Differenzierung der Wünsche nach berufsbezogenen Angeboten gibt es in der Formulierung den „allgemeinen sozialrechtlichen Bereich“. Dabei kann unter Umständen auch der Wunsch auf eine Rentenberatung oder Unterstützung beim Rentenantrag interpretiert werden. Eine differenzierte Formulierung im Screening ist notwendig, um Hilfestellung beim Rentenantrag als Wunsch für berufsbezogenen Maßnahmen auszuschließen, und die zwei Gruppen besser zu differenzieren.

Das Screening bezüglich eines Frühberentungsrisikos ist ein wichtiger Bestandteil für die berufliche Rehabilitation, um subjektive arbeitsbezogene Problemlagen zu identifizieren.

Eine sozialmedizinische Visite mit einem erfahrenen Sozialmediziner ersetzt das Screening nicht.

Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren die Ärzte, die diese Visite durchführten, über die Studie aufgeklärt und somit auch sensibilisiert worden hinsichtlich der Identifizierung von beruflichen Problemlagen. Es ist somit anzunehmen, dass die Ergebnisse verzerrt waren, da genauer im Hinblick auf eine berufliche Problematik geschaut wurde.

Dennoch sind lediglich 9,2% der Fälle mit einem subjektiven Frühberentungsrisiko oder einer beruflichen Problematik in der Visite identifiziert worden.

Bezüglich der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung fand sich in der Epikrise der Arztbriefe bei lediglich 13 Rehabilitanden der Hinweis der Notwendigkeit einer Arbeitsplatzanpassung, einer Antragstellung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Bemerkung, dass die Beurteilung im Dissens erfolgte, der Patient somit nicht einverstanden war mit der Beurteilung.

Ein Vergleich zwischen Berufsanamnese und sozialmedizinischem Gutachten zeigte jedoch deutlich mehr Problemfälle auf.

Beispielsweise waren in der Anamnese schwere körperliche Tätigkeiten beschrieben und im abschließenden Gutachten lediglich leicht- bis mittelschwere Tätigkeiten als Einschränkungen dokumentiert. Somit wäre in diesem Fall eine Anpassung des Arbeitsplatzes zu empfehlen. Insgesamt waren unter Bezugnahme der Arbeitsplatzbeschreibung bei mindestens 44 Rehabilitanden berufliche Einschränkungen vorhanden, ohne dass ein Hinweis darauf in der sozialmedizinischen Epikrise folgte.

Hier gilt es für die Zukunft, die sozialmedizinischen Epikrisen so genau wie möglich zu formulieren und berufliche Problemlagen nicht nur zu identifizieren, sondern auch genauer zu differenzieren und zu dokumentieren.

Ein Abgleich der subjektiven Einschätzung mit der Leistungsbeurteilung durch den Arzt ist unabdingbar. Patienten mit Einschränkungen bezüglich ihrer beruflichen Tätigkeit stellen eine Risikogruppe bezüglich return to work dar. Selbst bei negativem Screening besteht hier eine berufliche Problematik, da die Betroffenen nicht ohne Weiteres an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren können und einer Hilfestellung bedürfen.

Im Rahmen der Rehabilitation müssen für diesen Patienten Lösungen gefunden werden, wieder in das Erwerbsleben integriert zu werden. Um dies effektiv zu gestalten ist die genaue Dokumentation der beruflichen Problemlagen eine wichtige Voraussetzung.

Berufliche Belastungen wurden von allen Altersgruppen beklagt. In der Fragestellung, ob berufliche Belastungen abhängig vom Alter sind, zeigte sich, dass tatsächlich mehr ältere Patienten (>50Jahre) unter Belastungen litten (38% versus 21,7% bei jüngeren).

Die Art der Belastungen waren in beiden Gruppen gleichermaßen vertreten mit einigen kleineren Unterschieden. Eine mögliche Erklärung dieser Unterschiede könnten die sozialen Strukturen in den jeweiligen Altersgruppen sein, wie noch im Haushalt lebende Kinder bei jüngeren Patienten (Doppelbelastung Beruf und Familie beklagt) oder fehlende Aufstiegsmöglichkeiten bei älteren Rehabilitanden.

Die Hypothese , dass arbeitslose Patienten unabhängig vom Krankheitsstatus und der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung ein höheres Berentungsrisiko aufweisen, konnte in unserer Studie nachgewiesen werden.

Zu beachten ist, dass die Gruppe der Arbeitslosen lediglich 10,6% der Kohorte ausmachten. Aufgrund dieser nur geringen Anzahl an Rehabilitanden sind somit unsere Ergebnisse nicht auf eine größere Patientengruppe übertragbar.

Kritisch ist zu beachten, dass im SIBAR-Screening die Arbeitslosigkeit wie Fehlzeiten durch Krankheit mit zusätzlichen Punkten berechnet wird, so dass lange Krankheitszeiten und zusätzliche Zeiten in Arbeitslosigkeit sich summieren und so bereits 75% der Punkte erreicht werden können, die für ein Frühberentungsrisiko sprechen. Auch in dieser Gruppe sollte zwischen Rentenbegehren und Frühberentungsrisiko aufgrund von langen Krankheitszeiten differenziert werden, um dies genauer zu verifizieren.