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Die Abstimmung im Österreichischen Parlament über den Beitrittsantrag

Der österreichische Nationalrat stimmte in der 110. Sitzung der XVII. Gesetzge-bungsperiode am 29. und 30. Juni 1989 über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses vom 26. Juni 1989, Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Wirt-schaftsgemeinschaft aufzunehmen und die Mitgliedschaft Österreichs zu beantra-gen, ab.139 Dieser Entschließungsantrag wurde mehrheitlich, mit 175 von 183 Stimmen, angenommen. Die SPÖ, ÖVP und FPÖ sprachen sich für Beitrittsver-handlungen aus. Die Grünen verweigerten ihre Zustimmung.140

Bevor es zur Abstimmung kam, plädierte Außenminister Alois Mock nochmals für die Zustimmung aller Abgeordneten im Parlament.

Außenminister Mock (ÖVP): „Österreich hat aus seiner Geschichte, aus seiner Kultur, aus seiner geopolitischen Lage heraus eine ganz besondere europäische Berufung. Das österreichische Volk bekennt sich zu den Idealen der europäischen Integration, die in den Gründungsverträgen der Europäischen Gemeinschaft ver-ankert sind. Aus dieser Gesinnung heraus machen wir den politischen Anspruch geltend, Mitglied der Europäischen Gemeinschaft zu werden“.141

137 Vgl. Kopeinig, Margarete (2014), Der dreizehnte Stern, S 213.

138 Vgl. Kunnert, Gerhard (1993), Österreichs Weg in die europäische Union, S. 204-205.

139 Vgl. Stenographisches Protokoll, 110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich, XVII.

GP, 29. und 30. Juni 1989, 12985, (03.06.2015) [Online]

140 Vgl. Gehler, Michael (2014), Vom Friedensvertrag von Saint-Germain bis zum EU-Vertrag von Lissabon. (Hrsg.) Gehler, Michael/ Steininger, Rolf, Österreich und die europäische Integrati-on seit 1945, S. 559. Anmerkung: Aufgrund der Bedeutung der EG-Debatte wurde die Sitzung live im Fernsehen übertragen. Die Redezeit wurde trotz des Protests der Grünen auf 20 Minu-ten beschränkt. Siehe Kunnert Gerhard (1993), Österreichs Weg in die europäische Union, S.

180.

141 Vgl. Stenographisches Protokoll, 110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich, XVII.

GP, 29. und 30. Juni 1989, 13029, (03.06.2015) [Online]

Der steirische Nationalratsabgeordneter Andreas Wabl von den Grünen setzte mit seiner Rede zum Rundumschlag an. Er bekundete seine Bedenken, beginnend in Bereich der Agrarpolitik in Brüssel bis hin zur Transitfrage in Tirol, die nicht gelöst war und dem Beitritt zum Opfer fallen werde. Die sensible Ökoregion in den Alpen würde durch die starken Umweltbelastungen zerstört. Die Großgrundbesitzer wür-den wür-den Klein- und Mittelbetrieben in Österreich keine Chance geben. Die Nach-teile durch die topografische Lage, mit der Bewirtschaftung der Almen, würden kein Gleichgewicht und keinen Wettbewerb ermöglichen. Die Massenproduktion in der Landwirtschaft nütze nicht den Menschen. Dazu wären die Luftverschmut-zung, die Lärmbelästigung und die Müllproduktion ein weiterer Grund gegen die-sen Beitritt. Außerdem fördere die EG die Atomenergie, Österreich habe sich aber per Volksabstimmung gegen die Nutzung der Kernenergie entschieden. Tschern-obyl solle als Mahnung dienen.

Die Vereinbarkeit der Neutralität mit einem Beitritt wäre ebenso nicht geregelt. Die guten Beziehungen zu den Nachbarstaaten wie der Schweiz, zu Ungarn, Jugo-slawien und Tschechoslowakei würden irritiert werden.

Die Grünen sprachen sich damit deutlich gegen den Beitrittsantrag bzw. gegen Beitrittsverhandlungen aus.142 „Wir von den Grünen sind für ein Europa. Wir sind für ein weltoffenes Österreich, das sich der globalen Probleme bewusst ist, und wissen, dass die Lösung dieser Probleme nur international erfolgen kann. Wir sind gegen eine EG der Zerstörung, aber für ein Österreich, das mitten in Europa die wichtige Aufgabe Ost und West wahrnimmt.“143

Ganz anders die Rede des steirischen Nationalratsabgeordneten Friedrich Probst (FPÖ). Er sah eine Verbesserung der Verkehrsanbindungen in der Steiermark durch die Erweiterung der EG. Die notwendigen Ausbauten für die Eisenbahnan-bindungen in den europäischen Raum würden mit einem Beitritt vollzogen werden.

Die neuen Möglichkeiten durch die Erweiterung der EG würden gerade den Nach-barstaaten nützen. Das Interesse an Europa würde, vor allem bei den östlichen Nachbarstaaten, durch das Beitrittsbegehren Österreichs geweckt werden.

142 Vgl. Stenographisches Protokoll, 110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich, XVII.

GP, 29. und 30. Juni 1989, 13000-13004, (03.06.2015) [Online]

143 Vgl. Stenographisches Protokoll, 110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich, XVII.

GP, 29. und 30. Juni 1989,13004 (03.06.2015) [Online]

Österreich vom Antrag am 14. Juli 1989 bis zum Beitritt Der Ausbau der Pyhrn-Autobahn sei trotz Bemühungen der Steirischen Landesre-gierung und der BundesreLandesre-gierung abgelehnt worden. Dies sei damit in Zukunft nicht mehr ohne Weiteres möglich. Ein Nichtbeitritt käme Österreich teurer, daher befürwortete die FPÖ den Beitritt.144 „Möge doch auch diese eine Vision einmal ein wenig Hoffnung geben, dass wir in einem künftigen gemeinsamen Europa, was den Umweltstandard anbelangt, die gute Chance haben, eher zu profitieren, denn irgendetwas zu riskieren.“145

Als dritter steirischer Nationalratsabgeordneter meldete sich bei dieser Sitzung Alois Puntigam (ÖVP) zu Wort. Er sah die Möglichkeiten, unter welchen Österreich Mitglied des Binnenmarktes sein könnte. Für ihn war der Beschluss entscheidend, an dem die Bundesregierung am Integrationsprozess unter Berücksichtigung der immerwährenden Neutralität teilnehmen wolle. Die Analysen der Arbeitsgruppe für Europäische Integration, die auf mehr als 1.700 Seiten dargelegt wurden, bestärk-ten die Befürwortung eines Beitritts nach gründlicher Prüfung.

Die Veränderungen in der Landwirtschaft müssten unterstützt und begleitet wer-den, aber ohne Strukturanpassungen würde dies ohnehin nicht möglich sein, denn 68,1 Prozent der Agrarimporte kämen aus Ländern der EG, und 63,8 Prozent aller landwirtschaftlichen Produkte würden in die EG-Länder exportiert. Er gestand je-doch ein, dass die erschwerten Arbeitsbedingungen aufgrund der topographischen Lage sowie die kleinstrukturierten Betriebe die Land- u. Forstwirtschaft benachtei-ligen würden.

Seiner Ansicht nach führe die Integrationsdebatte an der eigentlichen Fragestel-lung vorbei, denn es gehe lediglich darum, VerhandFragestel-lungen aufzunehmen und nicht schon in Kürze der EG beizutreten. Dies könne erst in vielen Jahren „unter Mitwir-kung des österreichischen Volkes in einer in der österreichischen Bundesverfas-sung vorgesehenen Form geschehen“, wie er betonte. „Daher sollten wir mit dem Brief nach Brüssel unsere Gesprächsbereitschaft kundtun, damit wir erfahren, un-ter welchen Bedingungen wir irgendwann einmal – so um die Jahrtausendwende

144 Vgl. Stenographisches Protokoll, 110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich, XVII.

GP, 29. und 30. Juni 1989, 13082-13086, (03.06.2015) [Online]

145 Vgl. Stenographisches Protokoll, 110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich, XVII.

GP, 29. und 30. Juni 1989, 13085f (03.06.2015) [Online]

vielleicht – den Schritt in die EG und damit in den großen Binnenmarkt tun kön-nen.“146

Die ÖVP war also für einen Beitritt zur EG.147