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„Wir sind an einem Punkt, an dem die Freiheit nur noch durch Planung zu retten ist.“1

Der Schriftsteller Max Frisch stellt in diesem Zitat die Freiheit für das Handeln in einen notwendigen Rahmen – Planung –, durch den diese erst möglich bzw. gerettet werden kann. In Bezug auf die räumliche Planung bedeutet diese Sicherung – oder gar Rettung – der Freiheit eine querschnittsorientierte, akteursbezogene und nachhaltige Strategie.

Diese Diskussion über Strategien zukünftiger Raumentwicklung setzt eine Schärfung der Begrifflichkeiten voraus. Denn allzu oft wird der Begriff „Strategie“ im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet, um Ziele als langfristig zu kennzeichnen. Im eigentlichen Sinn des Wortes greift dies aber zu kurz. Deutlicher wird die Bedeutung des Begriffs im Vergleich mit „Taktik“. Während Taktik den Weg bzw. Maßnahmen – um kurzfristige-re (Zwischen-)Ziele zu erkurzfristige-reichen – meint, beschkurzfristige-reibt die Strategie den Plan dazu. Taktik kann auch ohne eine Strategie dahinter zur Anwendung kommen. Es besteht eine größe-re Abhängigkeit zu den zur Verfügung stehenden Mitteln, die Taktik kann sich daher stets wandeln. Sowohl Strategie als auch Taktik zielen auf die Koordination der beiden Elemente Raum und Zeit. Die Entwicklung einer Strategie für eine zukünftige Raum-entwicklung hat somit die Erarbeitung leitender, übergeordneter Handlungsgrundsätze zum Inhalt. Diese dienen gewissermaßen als Prüfgrößen bzw. Leitlinien auf der Suche nach Lösungsansätzen und schließlich weiterer Entscheidungen. Strategien ermöglichen es, das übergeordnete Ziel jenseits der Tagespolitik im Auge zu behalten und zielen auf die Entwicklung eines künftigen Zustandes, eben Raumentwicklung. Entwicklung meint Bewegung. Gesucht wird nicht nur das machbare Ziel, sondern der gangbare Weg. Eine überlegte und abgestimmte Strategie ist hier essenziell.

Unbestritten bedarf die Umsetzung und Durchsetzung einer Strategie ein gewisses Maß an Macht und Möglichkeiten, wobei die Palette letzterer keine geringe ist. Mit ei-nem angemessenen Maß an Kooperation und Verhandlungswillen lässt sich diese Band-breite noch deutlich erweitern. Es ist keine überraschend neue Feststellung, dass die Umsetzung raumplanerischer Vorstellungen immer bedeutet, Koalitionen einzugehen, Kompromisse zu finden und unter Umständen „das Pferd von hinten aufzuzäumen“ – also den berühmten Blick über den Tellerrand nicht zu scheuen.

Arbeiten in der Raumplanung bedürfen einer Offenheit für den Rollen- und Arbeitge-berwechsels – dieser ist sogar notwendig. Die in der Planung herrschende „verteilte Macht“ und deren Sicht auf Inhalte ist häufig Teil der persönlichen Biografie und gera-de für uns Planer einer jüngeren Generation erlernte Selbstverständlichkeit. Wir haben in unserem Studium und beruflichen Werdegang keine anderen Zustände vermittelt be-kommen oder erlebt. So ist die Zusammenarbeit in Netzwerken bereits Realität und mit einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit sind unter den Netzwerk-Mitgliedern bspw. auch Juristen oder Informatiker. Für die Zukunft gilt es, stärker als bisher das

1 Der vorliegende Text stellt einige Gedanken aus der laufenden Arbeitsgruppe „Strategien zukünftiger Raument-wicklung in Baden-Württemberg“ der LAG BW vor und will mit pointierten Aussagen zur Diskussion anregen; er erhebt deshalb weder den Anspruch der Vollständigkeit noch einer strengen Wissenschaftlichkeit.

Know-how aus der Praxis, das Wissen der forschenden Stellen (Institute, Hochschulen), die Handlungsweisen der Privatwirtschaft und der Planungsbehörden zu vernetzen und zu nutzen. Diese stärkere Vernetzung des Arbeitens bedarf auch neuer bzw. geänderter Formen der Arbeit. Nur am Rande soll hier der Einsatz der neuen Medien erwähnt wer-den, der längst zu den grundlegenden Handwerkszeugen gehört. Aber auch hier heißt es, diese noch gezielter im Hinblick auf neue Herangehensweisen in der Raumplanung wei-terzuentwickeln. Insbesondere zur oben angesprochenen besseren Vernetzung innerhalb der Raumplanerzunft sind bspw. Internetplattformen unverzichtbare Kommunikations-zentren. Dabei ist zwischen ihrem (taktischen) Einsatz im Tagesgeschäft und der strate-gischen Raumentwicklung zu unterscheiden.

Wir gehen woher wir kommen ...

Aus der oben angesprochenen eigenen Flexibilität resultiert zum einen die „permanen-te“ Bereitschaft, neue – auch unkonventionelle – Wege zu suchen und zu beschreiten.

Sie bedingt aber auch die kritische Selbstreflexion und die Überprüfung des eigenen Standpunkts – unverzichtbare Grundlagen für eine Weiterentwicklung auch der eigenen Zunft. Denn Organisation und Zuständigkeiten, die „Hülle“ der Raumplanung, werden sich in Zukunft weiter verändern (siehe auch Aufruf des Jungen Forums der ARL

„Raumplanung ist Chefsache!“2). Hier ist eine offene Diskussion aller gefordert. Die Raumplanung – und insbesondere die Generation der jüngeren Planer – muss sich hier aktiv einbringen und so versuchen, zukünftige Aufgabenfelder ein Stück weit mitzube-stimmen.

Notwendiger denn je wird es aus Sicht der Autoren sein, sich auf die viel zitierten

„Kernkompetenzen“ der Raumplanung (Querschnittsorientierung, Raumbezug, Koordi-nation raumwirksamer Tätigkeiten, Interessenausgleich und Vernetzung von Akteuren und Aktivitäten usw.) zu konzentrieren. Wer alles koordinieren will, koordiniert am Ende nichts. Denn sich nur soweit am räumlichen Geschehen zu beteiligen, als dies zur Klärung und zur Lösung komplexer Probleme beiträgt, meint auch, seine Kernkompe-tenzen noch gezielter und zielführender einsetzen zu können. Dies bedingt auch, Raum-planung als „Produkt“ zu positionieren und ihre Lösungs- und Handlungsrelevanz für Betroffene – ja sogar Käufer – darzustellen. Diese Marktgängigkeit von Raumplanung bzw. Vermarktung von Raumplanung ist Teil der persönlichen Biografie gerade vieler junger Planer und sie sind deshalb besonders nah (manchmal auch gezwungenermaßen zu nah) an der Vermarktung der eigenen Person und Profession. Dies umfasst nicht nur den inzwischen schon typischen Berufseinstieg über (unbezahlte) Praktika und befriste-te Projektverträge.

Die skizzierte Handlungs- und Produktorientierung der Raumplanung bedingt eine Weiterentwicklung in Richtung Raum-Management bzw. Prozessmanagement, das auf taktischer und strategischer Ebene arbeitet. Im Sinne des lat. manum agere – „an der Hand führen, leiten“ – kann die Raumplanung durch das Aufzeigen der räumlichen Wir-kung von Entwicklungen aktive Politikberatung betreiben. Es wird wichtiger denn je, Zukunftsszenarien aufzuzeigen, aber auch ungesteuerte raumwirksame Prozesse zu er-kennen und zu kontrollieren und aktiv gestaltend einzugreifen. Raumplaner sind Für-sprecher des (Lebens-)Raumes, das gilt es mehr denn je darzustellen.

Dabei kommt einer Vernetzung der unterschiedlichsten Akteure (innerhalb und au-ßerhalb der eigenen Profession) eine besondere Bedeutung zu, die immer stärker Nor-malität werden muss. Die Raumplanung verfügt über die Verfahren und die Erfahrung,

2 Nachrichten der ARL 4/2004, S. 1–3.

Ein Blick junger Planerinnen und Planer auf unsere Profession

Wege zur Problemlösung aufzuzeigen, gerade wenn unterschiedliche oder gar wider-sprüchliche Interessen bestehen.

... aber wir gehen nicht zurück!

Der Wandel der Aufgaben, Zuständigkeiten und Arbeitsweisen unserer Profession be-dingt eine verstärkte Auseinandersetzung mit den spezifischen Denk- und Handlungs-weisen von Politik, Verwaltung und Privatwirtschaft. Er wird zum einen vollzogen von Planern mit ihrer Ausbildung und ihren Biografien, zum anderen von den Organisatio-nen. Letztere werden sich verstärkt zu Lernenden entwickeln müssen, damit das pro-jektorientiert erworbene Wissen die Organisation selbst (und damit die Profession) qua-lifiziert und nicht nur den einzelnen Mitarbeiter. Denn dieses Wissen ist häufig wegen der Befristung von Projektverträgen einem fortwährenden Wechsel unterzogen, es steht somit nur begrenzt zur Verfügung oder muss teilweise mühsam neu generiert werden.

Dieser Wandel in der Auseinandersetzung mit den spezifischen Denk- und Handlungs-weisen und der Anpassung der Organisationen der Raumplanung ist eine strategische Aufgabe für unsere Profession.

Die LAG-Leiter und ihre Zeit – Die letzten zwei