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Reden im Steiermärkischen Landtag zum Beitrittsantrag

5.3 Der Steiermärkische Landtag vor dem Beitrittsantrag

5.3.1 Reden im Steiermärkischen Landtag zum Beitrittsantrag

Der Landtagsabgeordnete Hans Stoisser (ÖVP) bedauerte, die österreichische Mitgliedschaft nicht zur EWG gehabt zu haben, sondern zur EFTA. Eine Erleichte-rung brachte das Freihandelsabkommen im Jahre 1972 mit der EG durch Han-delsvereinfachungen. Mittlerweile war aus der EWG die EG und eine europäische Gemeinschaft mit zwölf Mitgliedsstaaten geworden und ihr erschloss sich bis 1992 ein Binnenmarkt mit 320 Millionen Menschen.74 „Die Europäische Gemeinschaft ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch eine politische Gemein-schaft“.75 Unsere kulturellen Beziehungen seien vorteilhaft, so wie die friedliche Koexistenz seit nun mehr 43 Jahren erwähnenswert sei. Die Frage der Neutralität müsse aber noch geklärt werden. Die wirtschaftlichen Beziehungen zur EG seien für Österreich immer relevant gewesen. Die österreichische Wirtschaft konnte in den letzten Jahren ihren Export durch die EG von 40 Prozent im Jahre 1968 auf 64 Prozent im Jahre 1987 steigern. Auch der Import war mäßig gestiegen, und

73 Interview LH-Stv. Prof. DDr. Schachner-Blazizek jun. (20.07.2015)

74 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1471 (01.05.2015) [Online]

75 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1471 (01.05.2015) [Online]

zwar von 57 auf 58 Prozent. Per Saldo bedeutete dies seit 1968 ein Plus von 60 Prozent bei den Exporten und 19 Prozent bei den Importen. In der EG würden sich die Handelsbedingungen durch die anderen Einfuhrzollsätze von (derzeit 4,9 Pro-zent auf 4,2 ProPro-zent) ändern. Sollten aber ab 1992 die Handelsschranken kom-men, so würde Österreich ohne die Mitgliedschaft wirtschaftlichen Schaden erlei-den. Gewinner eines Beitritts wären auf jeden Fall die KonsumentInnen. Sie hätten Vorteile aufgrund der Preissenkungen durch den damit einhergehenden erhöhten Wettbewerb. Die Spezialisierung auf Nischenprodukte und Schulungen wäre für österreichische Betriebe wichtig. Nachteile hingegen sah er im Rahmen der Mo-nopolisierung und in der Abwanderung gut qualifizierter Arbeitskräfte. Um das zu vermeiden, seien dringend Weiterbildungen in den Betrieben erforderlich, um dem Druck des Wettbewerbs in der Gemeinschaft standhalten zu können.76 Insgesamt aber sprach er sich für die ÖVP für den Beitritt aus.77

5.3.1.2 Kurt Gennaro (SPÖ)

Eine andere Sichtweise brachte der Abgeordnete der steirischen SPÖ, Kurt Gen-naro, ein: Die Steiermark werde allerdings im Bereich der Metall-, Bergbau- u.

Energiewirtschaft Nachteile haben. Ebenso werde die Landwirtschaft einen Struk-turwandel erleben müssen. Insbesondere die Kleinbauern würden „katastrophale Auswirkungen“ erleiden. Die Steiermark allein aber werde die Abstimmung nicht entscheiden können.

Aus seiner Sicht sind die Bereiche Politik, Wirtschaft und Soziales die drei wesent-lichen Aspekte in der Frage des EG Beitritts.

Zum politischen Bereich zählt er die Neutralität: „Die Neutralität Österreichs scheint für mich beinahe ein unüberbrückbares Hindernis für den EG-Beitritt dar-zustellen.“78

Im wirtschaftlichen Bereich geht es ihm vor allem um die Sicherung der Arbeits-plätze und die sozialen Standards der ArbeitnehmerInnen.

76 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1473 (01.05.2015) [Online]

77 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1474 (01.05.2015) [Online]

78 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1474 (01.05.2015) [Online]

Der Anteil der Steiermark am europäischen Integrationsprozess Im dritten und letzten, dem sozialen Bereich, zeigt er die Arbeitsmarktsituation auf, er weist auf den FacharbeiterInnenmangel, auch im Gesundheitswesen, hin. Na-mens der SPÖ votiert er ebenfalls für den Beitritt: „Wir haben keine andere Wahl, wir müssen uns eben dementsprechend vorbereiten.“79

5.3.1.3 Hertgunde Kammlander (VGÖ-AL)

Echte Bedenken in Bezug auf den Beitritt äußerte Hertgunde Kammlander von der AL (Vereinte Grüne Österreichs-Alternative Liste). Die Hauptkritik der VGÖ-AL war der Mangel an Informationen. Sie befürchteten, dass die kleinen landwirt-schaftlichen Betriebe nicht überleben werden. Nur die KonsumentInnen kämen in den Genuss der niedrigeren Preise. Die Gesetze würden zum Großteil nicht mehr auf nationaler Ebene beschlossen werden, und die Souveränität des österreichi-schen Staates werde an Bedeutung verlieren. Auch die Frage der Neutralität sei noch nicht geklärt. Von Seiten der VGÖ-AL gab es daher ein grundsätzliches Nein zur EG.80 „Die Realität der Gefahren können wir nur sehen, wenn wir nicht in ei-nem machtpolitisch angstabweisenden Wunschdenken befangen, sondern fähig sind, Sorge zu tragen für uns und unsere Nachkommen.“81

5.3.1.4 Ludwig Rader (FPÖ)

Die Kritik einzelner Vorredner, es gäbe ein zu rasches Vorgehen in der Integrati-onsfrage, wurde von Ludwig Rader (FPÖ) zurückgewiesen, denn die FPÖ häbe ihren ersten Antrag zum Beitritt Österreichs zur EWG bereits am 26. November 1959 im Nationalrat unter der Einlagezahl 12 gestellt. Rader warb für einen ra-schen Beitritt, solange es mehr Vorteile als Nachteile gäbe. Ihm ging es um eine einheitliche Sprache nach außen für den EG-Beitritt, die bisher nicht vorhanden sei. Die wirtschaftlichen Vorteile eines Beitritts würden aber überwiegen. Die FPÖ stimmte einer Antragstellung zu.82 „Das ist die einzige Chance die wir haben.“83

79 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1475 (01.05.2015) [Online]

80 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1476-1479, (01.05.2015) [Online]

81 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1479 (01.05.2015) [Online]

82 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1484-1486, (01.05.2015) [Online]

83 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1485 (01.05.2015) [Online]

5.3.1.5 LR Waltraud Klasnic (ÖVP)

Schlussworte von Frau Landesrat (1988-1993) Waltraud Klasnic84

Die Unternehmer und die Arbeitnehmer europareif zu machen, war schon bisher ein Ziel. Ein weiteres werde die Anerkennung von Hochschuldiplomen und weite-rer Zertifikate sein, um im gesamten EG-Raum arbeiten zu können. Die Verbesse-rung der Verkehrssituation sowohl im Bereich der Bahn als auch auf der Straße wird von ihr erwähnt. Die Neutralitätsfrage zu klären wir von ihr ebenfalls hervor-gehoben. Nachteile für die Steiermark erwartet sie in weniger Betriebsansiedlun-gen sowie in StandortverlegunBetriebsansiedlun-gen in den EG-Raum außerhalb Österreichs. Aber ohne Beitritt sei der gesamte technische und wissenschaftliche Bereich in der Steiermark in Gefahr. Darüber hinaus seien erhöhte Arbeitslosigkeit und der Rückgang des Lebensstandards zu erwartende Folgen.

Es müsse die Zeit für Weiterbildung genützt werden, besonders im Bereich der Fremdsprachen. Das Thema „35-Stunden-Woche“ hingegen war noch nicht rele-vant.

Sollte der EG-Beitritt nicht gelingen, so müsse Österreich eine Reihe von Freihan-delsabkommen abschließen.85 Aber: „Österreich liegt im Herzen Europas; nutzen wir unsere Chance, arbeiten wir gemeinsam.“86