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Raumordnerische Bilanz der Verwaltungsreform .1 Aufgabe und Chance der Raumordnung

Bei der Verwaltungsreform hat sich die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis im Netzwerk der ARL bewährt; ihre Landesarbeitsgemeinschaft hat ein Beispiel

44 Landesplanungsgesetz v. 10.10.1983, GBl. S. 621.

45 § 8 Abs. 2 LplG 1983.

46 Grundsätze der Landesregierung über das Zusammenwirken der Regionalplanung und der raumbedeutsamen Fachplanungen … vom 27.09.1979, GABl. S. 1238.

Der Beitrag der Raumordnung zur baden-württembergischen Verwaltungsreform (1967–1983)

glückter Politikberatung geliefert. Die Raumordnung nahm bei der Verwaltungsreform die Chance wahr,

ƒ ihre Aufgabe im Gefüge der Verwaltung zu definieren;

ƒ das räumliche Raster der Verwaltungsbezirke an die heutigen Lebens- und Wirt-schaftsräume so anzupassen,

– dass die Gemeinden, Landkreise und Regionalverbände in sinnvoll zugeschnit-tenen Planungsräumen agieren können,

– dass die Entwicklung der Siedlungs-, Freiraum- und Infrastruktur nach überört-lichen Vorgaben besser harmonisiert werden kann und

– dass die auseinanderstrebenden raumbedeutsamen Fachplanungen aus einer überfachlichen Gesamtschau koordiniert werden können.

Das ureigenste Anliegen der Raumordnung war bei der Verwaltungsreform aber der Aufbau einer regionalen Planungsstufe, die einen selbstständigen Planungsauftrag durch einen kommunal verfassten Verband erfüllt, der

ƒ eine Brücke zwischen der staatlichen Landesplanung und der Bauleitplanung der Gemeinden schlägt,

ƒ sich dabei aber nicht auf die regionale Ausformung des grobmaschigen Landesent-wicklungsplan beschränkt, sondern auch einen eigenen „regionalen Ansatz im Pla-nungssystem“47 erarbeiten und Konzepte für regionsspezifische Entwicklungsprob-leme finden kann, und

ƒ die regionalbedeutsamen staatlichen, kommunalen und privaten Einzelplanungen auf eine überfachliche Entwicklungskonzeption abstimmen kann, und zwar mög-lichst frühzeitig, nicht erst im „akuten Planungsfall“.48

7.2 Bilanz der Gebietsreform

Die Raumordnung kann mit dem Ergebnis der Gebietsreform zufrieden sein. Der Ge-meindereform wurde – allerdings erst nach dem Wildwuchs der Freiwilligkeitsphase – ein raumordnungsgerechtes Raster zugrunde gelegt: die Verflechtungsbereiche der Kleinzentren und Unterzentren. Die Sünden der Freiwilligkeitsphase konnte das Ab-schlussgesetz zur Gemeindereform mancherorts korrigieren.49 Durch die Maßstabsver-größerung wurde nicht nur die Planungskompetenz vieler Gemeinden gestärkt; wichti-ger für die Raumordnung ist, dass die Räume für die Flächennutzungsplanung, die ja der wichtigste Adressat der Regionalplanung ist, jetzt nach wirtschafts- und lebens-räumlichen Zusammenhängen abgegrenzt sind.

Die neuen Landkreise wurden konsequent nach zentralörtlichen Verflechtungen ab-gegrenzt, den Bereichen der Mittelzentren; Ausrutscher gab es hier nur ganz vereinzelt.

Die Abgrenzung der Regionen folgt durchweg Mittelbereichsgrenzen, konnte aber die realen Verflechtungsbereiche der Oberzentren nicht überall nachzeichnen, weil diese sich oft überlagern und an einigen Stellen die Landesgrenze überspringen; zudem reicht z. B. der Einzugsbereich der Landeshauptstadt weit über den Mittleren Neckarraum hin-aus. In Ostwürttemberg wiederum fehlt das Oberzentrum; dort liefern sich die Mittel-zentren einen heftigen Konkurrenzkampf.

47 Schmitz, G. (1983): Funktion und Erfolge der Landesplanung auf der regionalen Ebene, a. a. O., S. 25.

48 Schmitz, G. (1983): Funktion und Erfolge der Landesplanung auf der regionalen Ebene, a. a. O.

49 Allgemeines und besonderes Gemeindereformgesetz v. 09.07.1974, GBl. S. 237 bzw. 248.

7.3 Das Ergebnis für die Regionalplanung

Der Landtag hat mit eindrucksvoller Mehrheit die kommunalfreundliche Organisations-form der Regionalplanung bestätigt und anerkannt, dass die Regionalverbände ihre Be-währungsprobe bestanden haben. Er hat die Selbstverantwortung der Regionalverbände und ihre Planungskompetenz sogar betont. Damit sie die verbindlichen Regionalpläne auch gegen örtliche Sonderinteressen durchsetzen können, hat der Gesetzgeber den Re-gionalverbänden mehr zugebilligt, als nach dem Abklingen der Planungseuphorie zu erwarten war. Obwohl die kommunalen Interessen im baden-württembergischen Land-tag besonders stark vertreten sind und viele Gemeinden ihre Planungshoheit nach wie vor bedroht fühlen, hat er die Regionalplanung nicht auf eine bloße „Freihalte-Planung“

reduziert. Sie musste zwar „entfeinert“ werden, darf aber sogar gemeindeteilscharfe Bereiche ausweisen.

Aus gutem Grund hat der Gesetzgeber auch der Versuchung widerstanden, die Regi-onalverbände als Zweckverbände zu organisieren. Denn wenn einzelne Gemeinden lo-kale Egoismen mit Sitz und Stimme in der Verbandsversammlung geltend machen kön-nen, drohen unheilige Allianzen, die vor allem die Bildung von Schwerpunkten verhin-dern. Zwar werden zahlreiche kommunale Mandatsträger in die Verbandsversammlun-gen gewählt; sie fühlen sich aber selten allein ihrer Heimatgemeinde verpflichtet. Jeden-falls erhöht es die Akzeptanz der Regionalpläne, dass kommunaler Sachverstand einge-bracht wird und beide Planungsebenen personell verzahnt sind.

Das Bekenntnis des Gesetzgebers zu unseren Regionalverbänden ist keineswegs selbstverständlich. Denn die Regionalverbände agieren im Spannungsfeld mächtiger Interessen ohne starke Bundesgenossen. So konnte die klare Entscheidung des Landtags nicht verhindern, dass „Position und Arbeit“ der Regionalverbände auch nach der No-velle von 1983 fast permanent in Frage gestellt werden.50

7.4 Insbesondere: Regionalplanung und Fachplanung

Die Konfliktzone zwischen Regionalplanung und Fachplanung konnte die Verwaltungs-reform natürlich nicht ganz entschärfen. Auch auf regionaler Ebene kollidiert die fachli-che Sicht immer wieder mit der überfachlifachli-chen Gesamtschau der Raumordnung, weil die Fachplanung beim Einsatz ihrer Mittel zur Optimierung fachlicher Zielsetzungen neigt. Trotzdem hat der Landtag die Bindung der Regionalplanung an staatliche Fach-pläne gelockert und die Mitwirkung der Regionalverbände an der Fachplanung erwei-tert: „Die Ministerien können Regionalverbände beauftragen“, an den Fachplanungen

„mitzuwirken, insbesondere diese räumlich auszuformen“; das Gesetz räumt ihnen auch ein Vorschlagsrecht ein.51 Hier ist der Gesetzgeber einer Anregung der Landesarbeits-gemeinschaft gefolgt.52

Inzwischen wissen die Fachressorts es zu schätzen, dass die Regionalverbände ihre intime Kenntnis räumlicher Zusammenhänge einbringen und sich als Clearingstelle kommunaler Forderungen bewähren. Deshalb sind die Fachministerien mehr und mehr bereit, sich – wie in den „Beteiligungsgrundsätzen“ der Landesregierung von 1979 vor-gesehen – auf landesweit bedeutsame Vorgaben zu beschränken und die Ausformung ins regionale Detail den Regionalverbänden zu überlassen. Der Staat nimmt dabei in

50 Schmitz, G. (1983): Funktion und Erfolge der Landesplanung auf der regionalen Ebene, a. a. O., S. 25.

51 § 17 LplG 1983.

52 Landesarbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg (1983): Stellungnahme zum Entwurf eines neuen Landespla-nungsgesetzes, a. a. O., S. 7 f.

Der Beitrag der Raumordnung zur baden-württembergischen Verwaltungsreform (1967–1983)

Kauf, dass diese Selbstbeschränkung ein Risiko für die Durchsetzung staatlicher Struk-turpolitik sein kann.

Es ist klar, dass auch das beste Reformgesetz keinen Ewigkeitswert hat. Hier gilt das kriegerische Bild von Werner Ernst: Gesetze sind nie Friedensschlüsse, sondern allen-falls Waffenstillstände zwischen den Trägern politischer Macht.

Dirk Vallée

Landesplanung als Politikgestaltung – Die Umsetzung in