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3.4 Darstellung und Diskussion der Ergebnisse

3.4.1 Quantifizierung der Exothermie

Die Ergebnisse der quantitativen Bestimmung mit diesem Versuchsaufbau und der gewählten Auswertungsmethode sind in Tabelle 3.1 dargestellt. Die gemessene Re-aktionswärme liegt innerhalb der theoretisch hergeleiteten, maximal möglichen Exo-thermie (vgl. Tabelle 2.3) und ist somit konsistent. Der deutliche Unterschied zu den theoretischen Werten von bis zu 40% weniger Wärmefreisetzung lässt sich durch Ne-benprodukte (wie z. B. organische Säuren, CO und CH4) und unvollständig reagierte Zwischenprodukte (wie z.B. Kohlenhydrate und HMF) erklären. Darüber hinaus ist die Reaktionsintensität der gewählten Referenzbedingungen geringer als die für die theoretisch hergeleiteten Werte angenommene. Theoretisch müsste allein dadurch die Exothermie geringer sein (dies wird auch am Ende dieses Kapitels näher diskutiert).

Aufgrund der geringen Probenmenge war eine Elementaranalyse der entstandenen HTC-Kohle leider nicht möglich, so dass weder der Grad der Karbonisierung festge-stellt noch eine theoretische Berechnung der Wärmetönung nach dem Satz von Hess (vgl. Gleichung (2.18)) durchgeführt werden konnte.

Der Wassergehalt der Edukte wurde zu 9,0% für Glucose, 8,6% für Cellulose und 4,6% für das Holz bestimmt.

Die Wärmetönung von Cellulose ist im Rahmen der Messungenauigkeit gleich der

von Glucose. Aufgrund der endothermen Hydrolyse, die bei der hydrothermalen Behandlung von Cellulose auftritt (s. auch Abschnitt 2.3.2), sollte das Ergebnis ei-gentlich niedriger sein. An anderer Stelle wurde die Wärmetönung von Hydrolyse experimentell zu 3,8 J/molcellulose abgeschätzt (Kunihisa u. Ogawa, 1985). Dies ent-spricht einer Wärmemenge von ca. 20 J/gcellulose und liegt damit deutlich unter der Standardabweichung der hier durchgeführten Messungen. Somit ist es nicht zuläs-sig, einen Unterschied der hier gemessenen Wärmetönung von Glucose und Cellulose durch Hydrolyse zu erwarten.

Erwartungsgemäÿ liegt die Wärmemenge, die bei der hydrothermalen Karbonisie-rung von Holz freigesetzt wird, deutlich unter der von reiner Glucose und Cellulose (≈-25%). Dies lässt sich durch den Anteil an Lignin im Holz erklären. Lignin erfährt im Vergleich zu Cellulose eine relativ geringe Karbonisierung unter hydrothermalen Bedingungen (vgl. Abbildung 2.10). Entsprechend geringer muss auch die Exother-mie sein.

Auällig ist jedoch die hohe Standardabweichung der Ergebnisse von Holz, die ab-solut rund doppelt so hoch ist wie für die Versuche mit Glucose und Cellulose. Dies kann nicht mit dem Messverfahren erklärt werden. Oensichtlich ist die Heterogeni-tät der Biomasse zu hoch, um im Milligrammbereich repräsentative Probemengen zu erhalten. Dies wurde durch einige Versuche mit Lignin überprüft und dessen Wärme-tönung zu−550J/gdaf mit einer Standardabweichung von 120J/gdaf bestimmt. Da diese Exothermie noch unterhalb der von Holz liegt, wird die Vermutung bestätigt, dass die erhöhte Schwankungsbreite der Ergebnisse von Holz auf unterschiedliche Anteile von Lignin und Cellulose in der jeweils untersuchten Probe zurückzuführen ist.

Die Wärmetönung einer einzelnen chemischen Reaktion muss bei gleichem Umsatz unabhängig von den gewählten Prozessparametern sein, sofern hierdurch die Pro-duktverteilung unbeeinusst bleibt. Aufgrund des komplexen Reaktionsnetzwerks, das bei der hydrothermalen Karbonisierung auftritt, ist es jedoch möglich, dass durch veränderte Reaktionsbedingungen auch Änderungen in der Produktverteilung auf-treten. Bei geringerer Reaktionsintensität ist aufgrund einer anderen Zusammenset-zung der HTC-Kohle auch eine andere Wärmetönung zu erwarten. Grundsätzlich drückt sich dieser Zusammenhang auch im Modell gemäÿ Gleichung (2.6) aus. Kom-pliziert wird das Problem dadurch, dass sich bei der hydrothermalen Karbonisierung nicht eindeutig zwischen geänderter Produktverteilung und Umsatz unterscheiden lässt. Kalorimetrische Messungen sind ohnehin für gewöhnlich ungeeignet, solche

Änderungen festzustellen, da nur in seltenen Fällen Wärmeeekte einem bestimm-ten Reaktionsverlauf zugeordnet werden können. Die vergleichsweise hohe Unge-nauigkeit der hier durchgeführten Messungen verschärft dieses Problem, da geringe Änderungen nicht zuverlässig gedeutet werden können. Tatsächlich sind die Än-derungen der Wärmetönung bei der Erhöhung der Temperatur und der Beladung noch im Bereich der Ungenauigkeit des Messverfahrens (d. h. ≤ σref, s. Tabellen 3.2 und 3.3). Anders ist dies bei einer Erniedrigung der Temperatur auf 180C, der Verwendung von Essig- und Ameisensäure und Zitronensäure bei pH 1,5. Die aus den jeweils drei Wiederholungsversuchen ermittelte Wärmetönung weicht bei diesen veränderten Prozessbedingungen mit einem Signikanzniveau von >95% von den Referenzbedingungen ab (einseitiger Gausstest gemäÿ Gleichung (3.16)).

Glucose # 1 # 2 # 3 Abweichung vom Ergebnis

der Referenzversuche

min max

[J/gdaf] [J/gdaf] [J/gdaf] [J/gdaf] [J/gdaf]

180C -420 -30 -210 4,00σref 6,44σref

Beladung 1:2 -900 -1000 0,38σref 1,00σref

Beladung 1:1 -950 -1000 0,38σref 0,69σref

pH 1,5 (Zitronens.) -1420 -1880 -2170 2,25σref 6,94σref

Tab. 3.2: Ergebnisse der DSC Messungen hydrothermaler Karbonisierung von Glucose bei der Variation von Parametern im Vergleich zu den Referenzbedingungen (systematische Fehler wurden korrektiv berücksichtigt)

Die gemessene Exothermie bei niedrigerer Temperatur (180C) ist deutlich gerin-ger als die bei Referenzbedingungen. Sie weicht nicht statistisch signikant von der Gerätekennlinie ab. Als Ursachen für den beobachteten Unterschied in der Reakti-onswärme können also verschiedene Gründe herangezogen werden:

• Es hat keine Reaktion stattgefunden.

• Aufgrund der Versuchsdurchführung wurde die Wärmemenge nicht erfasst.

• Durch die geringere Temperatur hat sich das Reaktionsnetzwerk dahingehend verschoben, dass ein anderes Produkt entstanden ist (wodurch sich die Wär-metönung geändert hat).

Ersteres kann ausgeschlossen werden, da nach dem Önen der Kapsel ein schwarzer Feststo festgestellt wurde. Es hat also zumindest insoweit eine Reaktion

stattge-funden, dass nicht nur Polyreaktionen, sondern auch Dehydratisierung und Decar-boxylierung stattgefunden hat. Dies sind die Reaktionsmechanismen, die mit der Freisetzung von Reaktionswärme in Verbindung gesetzt werden müssen.

Das Messsignal war über eine Gröÿenordnung geringer als bei den Referenzbedingun-gen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass der Beitrag der durch die Begrenzung des Integrationsintervalls nicht erfassten Fläche gestiegen ist. Zusätzlich läuft die Reak-tion deutlich langsamer ab, so dass die Versuchsdauer von 10h nicht ausreicht, um zu einem Reaktionsende zu kommen. Über den Reaktionsumsatz nach Ruyter (1982) des mittleren Reaktionsendes bei Referenzbedingungen (f(240 C,190 min)≈0,22) lässt sich für 180 C eine Reaktionsdauer von fast 30 h berechnen. Selbst wenn die Gültigkeit dieses Reaktionsumsatzes noch nicht eindeutig belegt ist, so zeigt er auch als grobe Abschätzung den Einuss der Verlängerung der Reaktionsdauer.

Dies kann sich signikant auf das Messergebnis auswirken, da der zweite Durchlauf mit theoretisch ausreagierter Probe vom ersten abgezogen wird. Tauchen im zwei-ten Durchlauf Wärmeeekte auf, beeinussen sie die Messwerte negativ. Auf dieser Basis muss das Messergebnis grundsätzlich angezweifelt werden. Es lässt sich also kein Schluss ziehen, ob durch die geringere Temperatur auch tatsächlich weniger Exothermie entsteht.

Ob aufgrund der geringeren Temperatur auch eine andere HTC-Kohle hergestellt wurde, konnte leider nicht überprüft werden, da die Probemenge zu gering für eine Elementaranalyse war. Auf Basis der oben genannten Unsicherheit durch den Abzug des zweiten Durchlaufs kann dies aber weder bekräftigt noch widerlegt werden.

Cellulose # 1 # 2 # 3 Abweichung vom Ergebnis

der Referenzversuche

min max

[J/gdaf] [J/gdaf] [J/gdaf] [J/gdaf] [J/gdaf]

260C -1170 -1070 -1010 0 0,91σref

Beladung 1:2 -1070 -980 0 0,82σref

Beladung 1:1 -1060 -1000 0,09σref 0,64σref

pH 3 (Essigs.) -850 -880 -850 1,73σref 2,00σref pH 3 (Ameisens.) -850 -900 -950 1,10σref 2,00σref pH 1,5 (Zitronens.) -1720 -1370 -1250 1,64σref 5,91σref

Tab. 3.3: Ergebnisse der DSC Messungen hydrothermaler Karbonisierung von Cellulose bei der Variation von Parametern im Vergleich zu den Referenzbedingungen (systematische Fehler wurden korrektiv berücksichtigt)

Die Exothermie beim Einsatz von Essig- und Ameisensäure liegt ebenfalls unterhalb der bei Referenzbedingungen gemessenen. Qualitativ ist der Verlauf und die Dau-er dDau-er Wärmeeekte jedoch vDau-ergleichbar. Somit können diese Ergebnisse nur mit einer verringerten Freisetzung von Wärme begründet werden. Es muss sich also et-was am Verlauf der Reaktion und/oder ihr Umsatz geändert haben. Weiterführende Ergründungen sind im Rahmen der kalorimetrischen Messungen nicht möglich. Es wird daher an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass zumindest Ameisensäure ein Nebenprodukt der hydrothermalen Karbonisierung ist (Gerhardt u. a., 2010; Yan u. a., 2010). Durch die Zugabe von Ameisensäure könnte daher das Reaktionsgleich-gewicht verschoben und die Reaktion vermindert werden.

Bei der Verwendung von Zitronensäure (pH 1,5) wird die gemessene Exothermie deutlich gröÿer. Diese Abweichung der Reaktionswärme ist überraschend, da Zitro-nensäure eigentlich katalytisch wirksam sein soll (Titirici u. a., 2007c). Katalysatoren ändern jedoch nicht den Reaktionsverlauf, sondern verringern lediglich die Aktivie-rungsenergie der Reaktion; die Reaktionswärme muss also unverändert bleiben. Als Ursachen für den beobachteten Unterschied in der Reaktionswärme können verschie-dene Gründe herangezogen werden:

• Durch die schnellere und heftigere Reaktion (s. auch Abbildungen 3.15 und A.6) werden Wärmeeekte, die unter anderen Bedingungen im Messrauschen verschwinden würden, besser erfasst.

• Es handelt sich nicht um eine reine Katalyse, sondern um eine Veränderung des Reaktionsnetzwerks, die zu unterschiedlichen Produkten führt.

• Durch Zersetzung der eingesetzten Zitronensäure wird die Exothermie erhöht.

Durch einen Vergleich der Ergebnisse bei einer Integration über 10 h mit der hier angewandten Begrenzung der Integration auf signikante Abweichungen vom Mess-rauschen wird deutlich, dass die daraus folgenden Änderungen in der ermittelten Wärmetönung auf die Ungenauigkeit des Messverfahrens zurückzuführen ist (s. Ka-pitel 3.4.3). Diese liegt in der Gröÿenordnung von<100J/gdaf, also noch innerhalb der Standardabweichung der Messungen. Wenn hierdurch fortschreitende Wärme-entwicklung überdeckt wird, so muss diese WärmeWärme-entwicklung<< σref sein. Daher kann die Änderung in der Wärmetönung durch Zugabe von Zitronensäure mit einem pH von 1,5 nicht durch eine verbesserte Messung von ansonsten im Messrauschen verschwindenden Wärmeeekten begründet werden.

An anderer Stelle wurde bereits der Unterschied der Reaktionsmechanismen der Hy-drolyse von Cellulose unter sauren und neutralen Bedingungen hervorgehoben und eine Grenze zwischen diesen Bedingungen bei pH 3 gezogen (Bobleter, 1994). Auch bei den vorliegenden Versuchen ist es auällig, dass die eingesetzten Säuren (in-kl. Zitronensäure) bei pH 3 zu keinen zuverlässig interpretierbaren Abweichungen führten; sehr wohl aber bei pH 1,5. Aufgrund der geringen Probenmenge ist eine weitergehende Untersuchung der Produktfraktionen nicht möglich gewesen, so dass diese Vermutung nicht näher untersucht werden konnte.

Die durch die Zersetzung von Zitronensäure freigesetzte Wärme wurde durch Ver-gleichsmessungen überprüft. Sie liegt in der Gröÿenordnung von 100J/gsäure und liefert eine mögliche Erklärung für die zusätzlich freigesetzte Wärmemenge. Diese Zersetzungswärme müsste jedoch auch einen wenn auch geringeren Peak bei den Versuchen bei pH 3 hervorrufen, was nicht beobachtet werden konnte. Auch oen bleibt die Frage, inwieweit Säure noch eektiv katalytisch wirksam sein kann, die sich unter Reaktionsbedingungen zersetzt. Weitere Forschung zur Wirkung von Säuren auf die hydrothermale Karbonisierung erscheint dringend angebracht. Im Rahmen der hier durchgeführten kalorimetrischen Messungen ist dies nicht möglich. Dadurch konnte auch keine Erklärung der beobachteten Eekte gefunden werden.