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Der Beitrag des Bundeslandes Steiermark zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union

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Academic year: 2022

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(1)

Anita Kniely

Der Beitrag des Bundeslandes Steier- mark zum Beitritt Österreichs zur

Europäischen Union

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Public Administration im Rahmen des Universitätslehrganges

Parlamentarismus und Landespolitik

Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Anita Ziegerhofer

Karl-Franzens-Universität Graz und UNI for LIFE

Bad Gleichenberg, Oktober 2015

(2)

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inlän- dischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröf- fentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Versi- on.

Bad Gleichenberg, 5. Oktober 2015

(3)

Danksagung

Mein besonderer Dank gebührt meinem Mann und meinen Kindern Lukas und Sandra, die mich während der gesamten Studienzeit unterstützt haben.

Ich möchte mich auch ganz herzlich bei meiner übrigen Familie bedanken, denn auch sie waren immer für mich da. Mein Dank gilt meiner Freundin Eni und ihrer Fa- milie.

Eine Bereicherung und große Hilfe war meine Betreuerin Frau Prof. Anita Ziegerhof- er. Sie hat mich bestärkt und mich bei meiner Arbeit unterstützt.

Außerdem möchte ich mich bei Frau LH Waltraud Klasnic und bei Herrn LH-Stv. Prof.

DDr. Peter Schachner für die Interviews bedanken.

(4)

In dieser Arbeit wird der Beitrag des Bundeslandes Steiermark zum EU-Beitritt Öster- reichs dargestellt und analysiert. Hatte die Steiermark eine Vorreiterrolle innerhalb Österreichs inne und welche Maßnahmen wurden gesetzt? Inwieweit konnte die Steiermark Akzente setzen und welche waren es? Was konnte parallel zur Bundes- regierung unternommen werden? Wie und wodurch kam es zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft bzw. zur Europäischen Union? Im Zuge dessen wurden Interviews mit den damals aktiven steirischen PolitikerInnen der Landesre- gierung und Gespräche mit sachkundigen Personen geführt. Themenbezogen wur- den Recherchen stenographischer Protokolle aus Nationalratssitzungen und aus den steiermärkischen Landtagssitzungen ausgewertet und einschlägige Literatur erarbei- tet. Ergänzend wurden Zeitungsrecherchen angestellt.

Im ersten Teil wird der Integrationsprozess dargestellt und die Rolle Österreichs so- wie die der Steiermark aufgezeigt. Welche Personen waren federführend am Pro- zess beteiligt, und wer war für bzw. gegen den Beitritt? Ein weiteres Kapitel widmet sich dem wirtschaftlichen, kulturellen sowie land- und forstwirtschaftlichen Bereich vor dem Beitrittsantrag, sowie der Jahre bis zum Beitritt. Wie gestalteten sich die Ab- schlussverhandlungen und wie war das Abstimmungsverhalten in der Steiermark zum Referendum über die Änderung des BVG. Abschließend wurde die Stimmung der österreichischen und steirischen Bevölkerung über Umfragen des Eurobarome- ters ausgewertet.

(5)

Abstract

In my thesis the role and contribution of the province of Styria to Austria’s entrance to the European Union will be discussed and analyzed. Did Styria play a pioneering role in Austria? Which measures were put in place? Could Styria leave its mark and to what extent? Which steps were undertaken parallel to those of the Federal Govern- ment? How and why did Austria join the EC (European Community) and the EU re- spectively?

For the paper, interviews with Styrian politicians of the provincial government as well as economic experts were examined. My research also comprises the analysis and evaluation of stenographic minutes of Parliament and Styrian provincial government meetings supplemented by relevant literature and newspaper research.

In the first part of my thesis the path of integration is delineated and the respective roles of Austria and Styria in this process are shown. Which people were involved and played a crucial role in this process? Who supported and who was against Aus- tria joining the EU?

Another chapter deals with economic and cultural aspects as well as the state of ag- riculture and forestry before and up to the time of Austria entering the EU. I will take a look at the final negotiations and proceedings, and how the Styrian people voted in the referendum concerning alterations in the federal administration law (BVG). Final- ly, the opinions of Austrians and Styrians are analyzed based on Eurobarometer sur- veys by the European Commission.

(6)

Abbildungsverzeichnis ... 3

1 Einleitung ... 5

2 Zielsetzung der Arbeit ... 7

3 Europäischer Integrationsprozess bis 1989 ... 8

4 Österreichs Anteil am Integrationsprozess bis 1989 ... 10

5 Der Anteil der Steiermark am europäischen Integrationsprozess ... 15

5.1 ARGE Alpen-Adria ...16

5.2 Europazentrum/Europahaus Graz ...17

5.3 Der Steiermärkische Landtag vor dem Beitrittsantrag ...19

5.3.1 Reden im Steiermärkischen Landtag zum Beitrittsantrag ...20

5.3.1.1 Hans Stoisser (ÖVP) ...20

5.3.1.2 Kurt Gennaro (SPÖ) ...21

5.3.1.3 Hertgunde Kammlander (VGÖ-AL)...22

5.3.1.4 Ludwig Rader (FPÖ) ...22

5.3.1.5 LR Waltraud Klasnic (ÖVP) ...23

5.3.2 Wirtschaft in der Steiermark bis 1989 ...23

5.3.3 Land- und Forstwirtschaft in der Steiermark bis zum Beitrittsantrag...25

5.3.4 Kultur in der Steiermark bis 1989 ...28

6 Österreich vom Antrag am 14. Juli 1989 bis zum Beitritt ... 31

6.1 Gründe für Österreichs EG-Mitgliedschaft ...33

6.2 Die Abstimmung im Österreichischen Parlament über den Beitrittsantrag ...34

6.3 Die Verhandlungen in Brüssel 1993 – 1994 ...37

6.4 Der Beitritt: Die Unterzeichnung auf Korfu am 24. Juni 1994 ...40

6.5 Die Landeshauptmännerkonferenzen und LH Josef Krainer jun...41

6.6 Steiermark zwischen dem 14. Juli 1989 bis zum 1. Jänner 1995 ...43

6.6.1 Die steirischen Sozialpartner ...45

6.6.2 Die Wirtschaft in der Steiermark bis zum Beitritt 1995 ...51

6.6.3 Die steirische Landwirtschaft bis zum Beitritt zur EU ...52

6.6.4 Kultur in der Steiermark nach 1989...55

7 Die Volksabstimmung in Österreich am 12. Juni 1994 ... 56

7.1 Das Referendum in Österreich ...56

(7)

7.2 Eurobarometer ...58

7.3 20 Jahre Beitritt Österreichs zur EU/Eurobarometer 2015...58

7.4 Die Volksabstimmung aus der Sicht der Steiermark ...60

7.5 Eurobarometer 2005 mit Bundesländerbeteiligung (Steiermark) ...62

8 Resümee ... 63

9 Literatur- Quellenverzeichnis ... 65

(8)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Arbeitslosenrate Österreich, Steiermark 1971-1986 ... 24

Abbildung 2: Arbeitslosenrate Österreich, Steiermark 1990-2000 ... 52

Abbildung 3: Land- u. Forstwirtschaft im Umbruch ... 54

Abbildung 4: Volksabstimmung Österreich 1994 ... 57

Abbildung 5: Volksabstimmung Steiermark 1994 ... 61

(9)

Abkürzungsverzeichnis

ASEAN Association of Southeast Asian Nations, Verband Südostasiatischer Nationen

BEJ Bund Europäischer Jugend BGBl Bundesgesetzblatt

B-VG Bundesverfassungsgesetz

EFB Europäische Föderalistische Bewegung EFTA Europäische Freihandelsassoziation EG Europäische Gemeinschaft

EAGFL-A Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft EFRE Fonds für regionale Entwicklung

ERP European Recovery Program ESF Europäischer Sozialfonds

FPÖ Die Freiheitliche Partei Österreichs GARIOA Goverment and Relief in Occupied Areas GP Gesetzgebungsperiode

LHK Landeshauptmännerkonferenz

NAFTA North Atlantic Free Trade Association, Nordamerikanisches Freihandelsabkommen

NATO North Atlantic Treaty Organization, Organisation des Nordatlantikver- trags

OEEC Organization for European Economic Cooperation, Organisation für europäische und wirtschaftliche Zusammenarbeit

ÖPUL Österreichische Programm für umweltgerechte Landwirtschaft ÖVP Österreichische Volkspartei

SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs

UNESCO Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, United Nations Educational, Scientific and Cultural Orga- nization

UNRRA United Nations Relief and Rehabilitation Administration VGÖ-AL Vereinte Grüne Österreichs-Alternative Liste

(10)

1 Einleitung

Österreich feierte am 1. Jänner 2015, gemeinsam mit Finnland und Schweden, 20 Jahre EU-Beitritt. Sowohl die österreichische Bundesregierung als auch alle Lan- deshauptleute waren für den Beitritt. Österreich versprach sich durch den Beitritt in erster Linie einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Regierung beschloss, ohne parteipolitisches Geplänkel gemeinsam den Weg in die EG beschreiten zu wollen.

Zu diesem Zweck wurde auch ein Regierungsabkommen geschlossen, das über die Legislaturperiode hinaus bis zum Abschluss des Integrationsprozesses an- dauern sollte. Mit den Stimmen der SPÖ, ÖVP und FPÖ stellte die österreichische Bundesregierung im Jahre 1989 den Antrag, Beitrittsverhandlungen mit der EG führen zu wollen.1 Offiziell wurden am 1. Februar 1993 die Verhandlungen gleich- zeitig mit Schweden und Finnland aufgenommen.2 Die Abschlussverhandlungen wurden formal am 12. April 1994 in Brüssel abgeschlossen.

Die österreichische Bevölkerung wie auch die Sozialpartner und die Wirtschaft waren in diesen Entwicklungs- und Entscheidungsprozess seit 1992 mit einge- bunden und mittels Kampagnen informiert.3 Die verbindliche Volksabstimmung fand in Österreich am 12. Juni 1994 statt.4 Österreich votierte mehrheitlich für den Beitritt zur mittlerweile Europäischen Union. Somit konnte der Beitrittsvertrag auf Korfu am 24. Juni 1994 unterzeichnet werden und der eigentliche Beitritt Öster- reichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 erfolgen.5

Die Bundesländer unterstützten die Bundesregierung bei der Umsetzung. Die Steiermark war pro EG eingestellt: Sowohl der amtierende steirische Landes- hauptmann, Josef Krainer jun. (ÖVP), als auch Landeshauptmann-Stellvertreter

1 Vgl. Stenographisches Protokoll, 110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich, XVII.

GP, 29. und 30. Juni 1989, 12989, (01.05.2015) [Online]

2 Vgl. Kunnert, Gerhard (1993), Österreichs Weg in die Europäische Union, S. 329.

3 Vgl. APA, EG/Handelskammer Steiermark, „Europa-Jahr 1992“ (15.01.1992)

4 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.

256.

5 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.

257.

(11)

Einleitung Peter Schachner-Blazizek jun. waren Befürworter des Beitrittes zur EG, die Stei- ermark gilt als Vorreiter hinsichtlich einer europäischen Integration, wurde doch bereits Ende der Siebziger Jahre die ARGE-Alpe-Adria gegründet.6

6 Interview LH Waltraud Klasnic (12.08.2015)

(12)

2 Zielsetzung der Arbeit

Das Ziel der Arbeit ist es, zu hinterfragen, welchen Anteil die Steiermark an die- sem Beitrittsprozess hatte. Gab es Übereinstimmungen zwischen der steirischen Landesregierung und der österreichischen Bundesregierung in Bezug auf den EU- Beitritt am 1. Jänner 1995? Wer waren die wichtigsten Akteure in der Steiermark?

Welche politischen Parteien waren für und welche gegen einen Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft? Welche Probleme gab es im Vorfeld, wie wur- den diese dargestellt und aufgezeigt? Was waren die Lösungsansätze?

Für die Beantwortung dieser Fragen werden, neben der Literaturrecherche die stenographischen Protokolle der Landtagssitzungen und Nationalratssitzungen für diesen Zeitraum herangezogen. Ergänzend kommen Zeitungsrecherchen und In- terviews mit Landeshauptmann-Stellvertreter Schachner-Blazizek jun. und der damals zuständigen Wirtschaftslandesrätin Waltraud Klasnic hinzu.7 Sie sollen die politischen Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Beitritt aus steirischer Sicht dokumentieren.

Die vorliegende Arbeit ist in zwei große zeitliche Abschnitte gegliedert. Das Jahr 1989 bietet hier die Zäsur, sodass ein Teil die Zeit vor 1989 bzw. der zweite Teil die Zeit ab den Beitrittsverhandlungen dokumentiert.

In einzelnen Unterkapiteln sollen die wesentlichen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialpartnerschaftlichen Aspekte dargelegt und analysiert werden. Ein eigenes Kapitel widmet sich den Verhandlungen in Brüssel. Anlässlich der 20-jährigen Mit- gliedschaft wird versucht, mit Hilfe einer Studie von Eurobarometer die Vor- und Nachteile, die sich durch den Beitritt für die Steiermark und Österreich ergaben, aufzuzeigen.

7 Es wurde versucht, ein Interview mit Landeshauptmann Josef Krainer zu führen, der bei den Ver- handlungen in Brüssel als Vorsitzender der Landeshauptmännerkonferenz beteiligt war. Er konnte nicht erreicht werden.

(13)

Europäischer Integrationsprozess bis 1989

3 Europäischer Integrationsprozess bis 1989

Historisch lässt sich die Idee eines friedlich vereinten Europas mit eigenen Natio- nalstaaten bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen.8 Erst die Rede von Winston Churchill am 19. September 1946 an der Universität in Zürich sollte den Anstoß geben, die Vision von den „Vereinigten Staaten von Europa“ Wirklichkeit werden zu lassen.9 Vom 7. bis 10. Mai 1948 wurde in Den Haag ein Kongress unter der Präsidentschaft von Winston Churchill abgehalten, wo ein geeintes Europa sowie die Bildung eines Europarates gefordert wurden. Der Europarat wurde am 5. Mai 1949 im St. James-Palace in London unterzeichnet.10

Mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1950 durch Frankreich, Deutschland, Italien und die Beneluxstaaten wurden diese Staaten wirtschaftlich vereint. Dies war die erste übergeordnete Organisation, die eine eigene Rechtssetzungskompetenz durch die Hohe Behörde hatte. In Teilbe- reichen gaben diese Staaten ihre Souveränität ab, was den Beginn eines weiteren Integrationsprozesses darstellte.11 Ein weiterer Meilenstein war 1957 die Grün- dung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Mit 1. Jänner 1958 trat diese, verankert in den sogenannten Römischen Verträgen in Kraft. Durch diese Verträge wurden die EGKS, die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) und die EWG begründet.12 Österreich war Gründungsmitglied der Organisation für eu- ropäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC). Sie wurde (1948) zur Abwick- lung und Verteilung des Marshall-Plans für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen.13 Der wirtschaftliche Erfolg der EWG-Staaten führte zu Nachteilen für die Mitglieder der OEEC-Staaten. Allen voran suchte Großbri-

8 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.

12.

9 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.

65.

10 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.

72.

11 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.

89,93,95.

12 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.

104.

13 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.

68.

(14)

tannien nach einer Lösung für diese wirtschaftliche Diskriminierung und schlug daher die Vereinigung der OEEC-Länder als Gegenstück zur EWG vor. Mit den neutralen Staaten Europas, Schweden, Schweiz und Österreich, sowie Norwegen, Portugal und Dänemark gründete das Vereinigte Königreich die Europäische Frei- handelsassoziation (EFTA), die am 3. Mai 1960 in Kraft treten konnte.14

14 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.

112f.

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Österreichs Anteil am Integrationsprozess bis 1989

4 Österreichs Anteil am Integrationsprozess bis 1989

Unter den 16 europäischen Staaten, die am 16. April 1948 an der Sitzung über die Umsetzung des „Europäischen Wiederaufbauprogrammes“ (European Recovery Program/ERP) teilnahmen und in weiterer Folge die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) ins Leben riefen, befand sich auch Ös- terreich. Der Marshall-Plan15 sollte einerseits ein Wiederaufbauprogramm für Eu- ropa (ERP) sein und andererseits eine politische Abgrenzung zum Kommunismus bewirken. Die organisatorische Abwicklung wurde der OEEC übertragen. Diese wurde am 16. April 1948 mit Sitz in Paris gegründet.

Bis zum Jahre 1952 wurden Geld und Sachwerte von etwa 15,3 Milliarden US-$

aufgebracht.16 Der Anteil Österreichs betrug circa 7 Milliarden Schilling, wovon die Steiermark bis 1955 rund 1,74 Milliarden Schilling erhielt.17

Österreich erhielt, pro Einwohner gerechnet, nach Norwegen die höchsten Mittel aus dem ERP zuerkannt, um das Land wieder aufzubauen und die Volkswirtschaft anzukurbeln. Das ermöglichte den Anstieg des Bruttonationalproduktes der kom- menden Jahre. 1949 konnte somit das Ergebnis des Bruttonationalprodukts von 1937 wieder erreicht werden.18 Mit dieser Hilfe konnten die Industrie in Österreich wieder aufgebaut und Arbeitsplätze geschaffen werden. Eine Verpflichtung der 16 Mitgliedsstaaten der OEEC war, die wirtschaftlichen Verbindungen untereinander zu fördern, Zölle und Handelsbeschränkungen abzubauen und damit einen „ein- heitlichen europäischen Wirtschaftsraum“ zu bilden.19

Mit dem Abzug der Besatzungstruppen aus Österreich 1955 verpflichtete sich Ös- terreich unter anderem zur immerwährenden Neutralität, die von der Sowjetunion gewünscht wurde. Damit war eine Mitgliedschaft für Österreich bei der EGKS nicht möglich und der eingeleitete Integrationsprozess blieb Österreich deshalb vorerst verwehrt. Am 16. April 1956 trat Österreich dem Europarat bei.20 Österreich er-

15 Anmerkung: Der Marshallplan wurde nach dem US-amerikanischen Außenminister George C.

Marshall (1947-1949) benannt und sollte unter anderem Hilfe für die notleidende Bevölkerung Europas bringen. Der Marshallplan wurde 1948 vom amerikanischen Kongress bewilligt.

16 Vgl. Kunnert, Gerhard (1993), Österreichs Weg in die Europäische Union, S. 27.

17 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 356.

18 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 355.

19 Vgl. Kunnert, Gerhard (1993), Österreichs Weg in die Europäische Union, S. 30.

20 Vgl. Gehler, Michael (2009), Österreichs Weg in die Europäische Union, S. 388.

(16)

wirkte 1956 ein Zolltarifabkommen mit der EGKS.21 Als Mitglied der OEEC gehörte Österreich auch zu jenen Ländern, die auf Anregung des Vereinigten Königreichs die EFTA gründeten. Als Gründungsmitglied der sogenannten Stockholmer Kon- vention vom 4. Jänner 1960 unterzeichnete Österreich gemeinsam mit den Mit- gliedsstaaten Großbritannien, Dänemark, Norwegen, Portugal, Schweden und der Schweiz die Verträge zur Errichtung der Europäischen Freihandelszone (EFTA).

Diese trat am 3. Mai 1960 in Kraft.22 Als Grund für diesen Vertrag wurden die wirt- schaftlichen Nachteile, die durch den Zusammenschluss der EG-Staaten entstan- den waren, genannt. Eine weitere Zielsetzung war die Assoziation mit der EG.23 Allerdings waren alle Assoziierungsanträge erfolglos. Erst der Regierungswechsel in Frankreich, Charles de Gaulle war zurückgetreten, Georges Pompidou sein Nachfolger geworden, und der Haager Gipfel der EWG-Mitgliedstaaten 1969 be- deuteten den erfolgreichen Abschluss des Beitrittes des Vereinigten Königreiches zur EWG im Jahr 1972. Für Österreich bedeutete dies, dass es gemeinsam mit Finnland, Portugal, Island, Schweden und der Schweiz im Juli 1972 mit der EWG und EGKS in Brüssel ein Freihandelsabkommen unterzeichnete.24

Am 13. Mai 1977 initiierte Bundeskanzler Bruno Kreisky eine Gipfelkonferenz mit den EFTA-Mitgliedsstaaten unter seinem Vorsitz in Wien.25 In einem 10-Punkte- Programm wurden die engere Zusammenarbeit innerhalb der EFTA-Staaten, der Beitrittsantrag Portugals zur EG sowie eine engere Kooperation mit der EG erar- beitet.26 Diese Kooperation sollte auch dazu dienen, die wirtschaftliche Basis mit der EWG zu verbessern. Unter Bedacht der Neutralität sollte die wirtschaftliche Kooperation, auch ohne Mitgliedschaft, verstärkt werden, argumentierte der Bun- deskanzler.27 Am 7. Juli 1978 beschloss der Europäische Rat die Erstellung eines

21 Vgl. Luif, Paul (2007), Österreich, Schweden, Finnland, S. 62.

22 Vgl. Breuss, Fritz (2014), Österreichs Wirtschaft und die europäische Integration 1945-1990.

(Hrsg.) Gehler, Michael/ Steininger, Rolf, Österreich und die europäische Integration seit 1945, S. 482.

23 Vgl. Ziegerhofer-Prettenthaler, Anita (2004), Vom Bundesland zur selbstbewussten Region Eu- ropas, S. 291.

24 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2007), Europäische Integrationsgeschichte. Unter beson- derer Berücksichtigung der österreichischen Integration, S. 106.

25 Vgl. Gehler, Michael/Steininger, Rolf (2014), Österreich und die europäische Integration seit 1945, S. 550.

26 Vgl. Zeitgeschichte-Informationssystem, 10-Punkte-Programm, 23.08.15 [Online]

27 Vgl. Gehler, Michael/Steininger, Rolf (2014), Österreich und die europäische Integration seit 1945, S. 550f.

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Österreichs Anteil am Integrationsprozess bis 1989 Europäischen Währungssystems (EWS).28 Bundeskanzler Kreisky trat an den Präsidenten des Europäischen Rates, Helmut Schmidt, heran, da es auch Staaten ohne Mitgliedschaft ermöglicht wurde, am EWS teilzunehmen. Die Möglichkeit, an stabilen Wechselkursen zu partizipieren, wäre wirtschaftlich gesehen ein großer Vorteil für Österreich. Gleichzeitig würde es weitere Anbindungen an die Mit- gliedsstaaten ermöglichen.29 Die Finanzminister von Deutschland und Österreich arbeiteten unverzüglich an der Annäherung des Schillings an das EWS und einer weiteren Zusammenarbeit. Die Anbindung des Schilling an die Deutsche Mark und somit an das EWS-System wurde umgesetzt. Die Absicherung des österreichi- schen Schillings brachte gleichzeitig den Verlust der Souveränität auf währungs- politischer Ebene.30

Vor der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik sprach sich Friedhelm Fri- schenschlager (FPÖ) am 1. März 1983 für einen Beitritt zur EG aus, unter der Be- rücksichtigung der immerwährenden Neutralität Österreichs.31

Im April 1984 kam es zu Verhandlungen in Luxemburg. Hier trafen sich Vertreter der EG- und EFTA-Staaten, um einen „einheitlichen Europäischen Wirtschafts- raum“ (EWR) zumindest teilweise zu realisieren.32

Mit der Rede des Kommissionspräsidenten Jacques Delors am 17. Jänner 1989 vor dem Europäischen Parlament, wo er für einen weiteren Zusammenschluss der EG-EFTA-Staaten auf wirtschaftlicher Basis plädierte, wurde die Idee der Zusam- menarbeit zwischen EG und EFTA wieder belebt. Dieser Prozess wurde erst mit der Unterzeichnung des EWR-Abkommens am 2. Mai 1992 in Porto abgeschlos- sen. Der EWR trat mit 1. Jänner 1994 in Kraft.33

Einen neuen Impuls erhielt die österreichische Integration im Dezember 1984 durch eine Podiumsdiskussion im universitären Bereich, in der Peter Jankowitsch

28 Vgl. Gehler, Michael (2009), Österreichs Weg in die Europäische Union, S. 394.

29 Vgl. Gehler, Michael (2009), Österreichs Weg in die Europäische Union, S. 269f.

30 Vgl. Gehler, Michael/Steininger, Rolf (2014), Österreich und die europäische Integration seit 1945, S. 552.

31 Vgl. Gehler, Michael (2009), Österreichs Weg in die Europäische Union, S. 99.

32 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.137.

33 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.137.

(18)

(SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) eine Übereinstimmung zum möglichen Beitritt Ös- terreichs zur EG erkennen ließen.34

Die ÖVP, als Koalitionspartner, wurde mit einem Entschließungsantrag der Natio- nalratsabgeordneten Ludwig Steiner, Andreas Khol, Othmar Karas und Felix Er- macora nun in der Europafrage aktiv. Sie hatten einen Dreistufenplan mit dem Ziel der Vollmitgliedschaft zur EG am 16. Dezember 1985 im österreichischen Parla- ment eingebracht. Die innenpolitische Lage war nach der Wahl 1986, von Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten, angespannt. Durch die Waldheim-Diskussion - Kurt Waldheim35 wurde trotz seiner Kriegsvergangenheit zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt (1986-1992)36 - folgte eine Zeit der diplomatischen Isolation Österreichs. Der Bundespräsident konnte seinen Aufgaben im Ausland nicht nachkommen, diese übernahm der damalige Bundeskanzler Franz Vranitz- ky.37 Ebenfalls in diese Zeit fiel der Weinskandal. Österreich geriet aufgrund des- sen in die Negativschlagzeilen. Im April 1985 wurden 26 Millionen Liter Wein mit Glycol entsorgt. Der Schaden ging in den zweistelligen Millionenbereich.38 Es ent- stand ein großer Imageschaden für Österreich.

1987 wurde Alois Mock Vizekanzler und übernahm das Außenamt. Die Sozial- partner Österreichs waren in der Frage des Beitritts ebenfalls Befürworter und gleichzeitig Mitstreiter dieses Weges.39

Der Ministerrat beschloss Anfang Februar 1987 eine Arbeitsgruppe für Europäi- sche Integration.40 Diese Arbeitsgruppe war äußerst heterogen und wurde in Un- tergruppen aufgeteilt. Insgesamt waren 300 ExpertInnen, in 14 Untergruppen un- tergliedert, daran beteiligt. Mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums waren

34 Vgl. Gehler, Michael (2009), Österreichs Weg in die Europäische Union, S.99.

35 Vgl. Gehler, Michael (2009), Österreichs Weg in die Europäische Union, S. 100.

36 Vgl. Parlament Bundespräsident, (4.10.2015) [Online]

37 Vgl. Gehler, Michael (2009), Österreichs Weg in die Europäische Union, S. 102.

38 Vgl. Kurier, Glycol, (17.08.2015) [Online]

39 Vgl. Zilian, Hans Georg, Heschl, Franz, Hödl, Josef (1993), Die Süße der Vernunft. Rationalität und Politik am Beispiel der österreichischen Integrationsdebatte, S. 36.

40 Vgl. Parlament, Beitrittsverhandlungen, [Online]. VertreterInnen der Ministerien, der Verbin- dungsstelle der Bundesländer, der Österreichischen Nationalbank und der Sozialpartner und Interessensvertretungen. Aufgabe: Vergleichende Bestandsaufnahmen von EG-Regelungen und der österreichischen Gesetzeslage, Ermittlung des daraus folgenden integrationspoliti- schen Handlungsbedarfs, Erarbeitung von konkreten Vorschlägen für Integrationsmaßnah- men.

(19)

Österreichs Anteil am Integrationsprozess bis 1989 alle Ressorts anzutreffen. Genauso gehörten alle Bundesländer, die Österreichi- sche Nationalbank und ebenso die Sozialpartner dieser Arbeitsgruppe an.41

Diese Arbeitsgruppe präsentierte ihre Ergebnisse im Juni 1988 mit der Schlussfol- gerung, dass einer Teilnahme Österreichs keine unüberbrückbaren Hindernisse im Wege stünden. Die Vorteile eines Beitritts für Österreich würden überwiegen, so die nach dem österreichischen Botschafter Manfred Scheich bezeichnete

„Scheich-Arbeitsgruppe“.42 Es müsse der Rechtsbestand übernommen werden, um am Binnenmarkt teilnehmen zu können. Einige Mitglieder der SPÖ waren skeptisch und sollten erst nach der Rede von Kommissionspräsidenten Jacques Delors im Jänner 1989 ihre Zweifel verlieren und sich einer grundsätzlichen Dis- kussion stellen.43 Bundeskanzler Franz Vranitzky wollte zu diesem Zeitpunkt „eine enge Zusammenarbeit mit der Zwölfergemeinschaft. Österreich strebe bei der eu- ropäische Integration die bestmögliche Kombination an - also den Vollbeitritt“.44 Diese Diskussion mündete letztendlich in einem Entschließungsantrag des Natio- nalrates im Juni 1989, der die Bundesregierung aufforderte, die Mitgliedschaft Ös- terreichs bei der Europäischen Gemeinschaft zu beantragen.45

Am 17.Juli 1989 übergab Außenminister Alois Mock in Brüssel dem damaligen EG-Ratspräsidenten, dem französischen Außenminister Roland Dumas, den ös- terreichischen Beitrittsantrag, in dem ausdrücklich auf die immerwährende Neutra- lität Österreichs hingewiesen wurde.46

41 Vgl. Schaller, Christian (1994), Ausweg EG, S. 104.

42 Vgl. Schaller, Christian (1994), Ausweg EG, S. 104.

43 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2007), Europäische Integrationsgeschichte. Unter beson- derer Berücksichtigung der österreichischen Integration, S. 185.

44 Vgl. Franz Vranitzky, 28. Jänner 1989, Weltwirtschaftsforum Davos.- In: Kopeinig Margaretha (2014), Der dreizehnte Stern, S. 40.

45 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2007), Europäische Integrationsgeschichte. Unter beson- derer Berücksichtigung der österreichischen Integration, S. 185.

46 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita (2007), Europäische Integrationsgeschichte. Unter beson- derer Berücksichtigung der österreichischen Integration, S. 186.

(20)

5 Der Anteil der Steiermark am europäischen Integrati- onsprozess

Der Beitritt Österreichs zur EFTA 196047 wurde in der Steiermark nicht goutiert.

Der amtierende Landeshauptmann Josef Krainer sen. erhob bereits im November 1959 heftigen Widerstand gegen diesen Beitritt. Seine Bedenken teilte er in einem Brief an Außenminister Bruno Kreisky mit. Er befürchtete eine aussichtslose wirt- schaftliche Lage, die durch den Beitritt eintreten würde. Gleichzeitig stellte er die Frage, ob von Seiten der Bundesregierung auch der Versuch unternommen wur- de, mit den „maßgeblichen Herren der EWG Verhandlungen aufzunehmen, um klarzustellen, ob eine bilaterale Assoziation unter Berücksichtigung der Sonder- stellung Österreichs möglich wäre“.48 Landeshauptmann Krainer sen. war überdies der Ansicht, dass mit der Sowjetunion über einen EWG-Beitritt Österreichs ver- handelt werden müsste und argumentierte mit der wirtschaftlichen Unabhängigkeit Österreichs gegenüber Deutschland. Beratend stand der Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre, Wilhelm Taucher, dem Landeshauptmann zur Seite. Unbe- stritten war die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, dass zuvor keine Verhandlun- gen, weder mit dem EWR noch mit der Sowjetunion, stattgefunden hatten. Der Versuch des Landeshauptmannes, die Bundesregierung umzustimmen, scheiter- te. Die Stockholmer Konvention wurde unterzeichnet und vom Nationalrat ratifi- ziert. 49 Die Neutralität, die in diesem Rahmen unweigerlich eine Rolle spielte, löste jedoch rege Debatten innerhalb der Parlamentsparteien aus. ÖVP und FPÖ waren für einen Beitritt zur EG. Die SPÖ unterstützte den Beitritt zur EFTA nicht zuletzt wegen der Neutralität. Diese Vorkommnisse wurden auf die Tagesordnung der 42.

Landtagssitzung vom 25. Februar 1960 im Steiermärkischen Landtag gesetzt und heftig zwischen den Parteien diskutiert. Josef Pittermann (ÖVP), begründete dass nach dem Gutachten von Professor Taucher wirtschaftliche Abkommen mit der EWG, trotz des Vertrages mit der EFTA und der Neutralität Österreichs, möglich wären. Die FPÖ unter Alois Friedrich Hueber war der Ansicht: „Österreich geht

47 Vgl. Kapitel 4 dieser Arbeit.

48 Vgl. Ziegerhofer-Prettenthaler, Anita (2004), Vom Bundesland zur selbstbewussten Region Eu- ropas, S. 291.

49 Vgl. Ziegerhofer-Prettenthaler, Anita (2004), Vom Bundesland zur selbstbewussten Region Eu- ropas, S. 291f.

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Der Anteil der Steiermark am europäischen Integrationsprozess den falschen Weg“. Das Gegenargument von Adalbert Sebastian (SPÖ) war, die EFTA habe eine Rücktrittsklausel im Gegensatz zur EWG und Österreich müsste Souveränitätsrechte abtreten, und diese seien mit der Neutralität nicht vereinbar.

Die ÖVP stellte am 23. Februar einen Resolutionsantrag, worin die Bundesregie- rung aufgefordert wurde, alle Schritte zu unternehmen, um mit der EWG in wirt- schaftliche Beziehungen treten zu können. Diese Resolution wurde von der FPÖ unterstützt, von der SPÖ allerdings abgelehnt.50 Eine Länderübergreifende Zu- sammenarbeit erfolgt auf steirische Initiative durch die ARGE Alpe-Adria 1978 be- reits.

5.1 ARGE Alpen-Adria

Mit der Gründung der ARGE Alpen-Adria 1978 wurde eine länderübergreifende Kooperation aufgebaut, die Nachbar-Länder unterschiedlicher politischer, gesell- schaftlicher und wirtschaftlicher Art verbinden sollte. Diese Initiative ging von der Steiermark aus.51 Als Gründer der Arbeitsgemeinschaft wurde Landeshauptmann Friedrich Niederl genannt, die Bezeichnung „Alpen-Adria-Staatsmann“ wurde Lan- deshauptmann Josef Krainer jun. zugesprochen.52 Die Vertreter des Landes Stei- ermark, von Kärnten, Niederösterreich, Friaul-Julisch-Venetien, Veneto, Slowe- nien, Kroatien und Bayern unterzeichneten die Gründungsurkunde am 20. No- vember 1978 in Venedig.53 Die Steiermark hatte zuvor schon grenzüberschreiten- de Projekte mit Slowenien durch die Steirisch-Slowenischen Regional- Kommissionen wie Trigon und Quadrigon initiiert.54 Die Zusammenarbeit auf uni- versitärer, kultureller, wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und touristischer Basis, auch zu den ehemaligen Ostblockstaaten, war für die Steiermark ein Gewinn. Auf allen Ebenen, auch auf der politischen, wurden der Dialog und die Zusammenar- beit forciert. Durch diese ARGE Alpen-Adria Arbeitsgemeinschaft konnten auch

50 Vgl. Stenographisches Protokoll, 42. Sitzung des Steiermärkischen Landtags, IV. GP, 25. Febru- ar 1960, 873ff. (01.05.2015) [Online]

51 Vgl. Kicker, Renate (2009), Die Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria: Vom Ursprung bis in die Ge- genwart. In: politicum 109, S. 13.

52Vgl. Kicker, Renate (2009), Die Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria: Vom Ursprung bis in die Ge- genwart. In: politicum 109, S. 17.

53 Vgl. Ziegerhofer-Prettenthaler, Anita (2004), Vom Bundesland zur selbstbewussten Region Eu- ropas. S. 293.

54 Vgl. Kicker, Renate (2009), Die Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria: Vom Ursprung bis in die Ge- genwart. In: politicum 109, S. 14.

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Staaten hinter dem „Eisernen Vorhang“ mitarbeiten. Diese Zusammenarbeit zwi- schen Ostblock-, NATO- und neutralen Staaten war einzigartig.55 Zu Beginn stand der Informationsaustausch im Vordergrund, wozu auch die Erhebung von Daten und Fakten zur Erstellung von Umwelt-, Raumordnungs- und Minderheitenberich- ten nötig waren. Durch den stetigen Wandel in Osteuropa sowie die Veränderun- gen in Jugoslawien herrschte eine neue Situation für die ARGE Alpen-Adria. Es kam die Friedensfunktion hinzu. 1988 kamen, noch vor dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989, die ungarischen Komitate Vas und Györ-Moson- Sopron als Vollmitglied dazu. Weitere Komitate sollten bald folgen.56 Mit dem 15- jährigen Bestehen der ARGE Alpe-Adria stellte sich die Verbindung 1993 neuen Herausforderungen. Das Motto war nun die Förderung der europäischen Integrati- on und wurde wie folgt formuliert: „Zur Förderung der europäischen Integration und zur Stabilität sowie Entwicklung im Alpen-Adria-Raum beizutragen.“57

5.2 Europazentrum/Europahaus Graz

Auch im Sinne eines gemeinsamen Europas kann die Steiermark auf eine Vorrei- terrolle hinweisen. Als unabhängige und unparteiische Bildungsinstitution wurde 1981 unter anderem von Willibald Richter und Edda Zierler, die beide der österrei- chischen Studentenvereinigung angehörten, das Europazentrum/Europahaus in Graz gegründet. Speziell Informationen zu aktuellen Europafragen und zu Europa im Allgemeinen standen im Vordergrund. Es wurden Seminare, Vorträge und Workshops veranstaltet.58

Die Eröffnung des ersten Europahauses in Neumarkt in der Steiermark am 7. Juli 1957 ging auf die Mitinitiative von Max Wratschgo zurück und wurde von Landes- hauptmann Josef Krainer sen. übergeben.59 Max Wratschgo war auch der Mitbe- gründer des Landesverbandes Steiermark des Bundes Europäischer Jugend

55 Interview LH Waltraud Klasnic (12.08.2015)

56 Vgl. Kicker, Renate (2009), Die Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria: Vom Ursprung bis in die Ge- genwart. In: politicum 109, S. 15.- Anmerkung: Im Juli 1991 wurde in der Vollversammlung der ARGE eine Resolution zur völkerrechtlichen Anerkennung der Republiken Slowenien und Kroatien gefordert.

57 Vgl. Kicker, Renate (2009), Die Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria: Vom Ursprung bis in die Ge- genwart. In: politicum 109, S. 15-16.

58 Vgl. Ziegerhofer-Prettenthaler, Anita (2004), Vom Bundesland zur selbstbewussten Region Eu- ropas, S. 293.

59 Vgl. 50 Jahre BEJ und EFB (2005), Broschüre, S. 19.

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Der Anteil der Steiermark am europäischen Integrationsprozess (BEJ) in Feldbach, zu dessen Obmann er gewählt und ernannt wurde.60 Zuvor wurde auch die Landesorganisation Europäische Föderalistische Bewegung Ös- terreichs (EFB) mit dem Landesrat Karl Brunner als Obmann bereits am 31.Jänner 1955 im Palais Attems in Graz gegründet. Beide Organisationen waren überpartei- lich. Landeshauptmann Josef Krainer sen. unterstützte diese Gründung in der Steiermark.61

Das Europahaus wurde 1957 als Wirkungsstätte auf dem stark sanierungsbedürf- tigen Schloss Forchtenstein an der steirisch-kärntnerischen Grenze eröffnet. Das Schloss wurde in der Zeit danach Schritt für Schritt renoviert. Der Standort wurde zum jährlichen Treffpunkt für europäische Jugendseminare. Die Idee dahinter war, ein friedliches, gemeinsames Europa zu schaffen, Vorurteile abzubauen und Bar- rieren zu überwinden. Ein Europa ohne Grenzen und vor allem nie wieder Krieg waren die treibende Kraft für diese Union. Auch kulturelle Veranstaltungen gehör- ten dazu: Dichterlesungen, Tanz- und Theaterveranstaltungen wurden organi- siert.62 Beide Institutionen gibt es heute noch.

Für die Steiermark war das Europahaus sehr wertvoll, vor allem für die Jugend.

Max Wratschgo war ein Pionier. So wurde etwa in den 1960er Jahren eine Ab- stimmung über eine europäische Währungsbezeichnung gemacht und das Ergeb- nis war damals bereits der „Euro“. Für die positive Entwicklung der Integration Eu- ropas war diese Bewegung für die Steiermark wesentlich. Bejahend waren auch die Feldbacher Europagespräche, sie trugen und tragen auch heute noch zur posi- tiven Europastimmung bei.63 Der französische Ministerpräsident und damalige Außenminister Robert Schuman kam 1956 zu Besuch ins Europahaus. Er war ein Vordenker und Präsident der Montan Union.64 Der nach ihm benannte Schuman- Plan war die Basis zur Gründung der EGKS. Somit waren Robert Schuman, Jean Monnet und Konrad Adenauer die Gründungsväter dieser supranationalen Ge- meinschaft.65

60 Vgl. 50 Jahre BEJ und EFB (2005) ,Broschüre, S. 9.

61 Vgl. 50 Jahre BEJ und EFB (2005), Broschüre, S. 15.

62 Vgl. 50 Jahre BEJ und EFB (2005), Broschüre, S. 13.

63 Interview LH Waldtraud Klasnic (12.08.2015)

64 Vgl. Grasmug, Rudolf (1997), 40 Jahre Karl Brunner Europahaus Neumarkt.

65 Vgl. Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita: (2012), Europäische Integrationsgeschichte. 3. Auflage, S.89.

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Die ersten Wahlen zum Kongress des Europäischen Volkes fanden in Feldbach und in den Umlandgemeinden statt. In den folgenden Jahren gab es diese Wahlen auch in Neumarkt, Hartberg, Fürstenfeld und einigen weiteren Gemeinden.66

In Österreich existieren heute insgesamt sieben Europahäuser, zwei davon in der Steiermark.67

5.3 Der Steiermärkische Landtag vor dem Beitrittsantrag

Die österreichischen Landeshauptleute unter dem Vorsitzenden Landeshaupt- mann Josef Krainer jun., hatten in der Landeshauptmännerkonferenz (LHK) am 13. November 1987 einstimmig beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, mit der Europäischen Gemeinschaft Verhandlungen zum Beitritt Österreichs auf- zunehmen.68 Dieser einstimmige Beschluss der LHK führte zu Beschlüssen in Landesregierungen, Landtagen und weiteren Gremien.69 Bei der 14. Landtagssit- zung im Dezember 1987 wurde die Steiermärkische Landesregierung aufgefor- dert, an die Bundesregierung heranzutreten, um die Teilnahme am Europäischen Binnenmarkt mit dem Ziel der Vollmitgliedschaft Österreichs in der EG so rasch wie möglich anzustreben.70 Dieser Antrag wurde mehrheitlich angenommen.71 Am 15.Februar 1988 sind die Steiermärkische Landesregierung und der Landtag an die Bundesregierung herangetreten, die Vollmitgliedschaft in der EG zu erwir- ken. Dieser Antrag wurde von ÖVP, SPÖ und FPÖ eingebracht mit der Einlage- zahl 309/10, Beschluss Nr. 166, vom 4. Dezember 1987, um die Aufnahme Öster- reichs am „Gemeinsamen Binnenmarkt“ mit dem Ziel eines Beitritts zu erwirken.72

66 Vgl. 50 Jahre BEJ und EFB (2005), Broschüre, S. 25f.

67 Vgl. Ziegerhofer-Prettenthaler, Anita (2004), Vom Bundesland zur selbstbewussten Region Eu- ropas, S. 294.

68 Vgl. Stenographisches Protokoll, 14. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP, 2.,3. und 4. De- zember 1987, 1000, (01.05.2015) [Online]

69 Vgl. Ziegerhofer-Prettenthaler, Anita (2004), Vom Bundesland zur selbstbewussten Region Eu- ropas, S. 294.

70 Vgl. Stenographisches Protokoll, 14. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP, 2.,3. und 4. De- zember 1987, 5, (01.05.2015) [Online]

71 Vgl. Stenographisches Protokoll, 14. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP, 2.,3. und 4. De- zember 1987, 1028, (01.05.2015) [Online]

72 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP, 18.Oktober 1988,1470, Beschluss Nr. 166, vom 4. 12. 1987, (01.05.2015) [Online]

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Der Anteil der Steiermark am europäischen Integrationsprozess In der Steiermark waren sich die Regierungspartner einig, der EG beitreten zu wollen. Die Beweggründe für den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft waren bei der SPÖ in der Steiermark unter Landeshauptmann-Stellvertreter Peter Schachner-Blazizek jun. viel mehr die politische und soziale als die rein ökonomi- sche Seite, diese spielte allerdings auch eine gewichtige Rolle. Eine weitere Über- legung war das „Schweizer Modell“, das aber aus Sicht des LH-Stv. Schachner- Blazizek nicht mit Österreich zu vergleichen war, zumal das österreichische Ma- nagement nicht internationalisiert war, wie es in der Schweiz durch ihre internatio- nalen Konzerne mit Nestlé oder Roche möglich war und ist. Gewiss konnte Öster- reich mit dem internationalen Schweizer Bankwesen und ihren Großbanken wie Credit Suisse oder UBS in dieser Zeit nicht konkurrieren. Somit war klar, dass das

„Schweizer Modell“ keine Option für Österreich war. Infolgedessen war ein Beitritt zur EG die logische Konsequenz.73

5.3.1 Reden im Steiermärkischen Landtag zum Beitrittsantrag 5.3.1.1 Hans Stoisser (ÖVP)

Der Landtagsabgeordnete Hans Stoisser (ÖVP) bedauerte, die österreichische Mitgliedschaft nicht zur EWG gehabt zu haben, sondern zur EFTA. Eine Erleichte- rung brachte das Freihandelsabkommen im Jahre 1972 mit der EG durch Han- delsvereinfachungen. Mittlerweile war aus der EWG die EG und eine europäische Gemeinschaft mit zwölf Mitgliedsstaaten geworden und ihr erschloss sich bis 1992 ein Binnenmarkt mit 320 Millionen Menschen.74 „Die Europäische Gemeinschaft ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch eine politische Gemein- schaft“.75 Unsere kulturellen Beziehungen seien vorteilhaft, so wie die friedliche Koexistenz seit nun mehr 43 Jahren erwähnenswert sei. Die Frage der Neutralität müsse aber noch geklärt werden. Die wirtschaftlichen Beziehungen zur EG seien für Österreich immer relevant gewesen. Die österreichische Wirtschaft konnte in den letzten Jahren ihren Export durch die EG von 40 Prozent im Jahre 1968 auf 64 Prozent im Jahre 1987 steigern. Auch der Import war mäßig gestiegen, und

73 Interview LH-Stv. Prof. DDr. Schachner-Blazizek jun. (20.07.2015)

74 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1471 (01.05.2015) [Online]

75 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1471 (01.05.2015) [Online]

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zwar von 57 auf 58 Prozent. Per Saldo bedeutete dies seit 1968 ein Plus von 60 Prozent bei den Exporten und 19 Prozent bei den Importen. In der EG würden sich die Handelsbedingungen durch die anderen Einfuhrzollsätze von (derzeit 4,9 Pro- zent auf 4,2 Prozent) ändern. Sollten aber ab 1992 die Handelsschranken kom- men, so würde Österreich ohne die Mitgliedschaft wirtschaftlichen Schaden erlei- den. Gewinner eines Beitritts wären auf jeden Fall die KonsumentInnen. Sie hätten Vorteile aufgrund der Preissenkungen durch den damit einhergehenden erhöhten Wettbewerb. Die Spezialisierung auf Nischenprodukte und Schulungen wäre für österreichische Betriebe wichtig. Nachteile hingegen sah er im Rahmen der Mo- nopolisierung und in der Abwanderung gut qualifizierter Arbeitskräfte. Um das zu vermeiden, seien dringend Weiterbildungen in den Betrieben erforderlich, um dem Druck des Wettbewerbs in der Gemeinschaft standhalten zu können.76 Insgesamt aber sprach er sich für die ÖVP für den Beitritt aus.77

5.3.1.2 Kurt Gennaro (SPÖ)

Eine andere Sichtweise brachte der Abgeordnete der steirischen SPÖ, Kurt Gen- naro, ein: Die Steiermark werde allerdings im Bereich der Metall-, Bergbau- u.

Energiewirtschaft Nachteile haben. Ebenso werde die Landwirtschaft einen Struk- turwandel erleben müssen. Insbesondere die Kleinbauern würden „katastrophale Auswirkungen“ erleiden. Die Steiermark allein aber werde die Abstimmung nicht entscheiden können.

Aus seiner Sicht sind die Bereiche Politik, Wirtschaft und Soziales die drei wesent- lichen Aspekte in der Frage des EG Beitritts.

Zum politischen Bereich zählt er die Neutralität: „Die Neutralität Österreichs scheint für mich beinahe ein unüberbrückbares Hindernis für den EG-Beitritt dar- zustellen.“78

Im wirtschaftlichen Bereich geht es ihm vor allem um die Sicherung der Arbeits- plätze und die sozialen Standards der ArbeitnehmerInnen.

76 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1473 (01.05.2015) [Online]

77 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1474 (01.05.2015) [Online]

78 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1474 (01.05.2015) [Online]

(27)

Der Anteil der Steiermark am europäischen Integrationsprozess Im dritten und letzten, dem sozialen Bereich, zeigt er die Arbeitsmarktsituation auf, er weist auf den FacharbeiterInnenmangel, auch im Gesundheitswesen, hin. Na- mens der SPÖ votiert er ebenfalls für den Beitritt: „Wir haben keine andere Wahl, wir müssen uns eben dementsprechend vorbereiten.“79

5.3.1.3 Hertgunde Kammlander (VGÖ-AL)

Echte Bedenken in Bezug auf den Beitritt äußerte Hertgunde Kammlander von der VGÖ-AL (Vereinte Grüne Österreichs-Alternative Liste). Die Hauptkritik der VGÖ- AL war der Mangel an Informationen. Sie befürchteten, dass die kleinen landwirt- schaftlichen Betriebe nicht überleben werden. Nur die KonsumentInnen kämen in den Genuss der niedrigeren Preise. Die Gesetze würden zum Großteil nicht mehr auf nationaler Ebene beschlossen werden, und die Souveränität des österreichi- schen Staates werde an Bedeutung verlieren. Auch die Frage der Neutralität sei noch nicht geklärt. Von Seiten der VGÖ-AL gab es daher ein grundsätzliches Nein zur EG.80 „Die Realität der Gefahren können wir nur sehen, wenn wir nicht in ei- nem machtpolitisch angstabweisenden Wunschdenken befangen, sondern fähig sind, Sorge zu tragen für uns und unsere Nachkommen.“81

5.3.1.4 Ludwig Rader (FPÖ)

Die Kritik einzelner Vorredner, es gäbe ein zu rasches Vorgehen in der Integrati- onsfrage, wurde von Ludwig Rader (FPÖ) zurückgewiesen, denn die FPÖ häbe ihren ersten Antrag zum Beitritt Österreichs zur EWG bereits am 26. November 1959 im Nationalrat unter der Einlagezahl 12 gestellt. Rader warb für einen ra- schen Beitritt, solange es mehr Vorteile als Nachteile gäbe. Ihm ging es um eine einheitliche Sprache nach außen für den EG-Beitritt, die bisher nicht vorhanden sei. Die wirtschaftlichen Vorteile eines Beitritts würden aber überwiegen. Die FPÖ stimmte einer Antragstellung zu.82 „Das ist die einzige Chance die wir haben.“83

79 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1475 (01.05.2015) [Online]

80 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1476-1479, (01.05.2015) [Online]

81 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1479 (01.05.2015) [Online]

82 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1484-1486, (01.05.2015) [Online]

83 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1485 (01.05.2015) [Online]

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5.3.1.5 LR Waltraud Klasnic (ÖVP)

Schlussworte von Frau Landesrat (1988-1993) Waltraud Klasnic84

Die Unternehmer und die Arbeitnehmer europareif zu machen, war schon bisher ein Ziel. Ein weiteres werde die Anerkennung von Hochschuldiplomen und weite- rer Zertifikate sein, um im gesamten EG-Raum arbeiten zu können. Die Verbesse- rung der Verkehrssituation sowohl im Bereich der Bahn als auch auf der Straße wird von ihr erwähnt. Die Neutralitätsfrage zu klären wir von ihr ebenfalls hervor- gehoben. Nachteile für die Steiermark erwartet sie in weniger Betriebsansiedlun- gen sowie in Standortverlegungen in den EG-Raum außerhalb Österreichs. Aber ohne Beitritt sei der gesamte technische und wissenschaftliche Bereich in der Steiermark in Gefahr. Darüber hinaus seien erhöhte Arbeitslosigkeit und der Rückgang des Lebensstandards zu erwartende Folgen.

Es müsse die Zeit für Weiterbildung genützt werden, besonders im Bereich der Fremdsprachen. Das Thema „35-Stunden-Woche“ hingegen war noch nicht rele- vant.

Sollte der EG-Beitritt nicht gelingen, so müsse Österreich eine Reihe von Freihan- delsabkommen abschließen.85 Aber: „Österreich liegt im Herzen Europas; nutzen wir unsere Chance, arbeiten wir gemeinsam.“86

5.3.2 Wirtschaft in der Steiermark bis 1989

Durch den Zusammenschluss der EWG-Staaten 1958 hatte die Steiermark große Nachteile, da mehr als 50 Prozent des Exports der Steiermark in diese österreichi- schen Nachbarstaaten ging.87 Der Beitritt Österreichs zur EFTA 1960 konnte die Lage der steirischen Wirtschaft verbessern, allerdings nicht in ausreichendem Maße.88 Der Handel mit den neuen Mitgliedsstaaten Skandinavien und Großbri- tannien konnte dies ebenfalls nicht wettmachen. Der Beitritt zum EWR wurde auf- grund der Neutralität von der Sowjetunion verhindert. In diesem Zusammenhang

84 Anmerkung: Waltraud Klasnic war das zuständige Regierungsmitglied für den Wirtschafts- und Raumordnungsausschuss und fasste die Meinungen der zwölf Debattenredner zusammen.

85 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988,1493-1494, (01.05.2015) [Online]

86 Vgl. Stenographisches Protokoll, 22. Sitzung Steiermärkischer Landtag, XI. GP,18. Oktober 1988, 1494 (01.05.2015) [Online]

87 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 438.

88 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S.438f.

(29)

Der Anteil der Steiermark am europäischen Integrationsprozess sprach der amtierende Landeshauptmann Josef Krainer sen. vom „Verhungern in der Neutralität“.89 Die verstaatlichte Stahlindustrie Österreichs brach aufgrund der weltweit vorhandenen Überproduktion von Stahl ein. Die Arbeitslosigkeit rund um den Erzberg bzw. in der Mur-Mürz-Furche im Industriebereich war in den 1970er Jahren enorm hoch und traf die steirische Wirtschaft besonders stark.90 Die Ar- beitslosigkeit von 1973 bis 1986 lag im Durchschnitt bei 3,4 Prozent, das war um 0,5 Prozent höher als der gesamtösterreichische Wert. 1981 ging die Firma Eumig in Fürstenfeld mit 1.800 MitarbeiterInnen in Konkurs.91

Jahr Arbeitslosenrate Österreich

Arbeitslosenrate Steiermark

1971 2,1 % 2,4 %

1972 1,9 % 2,1 %

1973 1,6 % 1,5 %

1974 1,5 % 1,6 %

1975 2,0 % 2,5 %

1976 2,0 % 2,5 %

1977 1,8 % 2,3 %

1978 2,1 % 2,7 %

1979 2,0 % 2,5 %

1980 1,9 % 2,2 %

1981 2,4 % 2,9 %

1982 3,7 % 4,4 %

1983 4,4 % 5,2 %

1984 4,5 % 5,4 %

1985 4,8 % 5,4 %

1986 5,2 % 6,0 %

Abbildung 1: Arbeitslosenrate Österreich, Steiermark 1971-1986

Quelle: Riegler, Josef (2005), Die neue Steiermark, Steiermärkisches Landesarchiv, Graz, S. 245.

Die Steiermark hatte aber auch mit einer schlecht ausgebauten Infrastruktur im Straßen- und Bahnbereich zu kämpfen, die Anbindung an das hochrangige euro- päische Verkehrsnetz war nicht ausreichend gegeben. In den 1980er Jahren musste in Köflach und Fohnsdorf der Kohlebergbau eingestellt werden. Zu hoch

89 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 439.

90 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 441.

91 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 440.

(30)

waren die Kosten geworden, und der Kohlebedarf war durch den Einsatz von Erd- gas und Erdöl gesunken.92

Betriebsansiedlungen in der südlichen Steiermark schlugen fehl. Mit wirtschafts- fördernden Mitteln versuchte man, Klein- und Mittelbetriebe sowie Jungunterneh- mer zu fördern bzw. ihnen eine Starthilfe zu geben. Die Bemühungen, die steier- märkische Wirtschaft zu stärken, ermöglichten 1985 die Gründung eines ersten

„Steirischen Technologieparks“. Zudem wurde eine Exportoffensive, die das Land Steiermark mit zwei Millionen Schilling unterstützte, gestartet. Ein Jugendbeschäf- tigungsprogramm sollte weitere arbeitslose Jugendliche verhindern. Die „Aktion 8000“ wurde vom Sozialministerium und Land Steiermark zur Bekämpfung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit ins Leben gerufen. Dieses Projekt schaffte unter anderem Arbeitsplätze in Gemeinden und Vereinen.93 Der Aufbau der Tou- rismusregionen begann beispielsweise mit dem „Österreichring“. 1987 wurde Böh- ler in Kapfenberg insolvent, die Schwerindustrie kam zum Erliegen.94

Es fehlten Clusterbildungen in der Steiermark.95

Es entstanden Forschungs- und Technologieparks an den ehemaligen Industrie- standorten. Umschulungen und bessere Ausbildungen für die ArbeitnehmerInnen erfolgten. Aus wirtschaftlicher Sicht mussten Veränderungen kommen.96

5.3.3 Land- und Forstwirtschaft in der Steiermark bis zum Beitrittsantrag Die Bewirtschaftung wurde immer kostenintensiver, aber durch den Einsatz von Maschinen auch leichter zu bewerkstelligen. Traktoren, Erntemaschinen, Mäher, Melkmaschinen unterstützten die körperlich schwere Arbeit in der Landwirt- schaft.97 Seit den 1980er Jahren erlitt die Bauernschaft deutliche Einkommensver-

92 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 442.

93 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 429.

94 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 442.

95 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 522-524. Anmerkung: Ab 1996 kam es zur Gründung verschiedener Clusterbildungen, z. B. eines Automobilclusters, eines Mobilitätsclusters, eines Clusters Holz & Papier und eines Clusters für Telekommunikation und EDV.

96 Interview LH Waltraud Klasnic (12.08.2015)

97 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 450f.

(31)

Der Anteil der Steiermark am europäischen Integrationsprozess luste. Die Einkommensschere ging von Jahr zu Jahr weiter auf. Allein im Jahre 1985 betrug der reale Einkommensverlust 17 Prozent.98

Auf Umweltschutz wurde großer Wert gelegt. Josef Riegler (1983 -1987) wurde Landesrat für Land- und Forstwirtschaft, Umweltschutz, Veterinärwesen, Raum- ordnung und Wohnbauförderung.99 Sein Grundgedanke war die biosoziale Markt- wirtschaft. Der Biosektor war für die Agrarwirtschaft eine neue Möglichkeit, um einerseits bessere Preise zu erwirtschaften und anderseits die landwirtschaftlichen Flächen vor zu hohen Nitratbelastungen zu schützen. Bioenergie wurde durch die Holzproduktion in Form von Biomasse sowie durch die Verarbeitung von gesun- dem Holz in der Industrie gewonnen. In der Tierhaltung fand die biologische Rin- derhaltung großen Zuspruch. Das „Styriabeef“ auf Basis der Mutterkuhhaltung konnte angekurbelt und besser vermarktet werden. Der Ab-Hof-Verkauf wurde verstärkt, und die damit verbundene Direktvermarktung der Bauern fiel auf frucht- baren Boden. 100 Mit der Nationalratswahl am 23. November 1986 wurde der stei- rische Landesrat Josef Riegler Landwirtschaftsminister.

Dass ein Beitritt zur EG für die Landwirtschaft große Veränderungen und auch Nachteile mit sich bringen würde, war unbestritten, seit es dazu offizielle Überle- gungen von Seiten der Großen Koalition gab. In den 1980er Jahren hatte das Land Steiermark jährlich rund 30 Millionen Schilling an Ausgleichszahlungen an die Bauern ausbezahlt.101

Der steirische Landesrat für Agrar-, Umwelt und Wohnbaubereich, Hermann Schaller (1987-1991), unterstrich die positive Wirkung der Direktförderung am Ag- rarsektor. Die steirische Grenzlandförderung für 19 steirische Gemeinden entlang der Grenze sei zur Unterstützung und als Transferleistung zu verstehen. Dass die Erhöhung der Bergbauernförderung als wirksame Maßnahme zu sehen sei, um die klimatisch bedingten Nachteile der Bergbauern abzufedern. Diese Direktförde- rung wäre in Bezug auf die EG auch der richtige Weg.102 Eine weitere Möglichkeit zur Unterstützung sei neben der Direktförderung die Erschwerniszulage in berg-

98 Vgl. Riegler, Josef (2005), Die Neue Steiermark, S. 167.

99 Vgl. Landtag Steiermark, MandatarInnen (01.05.2015) [Online]

100 Vgl. Karner, Stefan (2000), Die Steiermark im 20. Jahrhundert, S. 452.

101 Vgl. Riegler, Josef (2005), Die Neue Steiermark, S. 168.

102 Vgl. Stenographisches Protokoll, 25. Sitzung Steiermärkischer Landtag XI. GP, 5.,6. und 7.

Dezember 1988, 1849-1851, (28.08.2015) [Online]

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bäuerlichen Regionen. Diese Maßnahmen würden in der EG angewandt. Erst kürzlich wurden dazu wertvolle Informationen aus Bayern und Südtirol vor Ort ein- geholt.103

In der Agrarpolitik konnten durch Förderungen neue Wege in der Landwirtschaft beschritten werden. In der Steiermark wurde der Anbau von Sonderkulturen mit Kürbis, Tabak, Hopfen, Feldgemüse mit Tomaten, Bohnen, Paprika und Essiggur- ken sowie Beerenobst finanziell unterstützt. 104 In der Steiermark gab es aufgrund der kleinstrukturierten Landwirtschaft viele Bauern im Nebenerwerb. Der Land- tagsabgeordnete und Vizepräsident des Österreichischen Bauernbundes, Rupert Buchberger, sprach von 60.000 kammerzugehörigen Bauern in der Steiermark, von denen 49.000 weniger als 20 Hektar land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche ihr Eigentum nannten.105

Durch die Agrarkrise ging die Landwirtschaft neue Wege. Mit Projekten wie der

„Bioregion Murau“ konnten deutliche Verbesserungen erzielt werden. Die Ver- marktung wurde unter neuen Gesichtspunkten betrieben. Dazu gehörte auch die Verbesserung der Ausbildung, die durch das bäuerliche Berufsschulgesetz vom 4.

Februar 1961 abgesichert wurde. Dieses Gesetz wurde 1969 und 1983 novelliert.

Es kam zu einer Aufwertung der landwirtschaftlichen Fachschulen. Eine bessere Ausbildung ermöglichte, die Konkurrenzfähigkeit innerhalb der Landwirtschaft, aber auch gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland zu steigern. Die damit einhergehende Qualitätssteigerung war ein Vorteil für alle KonsumentInnen.106 Die Fernwärme durch Heizanlagen mit Biomasse konnte intensiviert werden. 1991 waren in der gesamten Steiermark bereits 50 Heizzentralen vorhanden, 19 wurden von landwirtschaftlichen Betrieben geführt. Fünf Jahre später konnte durch diese nachhaltige Energiegewinnung die Anzahl auf 90 erhöht werden. Mit Förderungen des Landwirtschaftsministeriums von 50 Prozent hatte sich die Steiermark an die europäische Spitze der durch Biomasse erzeugten Energie gestellt. Die vollstän- dige Autarkie im Energiebereich war und ist das Ziel.107

103 Vgl. Stenographisches Protokoll, 25. Sitzung Steiermärkischer Landtag XI. GP, 5.,6. und 7.

Dezember 1988, 1828, (28.08.2015) [Online]

104 Vgl. Riegler, Josef (2005), Die Neue Steiermark, S.182-185.

105 Vgl. Stenographisches Protokoll, 25. Sitzung Steiermärkischer Landtag XI. GP, 5.,6. und 7.

Dezember 1988, 1827, (28.08.2015) [Online]

106 Vgl. Riegler, Josef (2005), Die Neue Steiermark, S. 190.

107 Vgl. Riegler, Josef (2005), Die Neue Steiermark, S. 168.

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