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Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt

5. Das Vorgehen mittels Verwaltungsakt

5.5 Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt

Eine gesondert zu betrachtende Problematik stellen Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt dar; vgl. dazu insbesondere § 36 VwVfG

5.5.1 Begriff

Als "Nebenbestimmungen" bezeichnet man neben die Haupt-Regelung des Verwaltungsakts tretende, von diesem logisch unterscheidbare Neben-Regelungen (die freilich aber akzessorisch sind). Zumeist geht es um

begünsti-Erledigung durch Zeitablauf

Beispiel 72

Erledigung auf sons-tige Weise

Beispiel 73

Begriff

genden Verwaltungsakten beigefügte, belastende Zusätze; vgl. dazu im Einzel-nen noch Punkt 5.5.2 und Punkt 5.5.3).

Gerbald Großbau (G) beantragt den Erlass einer Baugenehmigung für die Er-richtung eines Wohnparks mit 3 zehngeschossigen Wohngebäuden und einer Freizeithalle im baden-württembergischen Städtle (S); er erhält diese Bauge-nehmigung, dies indessen verbunden mit der Anordnung, auf der hinter dem Grundstück gelegenen, öffentlichen Verkehrsfläche einen Kinderspielplatz zu errichten.

§ 49 LBO BW116

Die Errichtung und der Abbruch baulicher Anlagen sowie der in § 50 aufge-führten anderen Anlagen und Einrichtungen bedürfen der Baugenehmigung, soweit in §§ 50, 51, 69 oder 70 nichts anderes bestimmt ist.

§ 58 LBO BW117

(1) 1Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. …

Bei der Anordnung handelt es sich um eine Nebenbestimmung.

5.5.2 Abgrenzung zwischen Inhalts- und Nebenbestimmung Abzugrenzen sind Nebenbestimmungen insbesondere von Inhaltsbestimmun-gen; bei Inhaltsbestimmungen handelt es sich um Ausführungen im Verwal-tungsakt, die den Inhalt der Haupt-Regelung näher konkretisieren.

Eine Verwechslungsgefahr zwischen Inhalts- und Nebenbestimmungen besteht insbesondere deshalb, weil aus der Perspektive des Rechtsunterworfenen ein bestimmter, begünstigender Verwaltungsakt beantragt / erwünscht ist bzw. ir-gendwie vorgestellt wird; im Vergleich dazu kann der dann tatsächlich erlasse-ne Verwaltungsakt angesichts seierlasse-ner Inhaltsbestimmung "weniger", "etwas an-deres (aliud)" bzw. – was freilich eher selten sein wird – "mehr" gewähren.

Ausgehend vom weitergehenden Antrag / der weitergehenden Vorstellung des Antragstellers stellt sich eine derartige Einschränkung mithin als Einschränkung / als einschränkender Zusatz bzw. als Modifizierung dar. Die Rede war im Zu-sammenhang mit der Gewährung von "etwas anderem" zeitweise von einer

"modifizierenden Auflage", die "wie eine Inhaltsbestimmung zu behandeln" sei.

Richtig ist vielmehr: "Modifizierende Auflagen" sind Inhaltsbestimmungen (das

116 Bzw. § 60 BauO Bln; § 63 Abs. 1 BauO NRW; § 59 Abs. 1 SächsBO (in Anlehnung an §80 MBO).

117 Bzw. § 71 Abs. 1 BauO Bln; § 75 Abs. 1 BauO NRW; § 72 Abs. 1 SächsBO (in Anlehnung an § 72 MBO).

Beispiel 73 a

Hauptregelung

Verwechslungsge-fahr

wird zunehmend auch in Rechtsprechung und Schrifttum so gesehen, so dass der Begriff modifizierende Auflage eigentlich überholt ist).

G (Beispiel 73 a) erhält nur eine Genehmigung für die Wohngebäude, nicht aber für die Freizeithalle.

Hier wird durch eine Inhaltsbestimmung "weniger" gewährt als G beantragt hat;

es handelt sich um eine Teilablehnung.

G (Beispiel 73 a) wird die "Auflage" erteilt, auf der südlichen Seite der Wohn-gebäude die Fenster anders anzuordnen.

Hier wird durch eine Inhaltsbestimmung "etwas anderes" gewährt als beantragt (genau genommen bedeutet das: Ablehnung des beantragten und Erlass eines anderen Verwaltungsakts). Trotz Verwendung des Begriffs handelt es sich also nicht um eine "Auflage" i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG; bestenfalls könnte von "modifizierender Auflage" die Rede sein, was indessen unnötig ist.

G (Beispiel 73 a) erhält zur "Auflage", statt zehngeschossige nur fünfgeschossi-ge Wohnfünfgeschossi-gebäude zu errichten.

Fraglich ist, ob damit "weniger" oder "etwas anderes" gewährt wird; überwie-gend würde letzteres befürwortet, also dass fünfgeschossige Gebäude etwas anderes sind als zehngeschossige Gebäude. Trotz Verwendung des Begriffs handelt es sich nicht um eine "Auflage", sondern um eine Inhaltsbestimmung.

5.5.3 Die wichtigsten Nebenbestimmungen

Einen – freilich nicht abschließenden – Katalog von (praktisch häufig vorkom-menden) Regelbeispielen enthält § 36 Abs. 2 VwVfG.

5.5.3.1. Befristung

In § 36 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG findet sich zunächst die "Befristung"; hierbei han-delt es sich um eine Bestimmung, nach der die innere Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet, oder für einen bestimmten Zeitraum gilt. Denkbar ist zu bestimmen, dass die innere Wirksam-keit des Verwaltungsaktes mit einem gewissen zukünftigen Ereignis beginnt (sog. aufschiebende Befristung) oder endet (sog. auflösende Befristung) bzw.

dass die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes mit einem gewissen zukünf-tigen Ereignis beginnt und endet (aufschiebende und auflösende Befristung).

Hademund Hack-Fleisch (H) möchte in einer Fußgängerzone in Leipzig mit einem sog. Bauchladengrill Thüringer Bratwürste verkaufen. Der guten Ord-nung halber beantragt er im Herbst 2015 eine Straßen-Sondernutzungserlaubnis für den betreffenden Straßenbereich; unter Hinweis auf dort gerade

stattfinden-Beispiel 73 b

Beispiel 73 c

Beispiel 73 d

Befristung

Beispiel 73 e

de Baumaßnahmen wird ihm die Sondernutzungserlaubnis aber erst ab 2016 erteilt.

§ 1 SächsVwVfG

1Für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Freistaa-tes Sachsen und der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1253), zuletzt geändert durch Artikel 7

§ 3 des Gesetzes vom 12. September 1990 (BGBl. I S. 2002), in seiner jeweils geltenden Fassung entsprechend, soweit nicht etwas anderes bestimmt wird. …

§ 14 SächsStrG118

(1) 1Der Gebrauch der öffentlichen Straße ist jedermann im Rahmen der Wid-mung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet (Gemeingebrauch). …

§ 18 SächsStrG119

(1) 1Die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus ist Sondernut-zung. 2Sie bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde, in Ortsdurchfahrten der Erlaubnis der Gemeinde. …

Die Sondernutzungserlaubnis ist aufschiebend befristet; vgl. § 1 Satz 1 Sächs-VwVfG i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 1 Sächs-VwVfG

H (Beispiel 73 e) wird die Sondernutzungserlaubnis erteilt, unter Hinweis auf dann beginnende Baumaßnahmen aber nur bis Ende 2015.

Die Sondernutzungserlaubnis ist hier auflösend befristet; vgl. § 1 Satz 1 Sächs-VwVfG i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 1 Sächs-VwVfG.

H (Beispiel 73 e) erhält die Sondernutzungserlaubnis, dies indessen nur für die Zeit des Weihnachtsmarktes 2015120.

Die Sondernutzungserlaubnis ist aufschiebend wie auch auflösend befristet;

vgl. § 1 Satz 1 SächsVwVfG i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG.

5.5.3.2. Bedingung

Hiergegen ist die Bedingung i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG eine Bestim-mung, nach der die innere Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes zu einem unbe-stimmten Zeitpunkt beginnt, endet, oder für einen unbeunbe-stimmten Zeitraum gilt;

vorgestellt werden kann namentlich, dass die innere Wirksamkeit des

118 Bzw. § 13 StrG BW; § 10 BerlStrG; § 14 StrWG NRW.

119 Bzw. § 16 StrG BW; § 11 BerlStrG; § 18 StrWG NRW; § 18 SächsStrG.

120 Vom 24.11.2015 - 23.12.2015.

Beispiel 73 f

Beispiel 73 g

Bedingung

tungsaktes mit einem ungewissen zukünftigen Ereignis beginnt (sog. aufschie-bende Bedingung) oder endet (sog. auflösende Bedingung) bzw. dass die innere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes mit einem ungewissen zukünftigen Ereignis beginnt und endet (aufschiebende und auflösende Bedingung).

H (Beispiel 73 e) erhält die Sondernutzungserlaubnis unter der "Vorausset-zung", dass nach Abschluss der Baumaßnahmen in den beiden Parallelstraßen der Fußgängerverkehr im betreffenden Bereich merklich abnimmt und im Wege einer Rücksprache mit den Inhabern der Ladenlokale keine durchschlagenden Bedenken geäußert werden.

Die Sondernutzungserlaubnis steht unter einer aufschiebenden Bedingung;

vgl. § 1 Satz 1 SächsVwVfG i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG.

H (Beispiel 73 e) erhält die Sondernutzungserlaubnis, vorausgesetzt, dass im betreffenden Bereich in absehbarer Zeit keine privaten Baumaßnahmen bean-tragt werden und zu genehmigen sind.

Die Sondernutzungserlaubnis steht unter einer auflösenden Bedingung; vgl.

§ 1 Satz 1 SächsVwVfG i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG.

H (Beispiel 73 e) erhält die Sondernutzungserlaubnis unter den in Beispiel 73 h und 73 i angeführten Voraussetzungen.

Die Sondernutzungserlaubnis steht unter einer aufschiebenden wie auch auflö-senden Bedingung; vgl. § 1 Satz 1 SächsVwVfG i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG.

5.5.3.3. Widerrufsvorbehalt

Der Widerrufsvorbehalt i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG wird gemeinhin als besonderer Fall der auflösenden Bedingung (behördlicher Widerrufswille) an-gesehen; indessen entfällt die innere Wirksamkeit hier nicht automatisch, son-dern die Behörde muss widerrufen. Zulässig ist es nach der Rechtsprechung, im Verwaltungsakt Widerrufsgründe zu formulieren, desgl. aber auch einen "jeder-zeitigen Widerruf" vorzubehalten.

H (Beispiel 73 e) erhält die Sondernutzungserlaubnis; indessen heißt es darin, die Behörde behalte sich vor, dieselbe jederzeit zu widerrufen.

Die Sondernutzungserlaubnis steht unter einem Widerrufsvorbehalt; vgl.

§ 1 Satz 1 SächsVwVfG i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG.

Beispiel 73 h

Beispiel 73 i

Beispiel 73 j

Widerrufsvorbehalt

Beispiel 73 k

5.5.3.4. Auflage

Auflagen i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG sind nur bei begünstigenden Ver-waltungsakten möglich (arg: Wortlaut); Auflagen verpflichten den betroffenen Rechtsunterworfenen zu einem Tun, Dulden bzw. Unterlassen. Nach der Recht-sprechung ist die Auflage ein "eigener, akzessorischer Verwaltungsakt".

G (Beispiel 73 a) erhält die Baugenehmigung, verbunden mit der Auflage, auf der hinter dem Grundstück gelegenen, öffentlichen Verkehrsfläche einen Kin-derspielplatz zu errichten.

Bei der von der Behörde sog. "Anordnung" handelt es sich um eine Auflage;

vgl. § 1 Satz 1 SächsVwVfG i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG.

5.5.3.5. Auflagenvorbehalt

Der Auflagenvorbehalt i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 5 schließlich, der ebenfalls nur bei begünstigenden Verwaltungsakten möglich ist (arg: Wortlaut), bedeutet die Befugnis, einen Verwaltungsakt nachträglich mit Auflagen zu versehen. Die Funktion eines Auflagenvorbehalts liegt hauptsächlich darin, die einschränken-den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG außer Kraft zu setzen (insbesondere kein Vertrauen); vgl. dazu im Einzelnen noch Punkt 5.6.

G (Beispiel 73 a) erhält die Baugenehmigung; darin heißt es jedoch, man behal-te sich vor, die Baugenehmigung nachträglich mit Auflagen zu versehen.

Die Behörde hat der Baugenehmigung damit einen Auflagenvorbehalt beige-fügt; vgl. § 1 Satz 1 SächsVwVfG i. V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG.