• Keine Ergebnisse gefunden

5. Das Vorgehen mittels Verwaltungsakt

5.7 Zur Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten

5.7.1 Rechtsgrundlage

Wie unter Rückbesinnung auf die obigen Ausführungen zum Vorbehalt des Gesetzes (vgl. dazu im Einzelnen bereits Punkt 3.1.1.2) klar wird, bedarf es für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes u. U. eines ermächtigenden Geset-zes; das gilt jedenfalls für die Eingriffsverwaltung, ggf. aber auch für die Leis-tungsverwaltung. Die Rede ist in Rechtsprechung und Schrifttum insofern von

"Befugnisnorm", "(gesetzlicher) Ermächtigung", "Ermächtigungsnorm", "Er-mächtigungsgrundlage" oder eben – wie hier – von "Rechtsgrundlage" (gemeint ist immer dasselbe). Die Prüfung des Punktes Rechtsgrundlage zerfällt bei nähe-rem Hinsehen nochmals in 3 Gedankenschritte:

5.6.1.1 Rechtsgrundlage erforderlich?

Fragen lässt sich zunächst danach, ob eine Rechtsgrundlage überhaupt erforder-lich ist. Unstreitig bejaht wird dies für die Eingriffsverwaltung (vgl. dazu im Einzelnen bereits Punkt 3.1.1.2). Jenseits der Eingriffsverwaltung hängt dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von der Wesentlich-keit des Regelungsgegenstandes ab (vgl. dazu im Einzelnen bereits Punkt 3.1.1.2).

5.6.1.2 Rechtsgrundlage vorhanden?

Bedarf es einer Rechtsgrundlage, gilt es weiter zu untersuchen, ob eine solche auch vorhanden ist. Dabei kann es freilich vorkommen, dass es an der erforder-lichen Rechtsgrundlage fehlt. Häufiger werden die Dinge indessen umgekehrt so liegen, dass nicht auf den ersten Blick klar ist, welche von mehreren in Be-tracht kommenden Rechtsgrundlagen die einschlägige ist.

Der Lebenskünstler Hildewin Hippie (H) ist durch eine Erbschaft Eigentümer eines Grundstücks in Baden-Württemberg geworden. Dieses grenzt unmittelbar

Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage erforderlich?

Rechtsgrundlage vorhanden?

Beispiel 74

an die Landesstraße L 1 zwischen den Gemeinden Örtlingen (Ö) und Törtlingen (T) an. H stellt sein Wohnmobil, in dem er seit Jahren lebt, dauerhaft direkt vor dem Grundstück auf dem Seitenstreifen von L 1 ab.

§ 2 LBO BW122

(1) 1Bauliche Anlagen sind unmittelbar mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. 2Eine Verbindung mit dem Erdboden be-steht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, über-wiegend ortsfest benutzt zu werden. …

§ 65 LBO BW123

1Der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, kann angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

§ 2 StrG BW124

(1) Öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes sind Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind.

(2) Zu den öffentlichen Straßen gehören:

1. der Straßenkörper; das sind insbesondere

a) der Straßenuntergrund, der Straßenunterbau, die Straßendecke, Dämme, Gräben, Entwässerungsanlagen, Böschungen, Stützmauern, Durchlässe, Lärmschutzanlagen, Brücken und Tunnel;

b) die Fahrbahnen, Haltestellenbuchten, Gehwege, Radwege, Parkplätze, Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen sowie Materialbuchten;

§ 13 StrG BW125

(1) Der Gebrauch der öffentlichen Straßen ist jedermann im Rahmen der Wid-mung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen gestattet (Gemeingebrauch).

§ 16 StrG BW126

(1) 1Die Benutzung einer Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernut-zung) bedarf der Erlaubnis.

122 Bzw. § 2 BauO Bln; § 2 BauO NRW; § 2 SächsBO (in Anlehnung an § 2 MBO).

123 Bzw. § 79 BauO Bln, § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW, § 80 SächsBO (in Anlehnung an § 80 MBO).

124 Bzw. § 2 BerlStrG, § 2 StrWG NRW, § 2 SächsStrG.

125 Bzw. § 10 BerlStrG, § 14 StrWG NRW, § 14 SächsStrG.

126 Bzw. § 11 BerlStrG, § 18 StrWG NRW, § 18 SächsStrG.

(8) 1Wird eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt oder kommt der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach, so kann die für die Ertei-lung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Be-endigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Verpflichtungen anordnen.

2Sind solche Anordnungen nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich oder nicht erfolgversprechend, so kann sie den rechtswidrigen Zustand auf Kosten des Pflichtigen beseitigen oder beseitigen lassen.127

§ 22 StrG BW128

(1) 1Außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten dürfen

1. Hochbauten jeder Art

a) längs der Landesstraßen in einer Entfernung bis zu 20 Meter, b) längs der Kreisstraßen in einer Entfernung bis zu 15 Meter, jeweils gemessen vom äußeren Rand der befestigten, für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn,

nicht errichtet werden. …

Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO, Abschnitt 1, Vorrangzeichen Zeichen 306 ( ):

Wer ein Fahrzeug führt, darf außerhalb geschlossener Ortschaften auf Fahr-bahnen von Vorfahrtstraßen nicht parken. Das Zeichen zeigt an, dass Vorfahrt besteht bis zum nächsten Zeichen 205 „Vorfahrt zu gewähren“, 206 „Halt.

Vorfahrt gewähren.“ oder 307 „Ende der Vorfahrtsstraße“.

§ 3 PolG BW129

Die Polizei hat innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahr-nehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen.

Soll dem H aufgegeben werden, sein Wohnmobil vom Seitenstreifen zu entfer-nen, kommen drei unterschiedliche Rechtsgrundlagen (und damit im Übrigen auch dreierlei behördliche Zuständigkeiten) in Betracht, namentlich erstens § 65 LBO BW (denn ein Wohnmobil ist u. U., namentlich bei dauerhaftem Abstel-len, als bauliche Anlage zu qualifizieren, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 LBO BW; damit würde gegen das Bebauungsverbot des § 22 StrG BW verstoßen), zweitens § 16 Abs. 8 StrG BW (denn das dauerhafte Abstellen des Wohnmobils ist zumindest eine erlaubnispflichtige Sondernutzung; vgl. § 16 Abs. 1 StrG BW) und drittens

§ 3 PolG NRW (denn das dauerhafte Abstellen des Wohnmobils verstößt ggf-.

gegen die StVO, womit eine Störung der öffentlichen Sicherheit vorliegt).

127 Bzw. § 14 BerlStrG, § 22 StrWG NRW, § 20 SächsStrG.

128 Bzw. § 25 StrWG NRW, § 24 SächsStrG.

129 Bzw. § 17 Abs. 1 ASOG Berlin, § 8 PolG NRW, § 3 Abs. 1 SächsPolG.

5.6.1.3 Rechtsgrundlage verfassungsmäßig

Ist eine Rechtsgrundlage als einschlägige ausgemacht, muss diese auch verfas-sungsmäßig sein. Aus der Perspektive der rechtsanwendenden Behörden be-trachtet mag dieser Prüfschritt nicht so recht einleuchten, sind sie in Ansehung des Art. 20 Abs. 3, 2. Alt. GG doch ohnehin darauf verwiesen, die einschlägige Rechtsgrundlage zur Anwendung zu bringen; ob sie diese für verfassungswidrig erachten oder nicht, ist dabei gar nicht so sehr von Bedeutung (vgl. dazu im Einzelnen bereits Punkt 3.1.2.1). Aus der Perspektive der die Gesetzesanwen-dung der Behörden überprüfenden Verwaltungsgerichte wird die Relevanz der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage indessen schnell offenbar: Bekann-termaßen sind die Verwaltungsgerichte befugt, verfassungswidrige formelle Gesetz dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen und verfassungswidrige ma-terielle Gesetze inter partes zu verwerfen (vgl. dazu im Einzelnen bereits Fußn.

48). Vgl. zu den Einzelheiten der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen den Stu-dienbrief zum Verfassungsrecht.