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6. Das Verwaltungsverfahren

6.2 Die im VwVfG geregelten Verwaltungsverfahren

6.3.4 Der Bescheid

Richtig ist, dass eine höhere Erstattung nach dem Wortlaut der Vorschrift des

§ 3 Abs. 2 Nr. 1 BAföGAuslandszuschlagsV nur dann erfolgen darf, wenn die Ausbildung lediglich an der gewählten Hochschule möglich ist, was hier aber nicht zutrifft. Denkbar ist indessen, § 3 Abs. 2 Nr. 1 BAföGAuslandszu-schlagsV analog anzuwenden: Hierzu müsste zunächst eine Regelungslücke gegeben sein; eine solche liegt vor, denn Abs. 2 Nr. 1 erfasst den vorliegenden Fall nicht. Es ist keine Regelung für Fälle getroffen, in denen die Ausbildung zwar an mehreren Universitäten absolviert werden kann, diese indessen alle hohe Studiengebühren erheben. Fraglich ist, ob diese Regelungslücke auch planwidrig ist; dafür spricht die Willkür, die mit einer wortlautgetreuen Anwen-dung verbunden wäre: Würde der Studiengang lediglich an der University of Cleverland angeboten, so hätte K einen Anspruch auf Zuschläge i. H. von 9.000 €; in dem Moment, in dem eine zweite Universität eine vergleichbare Ausbildung ebenso teurer anbietet, entfiele dieser Anspruch. Die Absicht des Gesetzgebers war es sicher nicht, dass derart zufällig verfahren werden soll, sondern dass Studierende, die keine andere Wahl haben, als die gewünschte Ausbildung nur unter Aufwendung hoher Studiengebühren zu absolvieren, zu-schlagsberechtigt sein sollten (hinzu kommt, dass ein willkürliches Verfahren des Gesetzgebers mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG gar nicht verfassungskonform wäre). Daraus folgt bereits, dass eine vergleichbare Interessenlage gegeben ist:

Im geregelten Fall sind Studierende in derselben Zwangslage wie im nicht gere-gelten Fall. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Analogie vor; § 3 Abs. 2 Nr. 1 BAföGAuslandszuschlagsV kann angewandt werden.

6.3.4 Der Bescheid

Wie bereits dargestellt (vgl. dazu im Einzelnen bereits Punkt 6.3.2.3), endet das Verwaltungsverfahren im Regelfall mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes (bzw. dem Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages). Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem sog. "Bescheid" zu.

6.3.4.1. Begriff

Begrifflich wird Bescheid gemeinhin gleichgesetzt mit

● einem schriftlichen Verwaltungsakt, desgleichen denkbar ist aber, dass ein Bescheid

● mehrere schriftliche Verwaltungsakte

enthält. Umgekehrt ist eine Bescheidform nicht die Voraussetzung dafür, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt vorliegt.

Bescheid

Begriff

Schöntrud Schludrig (S) möchte an ihrem in Berlin gelegenen Einfamilienhaus anbauen; sie beantragt beim zuständigen Bauaufsichtsamt Reinickendorf (R) eine Baugenehmigung. Zwei Monate später wird ihr die Baugenehmigung schriftlich erteilt.

§ 71 BauO Bln

(1) Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffent-lich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Geneh-migungsverfahren zu prüfen sind.

(2) Die Baugenehmigung bedarf der Schriftform; sie ist nur insoweit zu begrün-den als Abweichungen oder Befreiungen von nachbarschützenbegrün-den Vorschriften zugelassen werden und die Nachbarin oder der Nachbar nicht schriftlich zuge-stimmt hat.

(3) Die Baugenehmigung kann unter Auflagen, Bedingungen und dem Vorbe-halt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage sowie befristet erteilt werden.

(4) Die Baugenehmigung wird unbeschadet der Rechte Dritter erteilt.

(5) 1Vor Baubeginn eines Gebäudes müssen die Grundrissfläche abgesteckt und seine Höhenlage festgelegt sein. 2Baugenehmigungen, Bauvorlagen sowie bau-technische Nachweise müssen an der Baustelle von Baubeginn an vorliegen.

(6) Die Bauherrin oder der Bauherr hat den Ausführungsbeginn genehmi-gungsbedürftiger Vorhaben und die Wiederaufnahme der Bauarbeiten nach einer Unterbrechung von mehr als drei Monaten mindestens eine Woche vorher der Bauaufsichtsbehörde schriftlich mitzuteilen (Baubeginnanzeige).

(7) Mit der Bauausführung oder mit der Ausführung des jeweiligen Bauab-schnitts darf erst begonnen werden, wenn

1. die Baugenehmigung der Bauherrin oder dem Bauherrn zugegangen ist oder die Frist nach § 70 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 abgelaufen ist,

2. die erforderlichen bautechnischen Nachweise der Bauaufsichtsbehörde vorliegen und

3. die Baubeginnanzeige der Bauaufsichtsbehörde vorliegt.

Es ergeht ein schriftlicher Bescheid; es handelt sich hier um einen Verwaltungs-akt.

Da der Anbau nach den durch S (Beispiel 96) eingereichten Bauplänen nicht standsicher ist, wird ihr Vorhaben nicht genehmigt, sondern erhält sie einen Bescheid, in dem die Baugenehmigung abgelehnt und eine Beseitigung ange-ordnet wird.

§ 12 BauO Bln

(1) 1Jede bauliche Anlage muss im Ganzen und in ihren einzelnen Teilen für sich allein standsicher sein. 2Die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen

Beispiel 96

Beispiel 97

und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke dürfen nicht gefährdet werden.

§ 79 BauO Bln

1Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errich-tet oder geändert, kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. 2Werden Anlagen im Widerspruch zu öf-fentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, kann diese Nutzung untersagt werden.

Es ergeht ein schriftlicher Bescheid, der aber zwei Verwaltungsakte enthält (Ablehnung der Erteilung der Baugenehmigung; Beseitigungsanordnung).

6.3.4.2. Aufbau eines Bescheides

Der Bescheid wird üblicherweise wie folgt aufgebaut:

● ("Bescheidskopf")

● Tenor

● Gründe

● Rechtsbehelfsbelehrung

● (Unterschrift / Dienstsiegel)

● (im Entwurf: Bearbeitungsvermerke146)

Kennzeichnend allein für den Bescheid sind freilich nur Tenor, Gründe und Rechtsbehelfsbelehrung (denn einen (Brief-)Kopf und eine Unterschrift bzw.

ein Dienstsiegel enthalten ja auch andere dienstliche Schreiben; deswegen sind diese Teile oben in Klammern gesetzt).

Hervorzuheben ist, dass Bescheide nicht im Gutachten- sondern im sog.

"Urteilsstil" abgefasst werden; d. h., sie nehmen das Ergebnis vorweg, um dann die Begründung zu liefern. Dies schlägt sich zum einen im Aufbau des Beschei-des nieder (erst der Tenor, dann die Gründe), zum anderen auch in der Darstel-lung (erst das Subsumtionsergebnis, dann die Begründung hierfür). Der Schreibstil hingegen ist aus rechtlicher Perspektive irrelevant; denkbar ist je nach Geschmack, mehr oder weniger "unpersönlich"147 bzw. "persönlich"148 zu formulieren.

146 Gefertigt werden Bearbeitungsvermerke etwa darüber, wer eine Kopie bzw. Ausfer-tigung (= zweite Reinschrift, die dieselben Wirkungen entfaltet wie das Original) erhält.

So ist es insbesondere ratsam, allen, für die der Bescheid von Interesse ist, eine Kopie bzw. eine Ausfertigung zu übersenden (z. B. Übersendung einer Kopie der Baueinstel-lungsverfügung an die zuständige Polizeidienststelle usw.).

147 Keine Anrede, kein Gruß; Behörde bezeichnet sich selbst als "die Stadt", "der Kreis"

usw., den betroffenen Rechtsunterworfenen als "den Antragsteller", den "Widerspruchs-führer", ggf. als "Herrn X" oder "Frau Y" usf.

148 Anrede und Gruß; es ist die Rede von "ich" oder "wir" bzw. "Sie"

Aufbau

Stil

Was den Inhalt des Tenors anbetrifft, so ist dies der "verfügende Teil des Ver-waltungsakts"; er enthält die Regelung, beispielsweise das Ge- bzw. Verbot, die Erteilung bzw. Versagung einer Genehmigung, den rechtsgestaltenden Aus-spruch usw., vgl. dazu im Einzelnen bereits Punkt 5.1.1 "Regelung" meint dabei nicht nur die "Haupt-", sondern auch alle "Nebenregelungen" (insbesondere ggf.

Nebenbestimmungen, Zwangsmittelandrohung, Anordnung der sofortigen Voll-ziehung sowie Kostenentscheidung).

In einem mit Beispiel 96 vergleichbaren Fall könnte die Hauptregelung etwa lauten:

1. Das Bauvorhaben der Antragstellerin in X-Stadt, Y-Straße, Flurstück Z, wird nach Maßgabe der beiliegenden Pläne genehmigt.

oder

1. Für das Bauvorhaben in X-Stadt, Y-Straße, Flurstück Z

erteilen wir / erteile ich Ihnen nach Maßgabe der beiliegenden Pläne die beantragte Baugenehmigung.

oder ähnlich.

In einem mit Beispiel 97 vergleichbaren Fall könnte es heißen:

1. Der Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung vom … wird abgelehnt.

2. Es wird angeordnet, die auf dem Grundstück der Gemarkung X-Stadt, Y-Straße, Flurstück Z bereits errichteten Teile des Bauvorhabens zu beseitigen.

oder

1. Ihren Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung vom … lehne ich ab.

2. Ihnen wird aufgegeben, die auf dem Grundstück der Gemarkung X-Stadt, Y-Straße, Flurstück Z bereits errichteten Teile des Bauvorhabens zu beseitigen.

oder ähnlich.

Eine Begründung von Bescheiden ist grundsätzlich erforderlich; vgl. beispiels-weise § 39 Abs. 1 VwVfG (bzw. § 35 SGB X; § 121 AO) sowie § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO; etwas anderes gilt freilich insofern, als spezielle Vorschriften die Begründungspflicht aufheben (vgl. dazu im Einzelnen bereits Punkt 5.6.2.3).

Die Begründung wird im Bescheid unter der Überschrift "Gründe" gegeben; sie gliedert sich in

● Abschnitt I. (Sachverhaltsdarstellung) und

Tenor

Beispiel 98

Beispiel 99

Gründe

● Abschnitt II. (rechtliche Würdigung).

Unter dem Abschnitt II. ist nochmals zu gliedern in

● 1. (Ausführungen zur Zuständigkeit),

● 2. (materiell-rechtliche Ausführungen) sowie

● 3. - ? (Ausführungen zur etwaigen Nebenregelungen)

Unter 2. ist, ausgehend von der Rechts- bzw. Anspruchsgrundlage, zu erläutern, dass und weswegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen / nicht vorliegen, bzw. dass und weswegen die Rechtsfolge gesetzt werden muss bzw.

(ermessensfehlerfrei) gesetzt werden kann / nicht gesetzt werden darf. Bei Wi-derspruchsbescheiden ist dabei nochmals zu trennen zwischen Ausführungen zur Zulässigkeit und zur Begründetheit (vgl. dazu im Einzelnen noch den Studi-enbrief zum Verwaltungsrecht, Modul 8.)

Der Bescheid schließt mit einer Rechtsbehelfsbelehrung; einer solchen bedarf es nach § 37 Abs. 6 VwVfG; § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO sowohl im Ausgangs- als auch im Widerspruchsbescheid. Vgl. weiter etwa § 36 SGB X; § 157 Abs. 1 Satz 3 AO; § 211 BauGB.

H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19.

Rechtsbehelfs-belehrung