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2. LITERATURÜBERSICHT

2.3 Reaktive Sauerstoffspezies

Zu den reaktiven Sauerstoffspezies gehören freie Radikale, wie z.B. das Superoxidanionradikal und das Hydroxylradikal, stabile molekulare Oxidanzien, wie Wasserstoffperoxid, als auch angeregte Sauerstoffmoleküle. In physiologischen Konzentrationen besitzen sie Aufgaben als sekundäre Botenstoffe bei unterschiedlichen zellulären Funktionen. Konformationsänderungen an Proteinen werden durch Reaktionen der Sauerstoffspezies mit Zysteinresten innerhalb von Sulfhydrylgruppen hervorgerufen. Die

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reaktiven Sauerstoffverbindungen regulieren in dieser Art und Weise Enzymaktivitäten, u.a.

erfolgt die Aktivierung von Phosphatasen sowie Kinasen. RSS sind in Signaltransduktionswege integriert. Außerdem scheinen sie eine wichtige Rolle für die Proliferation und das Wachstum von Zellen zu spielen, indem entsprechende Gene und die DNA-Synthese stimuliert werden (BYRNE et al., 2003 b). Gerät die RSS-Produktion jedoch aus dem Gleichgewicht, und die Kompensation durch antioxidative Enzymsysteme ist nicht mehr ausreichend, dann kommt es zu starken Schädigungen von zellulären Proteinen, Membranen und Nukleinsäuren. Lipidperoxidation führt zu Membranzerstörungen von Zellen und Zellorganellen. Die Genexpression wird durch DNA-Brüche, Basen-Oxidation sowie durch Chromatinumstrukturierungen negativ beeinflußt. Proteindenaturation und Inaktivierung können eintreten (GIORDANO, 2005).

2.3.2 Superoxidanionradikal, Hydroxylradikal, Wasserstoffperoxid, Peroxynitrit Aus molekularem Sauerstoff entsteht durch univalente Reduktion das Superoxidanionradikal, welches unter normalen Bedingungen, mit Hilfe der Superoxiddismutase, zu Wasserstoffperoxid, einer sehr gut wasserlöslichen und membranpermeablen Substanz, umgewandelt wird. Anschließend katalysieren die Katalase oder die Glutathionperoxidase die Bildung von Wasser und Sauerstoff aus Wasserstoffperoxid (BYRNE et al., 2003 b).

O2 + e- O2.-

2O2

.- + 2H+ SOD H2O2 + O2

2H2O2 Katalase O2 + 2H2O

Superoxidanionradikale besitzen eine effektive Halbwertszeit im Bereich von Millisekunden, sie können schlecht Membranen permeieren. Mit Hilfe der Fenton- und Haber-Weiss-Reaktion tragen die Superoxidanionradikale zur Entstehung von Hydroxylradikalen bei, welche aufgrund eines hohen positiven Reduktionspotentiales extrem reaktionsfreudig sind.

Fenton-Reaktion: H2O2 + Fe2+ → Fe3+ + OH. + OH-

Das zur Fenton-Reaktion benötigte zweiwertige Eisen wird durch Superoxidanionradikale aus dreiwertigem Eisen erzeugt (WEIDAUER, 2001).

Superoxid-assistierte Fenton-Reaktion: Fe3+ + O2.- ↔ Fe2+ + O2 Haber-Weiss-Reaktion: O2.- + H2O2 → OH. + OH- + O2

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Weiterhin haben die Superoxidanionradikale die Fähigkeit, mit Stickstoffmonoxid zu Peroxynitrit zu reagieren, welches mit Stickstoffmonoxid zu den reaktiven Stickstoffspezies zählt (BYRNE et al., 2003 b).

O2.-

+ NO. → ONOO-

Steigt die Konzentration von Stickstoffmonoxid an, konkurrieren die Superoxiddismustase und Stickstoffmonoxid um die vorhandenen Superoxidanionradikale, die mit Stickstoffmonoxid dreimal schneller reagieren als mit der Superoxiddismutase (WOLIN, 2000). Peroxynitrit weist neben physiologischen auch eine Reihe von pathophysiologischen Aktivitäten auf, z.B. fördert es die Inaktivierung der Mitochrondrienatmung in Herzmuskelzellen, welche einer Hypoxie, Reoxygenierung bzw. einer Ischämie und Reperfusion unterliegen. Außerdem kann Peroxynitrit das Gleichgewicht zwischen zellulärer Kinasen- und Phosphatasenwirksamkeit zerstören sowie antioxidative Enzymsysteme hemmen (WOLIN et al., 2002).

2.3.3 Herkunft von reaktiven Sauerstoffspezies

Im kardiovaskulären Gewebe gibt es zahlreiche Enzyme, die reaktive Sauerstoffspezies produzieren. Dazu gehören die nichtphagozytäre NAD(P)H-Oxidase, die Xanthinoxidase, die mitochondriale Elektronentransportkette, die Zytochrom-P450-Enzyme, die in ihrer normalen Funktion gestörten NO-Synthasen, die Lipoxygenasen und die Hämoxygenasen (BYRNE et al., 2003 b).

Die bedeutendsten Enzymsysteme für kardiovaskuläre Erkrankungen werden nachfolgend kurz abgehandelt, ausgenommen die NAD(P)H-Oxidase, welche eine gesonderte Betrachtung erfährt.

In Mitochondrien läuft der Transport von Elektronen, welche von Donoren, wie NADH und FADH, stammen, entlang von Enzymkomplexen zur ATP-Produktion ab. Dabei fallen kleine Mengen von Superoxidanionradikalen an, die aber von Mangan-Superoxiddismutasen eliminiert werden. Jedoch kann eine Entgleisung der mitochondrialen Atmungskette durch pathologische Bedingungen zu einer Steigerung der Superoxidanionradikalanhäufung führen, wobei dann das mitochondriale antioxidative Enzymsystem zum Abbau nicht mehr ausreicht (BYRNE et al., 2003 b).

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Die Xanthinoxidase entsteht aus der Xanthindehydrogenase durch Oxidation oder durch proteolytische Entfernung eines bestimmten Teiles der Xanthindehydrogenase während hypoxischer, ischämischer oder entzündlicher Zustände. Beide Formen des Enzyms, d.h. die Xanthinoxidase und die Xanthindehydrogenase, finden sich u.a. an der Endotheloberfläche des Herzens, und katalysieren die Umwandlung von Hypoxanthin über Xanthin zu Urat (LI u.

SHAH, 2004 a). Diese Reaktion bedingt die Reduktion von molekularem Sauerstoff mit der konsequenten Bildung von Superoxidanionradikalen. Die Xanthindehydrogenase reagiert, im Vergleich zur Xanthinoxidase, langsamer mit molekularem Sauerstoff (SAITO et al., 1989).

Bei experimenteller und klinischer Herzinsuffizienz sind die Expression und die Aktivität der Xanthinoxidase gesteigert, was zur vermehrten Anhäufung von Superoxidanionradikalen führt (LANDMESSER et al., 2002, DE JONG et al., 2000, EKELUND et al., 1999).

Studienergebnisse demonstrierten, daß die Xanthinoxidaseaktivität durch Radikale anderer Herkunft beeinflußt werden kann. Peroxynitrit, ein Reaktionsprodukt aus Superoxidanionradikalen und Stickstoffmonoxid, fördert die Umwandlung der Xanthindehydrogenase in die Xanthinoxidase (SAKUMA et al., 1997). Reaktive Sauerstoffspezies der NAD(P)H-Oxidase sind in Gefäßen, die turbulenten Schubspannungen unterliegen, für die vorhandenen endothelialen Spiegel der Xanthinoxidase verantwortlich (MCNALLY et al., 2003).

NO-Synthasen, die komplexe Oxidoreduktasen sind, erzeugen NO mittels Oxidation von L-Arginin durch Reduktion von molekularem Sauerstoff. Die Beeinträchtigung der Funktionsweise dieser Enzyme kann auf Substratmangel, der Nichtverfügbarkeit bzw. der Inaktivierung des essentiellen Kofaktors Tetrahydrobiopterin beruhen, die mit einer erhöhten Superoxidanionradikalproduktion endet (LI u. SHAH, 2004 a). Tetrahydrobiopterin ist leicht anfällig für eine Oxidation (LANDMESSER et al., 2003). Superoxidanionradikale anderer enzymatischer Herkunft, sowie das aus Superoxidanionradikalen und NO gebildete Peroxynitrit, begünstigen die Zerstörung des Tetrahydrobiopterins, und damit die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies durch NO-Synthasen (LI u. SHAH, 2004 a).

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2.3.4 RSS in Beziehung zu kardialem Remodeling und Herzinsuffizienz

Bei der experimentellen sowie auch bei der klinischen Herzinsuffizienz kommt es zu einer erheblich gesteigerten myokardialen und vaskulären Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (SAWYER et al., 2002, IDE et al., 2000). Dabei korreliert das Ausmaß der Akkumulation von reaktiven Sauerstoffspezies mit dem Schweregrad der Herzinsuffizienz (MALLAT et al., 1998). Zum Beispiel konnte in klinischen Studien gezeigt werden, daß die Höhe der Malondialdehydplasmaspiegel, hier als Marker für oxidativen Streß verwendet, bei Patienten mit dem Grad der körperlichen Einschränkung, nach der New York Heart Association Klassifizierung bzw. mit dem Fortschreiten der Herzinsuffizienz, assoziiert waren (SERDAR et al., 2001, DIAZ-VELEZ et al., 1996, KEITH et al., 1998). Weiterhin wurde in einer Tierstudie mit chronischer linksventrikulärer Drucküberlastung dargestellt, daß reaktive Sauerstoffspezies an der Entwicklung einer Herzinsuffizienz beteiligt sind (DHALLA et al., 1996).

Morbidität und Mortalität werden entscheidend durch das linksventrikuläre Remodeling beeinflußt. Die linksventrikuläre Hypertrophie, die zunehmende ventrikuläre Dilatation und der fibrotische Umbau sind mit einer ungünstigen Prognose verbunden (MANN, 1999;

PFEFFER u. BRAUNWALD, 1990, COHN et al., 2000, HUNTER u. CHIEN, 1999).

Es existieren Untersuchungen in vitro und in vivo, die belegen, daß RSS für die Kardiomyozytenhypertrophie eine wichtige Rolle spielen. Eine Behandlung von neonatalen Rattenkardiomyozyten mit Vitamin E und Katalase verhinderte eine durch Angiotensin II und TNF-α induzierte Hypertrophie (NAKAMURA et al., 1998). Freie Radikalfänger inhibierten einen Anstieg von reaktiven Sauerstoffspezies sowie das Entstehen einer Hypertrophie aufgrund von mechanischer Dehnung in isolierten und kultivierten Kardiomyozyten (AIKAWA et al., 2001). In einem Mausmodell mit linksventrikulärer Drucküberlastung reduzierte der Radikalfänger N-2-Mercaptopropionyl-Glycin die Herzhypertrophie (DATE et al., 2002). Eine Abschwächung der linksventrikulären Hypertrophie konnte auch bei Meerschweinchen, in einer ähnlichen Studie nach Behandlung mit Vitamin E, beobachtet werden (DHALLA et al., 1996).

Aus Studien ist bekannt, daß RSS auf die Fibroblastenproliferation, die Kollagensynthese und die Aktivierung von Matrixmetalloproteinasen Einfluß nehmen (IRANI et al., 1997, SIWIK et al., 2001). Viele pathophysiologische Auslöser der interstitiellen Fibrose, wie z.B.

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Angiotensin II oder Zytokine, stimulieren die RSS-Produktion (SANO et al., 2001, KUNSCH u. MEDFORD, 1999).

Die Expression der Matrixmetalloproteinasen, die eine wesentliche Wirkung auf die Struktur der extrazellulären Matrix haben, ist redoxsensitiv reguliert. In kultivierten Fibroblasten erhöhten Wasserstoffperoxid und das Enzym Xanthinoxidase die MMP-Aktivierung. Dieser Effekt wurde durch die Behandlung mit Superoxiddismutase aufgehoben, so daß eine Beteiligung von RSS an der MMP-Stimulation nahe liegt (SIWIK et al., 2001).

RSS beeinflussen auch nach Myokardinfarkt die ventrikuläre Funktion. Nach kurzzeitigen Verschlüssen der linken Koronararterie in Kaninchen verbesserte eine adenovirale Vektorbehandlung, mit dem Ziel der Überexpression von extrazellulärer Superoxiddismutase, die Herzfunktion (LI et al., 1998). Die Rückkehr der ursprünglichen kontraktilen Herzfunktion in Cu/Zn-SOD-defizienten Mäusen nach ischämischen Zuständen war stark herabgesetzt, im Vergleich zu Kontrolltieren (YOSHIDA et al., 2000).

Strukturell unterschiedliche Antioxidanzien zeigen einen günstigen Effekt auf das linksventrikuläre Remodeling nach Myokardinfarkt, was auf eine wichtige pathophysiologische Rolle der gesteigerten RSS-Produktion hinweist. Der Hydroxylradikalfänger DMTU bewirkte nach Abbinden der linken Koronararterie in Mäusen eine Reduktion der linksventrikulären Erweiterung sowie der kontraktilen Dysfunktion (KINUGAWA et al., 2000). In Ratten verringerte das Antioxidans Probucol nach Myokardinfarkt die linksventrikuläre Dilatation, und verbesserte die linksventrikuläre Hämodynamik (SIA et al., 2002).

Im Rahmen eines Myokardinfarktes und einer Herzinsuffizienz findet verstärkt der Prozeß der Apoptose, auf den weiter unten noch näher eingegangen wird, statt. Studienergebnisse belegen, daß der programmierte Zelltod in Verbindung mit RSS in Kardiomyozyten auftritt.

In neonatalen Kardiomyozyten von Ratten führte die Applikation von DDC, einem Inhibitor des antioxidativen Enzymsystems SOD, zum apoptotischen Zelltod. Dieser Effekt konnte durch den Superoxidradikalfänger Tiron verhindert werden (SIWIK et al., 1999). Eine ähnliche Studie demonstrierte, daß Wasserstoffperoxid und Superoxidanionradikale in kultivierten Kardiomyozyten verschiedene apoptotische Signalwege aktivierten und Apoptose verursachten, jedoch die Behandlung mit Antioxidanzien den programmierten Zelltod nahezu vollständig unterdrückte (VON HARSDORF et al., 1999). Hunde, mit einer durch

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Schrittmacher ausgelösten Herzinsuffizienz, wiesen eine zeitabhängige Steigerung der Zellapoptoserate auf, einhergehend mit einer Erhöhung der Expression von p66shc, einem redoxsensitiven Protein, welches an der Einleitung des programmierten Zelltodes beteiligt ist (CESSELLI et al., 2001).

2.4 NAD(P)H-Oxidase